Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400198/4/Wei/Fb

Linz, 16.06.1993

VwSen - 400198/4/Wei/Fb Linz, am 16. Juni 1993 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Weiß über die Beschwerde des M, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 52 Abs.2 Fremdengesetz (FrG) iVm § 67c Abs.3 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG hat der Beschwerdeführer der belangten Behörde die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten in Höhe von 2.033,33 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein libanesischer Staatsangehöriger, ist am 10. April 1993, ohne sich der Grenzkontrolle zu stellen, mit Hilfe eines Schleppers zu Fuß über die grüne Grenze von Ungarn nach Österreich gekommen. Als Anhalter gelangte der Beschwerdeführer (im folgenden kurz: Bf) bis zum Grenzübergang Autobahn Suben und versuchte dort noch am gleichen Tag gegen 23.00 Uhr unter Verwendung eines gefälschten ungarischen Reisepasses in die BRD einzureisen. Anläßlich der deutschen Grenzkontrolle wurde der Ausweismißbrauch festgestellt und der Bf zurückgewiesen. In weiterer Folge wurde der Bf aufgrund eines mündlichen Haftbefehles des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Ried/Innkreis wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr in Haft genommen.

In der Hauptverhandlung vom 22. April 1993 hat das Landesgericht Ried/Innkreis den Bf wegen des Gebrauchs von besonders geschützten, gefälschten Urkunden gemäß §§ 223 Abs.2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten bedingt auf 3 Jahr verurteilt. Dieses Urteil wurde sofort rechtskräftig, weshalb die mittlerweile über den Bf verhängte Untersuchungshaft aufgehoben worden ist.

1.2. Mit Bescheid vom 21. April 1993, Sich-07-5056-1993/Stö, hat der Bezirkshauptmann von Ried/Innkreis über den Bf zur Sicherung der Zurückschiebung die Schubhaft mit Wirkung seiner Entlassung aus der gerichtlichen Anhaltung verhängt. Der gemäß § 57 Abs.1 AVG iVm § 41 Abs.1 und 2 FrG (BGBl. 1992/838) ergangene Schubhaftmandatsbescheid ist dem Bf im landesgerichtlichen Gefangenenhaus Ried/Innkreis am 21. April 1993 zugegangen und wurde dort in weiterer Folge vollzogen.

1.3. Anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 23. April 1993 vor der belangten Behörde behauptete der Bf, daß er im Libanon politisch verfolgt werde, weil er von der Hisbollah - Partei als Spion verdächtigt und gejagt werde. Deshalb habe er seine Heimatstadt auch verlassen und müsse er bei seiner Rückkehr in den Libanon mit entsprechenden Repressalien rechnen. Aufgrund des Asylantrages hat das Bundesasylamt (Außenstelle Linz) ein Verfahren durchgeführt und den Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen. Die aufschiebende Wirkung der Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge ausgeschlossen.

Das Bundesasylamt teilte mit Schreiben vom 29. April 1993 der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis mit, daß dem Bf keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs.1 Asylgesetz 1991 zukam, da er über Drittstaaten illegal einreiste und nicht innerhalb von 7 Tagen einen Asylantrag stellte. Eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Asylgesetz 1991 wurde nicht erteilt.

Mit Schreiben vom 25. Mai 1993 teilte das Bundesasylamt ferner mit, daß am 21. Mai 1993 eine Berufung des Bf gegen den negativen Asylbescheid vom 18. Mai 1993 verspätet eingebracht worden sei. Die Sache ist dem Bundesministerium für Inneres zur Entscheidung vorgelegt worden.

1.4. Nach den unüberprüfbaren Angaben des Bf habe er für Schlepperdienste und die Besorgung eines gefälschten ungarischen Reisepasses den Betrag von 3.000 US-$ aufwenden müssen, den er durch Verkauf seiner persönlichen Gegenstände in der Heimat aufgebracht habe. Im Asylverfahren gab er an, daß er Barmittel in Höhe von etwa 200 DM besitze.

1.5. Am 11. Juni 1993 wurde der Bf vom Flughafen Wien-Schwechat über Larnaka nach Beirut zurückgeschoben.

1.6. Am 3. Juni 1993 langte beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Schubhaftbeschwerde vom 2. Juni 1993 ein, mit der der Bf beantragt, seine Anhaltung in Schubhaft ab 21. April 1993 ebenso wie die weitere Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und ihm die Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

2.1. Im Schubhaftmandatsbescheid führt die Behörde begründend aus, daß sich der Bf rechtswidrig ohne Reisedokument in Österreich aufhalte und über keinen Wohnsitz im Inland sowie nur über sehr geringe finanzielle Mittel verfüge. Ferner sei seine Identität mangels vorhandener Ausweisdokumente völlig ungeklärt. Es bestehe daher die Gefahr, daß sich der Bf bei Nichtverhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehen und dadurch die geplante Zurückschiebung verhindern werde.

2.2. Zur Begründung seiner Anträge bringt der Bf vor, daß eine Zurückschiebung im Sinne der Bestimmungen des FrG in seinem Falle unzulässig sei. Nach der Systematik des FrG sei eine Zurückschiebung nur in ein Nachbarland Österreichs, keinesfalls aber in das Heimatland des Fremden zulässig. Dies ergebe sich aus den Materialien zur Novelle des FrG, BGBl.Nr. 100/1990 (richtig: BGBl.Nr. 190/1990) in Verbindung mit den entsprechenden Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes (FrPG) und den E der RV zum § 35 FrG 1992, die hinsichtlich der Zurückschiebung darlegen, daß § 35 FrG vollinhaltlich dem § 10 Abs.1 FrPG entspricht. Demnach sei der Inhalt des § 10 FrPG, wonach unter Zurückschiebung die Beförderung eines Fremden von Österreich in einen unmittelbaren Nachbarstaat zu verstehen gewesen sei, unverändert übernommen worden.

Die Richtigkeit dieser Auslegung ergebe sich auch aus der rechtstaatlichen Überlegung, daß der individuelle Rechtsschutz in bezug auf Zurückschiebung oder Abschiebung unterschiedlich ausgestaltet ist. Weil die Abschiebung in der Regel in den Heimatstaat, also den direkten Verfolgerstaat erfolge, habe der Gesetzgeber diese Maßnahme an bestimmte Voraussetzungen gebunden, sowie die Möglichkeit der präventiven Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme geschaffen. Bereits während des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder eines Ausweisungsbescheides könne der Fremde den Antrag auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 54 FrG stellen. Auch um Aufschub der Abschiebung könne angesucht werden, falls sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist (§ 36 Abs.2 FrG). Dagegen könne ein Fremder unter den Voraussetzungen des § 35 Abs.1 Z1 oder 2 FrG sofort zurückgeschoben werden, was bedeute, daß dieser Maßnahme kein eigener Bescheid vorangeht und keine Möglichkeit besteht, einen Antrag auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses zu stellen. Bei der Zurückschiebung greife daher der für die Abschiebung geschaffene präventive und unmittelbare Rechtsschutz nicht. Eine andere als die vorgeschlagene Interpretation führe zu einer unzulässigen Verkürzung des Rechtsschutzes.

Die Zurückschiebung des Bf sei nur nach Ungarn zulässig, aus welchem Land er eingereist ist. Dies sei aber tatsächlich unmöglich, da ein entsprechendes Schubhaftabkommen zwischen Österreich und Ungarn noch nicht bestehe. Die Zurückschiebung in den Libanon sei rechtlich unzulässig, sodaß sich insgesamt die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig erweise und der Bf unverzüglich aus der Schubhaft zu entlassen sei. Schließlich weist die Beschwerde darauf hin, daß eine Zurückschiebung nach Ungarn auch deshalb unzulässig sei, da Ungarn nicht als sicherer Drittstaat angesehen werden könne. Ungarn habe einen Vorbehalt zur Genfer Flüchtlingskonvention erklärt, wonach Angehörige von nichteuropäischen Staaten von ihrem Schutz ausgenommen seien. Mit großer Wahrscheinlichkeit müsse daher der Bf rechnen, von Ungarn in sein Heimatland Libanon abgeschoben zu werden, wo er aber unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des § 37 Abs.1 FrG ausgesetz werde.

2.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der vorliegenden Schubhaftbeschwerde beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis zu Sich-07-5056-1993/Stö. Da schon aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erschien, konnte gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Prozeßvoraussetzungen und Prüfungsumfang:

4.1.1. Gemäß § 51 Abs.1 FrG hat der gemäß § 43 Festgenommene oder unter Berufung auf das FrG Angehaltene das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen. Der Anhaltung des Bf liegt ein gemäß § 57 AVG erlassener Schubhaftbescheid zugrunde. Im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde, befand sich der Bf - wie sich aus dem eingangs festgestellten Sachverhalt ergibt - noch in Schubhaft, weshalb die vorliegende Beschwerde zulässig ist (vgl. VwGH 25.2.1993, 93/18/0044).

4.1.2. Gemäß § 52 Abs.4 FrG hat der unabhängige Verwaltungssenat im Falle der andauernden Anhaltung festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Diese Feststellung entfällt, da der Bf bereits am 11. Juni 1993 in den Libanon zurückgeschoben und damit aus der Schubhaft entlassen worden ist.

4.1.3. Nach § 52 Abs.4 Satz 2 FrG hat der unabhängige Verwaltungssenat im übrigen im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

4.2. Zum Vorbringen des Bf:

4.2.1. Gemäß § 41 Abs.1 FrG ist die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft zulässig, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Vorläuferbestimmung des § 5 FrPG kannte demgegenüber noch keine Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung, sondern nur zur Sicherung der Abschiebung.

Nach § 35 Abs.1 FrG können Fremde von der Behörde zur Rückkehr ins Ausland verhalten werden (Zurückschiebung), wenn sie entweder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen 7 Tagen betreten werden oder innerhalb von 7 Tagen nach Einreise in das Bundesgebiet von der Republik Österreich aufgrund eines Schubabkommens oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mußten. Hingegen erlaubt § 36 Abs.1 FrG, daß Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung) unter weiteren Voraussetzungen, die hier nicht relevant sind. Nach der Systematik des FrG handelt es sich sowohl bei der Zurückschiebung als auch bei der Abschiebung um verfahrensfreie Maßnahmen zur Beendigung des Aufenthaltes und zur Beförderung ins Ausland (vgl. das Inhaltsverzeichnis zum FrG). Während die Abschiebung ua der Durchsetzung eines Ausweisungsbescheides gemäß § 17 FrG dient, ist die Zurückschiebung eine selbständige Zwangsmaßnahme, die erkennbar den Zweck verfolgt, den illegal eingereisten Fremden, der nie zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war und binnen 7 Tagen festgenommen wurde, auf rasche Weise zum Verlassen des Bundesgebietes zu verhalten. Vergleicht man die Ausweisungstatbestände des § 17 Abs.2 FrG mit den Voraussetzungen der Zurückschiebung, so fällt auf, daß bis auf den Sonderfall eines unrechtmäßigen Aufenthaltes gemäß § 17 Abs.2 Z6 in allen anderen Fällen zunächst ein rechtmäßiger Aufenthalt in irgendeiner Form dem unrechtmäßigen Aufenthalt vorausgeht (vgl. E zur RV des FrG, 692 BlgNR 18. GP, 37). Wer unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist und binnen einem Monat betreten wird kann zufolge § 17 Abs.2 Z6 FrG nur mit Bescheid ausgewiesen und in weiterer Folge abgeschoben werden. Sämtliche Ausweisungstatbestände stellen auf die Verwirklichung innerhalb eines Monates nach der Einreise ab. Bei Überschreitung dieser Frist kann ein Fremder lediglich aufgrund eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 FrG zur Ausreise verpflichtet werden.

Daß zwischen der Zurückschiebung und der Abschiebung in bezug auf die in Frage kommenden Staaten zu unterscheiden wäre, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Die Wendungen "zur Rückkehr ins Ausland verhalten" (§ 35 Abs.1 FrG) und "zur Ausreise verhalten" (§ 36 Abs.1 FrG) lassen bei objektiver Auslegung keinen relevanten Unterschied erkennen, wenn auch einzuräumen ist, daß der Gesetzgeber besser eine einheitliche Ausdrucksweise wählen hätte sollen. Der Begriff Rückkehr ins Ausland ist so weit gehalten, daß darunter nicht bloß ein Nachbarstaat und schon gar nicht bloß der Nachbarstaat, von dem die Einreise erfolgte, verstanden werden kann. Der Gesetzgeber hätte sich insofern leicht festlegen können. Eine derartige rechtliche Beschränkung der Zurückschiebung auf Nachbarstaaten erscheint auch von vornherein nicht sinnvoll, weil dadurch die Durchführbarkeit einer Zurückschiebung stark eingeschränkt wäre. Dazu kommt, daß Österreich nicht etwa nur mit angrenzenden Nachbarstaaten Schubabkommen abgeschlossen hat. Vielmehr bestehen auch Übereinkommen mit Ländern wie Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande und Polen (vgl. E der RV FrG, 692 BlgNR 18. GP, 32).

4.2.2. Die Beschwerde beruft sich auf die E der RV des FrG (vgl. 692 BlgNR 18. GP, 47), die zur Zurückschiebung nach § 35 FrG erklären, daß sie vollinhaltlich dem § 10 Abs.1 des FrPG entspreche und daß im Einleitungssatz lediglich eine Umschreibung der Zurückschiebung - analog zur Definition der übrigen Maßnahmen - vorgenommen worden ist, wobei deutlich gemacht wurde, daß es sich um eine Maßnahme handelte, die behördlicher Anordnung bedarf.

Nach § 10 Abs.1 FrPG konnten Fremde ohne Verzug zurückgeschoben werden, wenn die wörtlich gleichen Voraussetzungen nach Z1 und 2 des § 35 Abs.1 FrG erfüllt waren. § 10 Abs.2 FrPG ordnete zum Unterschied von der heutigen Regelung an, daß die Zurückschiebung über die Bundesgrenze unverzüglich zu erfolgen hat und eine Anhaltung des Fremden aus diesem Grunde für mehr als 48 Stunden unzulässig ist. Derartige zeitliche Beschränkungen sieht die geltende Regelung nicht vor. Im Gegenteil! § 41 Abs.1 FrG sieht nunmehr im Unterschied zum § 5 Abs.1 FrPG auch die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung vor. Dies kann nur bedeuten, daß die engen zeitlichen Schranken der Zurückschiebung nach § 10 FrPG entfallen sollten, um dem Instrument der Zurückschiebung einen viel weiteren Anwendungsbereich als bisher zu eröffnen.

Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten zur FrPG-Novelle BGBl. 1990/190, spricht zwar in bezug auf die neugeregelte Zurückschiebung von zwei Voraussetzungen: "einerseits muß es zulässig sein, den Fremden im Bundesgebiet festzunehmen, andererseits muß eine Rücknahmeverpflichtung eines Nachbarstaates bestehen" (vgl. 1213 BlgNR 17.GP, 4). Mit der Rücknahmeverpflichtung eines Nachbarstaates ist aber keine rechtliche sondern nur eine tatsächliche Voraussetzung gemeint, zumal für die Durchführung der Zurückschiebung ab dem Zeitpunkt der Festnahme lediglich 48 Stunden zur Verfügung standen. Zum Zwecke der Zurückschiebung durfte ein Fremder nach dem FrPG nicht länger angehalten werden. Innerhalb dieser kurzen Frist kamen daher von vornherein nur Nachbarstaaten für die Zurückschiebung in Betracht. Bei Nichteinhaltung der Frist konnte nur die Schubhaft verhängt und ein Ausweisungsverfahren nach § 10a FrPG eingeleitet werden.

Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten verdeutlicht in weiterer Folge, daß auch der Gesetzgeber des FrPG zwischen der Zurückschiebung und der Abschiebung bezüglich der Bestimmungsländer keinen Unterschied machen wollte (vgl. 1213 BlgNR 17. GP, 4 aE):

"Die Haft ist sowohl mit Art.5 Abs.1 lit.f MRK als auch mit Art.2 Abs.1 Z7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, vereinbar, da in beiden Verfassungsnormen der Begriff "Ausweisung" für die fremdenrechtliche Außerlandesschaffung steht; eine solche liegt auch bei der Zurückschiebung vor. Auch die Konstruktion als Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist verfassungsrechtlich zulässig, da - wie bereits ausgeführt - die durch das 7. Zusatzprotokoll (Art.I Z1) gewährten Rechte nur im Falle des rechtmäßigen Aufenthaltes zustehen; Voraussetzung für die Zulässigkeit der Zurückschiebung ist aber ein rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet." Damit ist klargestellt, daß auch der Gesetzgeber des FrPG mit der Zurückschiebung lediglich eine Form der fremdenrechtlichen Außerlandesschaffung regeln wollte. Die Einschränkung einer zulässigen Zurückschiebung auf Nachbarstaaten kann den Materialien nicht entnommen werden.

4.2.3. Auch der Hinweis der Beschwerde auf rechtstaatliche Überlegungen zur Richtigkeit der vorgeschlagenen Auslegung überzeugt nicht. Wie die Beschwerde erwähnt, ist das Refoulementverbot gemäß § 37 FrG sowohl bei der Zurückschiebung als auch bei der Abschiebung zu beachten. Da die Zurückschiebung eine verfahrensfreie Maßnahme ist, die keinen vorangehenden Bescheid voraussetzt, ist natürlich kein Feststellungsverfahren analog dem § 54 FrG vorgesehen. Ein Zurückschiebungsaufschub entsprechend dem Abschiebungsaufschub nach § 37 Abs.2 FrG ist ebenfalls nicht vorgesehen. Nach § 37 Abs.3 FrG darf der Fremde erst zurückgeschoben werden, nachdem er Gelegenheit hatte, entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Zurückschiebung ist stets von der Behörde unter Beachtung des Refoulement-verbotes anzuordnen. Aus § 37 FrG ergibt sich, daß die Zurückschiebung in den Fällen des Abs.1 und Abs.2 stets unzulässig ist, während die Abschiebung gemäß § 37 Abs.4 FrG in den Fällen des Abs.2 leg.cit. zulässig sein kann. Ist die Zurückschiebung unzulässig oder tatsächlich unmöglich, muß der Fremde im Hinblick auf § 48 Abs.2 FrG längstens nach zwei Monaten aus der Schubhaft freigelassen werden, während die Schubhaft im Falle eines Feststellungsverfahrens gemäß § 54 FrG insgesamt sogar sechs Monate aufrechterhalten werden kann.

Der Gesetzgeber hat für die Fälle der illegal eingereisten Fremden, die innerhalb der kurzen Zeit von 7 Tagen festgenommen werden können, das Instrument der Zurückschiebung im Interesse einer möglichst raschen Außerlandesschaffung ausgebaut. Solchen Fällen kann daher sogleich mit verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begegnet werden (vgl. § 40 FrG). Ein Feststellungsverfahren im Sinne des § 54 FrG ist daher schon begrifflich mit einer solchen Maßnahme unvereinbar. Kann die Zurückschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durchgeführt werden, so kommt es zumindest de facto zu einem Aufschub. Wird entgegen dem § 37 Abs.1 und Abs.2 FrG zurückgeschoben, kann gegen die Durchsetzung der Zurückschiebung mit verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt die Maßnahmenbeschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG bzw. § 67a Abs.1 Z2 AVG ergriffen werden (vgl. dazu das Erk. des O.ö. Verwaltungssenates, VwSen-420034/6/Gf/La vom 8.6.1993).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß bereits die der Beschwerde zugrundeliegende Prämisse, zwischen Abschiebung und Zurückschiebung in bezug auf die möglichen Bestimmungsländer einen Unterschied zu machen, unzutreffend ist. Nicht diese Auslegung führt zu einer unzulässigen Verkürzung des Rechtsschutzes, sondern der Gesetzgeber hat klar und deutlich zwischen der Außerlandesschaffung im Wege der Zurückschiebung und der Außerlandesschaffung im Wege des Ausweisungsbescheids mit anschließender Abschiebung unterschieden. Die Unterschiede sind somit in der Systematik des Gesetzes begründet. Ein rechtsschutzloser Zustand liegt aber auch bei der Zurückschiebung nicht vor. Da im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen der Zurückschiebung unstrittig vorlagen und diese ihrer Art nach unabhängig vom in Aussicht genommenen Bestimmungsland zulässig ist, durfte der Bf auch zur Sicherung der Zurückschiebung in Schubhaft angehalten werden. Es bedarf beim gegebenen Sachverhalt keiner näheren Begründung für die Annahme, daß sich der Bf ohne Schubhaft voraussichtlich dem fremdenpolizeilichen Zugriff entzogen hätte.

4.2.4. Zum weiteren Vorbringen des Bf, wonach Ungarn wegen des Vorbehalts zur Genfer Flüchtlingskonvention kein sicherer Drittstaat sei, ist anzumerken, daß von Ungarn immerhin erwartet werden kann, keine Abschiebungen entgegen Art.3 MRK vorzunehmen. Im übrigen ist der Bf darauf zu verweisen, daß im Schubhaftprüfungsverfahren gemäß § 51 Abs.1 iVm § 43 Abs.1 FrG die Frage, in welchen Staat der Bf abgeschoben werden wird und damit das Refoulementverbot grundsätzlich nicht zu prüfen ist (so schon zum Beschwerdeverfahren gemäß § 5a FrPG VwGH 4.9.1992, 92/18/0116). Die Prüfung dieser Fragen hat vielmehr im fremdenrechtlichen Verfahren stattzufinden. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Da die belangte Behörde als obsiegende Partei anzusehen ist, war ihr gemäß § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zuzusprechen. Für den Aktenvorlage- und Schriftsatzaufwand gebühren 2/3 des Pauschalkostenersatzes vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. Pauschalierungsverordnung BGBl. 1991/104 und VwGH 23.9.1991, 91/19/0162).

Diese Pauschalkosten betragen 2.033,33 S. Dem unterlegenen Bf waren hingegen keine Kosten zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß Für die Richtigkeit

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum