Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400173/4/Schi/Hm

Linz, 24.02.1993

VwSen-400173/4/Schi/Hm Linz, am 24. Februar 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Christian Schieferer über die Beschwerde des O, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 23. November 1992 bis zum 26. November 1992 wird für rechtswidrig erklärt.

Rechtsgrundlage: §§ 41, 51, 52 und § 88 Abs.2 Fremdengesetz, BGBl.Nr. 838/1992 (kurz: FrG) iVm § 67a Abs.1 Z1 AVG.

II. Die Bundespolizeidirektion Linz als belangte und hinsichtlich der festgestellten Rechtswidrigkeit für den Bund tätig gewordene Behörde ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer die mit 7.533,33 S zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig bestimmten Kosten zu Handen seines Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlage: § 79a AVG.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

+1.1. Am 21. November 1992 wurde von Organgen der Bundespolizeidirektion Linz wegen zu befürchtender Ausschreitungen im Zusammenhang mit der Eröffnung einer Moschee in der Humboldtstraße eine planquadratmäßige Anhaltung von Kraftfahrzeugen mit türkischen Insassen durchgeführt. In derem Zuge wurde auch der Beschwerdeführer, ein türkischer Stattsangehöriger, dabei betreten, daß sich in dem von ihm als Beifahrer benützten PKW eine Faustfeuerwaffe und 50 Schuß dazu passender Munition befand, obwohl hiefür keiner der PKW-Insassen eine behördliche Berechtigung vorweisen konnte. Wegen Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr wurden der Beschwerdeführer, der Lenker und die weiteren zwei Beifahrer gemäß § 452 iVm § 175 Abs.1 Z3 StPO bzw. gemäß § 177 Abs.1 iVm § 175 Abs.1 Z3 und 4 StPO vorläufig in Verwahrung genommen.

1.2. Mit dem dem Beschwerdeführer am 23. November 1992 durch persönliche Aushändigung zugestellten und auf § 5 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden: FrPG), iVm § 57 Abs.1 AVG gestützten Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom selben Tag, Zl. Fr-81315, wurde über diesen zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Anhaltung im Polizeigefangenenhaus Linz sofort vollzogen. Der Beschwerdeführer hat dagegen rechtzeitig Vorstellung erhoben.

1.3. Am 21. November 1992 erstattete die Bundespolizeidirektion Linz ua auch gegen den Beschwerdeführer Anzeige wegen des Verdachtes des versuchten Landfriedensbruches und des Verstoßes gegen § 36 des Waffengesetzes. Danach sei es am 21. November 1992 anläßlich der Eröffnung einer Moschee in Linz zu massiven Auseinandersetzungen unter türkischen Staatsangehörigen und zu tumultartigen Ausscheitungen, an denen bis zu 500 Personen beteiligt gewesen seien, gekommen. Die gewalttätige Demonstration, in deren Zuge es auch zu Sachbeschädigungen gekommen sei, sei daher von der Polizei um 13.40 Uhr aufgelöst worden. Um ein Wiederaufflammen der Gewalttätigkeiten zu verhindern, seien bereits im Vorfeld des Eröffnungsgeländes Kraftfahrzeugkontrollen durchgeführt und dabei insbesondere nach Waffen gesucht worden. In diesem Zusammenhang seien bereits gegen 13.20 Uhr, gegen 14.17 Uhr und gegen 14.50 Uhr andere Fahrzeuge angehalten und bei dessen Insassen Waffen aufgefunden worden; gegen 15.10 Uhr sei auch das Kraftfahrzeug in dem sich der Beschwerdeführer befand, perlustriert und im Zuge dieser Durchsuchung eine Pistole vorgefunden worden.

1.4. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1992 (zur Post gegeben am 31.12.1992) hat der Beschwerdeführer unmittelbar beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eine auf § 5a Abs.1 FrPG gestützte Beschwerde eingebracht.

1.5. Mit Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 25. November 1992, Zl. Fr-81315, wurde über den Beschwerdeführer wegen Gefahr in Verzug ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

1.6. Am 26. November 1992 wurde der Beschwerdeführer vom Flughafen Wien-Schwechat aus in die Türkei abgeschoben.

2.1. Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen seine auf Anhaltung richtet, bringt der Beschwerdeführer in dieser vor, daß die Schubhaft schon deshalb rechtswidrig sei, weil die Verhängung der Schubhaft nur dann möglich wäre, wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit notwendig sei, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten zu verhindern und gleichzeitig die Abschiebung geplant sei. Der Beschwerdeführer sei bereits seit 14 Jahren ohne Unterbrechung in Österreich aufhältig, lebe mit seiner Familie (drei kleine Kinder) in Salzburg und sei bei der Fa. Schrems Gartenbau seit Jahren als Expeditleiter beschäftigt; er sei weder gerichtlich noch verwaltungsbehördlich vorbestraft. Es sei für ihn nicht erkennbar, wann durch sein Verhalten die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit derart nachhaltig gestört worden sein soll, daß die Verhängung der Schubhaft notwendig gewesen sei.

Es wird daher die Feststellung der Rechtswidrigkeit der verhängten Schubhaft beantragt.

2.2. Die belangte Behörde bringt hiezu in ihrer Gegenschrift vor, daß der Umstand, daß der Beschwerdeführer zu einer politischen Demonstration angereist sei, um an dieser bewaffnet teilzunehmen, jedenfalls die Annahme gerechtfertigt hätte, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Weiters habe zwar die Waffe dem Beschwerdeführer nicht gehört; sie sei jedoch für ihn jederzeit griffbereit im Auto gelegen, sodaß nicht ausgeschlossen werden konnte, daß er diese auch tatsächlich verwendet hätte. Außerdem war nicht auszuschließen, daß er die Örtlichkeit der Auseinandersetzung wieder aufgesucht hätte.

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Abweisung der vorliegenden Beschwerde beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. Fr-81315; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Vorweg ist festzustellen, daß gemäß § 86 Abs.3 Fremdengesetz (FrG), BGBl.Nr. 838/1992, das Fremdenpolizeigesetz, BGBl.Nr. 75/1954, mit Ablauf des 31. Dezember 1992 außer Kraft und gemäß § 86 Abs.1 FrG dieses Bundesgesetz (mit Ausnahme der hier nicht relevanten §§ 75 und 76) am 1. Jänner 1993 in Kraft getreten ist. Zufolge der Übergangsbestimmung des § 88 Abs.2 FrG gelten Schubhaftbescheide nach dem (alten) Fremdenpolizeigesetz ab 1.

Jänner 1993 als nach diesem Bundesgesetz (also dem Fremdengesetz) erlassen; deshalb hatte der unabhängige Verwaltungssenat die gegenständliche Anhaltung des Rechtsmittelwerbers bereits mdengesetz zu überprüfen.

4.2. Art.2 Abs.1 Z7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), legt fest, daß die persönliche Freiheit einem Menschen ua dann auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden darf, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung zu sichern. § 41 Abs.1 FrG ist als eine solche unter Heranziehung des eben angeführten Gesetzesvorbehaltes des PersFrSchG ergangene Bestimmung anzusehen. Eine von der Behörde angeordnete und vollzogene Schubhaft erweist sich daher dann als rechtmäßig , wenn diese sowohl den formellen als auch den materiellen Kriterien des § 5 Abs.1 FrG entspricht.

Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft) sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Nach § 51 Abs.1 FrG hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.

4.2.1. Die im vorliegenden Fall von der Bundespolizeidirektion Linz verhängte Schubhaft basiert auf einem gemäß § 57 Abs.1 zweite Alternative erlassenen und damit - weil gemäß einer dagegen erhobenen Vorstellung schon ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt - sofort vollstreckbaren Bescheid, wie dies die §§ 41 und 51 FrG vorsehen.

4.2.2. Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.3.1992, Zl. G 346/91 ua, hat der unabhängige Verwaltungssenat "als Haftprüfungsinstanz - nach § 5a FrPG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung (in die jede - tatsächliche Inhaftnahme für wenn auch noch so kurze Zeit mündet) im Zeitpunkt seiner Entscheidung - so aber die Haft schon früher endete: in dem unmittelbar von der Freilassung liedgenden Zeitpunkt - zu befinden" (S. 15). Im vorliegenden Fall ist sonach jener Tag, wo der Beschwerdeführer in die Türkei abgeschoben wurde und damit zu diesem Zeitpunkt dessen Anhaltung in Schubhaft endete, nämlich der 26. November 1992, maßgeblich.

Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer bereits aus der gerichtlichen Verwahrungshaft entlassen. Von der belangten Behörde blieb im vorliegenden Verfahren auch unbestritten, daß der Beschwerdeführer seit Jahren in einem Angestelltenverhältnis tätig ist, über einen festen Wohnsitz verfügt sowie in Österreich sowohl familiär (drei Kinder) als auch sozial voll integriert ist. Selbst wenn man davon ausgeht, daß über ihn zu diesem Zeitpunkt bereits ein - wenngleich nicht rechtskräftiges, so doch - vollstreckbares Aufenthaltsverbot verhängt war (dessen Rechtswidrigkeit festzustellen dem unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund einer Schubhaftbeschwerde selbst dann verwehrt ist, wenn diese - wie im vorliegenden Fall - offenkundig ist, weil eine derartige Entscheidung gemäß § 11 Abs.2 und 3 FrPG in die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion fällt; vgl. VfGH v. 12.3.1992, G 346/91 ua, 15), war angesichts dieser Integration des Beschwerdeführers eine Prognose der belangten Behörde dahingehend, daß er sich dem Vollzug der Abschiebung zu entziehen oder diese zumindest zu erschweren versuchen wird (vgl. VwGH v. 29.6.1992, Zl. 92/18/0054), nicht ohne weiteres vertretbar. Dies belegt auch der Umstand, daß die belangte Behörde spezifische Überlegungen in diese Richtung weder mit dem Schubhaftbescheid noch mit der im gegenständlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift angestellt hat: Es ging ihr vielmehr ganz offenkundig nur darum, den Beschwerdeführer ohne Ansehung seiner konkreten Person wegen der in Verbindung mit dem ihm zur Last gelegten Delikt des versuchten Landfriedensbruches entstandenen politischen Schwierigkeiten möglichst schnell und unproblematisch außer Land schaffen zu können.

Auf der anderen Seite stellt die durch § 41 Abs.1 FrG (bisher § 5 Abs.1 FrPG) eröffnete Möglichkeit der Verhängung der Schubhaft einen Eingriff in die persönliche Freiheit, also in eines der höchsten verfassungsmäßig geschützten Rechtsgüter, dar, die - wie schon das in Art.1 Abs.3 PersFrG ausrücklich positivierte Prinzip der Verhältnismäßigkeit zeigt - weder leichtfertig gehandhabt werden noch generell dazu dienstbar gemacht werden darf, der Behörde die faktische Durchführung der Abschiebung eines Fremden unter möglichst komfortablen Umständen zu ermöglichen. Wenn daher der Beschwerdeführer im konkreten Fall seit über 14 Jahren einen ordentlichen Wohnsitz hat und dort mit seiner Familie auch tatsächlich lebt sowie bei einer Salzburger Firma sogar seit Jahren in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt ist, so müßten seitens der belangten Behörde insbesondere im Falle des Vorliegens eines (bloß) vollstreckbaren (aber noch nicht rechtskräftigen und daher möglicherweise auch rechtswidrigen) Aufenthaltsverbotes schon ganz gravierende Gründe (wie etwa die Verhängung der Untersuchungshaft; das Vorliegen einer - wenn gleich noch nicht rechtskräftigen - gerichtlichen Verurteilung; etc.) vorgebracht werden können, die die Verhängung der Schubhaft rechtfertigen. Solche wurden aber im gegenständlichen Fall weder von der belangten Behörde dargetan noch haben sich im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich Anhaltspunkte für deren Vorliegen ergeben.

4.3. Damit war aber der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 52 FrG im Ergebnis stattzugeben und die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 23. November 1992 bis zum 26. November 1992 festzustellen. Die Festnahme am 21. November 1992 und die Anhaltung bis 23. November 1992 wird im gesonderten Erkenntnis zu Zl. VwSen-420.029 abgehandelt.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer als obsiegender Partei gemäß § 79a AVG antragsgemäß die mit 7.533,33 S (Schriftsatzaufwand 7.413,33 S, Stempelgebühr 120 S) zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen; das Begehren der im Verfahren unterlegenen belangten Behörde auf Kostenersatz war hingegen gemäß § 79a AVG abzuweisen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H in w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer 6

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