Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400039/1/Kl/Bf

Linz, 04.07.1991

VwSen - 400039/1/Kl/Bf Linz, am 4. Juli 1991 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Einzelmitglied LRR.Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des R, türkische Staatsangehörigkeit, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Steyr zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 5a Abs.1 und Abs.6 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 21/1991 (kurz: FrPG) i.V.m. § 67c des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG.

II. Der Antrag auf Kostenersatz wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§§ 74 Abs.1 und 79a AVG.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Eingabe, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 2. Juli 1991, die Rechtswidrigkeit der Schubhaft festzustellen und die sofortige Enthaftung zu veranlassen, weil die Voraussetzungen für eine Anhaltung bzw. für die Verhängung einer vorläufigen Verwahrung nach § 5 FrPG nicht vorliegen. Dazu führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß er wegen politischer Verfolgung als Kurde am 10. Mai 1991 (innerhalb von zwei Wochen ab der Einreise) Asyl beantragt habe und daher gemäß § 5 Abs.1 Asylgesetz bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Gegen den diesbezüglichen ablehnenden Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 12. Juni 1991 habe er Berufung erhoben. Ein anderweitiger Schutz (er sei durch Bulgarien, Rumänien, Jugoslawien nach Österreich geflohen) bestehe nicht. Im übrigen habe die belangte Behörde zwar die Verletzung des Grenzkontrollgesetzes, Paßgesetzes und Meldegesetzes festgestellt, aber eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bzw. eine Verhinderung der Abschiebung durch den Beschwerdeführer nur unzureichend begründet. Der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers sei gesichert; auch wollte er eine Heirat in Österreich eingehen.

2. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und keine Gegenschrift erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Akt Einsicht genommen und es wird festgestellt, daß der der Beschwerde zugrundeliegende Sachverhalt in wesentlichen, entscheidungsrelevanten Punkten mit dem Akteninhalt übereinstimmt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 5a Abs.6 Z.1 FrPG unterbleiben.

4. Es ergibt sich daher folgender, der Entscheidung zugrundeliegender Sachverhalt:

4.1. Am 4. Mai 1991 ist der Beschwerdeführer als türkischer Staatsangehöriger aus Jugoslawien kommend ohne Reisedokument und ohne Sichtvermerk über die grüne Grenze nach Österreich eingereist. Am 10. Mai 1991 hat er einen Antrag auf Asylgewährung bei der Bundespolizeidirektion Steyr gestellt, weil er als Kurde und aktiver Angehöriger der ANAP, einer regierungsfeindlichen Partei, im April 1991 verhört und geschlagen wurde und ihm hohe Haftstrafen angedroht wurden, also weil er politisch verfolgt sei. Der Beschwerdeführer hat sich in niedergelassen. Eine Einvernahme der M, am 24. Mai 1991 bei der Bundespolizeidirektion Steyr hat ergeben, daß sie beabsichtige, den Beschwerdeführer zu heiraten, wobei dieser bereits alle erforderlichen Dokumente samt Übersetzung bei sich habe.

4.2. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit Mandatsbescheid vom 24. Mai 1991 die vorläufige Verwahrung zur Vorbereitung der Erlassung einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet und den Kostenersatz für die Schubhaft verfügt. Der Bescheid wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer nicht bei einer österreichischen Grenzkontrollstelle eingereist ist, über keine Reisedokumente, daher keinen gültigen Sichtvermerk verfüge und bei keiner inländischen Meldebehörde angemeldet sei. Um ein weiteres strafbares Verhalten des Beschwerdeführers zu verhindern und eine Ausweisung und Abschiebung zu gewährleisten, wurde die Schubhaft verhängt und sofort vollstreckbar, weil aus eben den Gründen Gefahr im Verzug angenommen wurde. Der Bescheid wurde am 29. Mai 1991 rechtswirksam zugestellt. Der Beschwerdeführer wurde am 29. Mai 1991 festgenommen und in das polizeiliche Gefangenenhaus Steyr eingeliefert. Gegen den Schubhaftbescheid hat der Beschwerdeführer Vorstellung bei der Bundespolizeidirektion Steyr erhoben und es wurde von dieser das Ermittlungsverfahren eingeleitet.

4.3. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich hat mit Bescheid vom 12. Juni 1991 festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling und daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, weil eine individuelle, gravierende Verfolgung nicht glaubhaft gemacht wurde. Gegen diesen Bescheid wurde Berufung an das Bundesministerium für Inneres eingebracht.

5. Aufgrund des festgestellten, als erwiesen angenommenen Sachverhaltes hat daher der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den in dem zitierten Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Gemäß Art.2 Abs.1 Z.7 leg.cit darf die persönliche Freiheit einem Menschen dann entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern. Dies erfordert gemäß § 5 FrPG einen vollstreckbaren individuellen Verwaltungsakt.

5.2. Gemäß § 5a Abs.1 FrPG hat, wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung anzurufen. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde oder angehalten wird, wobei die §§ 67c bis 67g AVG gelten. Der Schubhaftbescheid wurde am 29. Mai 1991 wirksam zugestellt und es hat der Beschwerdeführer zumindest mit der Festnahme am 29. Mai 1991 hievon Kenntnis erlangt bzw. wurde keine Behinderung bekanntgegeben. Die Beschwerde erfolgte rechtzeitig und es sind die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen nach § 67c AVG erfüllt.

5.3. Festgehalten wird, daß durch die Novelle des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 21/1991, die Anordnung des § 11 Abs.2 FrPG jedenfalls formell unangetastet blieb. Dem unabhängigen Verwaltungssenat ist gemäß Art. 129 B-VG von Verfassungs wegen die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen. Im Sinne des § 5a FrPG und unter Bedachtnahme auf den Art.6 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit 1988 ist die Kompetenz des unabhängigen Verwaltungssenates dahingehend vorgesehen, daß er die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung einer Person, nämlich insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Inhaftierung, zu überprüfen hat. Eine Prüfung des Bescheides kommt ihm dabei nur insoweit zu, als dieser an einem schweren und offenkundigen inhaltlichen Mangel leidet (Willkür, Denkunmöglichkeit, Gesetzlosigkeit im Sinne einer ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes) und ob daher aus diesem Grund der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt ist.

5.4. Gemäß § 5 Abs.1 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden, wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.

5.4.1. Dem Schubhaftbescheid zugrunde lag der vom erkennenden Verwaltungssenat bereits unter Punkt 4.1. festgestellte Sachverhalt. Das vom Beschwerdeführer an den Tag gelegte Verhalten, nämlich die Einreise nach Österreich über die grüne Grenze ohne gültiges Reisedokument, daher die Umgehung der Grenzkontrollstellen, der weitere Aufenthalt in Österreich ohne gültiges Reisedokument (anläßlich der Beschaffung des Ehefähigkeitszeugnisses wäre jedenfalls auch die Beschaffung eines Reisedokumentes bzw. eines Reisepasses bei der ausländischen Vertretungsbehörde möglich und zumutbar gewesen), die Nichteinhaltung der Verpflichtung, sich innerhalb von drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden, stellt grobe Verstöße gegen die öffentliche Ordnung dar. Weiters gibt gerade die Mißachtung der melderechtlichen Vorschriften Grund für den Verdacht, daß sich der Beschwerdeführer einem weiteren Vorgehen der Behörden, nämlich einer Ausweisung und Abschiebung zu entziehen sucht.

5.4.2. Wenn auch der Beschwerdeführer innerhalb von zwei Wochen ab seiner Einreise einen Antrag auf Asylgewährung an die Sicherheitsbehörde gestellt hat und damit bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist (§ 5 Abs.1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl.Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, in der geltenden Fassung), so steht einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz nicht entgegen. Nach § 5 Abs.2 leg.cit. ist nämlich nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes gehemmt. Die Erlassung eines Schubhaftbescheides bleibt hievon gänzlich unberührt. Auch der Verfassungsgerichtshof hat bereits entschieden, daß ein Asylantrag weder kraft Gesetzes einen Schubhaftbescheid aus der Rechtsordnung beseitigt, noch dessen Vollstreckbarkeit hemmt. Daraus kann ersehen werden, daß eine Verknüpfung von Verfahren nach dem Asylgesetz und dem Fremdenpolizeigesetz nicht zulässig ist und daher auch die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides nicht gehindert wird.

Den in der Beschwerde getroffenen Feststellungen zu § 5 Abs.3 leg.cit kommt im Hinblick auf das noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Asylverfahren keine Entscheidungsrelevanz zu, sodaß darauf weiters nicht näher einzugehen ist.

5.4.3. Den übrigen Beschwerdegründen der mangelhaften bzw.

unzureichenden Begründung kann insofern nicht Rechnung getragen werden, als die vorläufige Verwahrung in Schubhaft nur zur Vorbereitung eines Aufenthaltsverbotes und einer Ausweisung dient, und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verlangt ist, daß alle diesbezüglichen Voraussetzungen geprüft und erfüllt sind.

Der Nachweis der Mittel zur Bestreitung des Unterhaltes wird daher erst im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. der Ausweisung zu erbringen sein.

Da keine polizeiliche Meldung des Beschwerdeführers vorliegt, war auch der Verdacht der Gefahr im Verzug gerechtfertigt; zur Erlassung einer aufschiebbaren Maßnahme kann nach § 57 AVG ohne weiteres Ermittlungsverfahren ein Bescheid erlassen werden, an den aus dem Verständnis der besonderen Dringlichkeit und der raschen Entscheidungsfindung heraus lediglich geringere Anforderungen hinsichtlich der Bescheidbegründung gestellt werden.

5.4.4. Es erscheint daher dem unabhängigen Verwaltungssenat der der Anhaltung zugrundeliegende Schubhaftbescheid, auf den sich die Verwahrungsmaßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie zur Sicherung der Abschiebung stützt, nicht denkunmöglich, offensichtlich gesetzlos oder willkürlich, und daher der Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit verletzt.

Da sich das Beschwerdevorbringen im Ergebnis als nicht zutreffend erwiesen hat, ist die Beschwerde abzuweisen.

6. Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung hat nur der Beschwerdeführer geltend gemacht. Im Sinne der im Spruch zitierten Gesetzesstelle steht aber nur der obsiegenden Partei Kostenersatz zu. Da die Beschwerde erfolglos geblieben ist, hat der Beschwerdeführer nach dem allgemeinen Grundsatz des § 74 AVG die Kosten selbst zu bestreiten. Weitere Verfahrenskosten der Behörde sind nicht aufgelaufen, weshalb keine weitere Kostenentscheidung zu treffen ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t 6

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