Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400015/3/Gf/Bf

Linz, 03.05.1991

VwSen - 400015/3/Gf/Bf Linz, am 3. Mai 1991 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Einzelmitglied Landesregierungsrat Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des G dzt. Polizeigefangenenhaus Linz, Nietzschestraße 33, 4010 Linz, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Perg zu Recht erkannt:

Der Beschwerdeführer ist durch die am 5.4.1991 erfolgte Festnahme und seitherige Anhaltung in Schubhaft nicht als in seinen Rechten verletzt anzusehen.

Die Beschwerde wird daher gemäß § 67c Abs.3 AVG als unbegründet abgewiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Nach den eigenen, niederschriftlich festgehaltenen Angaben des Beschwerdeführers ist dieser erstmals am 7.12.1990 von Sopron (Ungarn) kommend - ohne im Besitz eines gültigen Reisepasses und Sichtvermerkes zu sein unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist. Er wurde daraufhin noch am selben Tag von Organen der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt wegen des Verdachtes der Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Paßgesetzes und des Fremdenpolizeigesetzes festgenommen. Am 8.12.1990 wurde von den österreichischen Behörden seine sofortige Zurückschiebung veranlaßt, doch unterblieb eine Übernahme durch die ungarischen Grenzkontrollbehörden wegen fehlender Dokumente. In der Folge hat daher die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 11.12.1990, Zl. Fr 715/90, ein bis 11.12.1992 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen; dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 12.12.1990 zugestellt und ist am 28.12.1990 in Rechtskraft erwachsen. Aufgrund dieses Bescheides hat die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt am 14.1.1991 die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Rumänien - über ungarisches Staatsgebiet und mit den erforderlichen Dokumenten versehen - veranlaßt.

1.2. Der Beschwerdeführer nützte jedoch einen Zugsaufenthalt in Budapest, um sich wiederum nach Österreich abzusetzen. Am 16.1.1991 reiste er - neuerlich von Sopron kommend und ohne gültigen Reisepaß und Sichtvermerk - mit Unterstützung eines ungarischen Schlepperringes unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein. Er begab sich direkt in das Flüchtlingslager Traiskirchen, wo er noch am selben Tag um die Gewährung politischen Asyls ansuchte und am 17.1.1991 in die Bundesbetreuung übernommen wurde. In der Folge wurde er im Gasthaus in (Bezirk Perg) untergebracht.

1.3. Mit Bescheid vom 27.3.1991, Zl. FrA-773/91, sprach die Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Oberösterreich aus, daß der Beschwerdeführer nicht als Flüchtling iSd Asylgesetzes anzusehen und er daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 5.4.1991 durch die Bezirkshauptmannschaft Perg zugestellt. Gleichzeitig hat die Bezirkshauptmannschaft Perg mit dem dem Beschwerdeführer am 5.4.1991 zugestellten Bescheid vom 4.4.1991, Zl. Sich-04-151/1991, über diesen die Schubhaft verhängt. Der Beschwerdeführer, der noch am 5.4.1991 festgenommen wurde, befindet sich seither im Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Linz in Haft. In Wahrung des Parteiengehörs wurde der Beschwerdeführer am 8.4.1991 nochmals in Anwesenheit eines Dolmetschers über die Gründe für seine Verhaftung unterrichtet. Zu den Motiven seiner trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes erfolgten Einreise nach Österreich befragt erklärte der Beschwerdeführer, daß er an einem Weiterverbleib in Österreich überhaupt nicht interessiert und daß ihm auch gar nicht bewußt ist, einen Asylantrag gestellt zu haben. Er wolle nur zu seinem in den USA lebenden Vater. In diesem Zusammenhang hat der Beschwerdeführer auch ausdrücklich auf eine Berufung gegen den oben angeführten ablehnenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich verzichtet, sodaß dieser Bescheid am 8.4.1991 in Rechtskraft erwachsen ist.

1.4. Der Beschwerdeführer erachtet sich allerdings durch die über ihn mit dem oben unter 1.3. angeführten Bescheid verhängte und mit der vorliegenden Beschwerde bekämpfte Schubhaft in seinem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl.Nr. 684/1988 gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

2. Über die vorliegende Beschwerde hat der oberösterreichische Verwaltungssenat erwogen:

2.1. In der auf § 5a des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 72/1954, zuletzt geändert durch die Fremdenpolizeigesetz-Novelle 1991, BGBl.Nr. 21/1991 (im folgenden: FrPG), gestützten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit der Festnahme sowie der Anhaltung in Schubhaft durch die Behörde behauptet.

2.1.1. Gemäß § 5a Abs.1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung durch Beschwerde anzurufen. Eine Festnahme, die dazu dient, einen Fremden in Schubhaft zu nehmen und anzuhalten, darf nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur erfolgen, wenn diese durch Bescheid verfügt worden ist (vgl. zB. VfSlg 8038/1977 und VfGH vom 11.6.1990, B 947 u. 1006/89). Die Beschwerde gegen eine derart verfügte Festnahme und Anhaltung begründet sohin die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates nach Art. 129a Abs.1 Z. 3 B-VG iVm. § 67 a Abs.1 Z. 1 AVG und § 5a FrPG (und nicht nach Art. 129a Abs.1 Z.2 B-VG iVm. § 67a Abs.1 Z.2 AVG). Festzuhalten ist jedoch, daß durch die FrPG-Novelle 1991 die Anordnung des § 11 Abs.2 (und 3) FrPG jedenfalls formell unangetastet geblieben ist: Es hat daher nach wie vor die Sicherheitsdirektion - und nicht der Unabhängige Verwaltungssenat - über Berufungen gegen Bescheide, mit denen eine Schubhaft verhängt wird, zu entscheiden. Andererseits ist den Unabhängigen Verwaltungssenaten gemäß Art. 129 B-VG - und zwar in erster Linie - von Verfassungs wegen die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Soll diese Funktion der Unabhängigen Verwaltungssenate einerseits auch tatsächlich zum Tragen kommen, andererseits aber auch - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - der Sicherheitsdirektion die Berufungsentscheidung über Schubhaftbescheide vorbehalten bleiben, so kann eine sinnvolle, der Intention des § 5 FrPG im Zusammenhalt mit Art. 6 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, Rechnung tragende und zur Wahrung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gleichzeitig notwendige Kompetenzabgrenzung nur darin gefunden werden, daß der Verwaltungssenat die Rechtmäßigkeit der Festnahme bzw. der Anhaltung auch unter (allerdings bloß grundsätzlicher) Bindung an den Schubhaftbescheid zu beurteilen hat: Eine "Überprüfung" des Bescheides kommt dem Senat dabei nur dann und insoweit zu, als dieser Bescheid an einem schweren und offenkundigen, sohin in die Verfassungssphäre reichenden inhaltlichen Mangel leidet ("Willkür", "Denkunmöglichkeit" bzw. "Gesetzlosigkeit" iSd ständigen Rechtsprechung des VfGH; vgl. zB. VfSlg 8266/1978 und 8718/1979, jeweils mwN.) und daher aus diesem Grund den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt. Die Wahrnehmung einfachgesetzlicher Rechtswidrigkeiten des Schubhaftbescheides obliegt demgegenüber nach wie vor der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde.

2.1.2. Die vorliegende Beschwerde richtet sich nach den oben unter 1. getroffenen Sachverhaltsfeststellungen gegen eine Festnahme und Anhaltung, die auf einem wegen Gefahr in Verzug gemäß § 57 Abs.1 AVG erlassenen, die aufschiebende Wirkung der Vorstellung ex lege ausschließenden (vgl. § 57 Abs.2 AVG) und damit sofort vollstreckbaren (wenngleich deshalb noch nicht rechtskräftigen) Schubhaftbescheid basiert. Sie gründet sich demnach tatsächlich (wie in der Beschwerde bezeichnet) auf § 5a FrPG und ist - da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des § 67c AVG erfüllt sind zulässig.

2.2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

2.2.1. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall den von ihr am 4.4.1991 erlassenen und dem Beschwerdeführer am 5.4.1991 zugestellten Schubhaftbescheid damit begründet, daß über den Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt am 11.12.1990 ein rechtskräftiges und bis 11.12.1992 befristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde; diesem hat sich der Beschwerdeführer widersetzt, indem er am 15.1.1991 widerrechtlich nach Österreich eingereist ist; um der Gefahr, daß sich der Beschwerdeführer der neuerlichen Abschiebung zu entziehen versucht, vorzubeugen, hat die Behörde daher explizit im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 5 Abs.1 erste Alternative FrPG) die Verhängung der Schubhaft angeordnet. Diese sich am bisherigen, oben unter 1. dargestellten Verhalten des Beschwerdeführers orientierende Vorgangsweise der Behörde, die offenkundig ihre Deckung in § 5 Abs.1 FrPG findet, erscheint weder willkürlich noch denkunmöglich bzw. gesetzlos: Wenn der Beschwerdeführer schon seine frühere Abschiebung postwendend wieder umgangen hat und die belangte Behörde daher davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer alles versuchen wird, es auf eine neuerliche Abschiebung gar nicht mehr ankommen zu lassen, so erscheint diese Annahme aus der Sicht des Verwaltungssenates jedenfalls nicht unvertretbar. Der Behörde stand daher unter diesem Aspekt kein gelinderes Mittel zur Sicherung der Abschiebung zur Verfügung. Daß nämlich - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers eine bloße Ladung nicht geeignet ist, diesen Sicherungszweck zu erfüllen, liegt auf der Hand. Die Behörde hat daher durch die Vollstreckung des Schubhaftbescheides den Art. 1 Abs.3 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, nicht verletzt. Daß die Behörde bei der Festnahme oder während der Anhaltung sonstige Rechts-, insbesondere Verfahrensvorschriften verletzt hätte, wird weder vom Beschwerdeführer behauptet, noch ergeben sich dafür Anhaltspunkte aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

2.2.2. Der Beschwerdeführer bringt schließlich auch vor, daß die Verhängung der Schubhaft im Hinblick auf sein laufendes, zwischenzeitlich rechtskräftig - negativ abgeschlossenes Asylverfahren der Anordnung des § 5 Abs.2 Asylgesetz, BGBl.Nr. 126/1968, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 190/1990 (im folgenden: AsylG), widerspreche.

Auch dieser Vorwurf erweist sich als unzutreffend. Gemäß § 5 Abs.2 AsylG ist nämlich nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides, sondern nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, also die Abschiebung selbst, solange gehindert, bis entweder rechtskräftig festgestellt ist, daß der Asylwerber nicht als Flüchtling iSd AsylG anzusehen ist, oder der Asylwerber bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Flüchtlingskonvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. § 5 Abs.3 AsylG). Abgesehen vom Verbot der Durchführung der Abschiebung unterliegt daher auch ein Asylwerber in vollem Umfang den Bestimmungen des FrPG (vgl. in diesem Sinne VfGH vom 11.6.1990, B 947 u. 1006/89). Daher erweist sich auch entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - die während des Asylverfahrens über ihn zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängte und aufrecht erhaltene Schubhaft schon dem Grunde nach als nicht mit den gesetzlichen Vorschriften im Widerspruch stehend, es sei denn, es würden die Fristen des § 5 Abs.2 FrPG verletzt. Davon kann aber im vorliegenden Fall, wo die Schubhaft erst vier Wochen andauert, keine Rede sein. Die Zeit der Bundesbetreuung ist schon wegen der dabei gegebenen uneingeschränkten Bewegungsfreiheit, aber auch angesichts der auf bloße Unterstützung abzielenden Intention des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. 452/1990, und der darauf basierenden Bundesbetreuungsverordnung, BGBl.Nr. 130/1990, nicht als ein Eingriff in die persönliche Freiheit anzusehen.

3. Da sich sohin die Beschwerdevorwürfe im Ergebnis nicht als zutreffend erwiesen haben, war die Beschwerde abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte, da der Sachverhalt schon aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde klar hervorging, gemäß § 5a Abs.6 Z.1 FrPG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.

Eine Kostenentscheidung war - weil weder die belangte Behörde Kosten der Rechtsverfolgung geltend gemacht hat noch dieser bzw. dem Unabhängigen Verwaltungssenat Barauslagen erwachsen sind - nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Linz, am 3. Mai 1991 Für den O.ö. Verwaltungssenat:

(Dr. Grof) 6

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