Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400049/7/Weg/Ri

Linz, 22.06.1992

VwSen - 400049/7/Weg/Ri Linz, am 22. Juni 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung der S, vom 12. Juli 1991 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 8. Juli 1991, Sich96/45/1991, zu Recht:

Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4, § 71 Abs.1 Z.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. § 24, § 51 Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid a) den Wiedereinsetzungsantrag vom 28. Mai 1991 betreffend das Verwaltungsstrafverfahren Sich96/45/1991 abgewiesen und den gleichzeitig erhobenen Einspruch gegen die Strafverfügung vom 10. April 1991, Sich96/45/1991, als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

2. Diesem Bescheid liegt folgender im wesentlichen auch nicht in Streit gezogene Sachverhalt zugrunde: Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Strafverfügung vom 10. April 1991 über die nunmehrige Berufungswerberin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 14 lit.b Abs.1 Z.4 i.V.m. § 2 Abs.2 Z.2 Fremdenpolizeigesetz eine Geldstrafe von 3.000 S verhängt. Diese Strafverfügung wurde an die zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtsfreundlich vertretene Berufungswerberin in der Form zugestellt, daß das Schriftstück am 30. April 1991 beim Postamt hinterlegt und noch am selben Tage von der Berufungswerberin behoben wurde. Der Einspruch gegen diese Strafverfügung, der - offenbar im Wissen um die Verspätung - mit einem Wiedereinsetzungsantrag gekoppelt war, wurde am 28. Mai 1991 (Poststempel) zur Post gegeben. Da zu diesem Zeitpunkt die gemäß § 49 Abs.1 VStG festgesetzte zweiwöchige Einspruchsfrist (diese endete am 14. Mai 1991) schon abgelaufen war, wurde der Einspruch als verspätet zurückgewiesen. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde abgewiesen, weil nach Meinung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn die Behauptung der Berufungswerberin, sie sei durch einen am Umschlag des Kuverts befindlichen Postvermerk (auf dem Kuvert stand händisch vermerkt "21.5.") in der Form irregeführt worden, daß sie den Beginn der Rechtsmittelfrist mit diesem Datum gleichgesetzt habe, keinen Wiedereinsetzungsgrund darstelle.

3. Gegen die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages wendet die Berufungswerberin sinngemäß ein, daß der Vermerk des Postamtes auf dem Kuvert "21.5." das unbeeinflußbare Geschehen in der Außenwelt, welches den Irrtum ausgelöst habe, sei. Sie sei als Ausländerin der deutschen Sprache nicht so mächtig, daß sie den Inhalt der Strafverfügung hätte verstehen können. Sie habe der Strafverfügung lediglich entnehmen können, daß es sich um eine Strafe handelt, ebenso sei der Geldbetrag von 3.000 S sowie die Herkunft der Strafverfügung für sie eindeutig gewesen. Sie hätte mit behördlichen Angelegenheiten in den letzten Jahren nichts zu tun gehabt, da diese dem Grunde nach immer ihr Mann erledigt habe. Da also der Irrtum über den Beginn der Rechtsmittelfrist durch ein für sie unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis hervorgerufen worden sei, wäre dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben.

4. Die Berufung ist rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates zur Sachentscheidung gegeben ist, der weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe ausgesprochen wurde - durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Da von den Parteien des Verfahrens kein Verzicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgegeben wurde, war eine solche anzuberaumen.

Zu dieser erschien lediglich der Rechtsfreund der Berufungswerberin, die Behörde ist - gleichwohl die Verhandlung am Sitz derselben durchgeführt wurde unentschuldigt nicht erschienen.

5. Während der mündlichen Verhandlung und in weiteren Schriftsätzen wurde die Argumentation der Berufungswerberin zulässigerweise erweitert. Vor allem wird vorgebracht, daß die Behörde die neue Rechtslage, die nunmehr der ZPO angepaßt sei, nicht gebührend berücksichtigt hätte. Dies erleuchte aus der Zitierung einer VwGH-Entscheidung aus dem Jahre 1972.

Mag auch letzterem Einwand eine gewisse Berechtigung zukommen, so kann letztlich daraus aus nachstehenden Gründen dem Wiedereinsetzungsbegehren nicht gefolgt werden:

Gemäß § 71 Abs.1 Z.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Gleichwohl im Sinne der zitierten Gesetzesstelle das Sichirren (im Gegensatz zur Meinung der Erstbehörde) ein Ereignis darstellt und dieses Ereignis möglicherweise zumindest ein unvorhergesehenes (sicherlich nicht unabwendbares) darstellt, so wird der geforderte "mindere Grad des Versehens" als nicht vorliegend angesehen. Der Begriff "minderer Grad des Versehens" stimmt mit dem Begriff "leichte Fahrlässigkeit" welcher dem Schadenersatzrecht entnommen ist, im wesentlichen überein. Der Umstand, daß die Berufungswerberin trotz ihrer oder gerade wegen ihrer schlechten Deutschkenntnisse nicht jemanden konsultierte, der ihr etwa den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung verständlich macht, wird als eine auffallende Sorglosigkeit und somit nicht als ein minderer Grad des Versehens gewertet.

Es ist im übrigen auch nicht glaubhaft, daß der handschriftlich angebrachte Datumsvermerk (21.5.) am Kuvert von der Berufungswerberin als der Beginn der Rechtsmittelfrist angesehen wurde. Wenn sie diesem handschriftlichen Vermerk schon irgendwelche Bedeutung zumessen wollte (also allenfalls auch den Beginn der Rechtsmittelfrist), so hätte sie sich darüber unter Vorlage der Strafverfügung bei einer der deutschen Sprache mächtigen Person erkundigen müssen.

Es widerspricht im übrigen den Erfahrungen des täglichen Lebens, aus einem handschriftlichen Datumsvermerk am Kuvert abzuleiten, daß mit diesem Tage der Lauf der Rechtsmittelfrist beginnt, dies insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, daß das Schriftstück bereits drei Wochen vorher zugestellt worden ist. Am ehesten ließe sich dieser Datumsvermerk von einer vollkommen rechtsunkundigen Person als Ende der Rechtsmittelfrist deuten.

Zusammenfassend wird festgehalten, daß es der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als eine grobe und auffallende Sorglosigkeit ansieht, wenn ein der deutschen Sprache Unkundiger eine als solche erkennbare Strafverfügung keiner der deutschen Sprache mächtigen Person zum Zwecke des Übersetzens vorlegt oder einen Rechtsfreund aufsucht, sondern einen handschriftlichen Datumsvermerk ungeprüfterweise als den Beginn der Rechtsmittelfrist wertet.

6. Die Berufung richtet sich auch gegen die Zurückweisung des Einspruches, auch wenn die Begründung der Berufung sowie der Berufungsantrag ausschließlich darauf abzielen, dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben. Eine Erläuterung und Anführung der Gesetzesstellen, aus denen sich die Verspätung des Einspruches ergibt, erübrigt sich im gegenständlichen Fall auch schon dadurch, daß - was durch die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages konkludent zum Ausdruck gebracht wurde - die objektive Tatsache der Verspätung als zutreffend eingestanden wird.

7. Die Überprüfung des in Beschwerde gezogenen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat nach durchgeführtem ergänzenden Verfahren erbracht, daß diesem keine eine allfällige Aufhebung nach sich ziehende Rechtswidrigkeit anhaftet, weshalb die Berufung abzuweisen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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