Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400011/3/Gu/Bf

Linz, 03.05.1991

VwSen - 400011/3/Gu/Bf Linz, am 3. Mai 1991 DVR.0690392 - & - Kaya Telli, Schubhaftbeschwerde

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Einzelmitglied Vizepräsident W.Hofrat Dr. Hans Guschlbauer über die Beschwerde der K wegen der behaupteten Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung im Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Linz über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land nach der am 23. April 1991 in Gegenwart der Beschwerdeführerin und ihres Vertreters RA, sowie im Beisein des Dolmetschers und der Schriftführerin durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 5 a Abs.1 und Abs.6 des Fremdenpolizeigesetzes BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl.Nr. 21/1991 (FrPG) i.Z. mit § 67 c Abs.3 AVG.

II. Die Beschwerdeführerin hat die der Behörde erwachsenen Barauslagen, welche durch die Zuziehung des Dolmetschers erwachsen sind, im Betrage von S 678,-binnen zwei Wochen an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, Linz, Fabrikstraße 32, zu bezahlen.

Rechtsgrundlage:

§ 76 Abs.1 AVG Entscheidungsgründe:

Die Beschwerdeführerin macht in ihrer am 16. April 1991 beim unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich eingelangten und auf § 5 a FrPG gestützten Beschwerde geltend, daß sie am 11. April 1991 von Gendarmeriebeamten über Veranlassung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land festgenommen worden sei und seither im Polizeigefangenenhaus Linz in Schubhaft angehalten werde. Sie sei eine 29-jährige türkische Staatsangehörige, die mit einem Türken, der sich in der Heimat befinde, verheiratet sei. Die gemeinsamen 2 Kinder hielten sich ebenfalls in der Türkei auf.

Sie besuche derzeit in Westeuropa Verwandte. Nach einem Besuch in Holland sei sie in Österreich eingereist, wofür ihr ein Visum beim Generalkonsulat in Istanbul ausgestellt worden sei. Sie sei ordentlich in Bregenz gemeldet gewesen. Nach Verlust ihres Reisedokumentes habe ihr das türkische Konsulat in Bregenz einen neuen Reisepaß ausgestellt, der jedoch kein Visum enthielt. Ihr sei dieser Umstand - da sie Analphabetin sei - nicht aufgefallen.

Nachdem sie von Vorarlberg aus Verwandte in St. Pölten besucht habe, sei sie im Anschluß daran zu einem Verwandtenbesuch nach Linz gereist und beim Versuch, sich beim zuständigen Meldeamt in T anzumelden, sei entdeckt worden, daß ihr Paß kein Visum enthielt. Die Beschwerdeführerin werde angehalten, weil die belangte Behörde den Reisepaß unzutreffender Weise als eine Fälschung ansehe.

Eine Strafanzeige sei nicht erstattet worden.

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft sei rechtswidrig, weil diese nicht im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder deshalb notwendig erscheine, um ein unmittelbar befürchtetes strafbares Verhalten zu verhindern. Die Verwandten der Beschwerdeführerin seien bereit, für Unterbringung und Verpflegung zu sorgen, sowie eine allenfalls auferlegte Sicherheitsleistung zur Sicherung der Wiederausreise zu erlegen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes alleine rechtfertige noch nicht die Verhängung der Schubhaft.

Aus diesem Grunde beantragt die Beschwerdeführerin, der unabhängige Verwaltungssenat wolle die Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung in Schubhaft feststellen und die unverzügliche Freilassung anordnen.

Die belangte Behörde hat den Akt vorgelegt, ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und hat auch keine Stellungnahme (Gegenschrift) abgegeben.

Im Verfahren wurde Beweis erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23. April 1991, innerhalb der in den vorliegenden Verfahrensakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Sich-04/11437-1991, Einsicht genommen wurde und auf die Meldebestätigung der Gemeinde L vom 14.3.1991, sowie auf die fernmündliche Mitteilung des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom 18. April 1991 betreffend das Nichtvorliegen eines Sichtvermerkes vom österreichischen Generalkonsulat in Istanbul, Bezug genommen worden ist.

Darüber hinaus wurde die Beschwerdeführerin als Beteiligte vernommen.

Demzufolge ergibt sich für den O.ö. Verwaltungssenat folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin wurde am 11.4.1991 aufgrund eines mündlich verkündeten Bescheides - die schriftliche Ausfertigung erging am 16. April 1991 - von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zur Zahl Sich 04/11437-1991-Ho/Dä zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung in vorläufige Verwahrung genommen und im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land im Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Linz angehalten. Die belangte Behörde hat die freiheitsentziehende Maßnahme in ihrem Bescheid damit begründet, daß die Beschwerdeführerin keinen gültigen Sichtvermerk besitze, obwohl sie türkische Staatsangehörige sei und als solche unter die Sichtvermerkspflicht falle. Es bestehe der Verdacht, daß die Beschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrollvorschriften illegal nach Österreich eingereist sei und sich im Anschluß daran ohne gültigen Sichtvermerk im Bundesgebiet aufgehalten habe. Ferner bezweifelt die belangte Behörde die Echtheit des türkischen Reisedokumentes der Beschwerdeführerin, weil der Reisepaß am 22. September 1990 vom türkischen Generalkonsulat in Bregenz ausgestellt worden sei, obwohl die Beschwerdeführerin behauptete, daß sie erst vor ca. 4 Monaten in das Bundesgebiet eingereist sei.

Es habe die Beschwerdeführerin nicht nachweisen können, aus welchen Mitteln sie ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet bestreite, ihr Verhalten laufe der öffentlichen Ordnung zuwider und es sei zu befürchten, daß sie sich weiter ohne gültigen Wiedereinreisesichtvermerk im Bundesgebiet aufhalte.

Ferner sei zu befürchten, daß sie sich der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme entziehen werde und liege deshalb Gefahr im Verzuge vor.

Der der Festnahme und Anhaltung zugrundeliegende Bescheid ist vollstreckbar.

Fest steht, daß der Zuzug der Beschwerdeführerin vom 20.9.1990 aus Wien in die L aufgrund der Meldebestätigung vom 14.3.1991 der Marktgemeinde L bescheinigt ist. Demnach erfolgte die Abmeldung vom letzterwähnten Wohnort am 14.3.1991.

Wann und wo und unter welchen Umständen die Beschwerdeführerin nach Österreich eingereist ist, bleibt im Dunkeln. Außer der vorerwähnten Anmeldung ist eine weitere Meldung während des Aufenthaltes in Österreich nicht bescheinigt, insbesondere auch nicht für den behaupteten Aufenthalt in St. Pölten. Der Versuch der Anmeldung in T erfolgte am 11.4.1991.

Obwohl gegenüber türkischen Staatsangehörigen für die Einreise nach Österreich Sichtvermerkspflicht besteht, ist die Beschwerdeführerin nicht im Besitze eines solchen.

Es liegt auch keine Verpflichtungserklärung von bestimmten Personen im Inland vor, für die Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin die Kosten zu übernehmen. Ob oder wieviel Geld sie bei der Einreise besaß, liegt ebenfalls im Dunkeln. Die Beschwerdeführerin, die sich als Analphabetin und nicht der deutschen Sprache mächtig bezeichnet, hat im Verfahren bekundet, in Österreich arbeiten zu wollen, um den in der Heimat verbliebenen Gatten und die zwei Kinder mit Geld unterstützen zu können. Eine Arbeitsbewilligung liegt nicht vor.

Bei der Würdigung der Beweise mußte der unabhängige Verwaltungssenat davon ausgehen, daß die Meldebestätigung der Marktgemeinde L als öffentliche Urkunde den Beweis erbringt, daß die Beschwerdeführerin zumindest seit 20.9.1990 in Österreich gemeldet und aufhältig ist. Anhaltspunkte, daß eine fremde Person unter dem Namen der Beschwerdeführerin die Anmeldung bewirkt hat, liegen nicht vor. Die Angaben der Beschwerdeführerin sind durch die öffentliche Urkunde widerlegt und als unrichtig erwiesen. Das gleiche gilt bezüglich der Angaben über das Vorliegen eines Sichtvermerkes für den befugten Aufenthalt im Inland. Die angesprochene Behörde für den Sichtvermerk hat dessen Ausstellung verneint. Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren wechselweise das Vorliegen eines Sichtvermerkes apodiktisch behauptet und später wieder in Frage gestellt. Aufgrund der klaren Aussage des Generalkonsulates in Istanbul über das Nichtvorliegen eines Sichtvermerkes, der der Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum einen befugten Aufenthalt in Österreich erlauben würde, sind die anders lautenden Angaben als unrichtig zu qualifizieren, wobei die Absicht nicht von der Hand zu weisen ist, sich mit den unrichtigen Angaben einen Aufenthalt in Österreich zu verschaffen.

Vom Vertreter der Beschwerdeführerin konnte glaubhaft dargetan werden, daß der vom türkischen Konsulat in Bregenz ausgestellte Reisepaß Gültigkeit besitzt. Dessen Ausstellungsdatum 20.9.1990 widerlegt ebenfalls die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie sei erst vor ca. 4 Monaten, also im Jänner 1991, nach Österreich eingereist.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes wurde erwogen:

Gemäß Art. 129 a Abs.1 Z. 3 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt, in sonstigen Angelegenheiten, die ihnen durch die, die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetze zugewiesen werden. Eine solche Zuweisung erfolgte durch § 5 a FrPG in der Fassung der Novelle BGBl.Nr.21/1991, wobei unter Einführung von Sonderbestimmungen die §§ 67 c bis 67 g AVG anzuwenden sind.

Gemäß Art. 1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr.684/1988 darf niemand aus anderen als den in dem zitierten Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Gemäß Art. 2 Abs.1 Z. 7 leg. cit, darf die persönliche Freiheit einem Menschen dann entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern. Dies erfordert gemäß § 5 FrPG einen vollstreckbaren individuellen Verwaltungsakt.

Nach § 5 a Abs.1 FrPG haben Personen, die in Schubhaft genommen oder angehalten werden, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber das Verfahren über die Vorstellung und die Anfechtung des der Anhaltung zugrundeliegenden Bescheides dem bisherigen administrativen Instanzenzug belassen (§ 11 Abs.2 FrPG).

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt zur Frage der Abgrenzung dieser Zuständigkeiten unter Hinweis auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter die Auffassung, daß er gemäß § 5 a Abs.1 FrPG i.V. mit Art. 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit 1988 und § 6 Abs.1 1.Satz AVG nicht nur zur Prüfung berufen ist, ob ein vollstreckbarer Titelbescheid vorliegt sondern, obwohl gegen den Schubhaftbescheid ohnedies ein Rechtsmittel im administrativen Instanzenzug erhoben werden kann, auch dazu, ob der, der freiheitsbeschränkenden Maßnahme zugrunde liegende Bescheid nicht offensichtlich gesetzlos, denkunmöglich oder willkürlich ist.

Die Prüfung der vorliegenden Beschwerde hat ergeben: Es liegen unrichtige Angaben bezüglich der Erteilung eines Sichtvermerkes vor, die Umstände der Einreise sowie des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich - mit Ausnahme der Zeit, die die Beschwerdeführerin in L verbrachte -, liegen im Dunkeln, es besteht nur die summarische Behauptung, die Verwandten in Österreich würden für Unterbringung und Verpflegung sorgen, die Beschwerdeführerin hat sich selbst als Analphabetin und nicht der deutschen Sprache mächtig bezeichnet und will dessen ungeachtet in Österreich ohne Aufenthalts- und ohne Arbeitsbewilligung Geld erwerben. Angesichts dieser Umstände erscheinen die Schlußfolgerungen der belangten Behörde, der Aufenthalt der Beschwerdeführerin gefährde die öffentliche Ordnung, und lasse durch den unerlaubten Aufenthalt unmittelbar weiteres strafbares Verhalten befürchten nicht denkunmöglich, offensichtlich gesetzlos oder willkürlich. Dies gilt auch für das gebotene Sicherungsinteresse und das sofortige Einschreiten wegen Gefahr im Verzug. Das Fremdenpolizeigesetz (und das Asylgesetz) baut auf Grund der Natur des Regelungsgegenstandes und der Distanz zum Heimatstaat wesentlich auf die Mitwirkung und die Angaben des Fremden vor den österreichischen Behörden auf und setzt deshalb auf ein besonderes Vertrauen. Ein Mißbrauch dieses Vertrauensverhältnisses - durch unrichtige Angaben stellt keinen geringfügigen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Sein Unrechtsgehalt wiegt gleich schwer, ungeachtet ob er von einer hochintelligenten oder einfältigen Person zu verantworten ist. Angesichts der in der Vergangenheit gelegenen Verdunkelungsmanöver bezüglich Einreise und Aufenthalt und der versuchten Irreführung der Behörden durch Vorgabe des Vorhandenseins eines Sichtvermerkes um sich den Aufenthalt zu erschleichen, konnten die von der Erstbehörde gezogenen Folgerungen bezüglich des Vorliegens von Gründen für die Durchführung eines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und bezüglich des Sicherungsbedürfnisses und des sofortigen Handlungsgebotes überzeugen.

Was die nicht bewiesene Fälschung des Reisedokumentes anlangt, ist festzuhalten, daß im Haftprüfungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat der zugrundeliegende Schubhaftbescheid in seiner Begründung nicht in jedem Punkt bestätigt gefunden werden muß. Entscheidend war, daß die gesetzlichen Erfordernisse in ihrer Zusammenschau den Spruch zu rechtfertigen vermögen. Insoweit blieb der Schubhaftbescheid für die Festnahme und Anhaltung für die oben erwähnte Beurteilung tragfähig.

Für die Klarstellung des Sachverhaltes im Sinne des § 57 AVG dient das ordentliche Verfahren, zu dessen Durchführung der unabhängige Verwaltungssenat weder als Erstbehörde, noch als Berufungsinstanz zuständig ist.

Zusammenfassend ist festzustellen:

Die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführerin stützt sich auf einen vollstreckbaren Bescheid. Eine offensichtliche Gesetzwidrigkeit oder Denkunmöglichkeit oder Willkür trat nicht zutage. Eine Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung im Sinne des § 5 a Abs.1 FrPG liegt nicht vor.

Bezüglich der Kostenentscheidung war von Belang, daß die Beschwerde über Antrag erfolgte. Ein Verschulden eines Beteiligten trat nicht zutage. Nachdem der unabhängige Verwaltungssenat auf keinen Amtsdolmetscher für die türkische Sprache greifen konnte, war ein nicht amtlicher Dolmetscher zuzuziehen. Die hiebei erwachsenen Barauslagen, die dem Gebührenanspruchsgesetz entsprechen, waren der Antragstellerin aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von 6 Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer 6

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