Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400283/4/Kl/Rd

Linz, 24.08.1994

VwSen-400283/4/Kl/Rd Linz, am 24. August 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des A M H I, vertreten durch RA wegen Inschubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, daß zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 51 Abs.1, 52 Abs.1, 2 und 4 des Fremdengesetzes FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr. 110/1994, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

zu II.: §§ 74 und 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 12.8.1994, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 18.8.1994, wurde Beschwerde gegen die Inschubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft ab 6.7.1994 durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt erhoben und beantragt, die Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und den Kostenersatz zuzusprechen.

Begründend wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer Palästinenser sei und keine Staatsangehörigkeit besitze und politisch verfolgt werde. Ein Asylantrag sei bereits abgelehnt worden. Es sei keine Fluchtgefahr gegeben, sondern seien die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Bundesbetreuung gegeben, weshalb er in die Bundesbetreuung hätte aufgenommen werden müssen. Aus tatsächlichen Gründen scheitere die Ausweisung und nachfolgende Abschiebung, weil der Beschwerdeführer staatenlos sei und über keine Dokumente verfüge. Auch sei die Abschiebung wegen vorhandener Rückschiebungsverbote gemäß § 37 FrG unzulässig.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und mitgeteilt, daß sich der Beschwerdeführer derzeit noch in Schubhaft befinde.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorgelegten Verwaltungsakt Einsicht genommen und es wird festgestellt, daß der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben.

4. Es ergibt sich im wesentlichen folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt:

4.1. Der Beschwerdeführer ist nach seinen Angaben in Jezeh, Jordanien, geboren und Zugehöriger der palästinensischen Volksgruppe. Die Staatsangehörigkeit konnte vom Beschwerdeführer nicht angegeben werden und ist ungeklärt. Der Beschwerdeführer hielt sich mit seiner Familie seit 1971 im Flüchtlingslager in Hebron auf und reiste nach seinen Angaben Ende April 1994 nach Amman (Jordanien), wo er sich mit seinen Freunden Pässe und Flugtickets organisierte. Anfang Mai 1994 flog er von Amman nach Amsterdam/Niederlande, wo er sich etwa drei bis vier Wochen aufhielt. Mit einem Schlepper reiste er Anfang Juli 1994 durch Deutschland und überschritt am 3.7.1994 gegen 22.00 Uhr aus Deutschland kommend im Bezirk Schärding illegal, nämlich unter Umgehung der Grenzkontrolle, zu Fuß die österreichische Grenze, und wurde vom Schlepper nach Rainbach, Bezirk Freistadt, verbracht.

Dort hielt er sich bis 5.7.1994 ohne Reisedokumente auf. Am 5.7.1994 wurde er von der Grenzkontrolle Wullowitz aufgegriffen und am 6.7.1994 der BH Freistadt vorgeführt.

4.2. Ein Asylantrag des Beschwerdeführers vom 6.7.1994 wurde nach einer Ersteinvernahme am selben Tag vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, mit Bescheid vom 6.7.1994 gemäß § 3 Asylgesetz abgewiesen. Eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Asylgesetz wurde nicht erteilt. Der Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des BMfI vom 29.7.1994 abgewiesen.

4.3. Bei einer niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am 6.7.1994 vor der BH Freistadt gab er an, zunächst Mitglied der Hamaz und El-Fatah gewesen zu sein, bei einem Mordanschlag in Verdacht geraten und deshalb in einen anderen Stadtteil geflüchtet zu sein. Der Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst "Mossad" verdächtig, flüchtete er nach Jordanien und von dort über die Niederlande und Deutschland nach Österreich. Für den gefälschten Reisepaß mußte er 500 Jordanische Dinar und für den Schlepper 2.000 US-$ bezahlen. Er besitze daher nur noch 60 US-$. Sollte er nach Palästina abgeschoben werden, so drohe im dort der Tod durch die Hamaz.

Mit Bescheid der BH Freistadt vom 6.7.1994 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs.1 und 2 FrG iVm § 57 AVG die Schubhaft verhängt, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung zu sichern. Begründend wurde angeführt, daß er keinen Wohnsitz im Inland und keine Mittel zur Bestreitung des Unterhaltes habe und daher zu befürchten sei, daß er sich den beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde.

Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am selben Tag persönlich übernommen und durch Überstellung und Anhaltung im Polizeigefangenenhaus Linz in Vollzug gesetzt.

4.4. Über Ersuchen der belangten Behörde fand weiters am 14.7.1994 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und eine Abschiebung in das Heimatland statt. Dabei gab er an, über keinen Wohnsitz und keinerlei Barmittel in Österreich zu verfügen. Auch habe er keine Verwandten in Österreich. Er sei Palästinenser, aber in Jordanien geboren.

Mit Schriftsatz vom 18.7.1994 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 FrG und auf Erteilung eines Abschie bungsaufschubes gemäß § 36 Abs.2 iVm § 37 FrG. Über diese Anträge wurde bislang noch nicht entschieden.

4.5. In weiterer Folge versuchte die belangte Behörde zunächst eine Rückschiebung des Beschwerdeführers gemäß österreichisch-deutschem Schubabkommen, welche aber verweigert wurde.

Auch setzte die belangte Behörde weitere Schritte zur Ausforschung der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers.

5. Es hat daher der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß § 51 Abs.1 Fremdengesetz - FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr. 110/1994, hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 leg.cit.).

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 leg.cit.).

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurde die Rechtswidrigkeit der Inschubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft behauptet. Die Beschwerdevoraussetzungen sind erfüllt. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

5.2. Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

Gemäß § 48 Abs.1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Die Schubhaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern (§ 48 Abs.2 leg.cit.).

5.3. Aufgrund des dargelegten und erwiesenen Sachverhaltes steht fest, daß der Beschwerdeführer illegal, dh ohne gültige Reisedokumente unter Umgehung der Grenzkontrolle zu Fuß über die grüne Grenze, nach Österreich eingereist ist, sich im Bundesgebiet Österreich ohne Aufenthaltsberechtigung aufhielt und über keinen Wohnsitz und keine Barmittel für den geordneten Unterhalt verfügte. Aufgrund der mangelnden Aufenthaltsberechtigung könnte der Beschwerdeführer auch nicht ein Einkommen auf legalem Weg erwerben.

Aufgrund dieses Sachverhaltes ist nach der ständigen Judikatur des VwGH die Befürchtung der belangten Behörde begründet, daß sich der Beschwerdeführer durch Untertauchen einem fremdenpolizeilichen Verfahren und einer Ausreise bzw.

Abschiebung entziehen oder jedenfalls dieses erschweren werde. Diese Gefahr ist auch insofern begründet, als der Beschwerdeführer von Anfang an zum Ausdruck brachte, daß er auf keinen Fall mehr in sein Heimatland zurückkehren wolle.

Auch war dabei zu berücksichtigen, daß ein Asylverfahren bereits negativ abgeschlossen wurde, wobei dem Beschwerdeführer keine befristete Aufenthaltsberechtigung zuerkannt wurde. Es ist auch aus diesem Grunde zu erwarten, daß der Beschwerdeführer nunmehr in die Illegalität untertauchen werde oder daß er - wie er bei einer Einvernahme auch angab - die Grenze illegal überschreiten werde, um zu PLO-Freunden nach Prag zu gelangen.

Die Erlassung einer Ausweisung bzw. eines Aufenthaltsverbotes erscheint aber aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes nicht unzulässig und es war daher die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des diesbezüglichen Verwaltungsverfahrens gerechtfertigt und erforderlich.

Schließlich ist aus der Aktenlage ersichtlich, daß die belangte Behörde bestrebt war, die Haft so kurz wie möglich zu halten, indem sie Schritte der Zurückschiebung des Beschwerdeführers unternahm und eine Verfahrensverzögerung nicht erkennbar war. Es war daher die Inschubhaftnahme sowie auch die weitere Anhaltung in Schubhaft gerechtfertigt. Auch ergeben sich ansonsten keine Anhaltspunkte dafür, daß in den die Notwendigkeit der Schubhaftverhängung begründenden Umständen bis zur Erlassung dieser Entscheidung eine wesentliche Änderung eingetreten wäre.

5.4. Wenn hingegen der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdeschriftsatz anführt, daß keine Fluchtgefahr bestehe und im übrigen die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Bundesbetreuung vorliegen, so ist diesem entgegenzuhalten, daß eine Fluchtgefahr nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes nicht gefordert ist, sondern vielmehr schon eine erhebliche Erschwerung des Fremdenverfahrens die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigt. Zum vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Bundesbetreuungsgesetz hat bereits der VwGH ausgesprochen, daß auf die Leistung nach diesem Gesetz kein Rechtsanspruch (§ 1 Abs.3 Bundesbetreuungsgesetz) bestehe, und daher dieses Vorbringen der rechtlichen Unbedenklichkeit der Schubhaftverhängung nicht entgegenstehe (VwGH vom 11.11.1993, 93/18/0417).

5.5. Zu der vom Beschwerdeführer behaupteten tatsächlichen Unmöglichkeit der Ausweisung bzw. Abschiebung, wird auf § 36 Abs.2 erster Satz FrG hingewiesen, wonach die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben ist, wenn sie ua aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Für einen solchen Fall ist daher ein eigenes Verfahren vorgesehen, welches vor den Fremdenbehörden (§ 65 Abs.1 FrG) zu führen ist. Die Überprüfung, ob die Abschiebung eines Fremden aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, hat daher nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen (vgl. VwGH vom 8.7.1994, 94/02/0227) (vgl. unten Punkt 5.6.).

5.6. Die ebenfalls vom Beschwerdeführer angeführte Unzulässigkeit der Abschiebung infolge des Vorliegens von Rückschiebungsverboten ist gleichfalls nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat aufzugreifen, weil dem Beschwerdeführer im Hinblick auf ein Abschiebungsverbot gemäß § 37 FrG die Möglichkeit der Antragstellung nach § 54 FrG, also die Überprüfung der Unzulässigkeit einer Abschiebung in ein bestimmtes Land, offensteht, und der Beschwerdeführer auch tatsächlich von dieser Möglichkeit durch einen schriftlichen Antrag vom 18.7.1994 Gebrauch gemacht hat. Eine Überprüfung von Rückschiebungsverboten hat daher die Fremdenbehörde vorzunehmen. Dies steht im Einklang mit der nunmehr ständigen Judikatur beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts.

Im übrigen ist dem noch hinzuzufügen, daß die Anhaltung zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung, und nicht zur Sicherung der Abschiebung erfolgt, weshalb schon aus diesem Grunde die Einwendung von tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung und von Abschiebungsverboten eine Unzulässigkeit der Schubhaft nicht bewirken können.

5.7. Da sohin Gründe für die Verhängung der Schubhaft vorlagen, die Gründe fortbestanden und keine Änderung erfahren haben, war die Anhaltung in Schubhaft rechtmäßig und liegen auch weiterhin Gründe für die Anhaltung in Schubhaft vor.

6. Gemäß § 79a AVG steht nur der obsiegenden Partei der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu. Da die Beschwerde erfolglos geblieben ist, war der Kostenantrag des Beschwerdeführers abzuweisen.

Die belangte Behörde hat keinen Kostenantrag gestellt, weshalb keine weitere Kostenentscheidung zu treffen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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