Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-102475/11/Br/Bk

Linz, 02.03.1995

VwSen-102475/11/Br/Bk Linz, am 2. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn J, vertreten durch die Rechtsanwälte Dres.

gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 7.

Dezember 1994, Zl. VerkR3/714/1993/Be/Ne, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 2. März 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1, § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 666/1993 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 7. Dezember 1994, Zl.

VerkR3/714/1993/Be/Ne, über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 99 Abs.3 lit.a iVm § 23 Abs.4 StVO 1960 eine Geldstrafe von 400 S und für den Nichteinbringungsfall 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 3.2.1993 gegen 16.40 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen auf der Kindergartenstraße am östlichen Straßenrand auf Höhe des Kindergartens abgestellt und er dabei die linke vordere Fahrzeugtür geöffnet habe, wodurch der Lenker des Pkw zum Abbremsen genötigt worden sei, obwohl die Tür des Fahrzeuges so lange nicht geöffnet werden darf, als dadurch andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden können.

2. Begründend führte die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß die Übertretung durch die Aussage des Zeugen W erwiesen sei. Dieser Zeuge habe glaubwürdig angegeben, daß der Berufungswerber vorerst die Fahrzeugtür bereits geschlossen gehabt hätte. Der Zeuge habe sich sodann zur Vorbeifahrt entschieden, wobei als er sich etwa auf der gleichen Höhe befand die Tür wieder einen Spalt geöffnet worden sei und er dadurch in der Befürchtung, daß die Tür zur Gänze geöffnet werden könnte, sein Fahrzeug abgebremst habe und dabei leicht ins Schleudern geraten sei.

Die Erstbehörde ging von einer Öffnung der Tür im Ausmaß von 10 cm aus.

2.1. In der direkt beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich fristgerecht eingebrachten Berufung führt der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter aus wie folgt:

"In außen näher bezeichnetem Verwaltungsstrafverfahren erhebt der Einschreiter gegen das Straferkenntnis des BH Wels-Land, VerkR3/714/1993 Be/Ne vom 7.12.1994, den ausgewiesenen Vertretern zugestellt am 13. 12.1994 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der BERUFUNG an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Einschreiter, er habe am 3.2.1993 gegen 16.40 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der Kindergartenstraße am östlichen Straßenrand auf Höhe des Kindergartens im Ortsgebiet von Marchtrenk abgestellt, wobei er die linke vordere Fahrzeugtür öffnete, wodurch der Lenker des PKW zum Abbremsen genötigt wurde, obwohl die Tür des Fahrzeuges so lange nicht geöffnet werden darf, als dadurch andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden können, zu einer Geldstrafe von S 400,-- und zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von S 40,--, verurteilt.

Diese Geldstrafe wurde gemäß § 99 Abs 3a StVO 1960 ausgesprochen, was für sich alleine bereits rechtsirrig ist.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte der § 99 Abs.4 lit. i als die im Sinne des § 44a lit. c VStG (gemeint wohl Z3) anzuführende gesetzliche Bestimmung herangezogen werden müssen.

Dem angefochtenen Straferkenntnis fehlt jedoch überdies die erforderliche gesetzliche Konkretisierung im Hinblick auf die erforderlichen Tatbestandsmerkmale. So Iäßt sich weder die Fahrt- bzw Abstellrichtung des PKWs des Einschreiters entnehmen, noch, wie weit dieser die linke vordere Fahrzeugtür geöffnet hat.

Nur bei derartigen Feststellungen hätte beurteilt werden können, ob eben tatsachlich der Einschreiter den Lenker des PKW zum Abbremsen genötigt hat.

Die Behörde I. Instanz hat überdies Beweisanträge nicht erledigt. So hat der Einschreiter in seiner letzten Stellungnahme vom 15.12. 1993 ausdrücklich die Anfertigung einer maßstabgerechten Skizze über den Ort des Vorfalles, an dem der Zeuge W angeblich zum Ablenken veranlaßt wurde, beantragt. Bei Einholung einer derartigen Skizze im Zusammenhang mit den ebenfalls beantragten weiteren Einvernahmen der Zeugen C und P hätte sich ergeben, daß der Einschreiter den Zeugen W nicht zum Ablenken veranlaßt hat.

Der Einschreiter hat zugestanden die Fahrzeugtür lediglich einen Spalt von höchstens 10 cm geöffnet zu haben. Mangels entgegenstehender Beweisergebnisse ist zu Gunsten des Einschreiters von diesem Wert auszugehen.

Anläßlich der zeugenschaftlichen Einvernahme am 2.11.1993 gab der Zeuge W an, daß er beim Vorbeifahren einen Abstand von ca. 1/2 m einhielt, als der Einschreiter die Autotür öffnete, der Einschreiter ist jedoch nicht ausgestiegen, sondern fuhr als er mit ihm ziemlich auf gleicher Höhe war, weg. Zum selben Thema befragt gab der Zeuge P anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 4. 8. 1993 an, daß der Einschreiter die Fahrzeugtüre öffnete, als W mit seinem PKW auf Höhe der Fahrzeugtür war und deshalb ablenken und abbremsen mußte.

Diese Aussagen lassen sich keinesfalls in Einklang bringen, nach den Angaben des Zeugen W ist der Einschreiter weggefahren, als sich W mit seinem PKW etwa auf gleicher Höhe befand, nach den Angaben des Zeugen P hat der Einschreiter seine Fahrzeugtüre geöffnet, als W mit seinem PKW auf gleicher Höhe war.

Es ist also keinesfalls so, daß die Angaben der Zeugen detailliert widerspruchsfrei und glaubwürdig sind, vielmehr sind diese Angaben keinesfalls miteinander in Einklang zu bringen. Bei richtiger Beweiswürdigung hatte daher die Behörde diese Widersprüche festzustellen gehabt, sodaß bei richtiger Würdigung dieser Widersprüche davon auszugehen gewesen wäre, daß eben diese Aussagen so widersprüchlich sind, daß eine Verurteilung des Einschreiters darauf nicht gestützt werden kann. Dies hätte zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens führen müssen.

Ganz abgesehen davon hat die Behörde im angefochtenen Straferkenntnis (S 2 und 3) festgestellt, daß der Einschreiter die Türe einen Spalt aufmachte, als der Zeuge W auf selber Höhe mit seinem Fahrzeug war. Dies würde bedeuten, daß der Zeuge von seiner Sitzposition aus in einem Winkel von 90 Grad frontal auf die Fahrzeugtür des Einschreiters geblickt hat. Es ist ihm hier einerseits nicht zuzumuten festzustellen, ob und in welchem Ausmaß die Fahrzeugtüre geöffnet wird, andererseits ist davon auszugehen, daß bereits nach Sekundenbruchteilen der Zeuge örtlich am Fahrzeug des Einschreiters vorbeigefahren ist, sodaß auch hieraus begrifflich keine Gefährdung abgeleitet werden kann. Abzustellen ist nicht auf einen subjektiven falschen - Eindruck, sondern auf eine objektive Gefährdung.

Daß eine objektive Gefährdung bei einem Öffnen eines Spaltes von 5 bis 10 cm auf Höhe genau des vorbeifahrenden Fahrzeuges nicht gegeben ist, liegt auf der Hand.

Aus all diesen Gründen stellt daher der Einschreiter den Antrag:

Der Unabhängige Verwaltungssenat möge dieser Berufung Folge geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufheben.

Linz, 27. Dezember 1994 J." 3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, ist der Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Zumal auch Tatsachenfragen bestritten wurden, war eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt, Zl. VerkR3/714/1993/Be/Ne.

Ferner durch die Vernehmung des C als Zeugen und des Berufungswerbers als Beschuldigten im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

5. Nachfolgender Sachverhalt gilt als erwiesen:

5.1. Der Berufungswerber hat am 3. Februar 1993 gegen 16.40 Uhr sein Enkelkind vom Kindergarten Marchtrenk abgeholt.

Sein Fahrzeug habe er gegenüber dem Kindergarten auf der etwa acht Meter breiten Straße parallel zum rechten Fahrbahnrand abgestellt. Im Verlaufe des Verbringens des Kindes in das Fahrzeug hat sich der unmittelbar schräg hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers anhaltende Zeuge W an der Weiterfahrt behindert gefühlt. Dies brachte er durch Hupen und nach entsprechender Erwiderung seines Gegners durch Zeigen des gestreckten Mittelfingers zum Ausdruck. Bis zum Wegfahren des Berufungswerbers blieb der Zeuge hinter dessen Fahrzeug stehen und fuhr schließlich mit geringer Geschwindigkeit und im Abstand von ca. einem Meter am Fahrzeug des Berufungswerbers vorbei. Als sich der Zeuge mit seinem Fahrzeug etwa auf der Höhe "Tür an Tür" befand, öffnete der Berufungswerber aus nicht geklärtem Grund für einen Moment die Fahrertür im Ausmaß von ca. 10 cm. Vor der etwa fünfzehn Meter weiter vorne gelegenen Kreuzung schnitt der Zeuge W das Fahrzeug des Berufungswerber und zwang ihn durch Schrägstellen seines Fahrzeuges zum Anhalten. Beendet wurde diese Konfrontation unter Verkehrsteilnehmern mit gegenseitigen Anzeigen wegen diverser Verwaltungsübertretungen.

5.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die Aussage des Berufungswerbers und nicht zuletzt auch auf jene des Zeugen W. Demnach steht fest, daß es hier zu einer, insbesondere auf der Seite des Zeugen W gelegenen, unverständlichen Intoleranz im Straßenverkehr gekommen ist, welche zuletzt darin gipfelte, daß er das Fahrzeug des Berufungswerbers durch ein "Schneiden" und folgliches Querstellen seines Fahrzeuges vor dem des Berufungswerbers diesen zum Anhalten zwang. Das Öffnen der Fahrzeugtür, sei dieses allenfalls darin begründet gewesen, daß die Tür nicht zur Gänze geschlossen war, stellte jedenfalls keine Beeinträchtigung des offenbar vorerst das Wegfahren des Berufungswerbers abwartenden Zeugen W dar. Dies wäre schon deshalb nicht möglich, weil das Öffnen der Fahrzeugtür von 10 cm eine Vorbeifahrt im Abstand von einen Meter nicht im geringsten beeinträchtigen konnte. Ausgeschlossen ist auch, daß das vom Zeugen behauptete dadurch veranlaßte Abbremsen zu einem Schleudern geführt haben konnte. Dem widerspicht jede Logik dahingehend, daß es nicht erklärbar wäre, daß ein bei geringer Fahrgeschwindigkeit abgebremstes Fahrzeug, plötzlich bereits nach fünfzehn Meter vor das Fahrzeug des Berufungswerber gelangt sein könnte.

Die von Anfang an gleichlautende Verantwortung des Berufungswerbers entspricht diesbezüglich vielmehr den Denkgesetzen und ist somit als glaubwürdig der Wahrheit entsprechend zu erachten gewesen. Es darf wohl nicht übersehen werden, daß hier die Aggression vom Zeugen W ausgegangen ist.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat nachfolgendes erwogen:

6.1. Nach § 23 Abs.4 StVO 1960 dürfen die Türen eines Fahrzeuges so lange nicht geöffnet werden und auch nicht geöffnet bleiben, als dadurch andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden können.

Mit dem hier festgestellten Öffnen einer Fahrzeugtür konnte jedoch keine Gefährdung oder Behinderung eines anderen Straßenbenützers einhergehen. Bei sinnvoller Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmung kann ein Öffnen einer Fahrzeugtür von etwa zehn Zentimeter dann keine Gefährdung oder Behinderung ergeben, wenn beide Fahrzeuge nur langsam fahren. Umso weniger trifft dies zu, wenn sich das im Abstand von einem Meter vorbeifahrende Fahrzeug zum Zeitpunkt des Öffnens der Tür bereits auf gleicher Höhe befand.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum