Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400061/1/Gu/Bf

Linz, 08.08.1991

VwSen - 400061/1/Gu/Bf Linz, am 8.8.1991 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Einzelmitglied Vizepräsident W.Hofrat Dr.Hans Guschlbauer über die Beschwerde des D G C, rumänischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut B wegen der behaupteten Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft im Polizeigefangenenhaus der Bundespolizeidirektion L, nach der am 24. Juli 1991 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

1. Die Anhaltung des Beschwerdeführers im Polizeigefangenenhaus Linz vom 29. Mai 1991 bis zur Entlassung am 19. Juli 1991, 11.30 Uhr, durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz erfolgte rechtswidrig.

Rechtsgrundlage:

Artikel 1 Abs.2 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 i.V.m. § 5a des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl.Nr.406/1991 (FrPG) i.V.m. § 67c Abs.3 AVG.

2. Die belangte Behörde - der Bund - hat dem Beschwerdeführer die mit 16.555,20 S bestimmten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten binnen 14 Tagen nach Zustellung zu Handen dessen Vertreters Rechtsanwalt Dr.Helmut Blum, Wischerstraße 30, 4040 Linz, zu bezahlen.

Rechtsgrundlage:

§§ 67c u. 79a AVG, § 5a Abs.6 FrPG ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer begehrt mit seiner am 17. Juli 1991 eingelangten auf § 5a FrPG gestützten Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung, daß seine Anhaltung in Schubhaft durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz ab 29. Mai 1991 rechtswidrig sei, weil er mit Schriftsatz vom 27. Mai 1991 einen neuerlichen Asylantrag eingebracht habe. Nachdem die Schubhaft durch Bescheid der Sicherheitsdirektion auf drei Monate verlängert worden sei, eine rechtskräftige Erledigung des Asylansuchens innerhalb der Frist der höchstzulässigen Anhaltung ohnedies nicht möglich sei und sohin der Zweck der Schubhaft nicht erfüllt werden könne, sei die weitere Anhaltung gesetzwidrig.

Darüber hinaus wiederholt der Beschwerdeführer, daß kein Sicherungsbedürfnis bestehe und legt eine Ablichtung des Schriftsatzes vom 27. Mai 1991 vor, mit dem an die Adresse der Bundespolizeidirektion Linz der Asylantrag gestellt bzw. erneuert wurde und dem Antrag auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes Nachdruck verliehen wurde, weil seine Ehefrau erkrankt sei und einen stationären Krankenhausaufenthalt antreten habe müssen. Sie brauche dringend die Hilfe des Beschwerdeführers, insbesondere was die Betreuung des gemeinsamen Kindes betreffe. Schon aus diesem Grunde ersuche er daher um seine ehebaldige Enthaftung.

Über diese Beschwerde wurde am 24. Juli 1991 die öffentliche mündliche Verhandlung in Gegenwart des Beschwerdeführers, seines Anwaltes und einer weiteren bevollmächtigten Person abgehalten. Hiebei lagen Fotokopien von Aktenteilen des Verfahrensaktes der belangten Behörde vor. Ein Vertreter der belangten Behörde ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens ist folgender Sachverhalt erwiesen:

Der Beschwerdeführer ist seinerzeit erstmalig am 1. September 1990 illegal in das Bundesgebiet eingereist. Nachdem über ihn von der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt mit Bescheid vom 24. Jänner 1991, Fr 737/90, ein befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden war, wurde er zwischenzeitig nach Rumänien abgeschoben und nach der illegalen Wiedereinreise mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 24. April 1991, Fr 75475, am selben Tage zur Sicherung der Abschiebung in vorläufige Verwahrung genommen. Eine Beschwerde gegen diese Verwahrung hat der unabhängige Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 21. Mai 1991, VwSen-400019/1, abgewiesen. Nachdem die Abweisung eines Asylansuchens während des ersterwähnten Inlandaufenthaltes unangefochten geblieben ist, hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27. Mai 1991 neuerlich um politisches Asyl angesucht und dargetan, daß er neben der früheren Verfolgung auch während des zwischenzeitigen Aufenthaltes in Rumänien Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Gleichzeitig mit dem Asylantrag urgierte der Beschwerdeführer sein Gesuch um Vollstreckungsaufschub, welches am 12. April 1991 bei der belangten Behörde gestellt und am 26. April 1991 bekräftigt worden war. Er legte dar, daß er sich infolge Krankenhausaufenthaltes seiner Frau der Betreuung seines Kindes widmen müsse. Die Gattin und das drei Jahre und acht Monate alte Kind waren nämlich in der Zwischenzeit in das Bundesgebiet eingereist und hatten um politisches Asyl angesucht. Die stationär behandlungsbedürftige Krankheit der Ehegattin ist durch einen Einweisungsschein des behandelnden Arztes bescheinigt. Diese Privaturkunde konnte in der mündlichen Verhandlung vorgewiesen werden. Die Behandlung konnte nicht erfolgen, weil ansonsten das Kind nicht versorgt gewesen wäre. Über den Antrag auf Vollstreckungsaufschub erging bislang keine Entscheidung.

Über Antrag der belangten Behörde hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 19. Juni 1991, Fr 802/91 die Dauer der Verwahrung des Beschwerdeführers auf längstens drei Monate verlängert. Zwischenzeitig hat die Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt über Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 16. Juli 1991, GZ Fr 737/90, das bestehende Aufenthaltsverbot gemäß § 68 Abs.2 AVG aufgehoben. Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 18. Juli 1991 zugestellt. Der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde am 19. Juli 1991 um 11.30 Uhr auf freien Fuß gesetzt.

Zu diesem Sachverhalt hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

Für die Anhaltung des Beschwerdeführers nach der seinerzeitigen Schubhaftprüfung besteht aufgrund der Verlängerung der Schubhaft durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich einerseits ein neuer Rechtsgrund, andererseits ist einem auf unbestimmte Dauer Angehaltenen die Überprüfung deren Notwendigkeit durch Art.6 Abs.2 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit 1988, BGBl.Nr. 684/1988 gewährleistet. Bei der vorläufigen Verwahrung (Schubhaft) nach dem Fremdenpolizeigesetz ist zwar der höchstzulässige Rahmen abgesteckt, die Dauer der Anhaltung im Einzelfall ist jedoch - im Gegensatz etwa zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe - unbestimmt.

Eine Prüfung der Sache ist daher zulässig.

Gemäß Art.5 Abs.4 der Europäischen Menschenrechtskonvention hat jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Diesem Grundsatz der Beschleunigung für die Haftprüfung selbst wohnt inne, daß alle Verfahren bezüglich Anhaltung einer Person durchzuführen sind, mit möglichster Beschleunigung betrieben werden müssen. Ebendies gilt für einen Antrag auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes bei fortdauernder Anhaltung.

Grundsätzlich hemmt oder beseitigt ein Asylantrag die vorläufige Verwahrung nach dem Fremdenpolizeigesetz nicht.

Nachdem der Beschwerdeführer nach der ersten Haftprüfung weiter angehalten wurde hätte die belangte Behörde beschleunigt über den Antrag auf Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes absprechen müssen. Dies umso mehr als der Beschwerdeführer noch zusätzliche schwerwiegende Gründe humanitärer Art geltend gemacht hat. Eine solche Entscheidung ist nicht ergangen.

Der O.ö. Verwaltungssenat hatte daher bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung unabhängig von der vom Beschwerdeführer vorgebrachten zutreffenden Ansicht, eine Anhaltung sei dann nicht mehr Rechtens, wenn vorauszusehen ist, daß deren Zweck nicht mehr erzielt werden kann, zu prüfen, ob durch die nicht beschleunigte Entscheidung über den Vollstreckungsaufschub Rechtswidrigkeit eingetreten ist und hatte dies hiebei als Vorfrage nach § 38 AVG selbständig zu beurteilen.

Hiebei ist aufgrund des festgestellten Sachverhaltes erwiesen, daß humanitäre Gründe für die Gewährung des Vollstreckungsaufschubes sprachen. Daß diese Gründe von der belangten Behörde unberücksichtigt blieben, belastet die ihr zuzurechnende weitere Anhaltung des Beschwerdeführers mit Rechtswidrigkeit.

Mit der Feststellung im Spruch ist auch konsumiert, daß die Freilassung des Beschwerdeführers nicht bereits mit Zustellung des das Aufenthaltsverbot behebenden Bescheides der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt am 18. Juli 1991, sondern erst am 19. Juli 1991 um 11.30 Uhr erfolgt ist.

Die Rechtswidrigkeit der Anhaltung war jedenfalls ab dem abzuschätzenden Einlangen des die notwendige Kindesbetreuung reklamierenden Schreibens - der Verfahrensakt mit dem entsprechenden Eingangsvermerk auf dem Schriftstück liegt nicht vor - sohin mit 29. Mai 1991, gegeben.

Die geltend gemachten Kosten überschreiten nicht die für die anwaltliche Mühewaltung in Tarifen und berufständischer Vereinbarung festgelegten Höhen. Nachdem sie vom Beschwerdeführer gegenüber dem Anwalt zu tragen sind und die Ausführungen beim Bildungsstand des Beschwerdeführers für ihn nicht zuzumuten waren, stellen sie für ihn notwendige Kosten dar, welche in Anwendung des § 5a Abs.6 FrPG und der §§ 67c sowie 79a AVG ihm als der obsiegenden Partei zuzuerkennen waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dr. Guschlbauer

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