Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400091/6/Gf/Hm

Linz, 28.07.1992

VwSen - 400091/6/Gf/Hm Linz, am 28. Juli 1992 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des T, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Freistadt zu Recht erkannt:

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 10. Juni 1992 bis zum 22. Juni 1992 wird gemäß § 5a des Fremdenpolizeige- setzes i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bezirkshauptmann von Freistadt als belangte und hinsichtlich der festgestellten Rechtswidrigkeit für den Bund tätig gewordene Behörde ist gemäß § 79a AVG verpflichtet, dem Beschwerdeführer die mit 7.533,33 S zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig bestimmten Kosten zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, gelangte am 25. Jänner 1991 unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes und Sichtver- merkes zu sein in das Bundesgebiet. In der Folge stellte er einen Asylantrag, über den die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich mit Bescheid vom 31. Jänner 1991 nega- tiv abgesprochen hat. In der Folge hielt sich der Beschwerdefüh- rer weiter in Österreich auf und versuchte vergeblich, eine gere- gelte Arbeit zu finden. Am 31. März 1992 hat sich der Beschwerde- führer unter Aufgabe seines bisherigen Wohnsitzes (M) in A, polizeilich angemeldet.

1.2. Mit dem vom Beschwerdeführer am selben Tag persönlich übernommenen Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 12. Mai 1992, Zl. Sich04/2060/1992/La/Mo, wurde über diesen "zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung" die Schubhaft verhängt und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beru- fung ausgeschlossen. Die Schubhaft wurde durch Überstellung in das Polizeigefangenenhaus Linz vollzogen. Am 21. Mai 1992 hat der Beschwerdeführer Berufung gegen den Schubhaftbescheid erho- ben, diese jedoch am 7. Juli 1992 zurückgezogen.

1.3. Am 1. Juni 1992 hat der Beschwerdeführer gegen die mit dem oben unter 1.2. angeführten Bescheid verhängte Schubhaft Beschwerde erhoben. Über diese hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Erkenntnis vom 4. Juni 1991, VwSen-400087/3/Gf/Hm, entschieden, daß die vom 12. Mai 1992 bis zum 4. Juni 1992 vorgenommene Anhaltung des Beschwerdeführers nicht rechtswidrig war.

1.4. Mit der vorliegenden, am 22. Juni 1992 beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangten Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer die Feststellung, daß seine Anhaltung in Schubhaft ab dem 10. Juni 1992 rechtswidrig war.

1.5. Am 23. Juni 1992 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen.

2.1. In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, daß der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seinem Erkenntnis vom 4.6.1992, VwSen-400087/3/Gf/Hm, festge- stellt habe, daß es Aufgabe der belangten Behörde sei, die von ihm vorgelegte Verpflichtungserklärung einer Dritten einer Über- prüfung dahingehend, ob dieser eine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, zuzuführen. Wenn die belangte Behörde auch noch 14 Tage nach dem Einlangen dieser Verpflichtungserklärung keine derar- tige Ermittlungstätigkeit vorgenommen hat, sei eine weitere Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig. Da die belangte Behörde im vorliegenden Fall innerhalb dieser Frist tatsächlich keinerlei Ermittlungstätigkeit vorgenommen hat, erweise sich die Anhaltung des Beschwerdeführers sohin seit dem 10. Juni 1992 als rechtswid- rig.

2.2. Die belangte Behörde bringt dagegen in ihrer Gegenschrift vor, daß die Einhaltung der zweiwöchigen Frist im gegenständli- chen Fall zum einen deshalb nicht möglich gewesen sei, weil sich der zugrundeliegende Verwaltungsakt in diesem Zeitraum bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zwecks Erlassung einer Entscheidung über die Berufung des Beschwerdefüh- rers gegen den Schubhaftbescheid befunden hätte; zum anderen sei die Zweiwochenfrist im Zeitpunkt des Einlangens der Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates bei der belangten Behörde (9. Juni 1992) bereits verstrichen gewesen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmann Freistadt zu Zl. Sich04/2059/1992 sowie in den ho. Akt zu Zl. VwSen-400087; da aus diesen der Sachverhalt hin- reichend geklärt erschien, konnte gemäß § 5a Abs. 6 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG), von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. darge- stellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 5 Abs. 1 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Ver- wahrung (Schubhaft) genommen werden, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit (erste Alternative) oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhal- ten des Fremden zu verhindern (zweite Alternative).

Nach § 5a Abs. 1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungsse- nat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme (erste Alternative; sog. Schubhaftbeschwerde dem Grunde nach) oder Anhaltung (zweite Alternative; Beschwerde gegen die Art und Weise der Vollziehung der Schubhaft bzw. gegen die weitere Anhal- tung in Schubhaft bei geänderten tatsächlichen Voraussetzungen) anzurufen.

4.2. Die am 1. Juni 1992 erhobene, ho. zu Zl. VwSen-400087 protokollierte und mit Erkenntnis vom 4. Juni 1992 erledigte Beschwerde war auf § 5a Abs. 1 FrPG gestützt und stellte sohin eine "Schubhaftbeschwerde dem Grunde nach" dar. Mit der vorlie- genden, auf § 5a Abs. 1 Z. 2 FrPG gestützten Beschwerde wird hin- gegen die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers ab dem 10. Juni 1992 (bis zum 22. Juni 1992) geltendgemacht. Es handelt sich sohin um einen anderen Beschwerdegegenstand, sodaß eine Entscheidung über diesen durch den unabhängigen Verwaltungs- senat des Landes Oberösterreich aus dem Grunde der "res iudi- cata" (§ 68 Abs. 1 AVG) nicht gehindert ist. Da im vorliegenden Fall auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des § 5a FrPG i.V.m. § 67c AVG erfüllt sind, ist die Beschwerde somit zulässig.

4.3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in seinem die Schubhaftbeschwerde dem Grunde nach erledigen- den Erkenntnis vom 4. Juni 1992, VwSen-400087/3/Gf/Hm, u.a. aus- gesprochen, daß die am 12. Mai 1992 verhängte und vollzogene Schubhaft auch unter dem Aspekt, daß der Beschwerdeführer am 21. Mai 1992 eine Verpflichtungserklärung einer österreichischen Staatsbürgerin, wonach sich diese vorbehaltslos dazu bereiter- klärt, für den Lebensunterhalt und insbesondere auch für die im Zuge von fremdenpolizeilichen Maßnahmen verursachten Kosten des Beschwerdeführers aufzukommen, vorgelegt hat, jedenfalls bis zum 4. Juni 1992 als rechtmäßig anzusehen war. Dies unter dem Aspekt, daß der belangten Behörde ein gewisser Zeitraum zugestan- den werden muß, um überprüfen zu können, ob einer derartigen Ver- pflichtungserklärung auch eine rechtliche Verbindlichkeit zukommt; es liegt sohin am Beschwerdeführer, eine derartige Verpflichtungserklärung so rasch als möglich vorzulegen. Dagegen hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als äußerste Frist zum Befund darüber, ob es sich hiebei nicht bloß um eine Scheinerklärung, sondern um eine solche handelt, der auch eine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, eine solche von 14 Tagen als angemessen erachtet: Innerhalb dieses Zeitraumes muß die den Beschwerdeführer in Schubhaft anhaltende Behörde jedenfalls eine nachweisbare, nach außen gerichtete Ermittlungstätigkeit dahingehend, ob der vorgelegten Verpflichtungserklärung auch eine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, gesetzt haben. Anderfalls läßt sich die die verhängte Schubhaft tragende Prognose, daß sich der Beschwerdeführer die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel auf illegale Weise verschaffen wird, nicht mehr aufrechterhalten. Im vorangeführten Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates wurde im übrigen auch dargetan, daß im vorliegenden Fall allein aufgrund dieser Prognose die verhängte Schubhaft rechtlich gedeckt erscheint, während die übrigen von der belangten Behörde ins Treffen geführten Gründe diese nicht zu tragen vermögen.

Die belangte Behörde bestreitet in ihrer Gegenschrift nicht, während der zweiwöchigen Frist keinerlei Ermittlungstätigkeit der geforderten Art vorgenommen zu haben; sie erachtet diese Untätigkeit jedoch deshalb nicht als rechtswidrig, weil ihr der bezughabende Verwaltungsakt nicht zur Verfügung stand und ihr das Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates erst nach Ablauf die- ser Frist zuging.

Beide von der belangten Behörde ins Treffen geführte Argumente vermögen jedoch nicht zu überzeugen:

Zum einen ist nicht ersichtlich, weshalb es in einem hoch- technisierten Zeitalter nicht möglich sein sollte, einen bei der Berufungsbehörde befindlichen Akt - und sei es auch nur zum Zweck der Anfertigung von Duplikaten der benötigten Aktenstücke - innerhalb von zwei Wochen beizuschaffen. Derartige Einwände sind somit keinesfalls geeignet, den vorliegenden Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit als verhältnismäßig i.S.d. Art. 1 Abs. 3 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), erscheinen zu lassen.

Zum anderen ergibt sich die Pflicht zur umgehenden behördlichen Ermittlungstätigkeit nicht erst aus dem bereits mehrfach erwähn- ten Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates, sondern schon unmit- telbar aus § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG, dem i.V.m. Art. 5 Abs. 3 zweiter Satz MRK, wonach jedermann Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung wäh- rend des Verfahrens hat, eine vorrangige Bedeutung zukommt: In Verbindung mit dem in Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG festgelegten Verhältnismäßigkeitsprinzip folgt daraus, daß eine Schubhaft eben nur so lange aufrecht erhalten werden darf, als dies nach dem Zweck dieser Maßnahme erforderlich ist, und die Anhaltungsbe- hörde daher stets dann, wenn ihr Umstände bekannt werden, die diesen Zweck obsolet machen könnten - wie dies bei Vorlage eine Verpflichtungserklärung der Fall ist -, umgehende Ermittlungen vorzunehmen hat. Auf den Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnis- ses des O.ö. Verwaltungssenates vom 4. Juni 1991, VwSen400087/3/Gf/Hm, die tatsächlich am 9. Juni 1992 erfolgte, kam es daher nach dem Gesagten nicht an.

4.4. Damit erweist sich aber, daß die belangte Behörde binnen 14 Tagen ab Vorlage der Verpflichtungserklärung durch den Beschwer- deführer zu Unrecht keine Ermittlungen darüber, ob dieser eine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, angestellt hat. Die die verhängte Schubhaft allein tragende Prognose, der Beschwerdführer werde sich die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforder- lichen finanziellen Mittel auf illegalem Weg verschaffen, war sonach ab dem 5. Juni 1992 nicht mehr vertretbar.

Da der Beschwerdeführer jedoch beantragt hat, die Rechtswid- rigkeit der Schubhaft (erst) ab dem 10. Juni 1992 festzustellen, hatte sich der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich somit auf dieses Vorbringen zu beschränken und gemäß § 5a FrPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG auszusprechen, daß die über den Beschwerdeführer verhängte Schubhaft vom 10. Juni 1992 bis zum 22. Juni 1992 rechtswidrig war.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten in der beantragten Höhe von 7.533,33 S (vgl. VwGH v. 23.9.1991, Zl. 91/19/0162) zuzusprechen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs. 4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f 6

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