Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400072/3/Gf/Kf

Linz, 24.03.1992

VwSen - 400072/3/Gf/Kf Linz, am 24. März 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des C wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zu Recht erkannt:

I. Die mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. März 1992, Zl. Fr-322/92, verfügte Ausdehnung der Schubhaft auf die Höchstdauer von drei Monaten wird als nicht rechtswidrig festgestellt.

Die Beschwerde wird daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Kostenersatz in Höhe von 24.514,40 S wird gemäß § 79a AVG als unbegründet abgewiesen.

III. Der Antrag der Bundespolizeidirektion Linz auf Zuspruch von Kostenersatz in Höhe von 3.035 S wird gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. Februar 1992, Zl. VwSen-400066, wurde festgestellt, daß die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Jänner 1992, Zl. Fr-78.059, über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft nicht rechtswidrig ist. Mit Schreiben vom 10. März 1992, Zl. Fr-78.059, hat die in diesem Erstverfahren belangte Behörde an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich einen Antrag auf Verlängerung der Schubhaft auf das gesetzliche Höchstausmaß von drei Monaten gestellt, weil beabsichtigt sei, den Beschwerdeführer in sein Heimatland abzuschieben, dies jedoch deshalb nicht bis zum Ablauf der Zweimonatsfrist des § 5 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG), bewirkt werden könne, solange das Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Mit dem dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am selben Tag zugestellten Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. März 1992, Fr-322/92, wurde diesem Antrag Folge gegeben und einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Beschwerdeführer hat in der Folge sowohl Berufung gegen diesen Bescheid an den Bundesminister für Inneres als auch mit dem am 18. März 1992 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangten Schriftsatz die vorliegende neuerliche Schubhaftbeschwerde erhoben.

2.1. Die bescheidmäßig verfügte - und damit gleichzeitig eine neue Rechtsgrundlage für diese bildende - Ausdehnung der Schubhaft von zwei auf drei Monate i.S.d. § 5 Abs. 2 FrPG wird von der Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Oberösterreich damit begründet, daß die bisherigen Gründe für die Verhängung der Schubhaft derart gewichtig erscheinen würden, daß deren ausnahmsweise weitere Aufrechterhaltung sowohl im Interesse der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit als auch zwecks Verhinderung eines unmittelbar zu befürchtenden strafbaren Verhaltens als eine angemessene Maßnahme erscheine. Denn in diesem Zusammenhang sei zu bedenken, daß der Beschwerdeführer in Österreich keinen festen Wohnsitz habe und völlig mittellos sei, bei ihm ein als gestohlen gemeldeter Führerschein vorgefunden wurde, er vom LG Linz wegen Urkundenunterdrückung verurteilt und von der Bundespolizeidirektion Linz wegen illegalen Grenzübertrittes und unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet verwaltungsstrafrechtlich belangt worden sei, über ihn ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot verhängt wurde, die von der Bundespolizeidirektion Linz verhängte Schubhaft vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als nicht rechtswidrig und schließlich von der Asylbhörde festgestellt worden sei, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und er daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß gemäß § 5 Abs.2 FrPG eine Verlängerung der Schubhaft über zwei Monate hinaus nur ausnahmsweise und auch dann nur aus wichtigen Gründen zulässig sei. Eine konkrete Begründung für das Vorliegen solcherart "wichtiger Gründe" lasse der vorliegende Bescheid jedoch nicht erkennen. Insbesondere sei es rechtsirrig, anzunehmen, daß die bisherigen Gründe für die Verhängung der Schubhaft zugleich und ohne weitere Prüfung deren Erstreckung auf drei Monate rechtfertigen würde. Tatsächlich lägen die vom Gesetz geforderten besonderen Gründe nicht vor und würden solche von der bescheiderlassenden Behörde auch nicht einmal behauptet. Vielmehr liege im Fehlen einer echten Bescheidbegründung was sich insbesondere auch daran zeige, daß zur "Begründung" des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung lediglich auf die Gesetzesbestimmung des § 64 Abs. 2 AVG verwiesen wird eine willkürliche Vorgangsweise der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich. Da die Berufung des Beschwerdeführers gegen den negativen Asylbescheid erst am 26. Februar 1992 dem Bundesminister für Inneres vorgelegt worden sei, hätte die belangte Behörde von vornherein nicht mit dem Abschluß des Berufungsverfahrens bis zum Ablauf der Zweimonatsfrist rechnen können und könne diese bei der amtsbekannten Dauer der ministerialen Asylverfahren auch nicht mit dessen Abschluß innerhalb der außerordentlichen Dreimonatsfrist rechnen, sodaß die Verlängerung der Schubhaft schon grundsätzlich nicht gerechtfertigt erscheine.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr-78.059; daraus ging hervor, daß der vom Beschwerdeführer seinen Anträgen zugrundegelegte Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Punkten mit dem Akteninhalt übereinstimmt, sodaß von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 5a Abs. 6 FrPG abgesehen werden konnte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat vor dem Hintergrund dieser Sachverhaltsfeststellungen über die vorliegende Beschwerde erwogen:

4.1. Gemäß § 5a Abs. 1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung durch Beschwerde anzurufen. Daraus geht - wie der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. zuletzt z.B. VwSen400066 v. 19.2.1992) - unmißverständlich hervor, daß es sich bei der auf Dauer gerichteten Maßnahme der Anhaltung in Schubhaft um einen von der (Festnahme zum Zweck bzw. von der) Verhängung der Schubhaft selbst verschiedenen und in diesem Sinne eigenständigen Beschwerdegegenstand handelt. Eine selbständige Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ist daher stets dann und insoweit zulässig, als sich diese entweder gegen die Art und Weise der Haltung in Haft richtet oder darauf zu stützen vermag, daß sich die für die Verhängung der Schubhaft maßgeblichen Umstände seither in wesentlichen Punkten geändert haben. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn die Schubhaft - wie bei einer Verlängerung gemäß § 5 Abs. 2 FrPG - auf eine formell neue bescheidmäßige Grundlage gestellt wird. Dessen ungeachtet muß jedoch auch eine solcherart gegen die Verlängerung und damit gegen die Anhaltung in Schubhaft i.S.d. § 5a Abs. 1 FrPG gerichtete Beschwerde die in § 67c Abs. 1 und 2 AVG normierten Prozeßvoraussetzungen erfüllen, insbesondere also - von Fällen einer Behinderung abgesehen - binnen sechs Wochen ab Kenntnisnahme von der neuen Haftgrundlage eingebracht werden.

Da alle diese Erfordernisse im gegenständlichen Fall zutreffen, ist die vorliegende, gegen die Anhaltung in Schubhaft vom 16. März 1992 bis 15. April 1992 gerichtete Beschwerde somit als zulässig anzusehen.

Als im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangte Behörde fungiert dabei nunmehr die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, weil jener Bescheid, der die Erstreckung der Schubhaft über die Regelfrist von zwei Monaten hinaus anordnet, den ursprünglichen Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Linz insoweit nicht etwa bloß ergänzt, sondern selbst die ausschließliche Grundlage (und rechtliche Voraussetzung i.S.d. § 5a Abs. 1 FrPG) für die weitere Anhaltung in Schubhaft bildet: Denn die materielle Entscheidung über die Ausdehnung der Schubhaft und damit über den eigentlichen Haftgrund, der in Fallkonstellationen wie der hier vorliegenden gemäß § 5a FrPG i.V.m. dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, den - ausschließlichen Gegenstand der Haftprüfung durch den unabhängigen Verwaltungssenat bildet, hat nach der insoweit unzweifelhaften Absicht des Gesetzgebers gemäß § 5 Abs. 2 FrPG allein die Sicherheitsdirektion zu treffen.

4.2. In der Sache ist die vorliegende Beschwerde jedoch nicht begründet.

4.2.1. Gemäß § 5 Abs. 2 FrPG darf die Schubhaft nicht über zwei Monate ausgedehnt werden; als gesetzlich vorgesehene Ausnahme von dieser Regel darf jedoch die Sicherheitsdirektion aus wichtigen Gründen eine Ausdehnung bis zur Höchstdauer von insgesamt drei Monaten bewilligen. Im gegenständlichen Fall ist sowohl das von dieser Rechtsvorschrift aufgestellte Erfordernis des Vorliegens "wichtiger Gründe" als auch jenes der Verhältnismäßigkeit der zeitlichen Ausdehnung der Schubhaft erfüllt.

4.2.2. Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich über die Ausdehnung der Schubhaft ließe tatsächlich keine wichtigen Gründe für diese Maßnahme erkennen, erweist sich als unzutreffend. Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, daß - abstrakt besehen - die für die Verhängung der Schubhaft durch die Unterbehörde maßgeblichen Gründe die Oberbehörde nicht allein schon deshalb und in diesem Sinne gleichsam "automatisch" zur Ausdehnung der Schubhaft gemäß § 5 Abs. 2 FrPG berechtigen. Im konkreten Einzelfall können diese über den Zeitraum von zwei Monaten hinaus fortbestehenden Gründe jedoch so gewichtig sein, daß objektiv besehen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft gerechtfertigt erscheint. Gerade dies trifft aber im vorliegenden Fall zu. Denn selbst wenn man die den Beschwerdeführer durchwegs nicht begünstigenden behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen außer acht ließe - weil diese jeweils noch nicht rechtskräftig sind -, verbleibt immer noch der gravierende Aspekt, daß der Beschwerdeführer in Österreich weder Familienangehörige hat noch über einen Freundeskreis verfügt sowie ohne feste Unterkunft und überdies völlig mittellos ist. Davon ausgehend erscheint aber die der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende und explizit den Bescheid der belangten Behörde tragende Prognose, daß der Beschwerdeführer bis zur Abschiebung seinen Lebensunterhalt - da jedenfalls bis dato keine entsprechende Verpflichtungserklärung eines Dritten vorliegt - im Falle der Enthaftung entweder durch strafbare Handlungen zu bestreiten versuchen oder diesbezüglich der öffentlichen Hand zur Last fallen wird. Beide Aspekte stellen aber zweifellos wichtige Gründe i.S.d. § 5 Abs.2 FrPG dar, die eine Ausdehnung der Schubhaft dem Grunde nach rechtfertigen.

4.2.3. Da im Zeitpunkt der Bescheiderlassung für die belangte Behörde jedenfalls nicht abzusehen war, wie lange es dauert, bis der Bundesminister für Inneres über die die Abschiebung hindernde Berufung des Beschwerdeführers gegen den negativen Asylbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich entschieden haben wird, erscheint im Hinblick auf die - wie dargelegt gewichtigen Gründe, die für die weitere Erstreckung der Schubhaft sprechen, auch die Ausdehnung um die Höchstdauer von einem auf insgesamt drei Monate als verhältnismäßig i.S.d. § 5 Abs. 2 FrPG. Wenn und soweit die Berufungsentscheidung des Bundesministers für Inneres innerhalb dieses Ausdehnungszeitraumes ergeht, wird die belangte Behörde jedoch den Ausdehnungszeitraum den durch diese Berufungsentscheidungen geschaffenen Verhältnissen entsprechend unverzüglich anzupassen haben.

4.3. Ob die Begründung des Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich über den Aspekt der als zureichend befundenen Darlegung der Gründe für den Freiheitsentzug hinaus in jeder Hinsicht - insbesondere in bezug auf die Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung - den Anforderungen des § 58 Abs.2 i.V.m. § 60 AVG entspricht, hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Blick auf § 11 Abs.3 FrPG weder materiell noch gar formell zu entscheiden.

4.4. Da sich somit das Vorbringen des Beschwerdeführers aus den genannten Gründen als unzutreffend erwiesen hat, war die vorliegende Beschwerde abzuweisen.

5.1. Bei diesem Verfahrensergebnis war auch der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz gemäß § 79a AVG abzuweisen.

5.2. Der Antrag der Bundespolizeidirektion Linz auf Ersatz des Aktenvorlage- und Schriftsatzaufwandes nach dieser Gesetzesstelle war in sinngemäßer Anwendung des § 67c Abs. 3 AVG zurückzuweisen, weil im gegenständlichen Verfahren nicht ihr, sondern nur der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich - wie oben unter 4.1. dargetan die Position einer Partei gemäß § 67c Abs. 4 AVG zukommt und deshalb mangels prozessualer Handlungsfähigkeit in diesem Verfahren eine dementsprechende - allenfalls für letztere stellvertretende - Antragstellung unzulässig ist (vgl. VwSen-400067 v. 21.2.1992). Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs.4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Linz, am 24. März 1992 Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f 6

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