Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400051/13/Gf/Hm

Linz, 01.10.1992

VwSen-400051/13/Gf/Hm Linz, am 1. Oktober 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des P, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 5a Abs. 1 i.V.m. § 5a Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes und § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Das Begehren des Beschwerdeführers auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten wird gemäß § 79a AVG als unbegründet abgewiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, versuchte am 24. Juli 1991 bei der Grenzkontrollstelle Passau unter Verwendung eines fremden Reisedokumentes von Österreich nach Deutschland auszureisen. Er wurde von Zollwachebeamten an der Ausreise gehindert und der Gendarmerie übergeben, die ihn der Bezirkshauptmannschaft Schärding vorführte. Mit dem dem Beschwerdeführer am selben Tag zugestellten Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 25. Juli 1992, Zl. Sich-40/46981991, wurde über ihn zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und sogleich durch Überstellung in das kreisgerichtliche Gefangenenhaus Ried vollzogen.

1.2. Gegen die auf dem eben angeführten Bescheid basierende Festnahme und Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer am 9. September 1991 eine auf § 5a des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG), gegründete Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhoben.

1.3. Mit Bescheid vom 13. September 1991, Zl. VwSen400051/2/Gf/Rl, hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich diese Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Gegen diesen Zurückweisungsbescheid hat der Beschwerdeführer eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

1.4. Mit Erkenntnis vom 9. Juni 1992, B 1200,1201/91, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer durch den oben unter 1.3. angeführten Zurückweisungsbescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden ist, weil ihm gesetzwidrig eine Sachentscheidung verwehrt wurde.

1.5. Gemäß § 87 Abs. 2 VfGG, wonach auch der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich verpflichtet ist, mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, war sohin die vorliegende, oben unter 1.2. angeführte Beschwerde als rechtzeitig i.S.d. § 67c Abs. 1 AVG anzuse hen und - da im gegenständlichen Fall auch die übrigen in § 67c Abs. 1 und 2 AVG festgelegten Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind - darüber eine Sachentscheidung zu treffen.

2.1. Im oben unter 1.1. angeführten und auf § 57 Abs. 1 AVG gestützten Schubhaftbescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Betretung nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes gewesen sei; er halte sich somit widerrechtlich im Bundesgebiet auf und außerdem könne seine Identität nicht eindeutig festgestellt werden. Zudem verfüge er nicht über die erforderlichen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes.

Aus diesen Gründen sei die gegenständliche Maßnahme unbedingt anzuordnen gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, daß die Verhängung der Schubhaft über einen Asylwerber gegen die tragenden Gründe des Asylgesetzes verstoße, weil er nach dessen Bestimmungen zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Außerdem sei im Hinblick auf sein Interesse an einer positiven Erledigung des Asylantrages schon von vornherein keine Gefahr gegeben, daß er sich vollständig dem behördlichen Zugriff zu entziehen versuchen wird, sodaß entsprechend dem verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsprinzip auch mit einer verpflichtenden Überweisung in das Flüchtlingslager Traiskirchen das Auslangen zu finden gewesen wäre. Zudem lägen im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen für das in § 13a FrPG normierte Rückschiebungsverbot vor, sodaß auch diesem Grund über den Beschwerdeführer keine Schubhaft hätte verhängt werden dürfen. Schließlich ließen sich aus dem Schubhaftbescheid keine Tatsachen entnehmen, die die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer rechtfertigen würden.

Aus allen diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaft beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Zlen. Sich-40/4698-1991 und Sich-40/4699-1991; da aus diesen in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 5a Abs. 6 Z. 1 FrPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Art. 2 Abs. 1 Z. 7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), legt fest, daß die persönliche Freiheit einem Menschen u.a. dann auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung zu sichern. § 5 Abs. 1 FrPG ist als eine solche unter Heranziehung des eben angeführten Gesetzesvorbehaltes des PersFrSchG ergangene Bestimmung anzusehen. Eine von der Behörde angeordnete und vollzogene Schubhaft erweist sich daher dann als rechtmäßig, wenn diese sowohl den formellen als auch den materiellen Kriterien des § 5 Abs. 1 FrPG entspricht.

Gemäß § 5 Abs. 1 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung (Schubhaft) genommen werden, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (erste Alternative) oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (zweite Alternative).

Nach § 5a Abs. 1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme (erste Alternative; sog. Schubhaftbeschwerde dem Grunde nach) oder Anhaltung (zweite Alternative; Beschwerde gegen die Art und Weise des Vollzuges der Schubhaft bzw. gegen die weitere Anhaltung bei geänderten tatsächlichen Verhältnissen) anzurufen.

4.2. Im Lichte dieser Anforderungen erweist sich die von der belangten Behörde verhängte Schubhaft aber nicht als rechtswidrig:

4.2.1. Die im vorliegenden Fall vom Bezirkshauptmann von Schärding verhängte Schubhaft basiert auf einem gemäß § 57 Abs. 1 zweite Alternative AVG erlassenen und damit weil gemäß § 57 Abs. 2 AVG einer allenfalls dagegen erho benen Vorstellung schon ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt - sofort vollstreckbaren Bescheid, wie dies die §§ 5 und 5a FrPG vorsehen.

4.2.2. Auch inhaltlich ist diese Maßnahme unter dem Aspekt des Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG i.V.m. § 5 Abs. 1 FrPG nicht zu beanstanden:

Daß sich der Beschwerdeführer ohne gültiges Reisedokument und ohne österreichischen Sichtvermerk und damit widerrechtlich im Bundesgebiet aufgehalten hat, wird von ihm selbst nicht bestritten. Davon ausgehend kann aber der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn diese zur Sicherung der Abschiebung zwecks Verhinderung eines unmittelbar zu befürchtenden strafbaren Verhaltens - nämlich der Fortsetzung der Übertretung des § 14b Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 FrPG - über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt hat. Diese Maßnahme erweist sich sohin schon im Hinblick auf § 5 Abs. 1 zweite Alternative FrPG als rechtmäßig.

Darüber hinaus war die Verhängung der Schubhaft offensichtlich auch aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 erste Alternative FrPG im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erforderlich: Denn die Prognose der belangten Behörde dahingehend, daß sich der im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung als mittellos und ohne Unterkunftsmöglichkeit anzusehende Beschwerdeführer einerseits die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel auf illegalem Weg besorgen wird und sich dieser andererseits den im nunmehrigen Wissen um die Erlassung eines Aufenthaltsver botes bzw. die beabsichtigte Ausweisung oder Abschiebung gegen ihn zu erwartenden weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen oder diese zumindest zu erschwerden versuchen wird, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und erscheint daher keinesfalls als abwegig (vgl. in diesem Sinne auch VwGH v. 29.6.1992, Zl. 92/18/0054).

4.3. Demgegenüber erweisen sich die vom Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Verhängung der Schubhaft ins Treffen geführten Gründe nicht als stichhaltig:

4.3.1. Gemäß § 5 Abs. 2 des für den Zeitraum der Schubhaftverhängung maßgeblichen Asylgesetzes BGBl.Nr. 55/1955, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 190/1990 (im folgenden: AsylG), war nicht die Vollstreckung eines Schubhaftbescheides, sondern nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, also die Abschiebung selbst solange gehindert, bis entweder rechtskräftig festgestellt war, daß der Asylwerber nicht als Flüchtling i.S.d. AsylG anzusehen ist, oder der Asylwerber bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Flüchtlingskonvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat (vgl. § 5 Abs. 3 AsylG). Allein der Umstand der Stellung eines Asylantrages bewirkte daher noch nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Fremden, sondern hinderte bloß die Vollstreckung der Abschiebung. Abgesehen vom Verbot der Durchführung der Abschiebung unterlag daher auch ein Asylwerber in vollem Umfang den Bestimmungen des FrPG (vgl. in diesem Sinne auch VfGH v. 11.6.1990, B 947 u. 1006/89).

Daher erweist sich auch die während des Asylverfahrens über den Beschwerdeführer zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängte und aufrecht erhaltene Schubhaft schon von vornherein nicht als mit den zuvor angeführten gesetzlichen Vorschriften im Widerspruch stehend.

4.3.2. Im vorliegenden Fall wurde die Schubhaft sowohl zur Vorbereitung der Ausweisung und der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als auch zur Sicherung der Abschiebung erlassen. Unterstellt man an diesem Punkt die die Schubhaft tragenden Gründe als zutreffend, so ist dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht erkennbar, welche sonstigen, der Behörde durch das FrPG oder andere gesetzlichen Vorschriften an die Hand gegebenen Maßnahmen diesen Zweck in adäquater, aber weniger eingriffsintensiver Weise sicherstellen könnten; eine Überweisung in die Bundesbetreuung (vgl. VwSen-400015 v. 3.5.1991) oder die Vorladung vor die Behörde (vgl. ebd.) vermag diesem Sicherungszweck jedenfalls nicht gerecht zu werden. Sollten sich die die Schubhaft tragenden Gründe hingegen als unzutreffend herausstellen, so bewirkt aber primär (und ausschließlich) dieser Aspekt die Rechtswidrigkeit des Eingriffes in die persönlich Freiheit, ohne daß deshalb das Verhältnismäßigkeitsprinzip verletzt worden wäre.

4.3.3. Der Einwand des Beschwerdeführers, daß der Schubhaftbescheid nicht erkennen ließe, ob und inwieweit im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Annahme des Vorliegens einer Gefärdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer gegeben waren, erweist sich angesichts des Umstandes, daß die belangte Behörde den Schubhaftbescheid explizit damit begründet hat, daß die "ggst. fremdenpolizeiliche Maßnahme unbedingt anzuordnen" war, weil die "genaue Identität nicht feststeht und um ein weiteres strafbares Verhalten zu verhindern", ebenfalls als offensichtlich unbegründet; im übrigen genügt es, hiezu auf die bereits oben unter 4.2.2. dargelegten Erwägungen zu verweisen.

4.3.4. Soweit der Beschwerdeführer schließlich vorbringt, durch die Verhängung der Schubhaft in Rechten beeinträchtigt worden zu sein, die (wie die Einrede des Vorliegens der Voraussetzungen des Rückschiebungsverbotes nach § 13a FrPG) bereits im Asylverfahren oder dann im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geltend zu machen gewesen wären, ist er darauf zu verweisen, daß der unabhängige Verwaltungssenat im Beschwerdeverfahren gemäß § 5a FrPG schon von Gesetzes wegen darauf beschränkt ist, ausschließlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Festnahme und Anhaltung selbst zu prüfen (vgl. VfGH v. 12.3.1992, G 346/91 u.a., und v. 9.6.1992, B 1200,1201/91).

4.3.5. Da im übrigen weitere Gründe für die Rechtswidrigkeit der Schubhaft weder vom Beschwerdeführer selbst vorgebracht noch im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind, wurde er sohin nach dem zuvor Dargelegten durch diese Maßnahme im Ergebnis weder in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit noch in sonstigen subjektiven Rechten verletzt.

4.4. Aus allen diesen Gründen war daher die vorliegende Beschwerde gemäß § 5a Abs. 1 FrPG i.V.m. § 5a Abs. 6 FrPG und § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis war der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz als im Verfahren unterlegene Partei gemäß § 79a AVG abzuweisen. Da die belangte Behörde als obsiegende Partei kein Kostenersatzbegehren gestellt hat, waren auch dieser Kosten nicht zuzusprechen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs. 4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Grof 6

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