Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400192/19/Kl/Rd

Linz, 07.06.1994

VwSen-400192/19/Kl/Rd Linz, am 7. Juni 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat im Grunde des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1994, B 960/93-8, - weil eine Entscheidung des O.ö. Verwaltungssenates nicht mehr vorliegt - durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des E P, türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft bis zum 22.3.1993 durch die Bezirkshauptmannschaft Perg zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 51 Abs.1 und § 52 Abs.1, 2 und 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl.Nr. 838/1992, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

Zu II.: §§ 74 und 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 29.3.1993, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 30. März 1993, wurde Schubhaftbeschwerde erhoben und beantragt, die Festnahme und Anhaltung bis 22.3.1993 sowie die Erlassung des Schubhaftbescheides als gesetzwidrig festzustellen und dem Beschwerdeführer den Kostenersatz im verzeichneten Ausmaß zu Handen des Beschwerdeführervertreters zuzuerkennen. Die Beschwerde wurde damit begründet, daß zur Erlassung eines Schubhaftbescheides bzw. zur Anhaltung in Schubhaft ein besonderes Sicherungsbedürfnis der Behörde an der Anhaltung bestehen müsse, welches hinsichtlich des Beschwerdeführers nicht gegeben sei, weil dieser seit 17.12.1990 über einen ordentlichen Wohnsitz in P, verfüge, und sich niemals dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde entzogen hätte. Vielmehr hätte das Aufenthaltsverbotsverfahren auch gegen den auf freiem Fuß lebenden Beschwerdeführer durchgeführt werden können. Die gesamte Verwandtschaft des Beschwerdeführers lebe in Österreich und habe er seit Jahren einen geregelten Wohnsitz in Österreich. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sei gesetzwidrig. Zum Unterhalt führte er aus, daß er im Falle einer Haftentlassung bei der Firma P und P GmbH beginnen könne und der Lebensunterhalt gesichert wäre. Dazu werde eine Bestätigung der genannten Firma vorgelegt, wonach er "als gastgewerbliche Hilfskraft ab 15.3.1993 beschäftigt ist.

Sein Gehalt beträgt 3.250 ÖS monatlich." Auch wurde eine Anmeldung bei der Gebietskrankenkassa per 15.3.1993 sowie eine Bestätigung des Arbeitsamtes Perg über einen gültigen Befreiungsschein von 19.2.1993 bis 18.2.1998 beigelegt.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat auf die Aktenvorlage an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich hingewiesen und keine weitere Stellungnahme abgegeben.

3. Nach Einsichtnahme in den beigeschafften Verwaltungsakt hat der unabhängige Verwaltungssenat mit Beschluß vom 5.

April 1993, VwSen - 400192/4/Kl/Rd, die Beschwerde des Ercan PERVANELI wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Perg gemäß § 51 Abs.1 und § 52 Abs.1 und 2 des FrG als unzulässig zurückgewiesen, weil das Recht zur Schubhaftbeschwerde nur dann bestehe, wenn sich der Beschwerdeführer in Schubhaft befindet. Eine vor der Inhaftnahme bzw. nach einer Haftentlassung eingebrachte Beschwerde sei daher unzulässig, was der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur auch festgestellt hat (vgl. Beschluß vom 3.12.1992, 92/18/0390, vom 25.2.1993, 93/18/0044/3, sowie jüngst vom 4.2.1994, 94/02/0003 und vom 3.3.1994, 93/18/0374-0376).

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, welcher mit eingangs angeführtem Erkenntnis vom 3. März 1994, B 960/93-8, den Bescheid aufgehoben hat, weil der unabhängige Verwaltungssenat zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert und sohin den Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf persönliche Freiheit verletzt hat. Unter Hinweis auf § 52 Abs.2 FrG, wonach die §§ 67c bis 67g AVG gelten, verweist der VfGH im Hinblick auf § 67c Abs.1 AVG auf eine Beschwerdefrist von sechs Wochen, die "zwar primär ab Kenntnisnahme von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" vorgesehen ist. "Eine Schubhaftbeschwerde kann jedenfalls während der gesamten Dauer der Schubhaft eingebracht werden; vor deren Beendigung kann sich die Frage der Befristung der Einbringung gar nicht stellen. Unter Würdigung aller Umstände ist deshalb davon auszugehen, daß - soweit die Beschwerdebefugnis nicht schon konsumiert wurde Beschwerden gemäß § 51 Abs.1 FrG auch innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Beendigung der Schubhaft erhoben werden können. Hier wurde der Schubhaftbescheid am 1. März 1993 zugestellt, am selben Tag in Vollzug gesetzt und am 22. März 1993 die Schubhaft durch Abschiebung in die Türkei beendet.

Die Beschwerde wurde am 29. März 1993, also rechtzeitig erhoben. Die Zurückweisung der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie gegen die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde erweist sich somit als verfehlt".

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den beigeschafften Verwaltungsakt Einsicht genommen. Es wird festgestellt, daß der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben.

5. Es ergibt sich daher folgender der Entscheidung zugrundegelegter erwiesener Sachverhalt:

5.1. Der Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger, ist in Österreich geboren, von 1970 bis 1983 in Österreich aufhältig gewesen und nahm auch ab 1988 wieder in Österreich seinen Aufenthalt. Seine gesamte Familie hält sich in Österreich auf. Seit 17.12.1990 begründete er seinen ordentlichen Wohnsitz in P. Der Beschwerdeführer verfügte bis 1991 über gültige Sichtvermerke, der letzte Sichtvermerk war bis zum 30.1.1992 gültig. Ab diesem Zeitpunkt hielt sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet Österreich auf.

5.2. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 17.9.1991 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 1.000 S wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes gemäß § 2 Abs.1 FrPG verhängt. In den Jahren 1991, 1992 wurden über den Beschwerdeführer insgesamt 36 Verwaltungsstrafen rechtskräftig verhängt, vorwiegend wegen Übertretungen der Verkehrsgesetze, darunter aber auch eine Verwaltungsstrafe wegen Übertretung nach § 14b Z4 FrPG und wegen § 22 Abs.3 Paßgesetz (17.11.1992).

Im übrigen wurde über den Beschwerdeführer auch mit rechtskräftiger Strafverfügung des Bezirksgerichtes Perg vom 20.6.1991 eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 150 S, bedingt auf drei Jahre, wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 Abs.1 StGB verhängt. Weitere Vorfälle zu Beginn des Jahres 1993 endeten mit Urteil des Bezirksgerichtes Enns vom 30.3.1993 wegen § 83 Abs.1 StGB mit Freispruch bzw.

wurde das Strafverfahren nach § 83 StGB beim Bezirksgericht Perg wegen der bereits durchgeführten Abschiebung des Beschwerdeführers abgebrochen.

Anläßlich eines Versuches einer Ausreise aus Österreich in die BRD wurde dem Beschwerdeführer beim Grenzübertritt der Reisepaß mit dem abgelaufenen Sichtvermerk im Jahr 1992 von deutschen Grenzkontrollbehörden abgenommen. Seit diesem Zeitpunkt verfügt der Beschwerdeführer über kein gültiges Reisedokument.

5.3. Trotz mehrmaliger schriftlicher Aufforderungen durch die Bezirkshauptmannschaft Perg, seinen Sichtvermerk verlängern zu lassen, kam der Beschwerdeführer diesen Aufforderungen nicht nach, sodaß wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes sowie seiner zahlreichen Verwaltungsstrafvormerkungen sowie der gerichtlichen Strafe mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 25.2.1993 über den Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs.1 und 2 FrG iVm § 57 Abs.1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung verhängt wurde. In der Begründung wurde ausgeführt, daß trotz mehrfacher Bestrafung der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung zu beachten und daher in Anbetracht des in Aussicht stehenden Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung zu befürchten sei, daß er sich den beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde. Dieser Schubhaftbescheid wurde vom Beschwerdeführer am 1.3.1993 persönlich übernommen und mit diesem Tage durch seine Festnahme und Überstellung in das bundespolizeiliche Gefangenenhaus Linz in Vollzug gesetzt.

5.4. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 3.3.1993 betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und die Abschiebung gab der Beschwerdeführer neben dem bisherigen Sachverhalt an, daß er zur Zeit an Barmitteln lediglich 9 S besitze und über kein Reisedokument verfüge. Nach Vorhalt seiner zahlreichen Vorstrafen und der gegen ihn weiters erhobenen Verdachte einer gerichtlich strafbaren Handlung am 22.1. bzw. 20.2.1993 gab der Beschwerdeführer an, daß er ledig sei und bei seinen Eltern und drei Brüdern in Perg wohne. Seine Mutter befinde sich zur Zeit in der Türkei auf Urlaub. Zu seinem Unterhalt befragt gab er an, im April 1989 ein Monat bei der Fa. H in Perg sowie ein Monat bei der Fa. W in Perg gearbeitet zu haben. Er wurde jeweils gekündigt. Im Jahr 1991 habe er ca. sechs Monate bei der Fa.

L in Perg gearbeitet; auch dieses Arbeitsverhältnis wurde gelöst. Von August 1991 bis Jänner 1992 habe er bei der Fa. B in Perg gearbeitet, seither gehe er keiner geregelten Beschäftigung mehr nach. Von Jänner bis April 1992 habe er vier Monate Arbeitslosengeld bezogen.

Seitdem stehe ihm kein Arbeitslosengeld mehr zur Verfügung und lebe er von Zuwendungen seines Bruders. Auch habe er zwischenzeitig die Wohnung seines Vaters verlassen müssen und lebe erst seit vier Monaten bei diesem. Schließlich äußerte der Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme, daß er "auf keinen Fall in die Türkei zurück will, weil ich mich wie ein Österreicher fühle und mir hier alles gefällt.

Die Verwaltungsübertretungen, die ich begangen habe, sind nur deshalb passiert, weil ich zu Hause hinausgeschmissen wurde und weil ich mir keine Arbeit gesucht habe." 5.5. Mit Schreiben vom 11.3.1993 beantragte die BH Perg beim Generalkonsulat der Republik Türkei die Ausstellung eines Heimreisezertifikates, welches der Behörde am 18.3.1993 übermittelt wurde.

Mit Schreiben vom 15.3.1993 wurde der belangten Behörde die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers bekanntgegeben.

Die belangte Behörde verhängte mit Bescheid vom 16.3.1993 über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 5 Jahren gemäß § 18 Abs.1 Z1 und Abs.2 Z2 und 7 sowie § 19 und § 21 FrG. Gleichzeitig wurde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 22.3.1993 persönlich übernommen und auch dem rechtsfreundlichen Vertreter am 18.3.1993 zugestellt. Dieser brachte mit 22.3.1993 dagegen Berufung ein.

Das Aufenthaltsverbot war aber ab der Zustellung durchsetzbar.

5.6. Der Beschwerdeführer wurde am 22.3.1993 aus der Schubhaft entlassen und per Flugzeug in die Türkei abgeschoben.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland hat mit Bescheid vom 15.6.1993 der Berufung gegen das Aufenthaltsverbot sowie den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß sich das erlassene Aufenthaltsverbot auf die bezeichneten Bestimmungen des FrG (§ 18 Abs.1 Z1 sowie §§ 19, 20 und 21) zu stützen hat. Begründend wurde darin zum Ausdruck gebracht, daß neben den bereits vorhandenen Verwaltungsstrafen und der gerichtlichen Strafe der neuerliche Raufhandel am 20.2.1993 in Enns Anlaß für die Verhängung der Schubhaft und die Abschiebung am 22.3.1993 waren. Wenngleich aufgrund der Rechtslage des FrG Übertretungen "dieses Bundesgesetzes" nicht vorlagen und Übertretung nach dem Paßgesetz keine bestimmte Tatsache bilden, und sohin § 18 Abs.2 Z2 nicht erfüllt ist, - ebenso wenig wie § 18 Abs.2 Z7 (der Beschwerdeführer habe Zuwendungen erhalten, die ihm einen Unterhalt ermöglicht haben) - sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, insbesondere seit 1992 im Bundesgebiet Fuß zu fassen und trotz seiner durch seine Sprachkenntnisse gegebenen Möglichkeiten sich entsprechend zu integrieren. Vielmehr sprechen die im Zusammenhang mit dem Besuch von Diskotheken stehenden Vorfälle dafür, daß sich der Beschwerdeführer in einer Art über Ordnungsvorschriften hinwegsetzt, die seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet bereits als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung erscheinen läßt. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist aber auch insofern dringend geboten, als sich gerade in der letzten Zeit, wie sich aus den häufenden Bestrafungen und Vorfällen ergibt, eine zum Schlechteren wendende Entwicklung abzeichnet. Auch die ab 15.3.1993 mögliche Beschäftigung im Lokal des Bruders vermag dies nicht auszugleichen. Im Hinblick auf die familiären Bindungen wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer noch ledig ist und erst wieder seit fünf Jahren im Bundesgebiet aufhältig ist, wobei das Ausmaß der Integration im Bundesgebiet eher abgenommen hat. Trotz der Bedachtnahme der Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation und die Familie erschienen daher der Berufungsbehörde die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in Anbetracht der erkennbar gewordenen negativen Entwicklung schwerer zu wiegen als die zuvor bezeichneten Auswirkungen, weshalb das Aufenthaltsverbot zulässig ist.

Dagegen ist eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

6. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

6.1. Gemäß § 51 Abs.1 Fremdengesetz - FrG, BGBl.Nr.

838/1992, hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 leg.cit.).

6.2. Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der BH Perg vom 25.2.1993 in Schubhaft genommen und es wurde dieser Bescheid durch die tatsächliche Festnahme am 1.3.1993 und die weitere Anhaltung in Vollzug gesetzt. Wurde der Beschwerdeführer auch am 22.3.1993 in die Türkei abgeschoben (die Haft wurde sohin mit diesem Tage beendet), so kann nach der eingangs zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes - im Gegensatz zur ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt VwGH vom 3.3.1994, 93/18/0374 bis 0376), der ein Beschwerderecht dem bereits aus der Schubhaft Entlassenen nicht zuerkennt - eine Schubhaftbeschwerde auch innerhalb einer Frist von sechs Wochen ab Beendigung der Schubhaft (§ 67c Abs.1 AVG) sowohl gegen den Schubhaftbescheid - obwohl dieser bereits ab der Haftentlassung gemäß § 49 Abs.2 FrG als widerrufen gilt - als auch gegen die Festnahme und Anhaltung erhoben werden. Dieser Auffassung Rechnung tragend, war daher die am 30.3.1993 beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangte Schubhaftbeschwerde rechtzeitig. Es waren daher die Beschwerdevoraussetzungen erfüllt und die Beschwerde zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

6.3. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

Gemäß § 48 Abs.1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Die Schubhaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern (§ 48 Abs.2 leg.cit.).

6.4. Aufgrund des dargelegten und erwiesenen Sachverhaltes steht fest, daß der Beschwerdeführer erst wieder seit dem Jahr 1988 in Österreich aufhältig ist und seit 31. Jänner 1992 über keinen gültigen Sichtvermerk verfügt. Seit diesem Zeitpunkt ging er auch keiner geregelten Beschäftigung mehr nach. Im April 1992 endete dann ein Anspruch auf ein Arbeitslosengeld und lebte der Beschwerdeführer von gelegentlichen Zuwendungen seines Bruders. Auch hat ihn sein Vater "aus der Wohnung geschmissen" und er durfte erst wieder seit etwa Dezember 1992 in der elterlichen Wohnung wohnen. Gerade in diesem Zeitraum aber beging der Beschwerdeführer zahlreiche Verwaltungsübertretungen, darunter auch Verletzungen des Fremdenpolizeigesetzes und des Paßgesetzes (Strafe vom 17.11.1992). Auch im Jahr 1991 wurden über den Beschwerdeführer zahlreiche Verwaltungsstrafen (auch nach dem Fremdenpolizeigesetz) sowie eine gerichtliche Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung verhängt. Trotz mehrerer Aufforderungen, seinen Sichtvermerk zu verlängern, kümmerte sich der Beschwerdeführer um eine weitere Aufenthaltsberechtigung nicht. Seine Mißachtung der österreichischen Rechtsordnung brachte der Beschwerdeführer aber auch mit dem Verhalten zum Ausdruck, daß er anläßlich einer Ausreise nach Deutschland seinen Reisepaß an die deutschen Grenzbehörden abliefern mußte und sich nicht weiters um das Reisedokument kümmerte. Da der Beschwerdeführer - wie er selbst angab - in Österreich aufgewachsen ist und der Schulpflicht nachkam, der deutschen Sprache vollkommen mächtig ist und aufgrund der Schulpflicht in Österreich auch mit den Vorschriften und Pflichten eines österreichischen Staatsbürgers vertraut sein müßte, kommt in seinem Verhalten sehr deutlich zum Ausdruck, daß er gegenüber den österreichischen Gesetzen gleichgültig eingestellt ist und daß er nicht gewillt ist, sich der österreichischen Rechtsordnung zu unterwerfen. Auch sein Verhalten, daß er trotz mehrmaliger Aufforderung, seinen Sichtvermerk zu verlängern, sich um eine weitere Aufenthaltsberechtigung nicht mehr gekümmert hat, zeigt die gleichgültige, wenn nicht sogar ablehnende Haltung gegenüber den Rechtsvorschriften.

Aus diesem gesamten Verhalten des Beschwerdeführers im Zusammenhalt mit dem Umstand, daß sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Inhaftnahme bereits mehr als ein Jahr unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, läßt daher die Befürchtung der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer bei fremdenrechtlichen Maßnahmen (Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, Abschiebung) einem weiteren behördlichen Zugriff entziehen werde, als gerechtfertigt erscheinen. Zumindest aber ist zu befürchten, daß der Beschwerdeführer im Wissen um einen fremdenpolizeilichen Zugriff ein weiteres behördliches Verfahren erschweren werde. Es erfolgte daher die Verhängung der Schubhaft zu Recht. Dies entspricht auch der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 17.6.1993, 93/18/0078, 14.4.1993, 93/18/0064, 8.7.1993, 93/18/0273).

Verfügt auch der Beschwerdeführer über geordnete Wohnsitzverhältnisse (sowie eine aufrechte polizeiliche Meldung), so ist aber auch auf der Hand, daß der Beschwerdeführer durch seinen lang andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt gezeigt hat, daß er das Bundesgebiet nicht verlassen will und freiwillig verlassen werde. Die Erlassung eines Schubhaftbescheides, die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung sind daher gerechtfertigt. Im übrigen wies der Beschwerdeführer bei seiner Anhaltung keine Barmittel (lediglich 9 S) auf, welcher Umstand ebenfalls nicht auf geordnete Vermögensverhältnisse schließen läßt, zumal der Beschwerdeführer bei seiner Festnahme auch keiner geregelten Arbeit nachging. Allein der Umstand, daß er von gelegentlichen Zuwendungen seines Bruders lebe, reichen für den Nachweis geordneter Vermögensverhältnisse nicht aus.

Wenn jedoch der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdeschriftsatz eine Bestätigung eines "künftigen" Arbeitgebers vorlegt, so ist darin zum einen dazu zu bemerken, daß die Bestätigung auf "seit 15.3.1993 beschäftigt ist" lautet.

Unter Bedachtnahme darauf, daß der Beschwerdeführer seit 1.3.1993 in Schubhaft gehalten wird, ist daher eine tatsächliche Beschäftigung nicht möglich, sondern sollte diese Bestätigung wohl nur ein künftiges Beschäftigungsverhältnis garantieren. Andererseits weist aber diese Bestätigung ein Einkommen unter dem in Österreich herrschenden Existenzminimum auf, sodaß bezweifelt wird, daß mit dem angeführten Einkommen von geordneten Unterhaltsverhältnissen auszugehen ist. Schließlich aber war noch zu berücksichtigen, daß diese Beschäftigung vom Beschwerdeführer noch nicht einmal angetreten wurde.

Schließlich war auch darauf Bedacht zu nehmen und zu würdigen, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme (zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes) unumwunden zugab, auf keinen Fall in die Türkei zurück zu wollen, weil ihm in Österreich alles gefällt. Auch aus dieser Äußerung im Zusammenhalt mit dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers ist die Befürchtung der belangten Behörde begründet, daß der Beschwerdeführer die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie die Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes (Abschiebung) zumindest erschweren werde.

Die vom Beschwerdeführer angeführte Fluchtgefahr ist hingegen keine Voraussetzung für die Anhaltung und war daher nicht zu prüfen.

Es war daher die Erlassung des Schubhaftbescheides, die Festnahme und Anhaltung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung erforderlich und gerechtfertigt.

In Anbetracht des Umstandes, daß die Schubhaft mit 1.3.1993 begonnen hat, bereits am 16.3.1993 ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde und mit 17.3.1993 ein Heimreisezertifikat an die belangte Behörde übermittelt wurde, was schließlich zu einer Abschiebung am 22.3.1993 führte, kann der belangten Behörde auch kein Vorwurf gemacht werden, daß die Schubhaft unverhältnismäßig lange dauerte. Vielmehr hat die belangte Behörde das Verfahren zügig durchgeführt. Auch wurde der Zweck der Haft - nämlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und die Durchsetzung desselben erreicht. Hinsichtlich des Aufenthaltsverbotes ist aber anzumerken, daß eine Prüfung des diesbezüglichen Bescheides dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht zukommt und - wie das Verfahren vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland gezeigt hat - dessen Erlassung zu Recht erfolgt ist.

Aus all den angeführten Gründen war daher die Verhängung der Schubhaft, die Inschubhaftnahme und Anhaltung bis zur Abschiebung des Beschwerdeführers gerechtfertigt.

6.5. Zur in Beschwerde gezogenen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides ist anzumerken, daß gemäß § 49 Abs.2 FrG, wenn die Schubhaft formlos aufgehoben worden ist, der ihr zugrundeliegende Bescheid als widerrufen gilt. Dies bedeutet daher, daß mit der Entlassung aus der Schubhaft bzw. mit der Abschiebung der Schubhaftbescheid ex lege außer Kraft tritt und daher eine nachträgliche Beschwerde nur mehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit (ohne Aufhebung) des bereits außer Kraft getretenen Bescheides bewirken kann. Der Schubhaftbescheid als notwendige Voraussetzung einer gesetzmäßigen Schubhaft ist daher einer Überprüfung der Gründe für die Inschubhaftnahme zu unterziehen. Solche Gründe waren vorhanden und es wird daher auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen verwiesen.

Weitere Gründe einer Rechtswidrigkeit wurden vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und waren daher im Grunde des § 52 Abs.4 zweiter Satz FrG nicht zu prüfen.

7. Da der Beschwerde kein Erfolg zukam, waren die Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG nicht zuzusprechen (nach dieser Gesetzesstelle kommt nur der obsiegenden Partei der Kostenersatz zu), sondern hat dieser seine Kosten nach den allgemeinen Grundsätzen selbst zu tragen.

Die belangte Behörde stellte keinen Kostenersatzantrag, weshalb eine weitere Kostenentscheidung entbehrlich war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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