Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400212/2/Wei/Fb

Linz, 14.09.1993

VwSen - 400212/2/Wei/Fb Linz, am 14.September 1993 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des J, geb. 17.2.1969, vertreten durch Dr. B, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 52 Abs.2 FrG iVm § 67c Abs.3 AVG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 52 Abs.4 FrG (BGBl.Nr. 838/1992) wird festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Ein Kostenzuspruch gemäß § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG zugunsten der obsiegenden Partei entfällt, zumal die belangte Behörde keinen Antrag auf Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten gestellt hat.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde vom nachstehenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (im folgenden kurz Bf), ein nigerianischer Staatsbürger, reiste am 12. August 1993 beim Grenzübergang Salzburg unter Verwendung eines verfälschten britischen Reisepasses aus der BRD nach Österreich ein, um in Wien an einer christlichen Veranstaltung teilzunehmen. Den Reisepaß hatte er zuvor in Aachen von einer unbekannten Person für DM 800,-erworben. Am 16. August 1993 wollte der Bf als Mitfahrer in einem PKW beim Autobahngrenzübergang Neuhaus/Inn unter Verwendung des verfälschten britischen Reisepasses in die Bundesrepublik Deutschland einreisen. Bei der grenzpolizeilichen Kontrolle legte er den britischen Reisepaß Nr. T , lautend auf Mr. W vor, bei dem das Lichtbild ausgewechselt und die eingetragenen Personalien verfälscht waren. Die bayerische Grenzpolizei nahm den Bf in der Folge fest. Er wurde am 25. August 1993 vom Amtsgericht Passau wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe in Höhe von DM 700,-- verurteilt. Am 18. August 1993 stellte er in der BRD durch seinen Rechtsvertreter einen Asylfolgeantrag an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in D.

Mit Bescheid der Stadt Passau, Ausländeramt Nr.33, vom 26. August 1993 wurde der Bf aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und ab Haftentlassung abgeschoben. Die Wiedereinreise ist für 5 Jahre untersagt worden. In der Begründung wird ua ausgeführt, daß der Bf aus einem sicheren Drittstaat (Österreich) iSd Art.16a Abs.2 Satz 1 des Grundgesetzes ins Bundesgebiet eingereist sei. Somit sei es ihm nicht möglich, sich auf Art.16a Abs.1 des Grundgesetzes zu berufen. Da er unerlaubt eingereist sei, werde er in den sicheren Drittstaat zurückgeschoben ohne Weiterleitung an eine Aufnahmeeinrichtung. Durch die Übernahmezusicherung der österreichischen Behörden, werde die Verpflichtung im Rahmen des Schengener-Abkommens übernommen, ein begehrendes Asylverfahren im eigenen Staat durchzuführen. Das materielle Asylrecht und das Asylverfahrensrecht richte sich dabei nach dem nationalen Recht des zuständigen Staates, also nach österreichischem Recht. Daß der Asylantrag des Bf kein Aufenthaltsrecht in Deutschland begründe, sei ihm bei der Anhörung dargelegt worden.

Da sich der Bf in Haft befand, wurde seine Ausreise nach Österreich von den deutschen Behörden überwacht. Am 26. August 1993 wurde er um 15.06 Uhr Beamten des Gendarmeriepostens Schärding übergeben, die ihn daraufhin sogleich der Bezirkshauptmannschaft Schärding als Fremdenpolizeibehörde vorführten.

1.2. Mit Bescheid gemäß § 57 Abs.1 AVG iVm § 41 Abs.1 und 2 FrG hat die Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Sich-40/4860-1993 noch am 26. August 1993 den Bf zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen. In der Begründung führt die Behörde an, daß der Bf am heutigen Tag aufgrund des österreichisch-deutschen Schubabkommens nach Österreich rücküberstellt wurde. Nach Überprüfung des Sachverhaltes werde nunmehr die Schubhaft angeordnet, da der Bf nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes und eines gesetzlich vorgeschriebenen Sichtvermerkes bzw einer gültigen Aufenthaltsbewilligung sei, wodurch er sich illegal im Bundesgebiet aufhalte. Da er zur Ein- und Ausreise in das Bundesgebiet in der Republik Österreich ausschließlich einen verfälschten britischen Reisepaß verwendet habe, sei festzuhalten, daß er nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen. Es bestehe daher bei ihm ernsthafte Gefahr, daß er sich bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehen und die fremdenpolizeilichen Maßnahmen verhindern werde.

Nach Erlassung des Schubhaftbescheides wurde der Bf in das Polizeigefangenenhaus Wels überstellt.

1.3. Am 1. September 1993 stellte der Bf einen Asylantrag, worauf er dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, am 3. September 1993 zur Einvernahme vorgeführt wurde. Dabei gab er an, daß er Anfang November 1989 Lagos, Nigeria, per Flugzeug verlassen habe und direkt nach Frankfurt in der BRD geflogen sei. Dabei habe er einen ge- bzw verfälschten Reisepaß mit Visum der Bundesrepublik Deutschland verwendet. Ende November 1989 habe er in Aachen/BRD um Asyl angesucht. Im Oktober 1991 zog er kurz vor einer Heirat mit einer Niederländerin seinen Asylantrag zurück. In den Niederlanden hielt sich der Bf daraufhin ca. 6 Monate auf, habe sich dann scheiden lassen und sei in die BRD zurückgekehrt, wo er neuerlich ca. 1 Jahr in Aachen in der Wohnung eines Freundes zubrachte.

In Nigeria sei der Bf im Jahr 1989 Pressesekretär einer Studentenorganisation mit Namen "NANS" gewesen. Im März 1989 habe er an einer Demonstration teilgenommen, bei der es zu Übergriffen kam und ein Polizist getötet wurde. 4 Personen wurden festgenommen und zu Freiheitsstrafen verurteilt. Er hätte sich als Anführer der Studentenorganisation für diesen Vorfall verantworten müssen, habe jedoch die Flucht ergriffen, bevor ihn die Polizei festnehmen konnte. Er habe mit dem Tod des Polizisten nichts zu tun. In Nigeria gäbe es eine Militärregierung. Er könne in dieses Land nicht zurückkehren, da er eingesperrt werden würde für eine Sache, die er nicht getan habe. General Babangida habe zwar im Juni 1993 die Wahl verloren, aber immer noch die Macht im Land, weshalb es noch zu keiner Amnestie gekommen sei. Er übe Macht aus auf eine Interims-Regierung. Mehr könne er derzeit zur politischen Situation in seiner Heimat nicht angeben.

Der Bf gab bei seiner zuvor stattgefundenen Einvernahme zur Person an, daß er derzeit über DM 50,-- und öS 14 verfüge. Wegen kriminalrechtlicher Delikte werde er in keinem Land außerhalb Österreichs gesucht.

1.4. Mit Bescheid vom 3. September 1993 zur Zl. 93 03.265-BAL des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz, wurde der Asylantrag gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs.2 AVG im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug ausgeschlossen. Eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Asylgesetz 1991 hat das Bundesasylamt nicht erteilt.

Begründend hat die Asylbehörde ausgeführt, daß der Bf keinerlei tauglichen Asylgrund iSd Genfer Flüchtlingskonvention darlegen konnte. Der Umstand, daß in Nigeria nach ihm gefahndet werde, sei rein kriminalrechtlicher Natur. Durch seine Flucht habe sich der Bf einer gerichtlichen Anklage wegen eines Deliktes, das dem allgemeinen Kriminalstrafrecht zuzuordnen sei, entzogen. Darüber hinaus liege der Ausschließungsgrund gemäß § 2 Abs.2 Z3 Asylgesetz 1991 vor, da der Bf über Deutschland und die Niederlande, also Drittstaaten, illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist. Beide Staaten seien Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention und wenden diese auch an. In beiden Staaten war der Bf daher vor Verfolgung sicher.

1.5. Mit Antrag vom 27. August 1993 an die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat der Bf gemäß § 54 FrG 1992 beantragt, daß die Fremdenbehörde feststellen möge, daß stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, er sei in Nigeria gemäß § 37 Abs.1 oder 2 FrG bedroht. Zur Begründung dieses Antrages werden die politischen Verhältnisse in Nigeria seit 1985 und autoritäre Maßnahmen der Regierung geschildert. Unter Bezugnahme auf Zeitungsberichte, die dem Antrag allerdings nicht beigelegt wurden, wird die Machtausübung durch die Militärregierung geschildert. Der Amtsantritt des im Juni mit über 50 % gewählten neuen Präsidenten Abiola werde von der herrschenden Militärdiktatur verhindert.

1.6. Mit der bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding eingebrachten, an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich gerichteten Schubhaftbeschwerde vom 30. August 1993 beantragt der Bf durch seinen Rechtsvertreter, der unabhängige Verwaltungssenat möge der Beschwerde Folge geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben. Er werde durch die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, sowie in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, entgegen der Bestimmung des § 41 FrG nicht in Schubhaft genommen zu werden, verletzt.

1.7. Die belangte Behörde hat die in zweifacher Ausfertigung eingebrachte Schubhaftbeschwerde mit den Verwaltungsakten mit Schreiben vom 6. September 1993, eingelangt am 8. September 1993, dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zuständigkeitshalber zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

2. Zur Begründung führt die Beschwerde aus, daß für den Bf das österreichisch-deutsche Schubabkommen vom 19. Juli 1961, BGBl.Nr. 227/1961, zur Anwendung gelange. Nach den näher dargestellten Bestimmungen dieses Schubabkommens hätte die Republik Österreich keine Übernahmserklärung abgeben dürfen. Der Bf sei am 12. August 1993 ohne gültigen Sichtvermerk, sogar mit einem verfälschten britischen Reisepaß, sohin ohne Erlaubnis, aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in das Gebiet der Republik Österreich über den Grenzübergang Salzburg eingereist. Die belangte Behörde stehe auf dem Standpunkt, daß es sich dabei um eine erlaubte Einreise handle, weil der Bf über den Grenzübergang gekommen ist. Diese Rechtsansicht sei unrichtig und stehe im Widerspruch zur Meldung des Zollamtes Passau vom 26. August 1993, in dem von einer Einreise ohne gültigen Sichtvermerk die Rede ist.

Überdies sei der Bf gar nicht mehr in das Gebiet der Bundesrepublik eingereist. Er habe lediglich eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ohne Erlaubnis versucht. Die bundesdeutschen Grenzbehörden hätten ihn ohne weiters zurückweisen bzw den österreichischen Behörden übergeben können. Sie haben aber anders reagiert und den Bf sofort in Haft genommen und länger als eine Woche in Passau behalten. Richtigerweise hätte daher die belangte Behörde keine Übernahmserklärung ausstellen dürfen, bzw müßte der Bf aufgrund des Schubabkommens wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurückgeschoben werden.

Zweck des Schubabkommens sei es, Personen, die die Grenze illegal überschreiten, wieder in den Staat ihres vorherigen Aufenthaltes zurückzuschieben. Da sich der Bf monatelang in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe und offenbar Österreich nur einen Kurzbesuch abstatten wollte, sei für ihn die Bundesrepublik Deutschland "zuständig". Wenn ihn nun die belangte Behörde im Widerspruch zum Schubabkommen fremdenpolizeilich behandelt, so verletze sie das Recht auf den gesetzlichen Richter. Der Bf halte sich daher iSd § 15 Abs.2 FrG weder rechtmäßig noch unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil er aufgrund des Schubabkommens nicht hätte zurückgenommen werden müssen oder dürfen.

Der Bf sei zwangsweise überstellt worden. Er habe sich bis zur Verhängung der Schubhaft nicht auf freiem Fuß befunden. Aufgrund welchen Gesetzes er bis zur Verhängung der Schubhaft der Freiheit beraubt war, werde im bekämpften Bescheid nicht begründet. Der Bf sei aufgrund seiner zwangsweisen Verbringung nicht in die Republik Österreich eingereist, sondern wurde er in die Republik Österreich verbracht. Der Bf wolle in die Bundesrepublik Deutschland zurück, um den rechtskräftigen Ausgang seines Asylfolgeverfahrens abzuwarten. Er sei nicht in Schubhaft zu behalten, sondern von den österreichischen Grenzbehörden wiederum den Grenzbehörden der Bundesrepublik Deutschland zu überstellen. Dazu bedürfe es aber nicht der Schubhaft. Er brauche auch nicht ausgewiesen zu werden. Es bedürfe auch keines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Die Voraussetzungen für die Schubhaft gemäß § 41 FrG liegen sämtliche nicht vor.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann gemäß § 51 Abs.1 FrG der unabhängige Verwaltungssenat von dem in Schubhaft Angehaltenen angerufen werden. Solange die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

Den Anträgen und Ausführungen der vorliegenden Schubhaftbeschwerde ist sinngemäß zu entnehmen, daß die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme und der Anhaltung in Schubhaft behauptet wird. Die formellen Voraussetzungen der Beschwerde sind erfüllt. Die Schubhaftbeschwerde ist zulässig.

4.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder Durchbeförderung zu sichern.

Der gegenständliche Schubhaftbescheid der belangten Behörde beruft sich unter Hinweis auf die Verwendung eines verfälschten Reisepasses sinngemäß auf die unrechtmäßige Einreise und den weiteren unrechtmäßigen Aufenthalt des Bf im österreichischen Bundesgebiet entgegen den fremdenpolizeilichen Vorschriften. Allein diese Umstände genügen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Annahme, der Bf werde sich dem fremdenpolizeilichen Zugriff entziehen bzw diesen zumindest erschweren (vgl etwa VwGH 17.6.1993, 93/18/0078; VwGH 14.4.1993, 93/18/0064). Die Notwendigkeit der Inschubhaftnahme des Bf ergibt sich aber auch aus der Tatsache, daß der Bf praktisch über keinerlei Mittel für seinen Lebensunterhalt und ebensowenig über eine Unterkunft in Österreich verfügt. Mittellosigkeit und fehlende Unterkunft rechtfertigen ebenfalls die Annahme, der Bf werde sich dem behördlichen Zugriff entziehen (vgl ua VwGH 4.9.1992, 92/18/0116; VwGH 14.4.1993, 93/18/0080; VwGH 17.6.1993, 93/18/0079).

Der vorliegende Schubhaftbescheid wurde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung erlassen. Das von der belangten Behörde in Aussicht genommene Aufenthaltsverbot erscheint nicht von vornherein unzulässig, zumal das Verhalten des Bf hinreichenden Anlaß bietet, an den Tatbestand des § 18 Abs.2 Z6 FrG zu denken. Überdies ist an den Aufenthaltsverbotsgrund des § 18 Abs.2 Z7 FrG zu denken, zumal der Bf auch den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt voraussichtlich nicht nachzuweisen vermag.

4.3. Mit der vorliegenden Beschwerde wird hauptsächlich ausgeführt, daß der Bf entgegen dem österreichisch-deutschen Schubabkommen von der belangten Behörde übernommen worden sei. Dabei beruft sich die Beschwerde auf § 15 Abs.2 FrG, wonach ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet (nur) dann vorliegt, wenn Fremde aufgrund eines Schubabkommens oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mußten. Dies sei gegenständlich gerade nicht der Fall gewesen.

Die Beschwerde geht von der Annahme aus, daß der Bf am 16. August 1993 gar nicht mehr in das Gebiet der Bundesrepublik eingereist sei, er habe lediglich die Einreise ohne Erlaubnis versucht. Aufgrund der folgenden zwangsweisen Verbringung von der Bundesrepublik Deutschland in die Republik Österreich, sei der Bf auch nicht in die Republik Österreich eingereist, sondern wurde er dorthin verbracht.

Nach dem österreichisch-deutschen Schubabkommen vom 19. Juli 1961 (BGBl.Nr. 227/1961) haben die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich folgende im gegenständlichen Fall relevante Vereinbarung getroffen:

Nach Abschnitt A.3a sind Personen, die ohne Erlaubnis aus dem Gebiet der Republik Österreich in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist sind und innerhalb von vier Tagen nach dem Grenzübertritt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgegriffen werden, von den österreichischen Grenzbehörden formlos zu übernehmen, wenn die Grenzbehörden der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von acht Tagen seit der Aufgreifung Angaben machen, die den österreichischen Grenzbehörden die Feststellung ermöglichen sollen, daß diese Personen die Grenze ohne Erlaubnis überschritten haben. Die formlose Übernahme erfolgt danach ohne Rücksicht auf die Dauer des vorangegangenen Aufenthaltes in der Republik Österreich.

Ferner heißt es dann noch, daß die Bundesrepublik Deutschland Personen, bei denen die Nachprüfung durch die österreichischen Behörden ergibt, daß die Voraussetzungen für die Übernahme nicht gegeben waren, zurücknehmen wird. Eine korrespondierende Bestimmung, die analoge Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland enthält, ist in Abschnitt B.4a des Schubhaftabkommens festgehalten.

Der Bf hat sich bei dem bereits in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Grenzübergang Neuhaus/Inn (bei Schärding) den bundesdeutschen Behörden zur Grenzkontrolle gestellt. Dabei ist er wegen des Gebrauchs eines verfälschten Reisepasses festgenommen worden. Die Festnahme und Anhaltung durch die bayerische Grenzpolizei fand auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland statt. Es ist daher zwingend davon auszugehen, daß der Bf auch in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Dies gilt selbstverständlich unabhängig davon, ob er sofort zurückgewiesen werden und den österreichischen Behörden übergeben hätte werden können. Durch diese mögliche Vorgangsweise hätte der Bf nichts gewonnen, weil abermals nur die Bezirkshauptmannschaft Schärding für seine fremdenpolizeiliche Behandlung zuständig hätte sein können. Unzutreffend ist auch die Ansicht der Beschwerde, daß die zwangsweise Verbringung des Bf in die Republik Österreich (die Überwachung seiner Ausreise nach bundesdeutschen Vorschriften) und die Übergabe an die österreichischen Behörden bedeuten würde, der Bf sei nicht in die Republik Österreich eingereist. Der Begriff der Einreise hängt ebensowenig wie jener der Ausreise davon ab, ob der Bf freiwillig oder unfreiwillig das Staatsgebiet von Österreich betritt bzw verläßt. Dies ergibt sich für den Einreisebegriff eindeutig aus § 15 Abs.2 FrG, wo davon die Rede ist, daß jemand aufgrund einer Durchbeförderungserklärung oder einer Durchlieferungsbewilligung nach § 47 des Auslieferungsund Rechtshilfegesetzes einreist. Diese Einreise erfolgt selbstverständlich nicht freiwillig. Aus dem § 36 Abs.1 FrG, wonach Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, von der Behörde "zur Ausreise verhalten" werden können (Abschiebung), ergibt sich klar, daß das FrG auch eine unfreiwillige Ausreise kennt. Die aufgrund der angenommenen Prämissen gezogenen Schlüsse der Beschwerde sind daher von vornherein verfehlt.

Der Bf ist zwar am 12. August 1993 unrechtmäßig (ohne Erlaubnis) unter Nichteinhaltung der Bestimmungen des 2.Teiles des FrG (Sichtvermerkspflicht für Nigerianer) nach Österreich eingereist. Seine unrechtmäßige Einreise blieb ebenso wie der unrechtmäßige Aufenthalt in Österreich unentdeckt. Erst am 16. August 1993 bemerkten die bundesdeutschen Behörden anläßlich der Einreise des Bf in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Grenzübergang Neuhaus/Inn), daß er sich mit einem verfälschten Reisepaß auswies, worauf er in Haft genommen und bis zur Rückstellung am 26. August 1993 auch nach den bundesdeutschen Vorschriften in Haft angehalten wurde. Da es auf die Freiwilligkeit überhaupt nicht ankommt, ist dieser Vorgang als Einreise in die Bundesrepublik Deutschland mit anschließendem unfreiwilligen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu werten. Daß der Bf auf diese Weise ohne Erlaubnis aus dem Gebiet der Republik Österreich in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und auch innerhalb von vier Tagen nach dem Grenzübertritt aufgegriffen wurde und auch die übrigen Voraussetzungen nach dem Schubabkommen anzunehmen sind, kann nicht mehr zweifelhaft sein. Die Republik Österreich war zur formlosen Übernahme ohne Rücksicht auf die Dauer des vorangegangenen Aufenthalts des Bf in der Republik Österreich verpflichtet (vgl. Abschnitt A.3a des österreichisch-deutschen Schubabkommens). Es kann daher keine Rede davon sein, daß die österreichischen Behörden keine Übernahmserklärung hätten abgeben dürfen und daß der Bf entgegen dem Schubabkommen nach Österreich überstellt worden wäre.

Abgesehen davon, daß aus dem Schubabkommen grundsätzlich keine subjektiv-öffentlichen Rechte - soweit nicht das FrG ausdrücklich derartige Rechte einräumt - abgeleitet werden können, geht aufgrund der dargestellten Rechtslage auch der Einwand der Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter ins Leere.

4.4. Soweit die vorliegende Schubhaftbeschwerde auch auf das Abschiebungsverbot nach § 37 Abs.1 FrG in bezug auf den Heimatstaat und möglichen Zielstaat Nigeria verweist, indem sie betont, daß bei der Rückkehr des Bf nach Nigeria unter den derzeitigen politischen Verhältnissen mit Inhaftierung, weiterer Verfolgung und Folter zu rechnen sei, ist festzustellen, daß im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht einmal ein Aufenthaltsverbot erlassen worden ist und die belangte Behörde als Fremdenpolizeibehörde noch überhaupt keinen Zielstaat zur Abschiebung in Aussicht genommen hat. Im übrigen hat der Bf vertreten durch seinen Rechtsvertreter ohnehin einen im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes vorgesehenen Antrag gemäß § 54 Abs.1 und 2 FrG gestellt, wonach die Fremdenpolizeibehörde festzustellen hat, ob stichhaltige Gründe für die Annahme des Abschiebungsverbotes in den bezeichneten Zielstaat gemäß § 37 Abs.1 oder 2 FrG vorliegen. Über diesen Antrag wurde bisher noch nicht einmal in erster Instanz erkannt. Zur Entscheidung über diese Umstände ist der unabhängige Verwaltungssenat nach den Bestimmungen des FrG nicht zuständig. Die gesetzwidrige Inanspruchnahme einer Zuständigkeit durch den unabhängigen Verwaltungssenat wäre nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art.83 Abs.2 B-VG (vgl dazu näher Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 7. Auflage, Rz 1408 ff).

Da im übrigen aus der Aktenlage keine Umstände ersichtlich sind, wonach die Schubhaft schon bisher unangemessen lange dauern würde oder der belangten Behörde unangemessene Verzögerungen anzulasten wären, liegen im gegenwärtigen Zeitpunkt auch die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Da die belangte Behörde keine Kosten verzeichnet hat, hatte ein Kostenzuspruch an die obsiegende Partei zu unterbleiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß 6

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