Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400148/2/Gf/Hm

Linz, 21.10.1992

VwSen-400148/2/Gf/Hm Linz, am 21. Oktober 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Johann Rathbauer, Weißenwolffstr. 1, 4020 Linz, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 5a Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes und § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Das Begehren des Beschwerdeführers auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten wird gemäß § 79a AVG als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerdeführer ist gemäß § 79a AVG verpflichtet, der belangten Behörde die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten in Höhe von 2.033,33 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das darüber hinausgehende Kostenersatzbegehren der belangten Behörde in Höhe von 1.001,67 S wird gemäß § 79a AVG als unbegründet abgewiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist Ende April 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle und nur im Besitz eines Personalausweises, sohin ohne gültiges Reisedokument und ohne österreichischen Sichtvermerk, in das Bundesgebiet eingereist. In der Folge stellte er einen Antrag auf die Gewährung politischen Asyls, der mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. Mai 1992, Zl. FrA-1353/92, abgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt und blieb in der Folge unbekämpft.

1.2. Am 15. Oktober 1992 wurde der dort polizeilich gemeldete Beschwerdeführer anläßlich einer Sonderstreife in der Gaststätte seines Unterkunftgebers ohne entsprechende behördliche Bewilligung arbeitend angetroffen und einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Mit dem dem Beschwerdeführer durch persönliche Aushändigung um 21.15 Uhr desselben Tages zugestellten Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Oktober 1992, Zl. Fr-, wurde über diesen die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeigefangenenhaus Linz sofort vollzogen. Dagegen hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Vorstellung erhoben.

1.3. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. Oktober 1992, Zl. Fr-79890, wurde über den Beschwerdeführer ein bis zum 16. Oktober 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

1.4. Gegen die mit dem oben unter 1.2. angeführten Bescheid verhängte Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 19. Oktober 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Beschwerde.

2.1. Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß sich der Beschwerdeführer illegal im Bundesgebiet aufhalte und überdies völlig mittellos sei. Es sei daher anzunehmen, daß sein weiterer Aufenthalt die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und somit öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Aus diesen Gründen sei somit wegen Gefahr in Verzug zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufent haltsverbotes, einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft zu verhängen gewesen.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer vor, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet schon deshalb nicht rechtswidrig sein könne, weil ihm der negative Asylbescheid bislang noch nicht zugestellt worden sei. Im übrigen treffe es auch nicht zu, daß er völlig mittellos sei; vielmehr werde er in den nächsten Tagen die Verpflichtungserklärung eines entsprechend zahlungskräftigen Bürgen vorlegen. Da er während seines Aufenthaltes in Österreich von Übertretungen des Meldegesetzes oder des Fremdenpolizeigesetzes, die aber angesichts des Umstandes, daß sich derzeit tausende Flüchtlinge in Österreich aufhalten, nicht sonderlich ins Gewicht fallen würden, abgesehen bislang in keiner Weise durch ein strafbares Verhalten in Erscheinung getreten sei, erweise sich sohin der Vorwurf, daß er sich die finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes durch strafbare Handlungen zu verschaffen versuchen wird, als gänzlich haltlos. Schließlich lasse der Schubhaftbescheid auch nicht erkennen, inwiefern im gegenständlichen Fall das zu seiner Erlassung unabdingbar erforderliche Merkmal der Gefahr in Verzug vorgelegen haben soll.

Aus allen diesen Gründen beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der über ihn verhängten Schubhaft.

2.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie im wesentlichen darlegt, daß das Vorbringen des Beschwerde führers, bis zu seiner Festnahme nichts von einem negativen Asylbescheid gewußt zu haben, in Wahrheit gegen ihn spreche, weil es zeige, daß er sich tatsächlich nicht um den Ausgang seines Asylverfahrens gekümmert habe. Im übrigen sei es eine bekannte Tatsache, daß Fremde in die Anonymität flüchten würden, sobald sie Kenntnis davon erlangen, daß gegen sie fremdenpolizeiliche Maßnahmen beabsichtigt sind.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr79890; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 5a Abs. 6 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG), von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Art. 2 Abs. 1 Z. 7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), legt fest, daß die persönliche Freiheit einem Menschen u.a. dann auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung zu sichern. § 5 Abs. 1 FrPG ist als eine solche unter Heranziehung des eben angeführten Gesetzesvorbehaltes des PersFrSchG ergangene Bestimmung anzusehen. Eine von der Behörde angeordnete und vollzogene Schubhaft erweist sich daher dann als rechtmäßig, wenn diese sowohl den formellen als auch den materiellen Kriterien des § 5 Abs. 1 FrPG entspricht.

Gemäß § 5 Abs. 1 FrPG kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung (Schubhaft) genommen werden, wenn dies entweder im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (erste Alternative) oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befüchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern (zweite Alternative).

Nach § 5a Abs. 1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme (erste Alternative; sog. Schubhaftbeschwerde dem Grunde nach) oder Anhaltung (zweite Alternative; Beschwerde gegen die Art und Weise des Vollzuges der Schubhaft bzw. gegen die weitere Anhaltung bei geänderten tatsächlichen Verhältnissen) anzurufen.

4.2.1. Die im vorliegenden Fall von der Bundespolizeidirektion Linz verhängte Schubhaft basiert auf einem gemäß § 57 Abs. 1 zweite Alternative AVG erlassenen und damit - weil gemäß § 57 Abs. 2 AVG einer dagegen erhobe nen Vorstellung schon ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt - sofort vollstreckbaren Bescheid, wie dies die §§ 5 und 5a FrPG vorsehen.

4.2.2. Auch inhaltlich ist diese Maßnahme unter dem Aspekt des Art. 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrSchG i.V.m. § 5 Abs. 1 FrPG nicht zu beanstanden:

Daß sich der Beschwerdeführer ohne gültiges Reisedokument und ohne österreichischen Sichtvermerk und damit widerrechtlich im Bundesgebiet aufgehalten hat, wird von ihm selbst nicht bestritten. Davon ausgehend kann aber auch der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn diese zur Sicherung der Abschiebung zwecks Verhinderung eines unmittelbar zu befürchtenden strafbaren Verhaltens - nämlich der Fortsetzung der Übertretung des § 14b Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 FrPG - über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt hat. Diese Maßnahme erweist sich sohin schon im Hinblick auf § 5 Abs. 1 zweite Alternative FrPG als rechtmäßig.

Darüber hinaus war die Verhängung der Schubhaft offensichtlich auch aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 erste Alternative FrPG im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erforderlich: Denn die Prognose der belangten Behörde dahingehend, daß sich der im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung als mittellos anzusehende Beschwerdeführer einerseits die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel auf illegalem Weg in keineswegs zu bagatellisierender Weise - nämlich offensichtlich durch Ausübung einer Beschäftigung ohne entsprechende behördli che Bewilligung - besorgen und sich dieser andererseits den im nunmehrigen Wissen um die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn zu erwartenden weiteren fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu entziehen oder diese zumindest zu erschweren versuchen wird, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und erscheint daher keineswegs als abwegig (vgl. in diesem Sinne auch VwGH v. 29.6.1992, Zl. 92/18/0054).

4.3. Demgegenüber erweisen sich die vom Beschwerdeführer gegen die Rechtmäßigkeit der Verhängung der Schubhaft ins Treffen geführten Gründe nicht als stichhaltig:

4.3.1. § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. 8/1992 (im folgenden: AsylG) gewährt nur jenen Asylwerbern, die entweder direkt aus dem Staat kommen, von dem sie behaupten, eine Verfolgung befürchten zu müssen, oder jenen, die in einen solchen gemäß § 13a FrPG nicht zurückgewiesen werden dürfen, ab dem Zeitpunkt, zu dem ein zulässiger Asylantrag gestellt wurde, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung. Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG erlischt diese vorläufige Aufenthaltsberechtigung in dem Zeitpunkt, zu dem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen wird oder einem Rechtsmittel gegen eine Entscheidung der Asylbehörden keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Der oben unter 1.1. angeführte negative Asylbescheid wurde dem Beschwerdeführer am 6. Juni 1992 durch Hinterlegung an die von ihm der Behörde im Asylverfahren bekanntgegebene Adresse zugestellt. Abgesehen davon, daß diese Zustellung entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht deshalb rechtswidrig war, weil er zu diesem Zeit punkt an dieser Adresse tatsächlich nicht mehr aufhältig gewesen ist, da es in diesem Fall an ihm gelegen wäre, der Behörde seinen neuen Aufenthaltsort bekanntzugeben, und der negative Asylbescheid somit als rechtskräftig und verbindlich anzusehen ist, wäre die belangte Behörde selbst im Falle des Bestehens einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung durch diese an der Verhängung der Schubhaft nicht gehindert gewesen: Denn die Aufenthaltsberechtigung würde bloß die Vollstreckbarkeit des Aufenhaltsverbotes, also die Durchführung der Abschiebung selbst, nicht aber die Setzung von einstweiligen zweckentsprechenden Maßnahmen zu deren späterer Sicherstellung hindern (vgl. VfGH v. 11.6.1990, B 947 u. 1006/89).

4.3.2. Der Einwand des Beschwerdeführers, daß der Schubhaftbescheid nicht erkennen ließe, ob und inwieweit im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für die Erlassung eines Mandatsbescheides vorgelegen sind, ist schon insoweit unzutreffend, als die belangte Behörde im Schubhaftbescheid ohnedies ausdrücklich anführt, daß Gefahr im Verzug i.S.d. § 57 Abs. 1 zweite Alternative AVG deshalb vorgelegen ist, weil sich der Beschwerdeführer illegal in Österreich aufhält und mittellos ist, wobei zu befürchten steht, daß er sich die finanziellen Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes durch strafbare Handlungen verschaffen wird.

4.3.3. Soweit der Beschwerdeführer schließlich vorbringt, durch eine entsprechende Verpflichtungserklärung eines Bürgen über die notwendigen finanziellen Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt in Österreich zu verfügen, ist er auf die ständige Rechtsprechung des O.ö. Verwaltungssenates zu verweisen, wonach im Falle der Vorlage einer derartigen Verpflichtungserklärung der belangten Behörde eine angemessene (14 Tage - gerechnet vom Zeitpunkt von deren tatsächlicher Einbringung - nicht übersteigende) Frist zur Vornahme von Erhebungen über die rechtliche Verbindlichkeit dieser Verpflichtungserklärung zukommt (vgl. z.B. VwSen-400086 v. 4.6.1992). Ist danach schon die verhängte Schubhaft jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht als rechtswidrig anzusehen, so gilt dies erst recht für den Fall, wo eine derartige Verpflichtungserklärung bloß angekündigt wurde, tatsächlich aber noch nicht erfolgt ist.

4.4. Da im übrigen weitere Gründe für die Rechtswidrigkeit der Schubhaft weder vom Beschwerdeführer selbst vorgebracht noch im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind, wurde er sohin nach dem zuvor Dargelegten durch diese Maßnahme im Ergebnis weder in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit noch in sonstigen subjektiven Rechten verletzt.

4.5. Aus allen diesen Gründen war daher die vorliegende Beschwerde gemäß § 5a Abs. 1 FrPG i.V.m. § 5a Abs. 6 FrPG und § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der belangten Behörde als obsiegender Partei gemäß § 79a AVG der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten in Höhe von 2.033,33 S (d.s. zwei Drittel des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gebührenden Pau schalkostenersatzes für den Aktenvorlage- und den Schriftsatzaufwand; vgl. z.B. VwGH v. 23.9.1991, Zl. 91/19/0162) zuzusprechen. Das darüber hinausgehende Begehren der belangten Behörde in Höhe von 1.001,67 S sowie das Begehren des im Verfahren unterlegenen Beschwerdeführers auf Kostenersatz waren hingegen abzuweisen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 67c Abs. 4 AVG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwSlg 12821 A/1988) oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. G r o f 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum