Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400226/3/Wei/Shn

Linz, 10.11.1993

VwSen - 400226/3/Wei/Shn Linz, am 10. November 1993 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des G, derzeit im lg. Gefangenenhaus Ried i.I., vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Wischerstraße 30, wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Recht erkannt:

I: Die Beschwerde wird gemäß § 52 Abs.2 Fremdengesetz (BGBl.Nr.838/1992) iVm § 67c Abs.3 AVG 1991 als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 52 Abs.4 Fremdengesetz (FrG) wird festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II: Mangels Antragstellung entfällt ein Kostenzuspruch gemäß § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG zugunsten der belangten Behörde.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde von dem nachstehenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (im folgenden: Bf), ein türkischer Staatsangehöriger und Kurde, hat am 21. September 1993 gegen 19.00 Uhr bei Nickelsdorf per Bahn die Grenze nach Österreich unter Verwendung eines verfälschten türkischen Reisepasses passiert. Zuvor hatte er am 15. September 1993 Istanbul verlassen und fuhr mit einem Linienbus nach Bukarest/Rumänien, wo er sich vier Tage aufhielt. Um die Grenzen passieren zu können, besorgte sich der Bf in Istanbul einen durch Einfügen seines Paßfotos verfälschten türkischen Reisepaß lautend auf ESSIZ Nevzat. Für den verfälschten Reisepaß bezahlte der Bf einen Betrag von DM 2.500,--, den er durch Zuwendungen von Familienangehörigen aufbringen konnte. Der Bf hatte beschlossen nach Frankfurt/Main in Deutschland zu reisen, weil sich dort angeblich seine nächsten Verwandten befinden.

Am 22. September 1993 fuhr der Bf mit dem Schnellzug D222 nach Passau und wies sich bei der Grenzkontrolle mit dem verfälschten türkischen Reisepaß aus. Die bayerische Grenzpolizei nahm den Bf fest und übergab ihn nach erkennungsdienstlicher Behandlung und Einvernahme am 23. September 1993 um 11.48 Uhr aufgrund des deutsch-österreichischen Schubabkommens der Gendarmerie Schärding.

Anläßlich seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme vom 29. September 1993 durch die BH Ried/I. im Rechtshilfeweg, gab er an, daß er seit sechs Monaten nicht wisse, wo sich seine Frau und seine drei Kinder aufhielten. Nachdem ihm in weiterer Folge mitgeteilt worden war, daß seine Zurückschiebung in die Türkei vorgesehen sei, behauptete er, sowohl von türkischen Behörden, als auch von Angehörigen der PKK unterdrückt bzw verfolgt worden zu sein. Er habe sich mehrmals in Haft befunden, weil er türkischen Zivilpolizisten den Aufenthaltsort von Kurden nicht verraten hätte. Weiters hätte er von Türken Waffen kaufen und gegen die eigene Volksgruppe vorgehen sollen. Auf der anderen Seite hätten ihn auch Mitglieder der PKK bedroht, damit er mit ihnen zusammenarbeite. Fünf Leute aus seinem Dorf seien umgebracht worden, weil sie diesen Aufforderungen nicht Folge geleistet haben. Während seiner Verhaftungen sei er geschlagen worden. Sollte er nach Istanbul zurückgeschoben werden, würde man ihn verhaften und schlagen. Deshalb stelle er einen Asylantrag. Die Niederschrift wurde von der BH Ried/I. am 30. September 1993 an das Bundesasylamt, Außenstelle Oberösterreich in Linz, weitergeleitet.

1.2. Mit Mandatsbescheid vom 23. September 1993 zu Sich-40/4949-1993 hat die Bezirkshauptmannschaft Schärding gemäß § 57 Abs.1 AVG 1991 iVm § 41 Abs.1 und Abs.2 FrG den Bf zur Sicherung der Zurückschiebung in Schubhaft genommen. Eine Ausfertigung dieses Bescheides wurde dem Bf noch am gleichen Tage eigenhändig zugestellt.

1.3. Mit Bescheid, Zl.93 03.637-BAL, vom 1. Oktober 1993 hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Bf gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen. In der Bescheidbegründung wurde ausgesprochen, daß dem Bf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs.1 AsylG 1991 deshalb nicht zukomme, da er illegal und nicht direkt aus dem behaupteten Verfolgerstaat in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist. Eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 AsylG 1991 wurde nicht erteilt. Die aufschiebende Wirkung der Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 19. Oktober 1993 hat das Bundesasylamt mitgeteilt, daß der Bf innerhalb der Rechtsmittelfrist die Berufung gegen den negativen Asylbescheid eingebracht hat. Der Akt wurde dem Bundesminister für Inneres vorgelegt.

Im Asylverfahren gab der Bf an, daß er vor ungefähr einem Jahr seinen Wohnort Bagvar mit einem Linienbus Richtung Urfa verlassen habe. In Urfa und an verschiedenen anderen Orten habe er sich in der Folge aufgehalten, bevor er nach Istanbul gelangte, wo er sich seit 25. Juli 1993 aufhielt. In seinem ursprünglichen Wohnort hätte er nach dem Wunsch des Dorfvorstehers das Amt eines Dorfwächters übernehmen sollen. Dies habe er abgelehnt, weil ihm PKK-Leute davon abrieten. Die PKK-Leute habe er mit Lebensmittelspenden unterstützen müssen und auch Flugblätter verteilt. Außerdem versteckte er für die PKK in seinem Haus Waffen, und zwar waren es Handfeuerwaffen, Handgranaten und Maschinenpistolen. Mit den Zielen der PKK erklärte sich der Beschwerdeführer - abgesehen von gewalttätigen Aktionen - einverstanden. Auch an Straßenkontrollen der PKK nahm der Bf - wenn auch nicht in aktiver Form - teil.

In weiterer Folge zog der Bf mit seiner Familie in ein Nachbardorf und daraufhin in den Ort Kazik. Dort kam es zu einer Auseinandersetzung von türkischen Sicherheitskräften mit PKK-Leuten. Drei der PKK-Leute wurden im Gefecht getötet. Er sei dann aus dem Ort geflüchtet. Nach diesem Ereignis verdächtigte ihn die Polizei, ein PKK-Mann zu sein. Auf einer Polizeistation wurde er vier Tage festgehalten, verhört und gefoltert. Dies geschah mit einem stromführenden Kabel, mit einem Holzknüppel und mit kaltem Wasser. Diese Mißhandlungen liegen ca. zehn bis elf Monate zurück.

Weitere Schilderungen des Bf sind sehr allgemein gehalten und berichten über eine Schießerei zwischen unbekannten Gruppierungen und einem Großeinsatz von türkischen Sicherheitskräften in einem Dorf, bei dem 30 Leute verhaftet worden wären. Ob seine Familie noch lebt und wo sie sich aufhält, wisse er nicht. Auf legalem Weg habe er deshalb kein Reisedokument erlangen können, weil er den Dorfwächter-Job abgelehnt habe.

1.4. Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 1993 hat der Bf durch seinen Rechtsvertreter einen Feststellungsantrag gemäß §§ 37, 54 FrG auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Türkei gestellt. Diesen Antrag hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. Oktober 1993, zugestellt am 14. Oktober 1993, als unzulässig zurückgewiesen, weil der Antrag gemäß § 54 Abs.2 FrG nur während eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden kann. Gegen diese Entscheidung hat der Bf die Berufung vom 25. Oktober 1993 bei der belangten Behörde eingebracht. Über diese Berufung hat die gemäß § 70 Abs.1 FrG zuständige Sicherheitsdirektion für Oberösterreich noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 18. Oktober 1993 hat der Bf durch seinen Rechtsvertreter hilfsweise den Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes iSd § 36 Abs.2 FrG unter Hinweis auf die Anwendbarkeit des Rückschiebungsverbotes gemäß § 37 FrG gestellt. Über diesen Antrag hat die belangte Behörde bislang nicht abgesprochen.

1.5. Am 3. November 1993 langte die Schubhaftbeschwerde vom 2. November 1993 beim unabhängigen Verwaltungssenat ein, mit der beantragt wird festzustellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Bf in Schubhaft nicht vorliegen und dem Bf die Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Der Schubhaftbeschwerde liegt eine Kopie einer Verpflichtungserklärung zur Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach bundesdeutschen Rechtsvorschriften des Ali GÜNDÜZ zugunsten des Bf bei. Dabei wird formularmäßig iSd § 84 deutsches Ausländergesetz die Verpflichtung übernommen, sämtliche im Bundesgebiet entstehenden Kosten für den Lebensunterhalt zu übernehmen, sämtliche öffentliche Mittel, die für den Lebensunterhalt, in Krankheitsfällen und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, zu erstatten. Die Verpflichtung erstreckt sich auch auf die Rückreisekosten. Als Nettoeinkommen wird ein Betrag von DM 3.000,-angeführt. Ein Einkommensnachweis wurde nicht beigelegt. Die Unterschrift des Ali GÜNDÜZ wurde am 24. September 1993 in Aurich (Landkreis Aurich) vom Kreisamtsrat beglaubigt.

1.6. Wie dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aus dem Schubhaftprüfungsverfahren, VwSen-400215, (vgl Erkenntnis vom 28. September 1993) bekannt ist, handelt es sich bei der Kurdischen Arbeiterpartei - PKK um eine staatsfeindliche terroristische und separatistische Organisation, die in der Türkei verboten ist. Die PKK befürwortet und praktiziert die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele sowohl gegen militärische als auch gegen zivile Einrichtungen des türkischen Staates. Die terroristische Taktik richtet sich nicht nur gegen Türken, sondern auch häufig gegen andersdenkende kurdische Gruppierungen. Im Sommer 1993 hat die PKK in bekannten türkischen Touristenzentren terroristische Anschläge verübt, bei denen auch Ausländer zu Schaden kamen. Aufgrund von Medienberichten der vergangenen Woche ist bekannt geworden, daß die PKK eine konzertierte Gewaltaktion gegen türkische Einrichtungen wie Banken und Reisebüros in westeuropäischen Städten durchgeführt hat. Dabei wurde etwa in Darmstadt ein Brandanschlag auf ein Gastlokal eines Kurden vorgenommen, der sich geweigert hatte, Schutzgelder zu zahlen. Aufgrund dieser Gewaltakte wird nunmehr auch in der Bundesrepublik Deutschland erwogen, die PKK als politische Partei zu verbieten. Die PKK hat jedenfalls bis in die jüngste Zeit in Verfolgung politischer Ziele terroristische Aktionen gesetzt.

2.1. Im Schubhaftmandatsbescheid führt die belangte Behörde nach Schilderung des unstrittigen Sachverhalts begründend aus, daß zur Sicherung der Person des Bf die Schubhaft erforderlich sei, da der dringende Verdacht bestehe, der Bf werde sich dem Zugriff der Sicherheitsbehörde durch Flucht entziehen und in die Illegalität untertauchen. Weiters sei seine Identität noch zu klären, da er nicht im Besitz eines gültigen Reisedokumentes ist.

2.2. Dagegen führt die Schubhaftbeschwerde aus, daß keine Fluchtgefahr bestehe. Durch die beiliegende Verpflichtungserklärung sei klargestellt, daß der Lebensunterhalt des Bf gesichert sei. Mit Hilfe seiner in Deutschland lebenden Brüder sei er auch in der Lage, eine Unterkunftsmöglichkeit der Behörde unverzüglich nachzuweisen. Tatsächlich stünde ihm bei Frau Maria Scheiringer, Kapuzinerberg 2, 4910 Ried/Innkreis, eine Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung. Er habe gar kein Interesse, sich dem Zugriff der Fremdenpolizei zu entziehen, da er in Österreich Asyl erhalten möchte und durch ein allfälliges Untertauchen den positiven Ausgang seines Asylverfahrens nicht beeinträchtigen wolle. Die Anhaltung in Schubhaft zur Erreichung eines gesetzmäßigen Schubhaftzweckes iSd § 41 FrG sei nicht erforderlich, weshalb sich schon deshalb die Schubhaft als gesetzwidrig erweise. Zum Beweis für dieses Vorbringen, wird die Einvernahme des Bf als Partei sowie die zeugenschaftliche Einvernahme des Mehmet Sakir GÜNDÜZ, p.A. Alpenrosenweg 18, D-26160 Bad Zwischenahn, angeboten.

Der weiteren Anhaltung in Schubhaft stehe auch das Rückschiebungsverbot des Art.3 MRK iVm § 37 FrG entgegen. Im Falle einer Rückkehr hätte er ernsthafte Probleme zu befürchten und wäre jedenfalls einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung bzw der Folter ausgesetzt. Er verweise dazu vollinhaltlich auf sein Vorbringen im Asylverfahren und beantrage insoweit die Beischaffung und Verlesung des Asylaktes, Zl.93 03.637-Bal, des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz. Das Rückschiebungsverbot sei auch im Schubhaftverfahren maßgeblich, weil bei unzulässiger Abschiebung auch die Anhaltung zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung gesetzwidrig sei. Auf die ergangenen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes werde verwiesen. Daß im gegenständlichen Fall ungeachtet des Feststellungsantrages nach § 54 FrG dennoch das Rückschiebungsverbot im Beschwerdeverfahren anzuwenden ist, ergebe sich daraus, daß die Zurückschiebung des Bf in sein Heimatland geplant sei und sein Feststellungsantrag daher abgewiesen worden wäre. Die einzige durchsetzbare Möglichkeit der Geltendmachung des Rückschiebungsverbotes sei die Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates.

2.3. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 4. November 1993, eingelangt am 8. November 1993, die bezughabenden Verwaltungsakten einschließlich der wesentlichen Teile des Asylaktes vorgelegt. Eine Stellungnahme zur Schubhaftbeschwerde wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in die vorgelegten Aktenunterlagen festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 51 Abs.1 FrG kann der unabhängige Verwaltungssenat von Festgenommenen bzw in Schubhaft Angehaltenen mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung angerufen werden. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 52 Abs.1 FrG der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde.

Gemäß § 52 Abs.4 FrG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

Die vorliegende Schubhaftbeschwerde behauptet die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft. Die formellen Voraussetzungen sind erfüllt.

4.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder Durchbeförderung zu sichern.

Der Bf ist ohne gültiges Reisedokument und entgegen der für ihn geltenden Sichtvermerkspflicht nach den §§ 5 ff FrG in Österreich eingereist. Er hatte sein Heimatland Türkei von vornherein in der Absicht verlassen, um in die Bundesrepublik Deutschland zu reisen, wo sich seine Eltern und Geschwister aufhalten. Die bayerische Grenzpolizei entdeckte die Verwendung des verfälschten türkischen Reisepasses, nahm den Bf fest und überstellte ihn aufgrund des österreichisch-deutschen Schubabkommens vom 19. Juli 1961 (BGBl.Nr.227/1961) nach Österreich. Nach Abschnitt A 3a dieses Schubhaftabkommens war die Republik Österreich verpflichtet, den Bf formlos zu übernehmen, weil er ohne Erlaubnis aus dem Gebiet der Republik Österreich in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und innerhalb von vier Tagen nach dem Grenzübertritt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgegriffen werden konnte. Die formlose Übernahme erfolgt ohne Rücksicht auf die Dauer des vorangegangenen Aufenthaltes in der Republik Österreich. Da der Bf auch innerhalb von sieben Tagen nach seiner Einreise in das Bundesgebiet aufgrund des erwähnten Schubabkommens rückgenommen werden mußte, sind die Voraussetzungen des § 35 Abs.1 Z2 FrG erfüllt, sodaß eine Zurückschiebung des Bf grundsätzlich zulässig ist.

Der Schubhaftbescheid der belangten Behörde kann sich auf die unrechtmäßige Einreise und den unrechtmäßigen Aufenthalt des Bf im österreichischen Bundesgebiet stützen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes genügen allein diese Umstände für die Annahme, der Bf werde sich dem fremdenpolizeilichen Zugriff entziehen bzw diesen zumindest erschweren (vgl VwGH 17.6.1993, 93/18/0078; VwGH 14.4.1993, 93/18/0064). Die Notwendigkeit der Inschubhaftnahme ergab sich aber auch aus der Mittellosigkeit und der fehlenden Unterkunft des Bf.

Die Schubhaftbeschwerde bringt dazu vor, daß keine Fluchtgefahr bestehe und durch die beiliegende Verpflichtungserklärung der Lebensunterhalt des Bf gesichert sei. Mit Hilfe seiner in Deutschland lebenden Brüder könne er auch unverzüglich eine Unterkunft nachweisen. Er hätte wegen des Asylverfahrens ohnehin kein Interesse, sich dem Zugriff der Fremdenpolizei zu entziehen.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß nach der jüngsten Judikatur des VwGH weder ein besonderes Sicherungsinteresse noch im speziellen eine Fluchtgefahr für die Inschubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft erforderlich ist (vgl VwGH 17.6.1993, 93/18/0078). Dazu kommt noch, daß das Bundesasylamt mittlerweile den Asylantrag des Bf negativ beschieden hat und auch keine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Asylgesetz 1991 gewährte. Auch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 kommt dem Bf nicht zu, weil er über sichere Drittländer wie Rumänien und Ungarn nach Österreich gelangte und bereits an der ungarisch-österreichischen Grenze zurückgewiesen hätte werden dürfen. Wer nicht direkt (unmittelbar) aus dem behaupteten Verfolgerstaat kommt und zurückgewiesen werden darf, kann sich auch nicht auf ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Grunde des § 7 Abs.1 Asylgesetz 1991 berufen (vgl VwGH 3.12.1992, 92/18/0452; VwGH 27.5.1993, 93/18/0099).

Selbst wenn man den Beschwerdebehauptungen in bezug auf den gesicherten Lebensunterhalt des Bf im Falle seiner Entlassung aus der Schubhaft folgte, ändert dies überhaupt nichts an der Tatsache des illegalen Aufenthalts und der rechtlich ungünstigen Situation für den Bf, die es naheliegend erscheinen läßt, daß er sich dem fremdenpolizeilichen Zugriff zur Durchsetzung der geplanten Zurückschiebung entziehen wird. Im Ergebnis kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie ein Untertauchen in der Illegalität sowie die Verhinderung der fremdenpolizeilichen Maßnahmen durch den Bf für den Fall der Enthaftung befürchtet.

4.3. Auch die Voraussetzungen des in der Beschwerde relevierten Refoulementverbotes iSd § 37 FrG liegen nicht vor. Richtig ist, daß bereits anläßlich der ersten fremdenpolizeilichen Einvernahme des Bf am 29. September 1993 darauf hingewiesen wurde, daß die Zurückschiebung in die Türkei vorgesehen ist. Deshalb ist im Sinne der jüngsten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes die Zulässigkeit der Zurückschiebung in die Türkei eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der zur Sicherung der Zurückschiebung angeordneten Schubhaft (vgl näher VfGH 19.6.1993, Zl.B 1.094/92-6; ebenso VfGH 30.6.1993, Zl.B 1.536/92-6). Aus der Aktenlage ergibt sich allerdings, daß der Bf keine stichhaltigen Gründe für die Annahme der im § 37 angeführten Gefahren vorgebracht hat.

Zunächst ist festzustellen, daß die Darstellung des Bf anläßlich der ersten fremdenpolizeilichen Einvernahme von der Darstellung anläßlich der ausführlichen Befragung vor dem Bundesasylamt abweicht. Die Behauptungen anläßlich der fremdenpolizeilichen Einvernahme lassen sich in die Darstellung im Asylverfahren nicht schlüssig einordnen. Auch sprach er bei der ersten Einvernahme nur davon, daß er geschlagen wurde und schilderte noch keine Foltermethoden mit stromführendem Kabel und kaltem Wasser. Abgesehen von diesen Ungereimtheiten enthält die Schilderung des Bf im Asylverfahren wenig konkrete Anhaltspunkte, die auf eine den Bf im besonderen treffende Verfolgung durch den türkischen Staat schließen ließe. Die wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit der PKK erfolgte Inhaftierung des Bf in einer Polizeistation für vier Tage verbunden mit Verhören und Folterungen lag bereits zehn bis elf Monate zurück, als der Bf etwa Mitte September 1993 die Türkei verließ. Im übrigen hat der Bf keine konkret gegen ihn gerichteten Verfolgungshandlungen geschildert. Sein Bericht beschränkte sich vielmehr auf bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und Kampfverbänden der PKK wie sie im Osten der Türkei regelmäßig vorkommen. Davon sind freilich alle Kurden und Türken, die in diesen Gebieten leben, gleichermaßen betroffen.

Die Aussage des Bf läßt aber letztlich erkennen, daß er zumindest als Sympathisant der PKK anzusehen ist und auch zahlreiche begünstigende Tätigkeiten vorgenommen hat. Neben der Verteilung von Flugblättern deponierte er sogar Waffen in seinem Wohnhaus. Daß er in der Folge in Verdacht geriet, mit der PKK zusammenzuarbeiten, hat er sich selbst zuzuschreiben. Die Strafverfolgung im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen der PKK durch den türkischen Staat, kann nicht als politische Verfolgung angesehen werden. Zum Schutz des Staates und des öffentlichen Friedens bestehen in demokratischen westlichen Gesellschaften Straftatbestände. Wie der O.ö. Verwaltungssenat bereits in seinem Erkenntnis, VwSen-400215/3/Wei/Shn, vom 28. September 1993 ausgeführt hat, kann sich die Bekämpfung staatsfeindlicher Organisationen nicht auf einzelne Gewaltakte beschränken. Im Interesse eines wirksamen strafrechtlichen Schutzes sind auch begünstigende Tätigkeiten strafrechtlich zu erfassen. Der türkische Staat war daher zweifellos berechtigt, den Bf aufgrund der von ihm gesetzten Aktivitäten zugunsten der PKK mit den Mitteln des Strafrechtes zu verfolgen. Es mag sein, daß der rechtsstaatliche Standard der Strafverfolgung in der Türkei deutlich hinter jenem westlicher Demokratien zurückbleibt. Dies ist noch kein Grund von einer persönlichen Gefahr iSd § 37 Abs.1 FrG zu sprechen. Im übrigen kann auch nicht festgestellt werden, daß allfällige Übergriffe von einzelnen Organwaltern von den türkischen Behörden generell toleriert werden.

Die vom Bf behauptete ständige Flucht bis er schließlich nach Istanbul kam, ist mangels Angabe von konkreten Fluchtgründen nicht nachvollziehbar. Ebensowenig konnte er erklären, wieso er erst zehn oder elf Monate, nachdem er in einer Polizeistation gefoltert und mißhandelt worden war, die Türkei verlassen hat.

Die Gesamtwürdigung der vom Bf aufgestellten Behauptungen ergibt, daß es ihm nicht gelungen ist, die vom § 37 Abs.1 und 2 FrG geforderten stichhaltigen Gründe für besondere persönliche Gefahren im Sinne der zitierten Gesetzesstellen glaubhaft zu machen. Die Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung in die Türkei ist daher rechtmäßig.

5. Ein Kostenzuspruch zugunsten der belangten Behörde als obsiegender Partei entfällt, da keine Kosten gemäß § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG beantragt wurden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß 6

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