Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102660/7/Br/Bk

Linz, 21.04.1995

VwSen-102660/7/Br/Bk Linz, am 21. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn W N, Z, vertreten durch Dr. P S, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 9. Dezember 1994, Zl.: VerkR96/11295/1993, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 18. April 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Verkündung am 21. April 1995 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z3 eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992 - AVG iVm § 19 Abs.1 und 2, § 24, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem Straferkenntnis vom 9. Dezember 1994, Zl.:

VerkR96/11295/1993, wegen der Übertretungen nach § 20 Abs.2 StVO 1960 über den Berufungswerber Geldstrafen von 1) 1.300 S und 2) 5.000 S sowie für den Nichteinbringungsfall 60 bzw. 168 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 21. Mai 1993 um 10.58 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen auf der A in Richtung W gelenkt und dabei im Gemeindegebiet von I 1) bei km 260,540 - 259,638 die für Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 35 km/h überschritten habe und 2) bei km 259,488 die durch deutlich sichtbar aufgestellte Vorschriftszeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 78 km/h überschritten habe.

1.1. Begründent hat die Erstbehörde ihre Entscheidung auf das vorliegende Meßergebnis, welches anläßlich einer Nachfahrt im gleichbleibenden Abstand gewonnen wurde. Der Verantwortung des Berufungswerbers im Hinblick auf seine Ängste, daß ihn die Insassen des Dienstfahrzeuges (welches er als solches nicht erkannte) überfallen könnten, folgte die Erstbehörde nicht und bezeichnete sie kurz als abenteuerlich.

2. Der Berufungswerber hat in seiner Berufung das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten. Er machte die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Im wesentlichen führte er aus, daß ihm die Personen im nachfahrenden Kfz (Dienstwagen), durch deren Fahrverhalten er sich belästigt gesehen habe, nicht vertrauenserweckend erschienen wären. Eine dieser Personen habe eine Schußwaffe getragen. Er habe daher den Gesamteindruck gewonnen gehabt, daß sein Leben, Vermögen oder Gesundheit gefährdet gewesen sei. Rechtlich vermeinte der Berufungswerber abschließend unter Hinweis auf VwGH v. 22.11.1983, Zl. 83/03/0298, daß das Vorliegen eines Notstandes auch bei irrtümlicher, aber entschuldbarer Annahme einer bedrohenden Situation, nicht ausschließe.

Der Berufungswerber beantragt u.a. die Beischaffung des Verordnungsaktes bezüglich der bezughabenden Geschwindigkeitsbeschränkung bzw. den Aktenvermerk hinsichtlich der Anbringung der entsprechenden Vorschriftszeichen, ferner die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

3.1. Die Erstbehörde hat den Akt zwei Monate nach dem Einlangen der Berufung zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war infolge der Bestreitung des zur Last gelegten Verhaltens erforderlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Erörterung des Inhaltes des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Zl. VerkR96/11993/1993 vom 10. März 1995, zu Beginn der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner durch Vernehmung des RevInsp. W. S als Zeugen und des Berufungswerbers als Beschuldigten.

5. Der Berufungswerber bestreitet im wesentlichen die ihm vorgeworfene Fahrgeschwindigkeit nicht. Er rechtfertigt diese jedoch damit, daß er sich durch das von ihm nicht als Dienstkraftfahrzeug erkannte Fahrzeug bzw. dessen Insassen verfolgt und bedroht gefühlt habe, weil er während seiner Vorbeifahrt an diesem Fahrzeug bei einem Insassen eine in einem Innenholster getragene Faustfeuerwaffe gesehen habe.

Er habe demnach das ihm zur Last gelegte Verhalten in einem Putativnotstand begangen.

5.1. Wie sich schon aus den vom Video angefertigten und im Akt erliegenden Fotos ergibt, erfolgte die Nachfahrt um 10.47 Uhr. Der im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung abgespielten Videoaufzeichnung ist zu entnehmen, daß der Zeitrahmen der Nachfahrt sich von 10.46 Uhr bis 10.48 Uhr erstreckt hat.

5.1.1. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen ist in der am 4.

Juni 1993 verfaßten Anzeige jedoch als Tatzeit 10.58 Uhr angeführt. Hier ist offenbar ein Irrtum unterlaufen. Auch im Ladungsbescheid vom 28. Juni 1993 geht die Behörde von dieser (falschen) Tatzeit aus. Der Berufungswerber hätte erstmals anläßlich der Aktenübermittlung nach dem 23.12.1993 von der tatsächlichen Tatzeit Kenntnis erlangen können.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat folgendes erwogen:

6.1. Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt im Hinblick auf die in § 44a Z1 bis 5 VStG festgelegten Erfordernisse besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw.

Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ergibt sich aus der hiezu entwickelten Judikatur des VwGH. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik kann in dem Erkenntnis des VwGH v. 13.6.1984 Slg. 11466 A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Ferner ist es für die Befolgung der Vorschrift des § 44a Z1 leg.cit. erforderlich, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er a) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH v. 19. September 1990, Zl. 90/01/0045 mit Judikaturhinw.).

Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatortund Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen läßt (siehe obzit.Judikat).

Bei einer um 10 Minuten differierenden Zeitangabe kann diesen Erfordernissen nicht mehr genüge getan sein (VwGH 29.8.1990, Zl. 90/08/0032). In dieser Zeitspanne konnte auf der Autobahn eine Wegstrecke von über 20 Kilometer zurückgelegt werden. Da dem Berufungswerber die richtige Tatzeit jedenfalls auch nicht innerhalb der Frist nach § 32 Abs.2 VStG im Wege der Akteneinsicht zugänglich wurde, wurde dieser Mangel nicht saniert, sodaß eine dem § 44a Z1 VStG entsprechende Verfolgungshandlung nicht erfolgte. Die Gefahr einer Doppelbestrafung und eine Einschränkung in Verteidigungsmöglichkeiten konnte in diesem Mangel begründet sein.

6.2. Demnach erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf das Vorbringen des Berufungswerbers. Grundsätzlich sei an dieser Stelle schließlich doch noch bemerkt, daß hier die Voraussetzungen für die Annahme eines Putativnotstandes glaubhaft wohl nicht vorlagen. Selbst bei einer tatsächlichen Sichtbarkeit der Faustfeuerwaffe - was wohl schwer vorstellbar ist - bei einem anderen Fahrzeuglenker ist damit nicht schon die Annahme eines bevorstehenden Überfalles gerechtfertigt. Dies auch nicht in Verbindung mit einem allfälligen beharrlichen Nachfahren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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