Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400348/2/Schi/Rd

Linz, 20.06.1995

VwSen-400348/2/Schi/Rd Linz, am 20. Juni 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Beschwerde des M B, geb. 28.8.1960, Staatsangehöriger der Republik Zaire, derzeit PGH 4020 Linz, Nietzschestraße 33, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft durch die BH Schärding, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft als rechtmäßig festgestellt.

II. Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde (dem Bund) die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Höhe von 377 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 51 Abs.1, 52 Abs.1, 2 und 4, 54 und 48 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr.

110/1994, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr.51/1992; zu II.: §§ 74 und 79 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer (im folgenden: Bf), ein Staatsbürger der Republik Zaire, versuchte am 17.6.1995 gegen 7.00 Uhr von Ungarn kommend als Insasse eines Reisebusses über den Grenzübergang Autobahn/Suben vom Gebiet der Republik Österreich in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen.

Dabei verwendete er einen durch Lichtbildauswechslung verfälschten portugiesischen Reisepaß. Durch die Organe der Grenzpolizeiinspektion Passau wurde die Verfälschung dieses Reisepasses festgestellt; der Bf wurde daher von diesen Organen zurückgewiesen und von den Organen der Grenzkontrollstelle Autobahn/Suben festgenommen. Sodann wurde er der belangten Behörde vorgeführt und von dieser in Schubhaft genommen. Der Bf hat in Österreich weder einen Wohnsitz noch Familienangehörige und ist bisher auch keiner erlaubten Erwerbstätigkeit in Österreich nachgegangen. Er verfügt lediglich an Barmitteln 101 US$ und 100 Niederländische Gulden. Weiters verfügt er kein für seine Person ausgestelltes gültiges Reisedokument, sondern lediglich eine Identitätskarte für Staatsbürger der Republik Zaire sowie einen Studentenausweis der Universität Kinshasa.

1.2. Der Bf wurde mit Bescheid vom 17.6.1995, Sich41-490-1995-Hol, von der belangten Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bis zu dessen Durchsetzbarkeit sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 57 Abs.1 AVG iVm § 41 Abs.1 und 2 FrG in Schubhaft genommen, um die wahre Identität des Bf feststellen zu können, das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bf bis zu seiner Durchsetzbarkeit durchführen zu können, bei einer Vertretungsbehörde des Heimat landes des Bf ein Heimreisezertifikat für ihn anfordern zu können und ihn sodann in sein Heimatland Zaire oder allenfalls nach Ungarn (dem Land aus dem er gekommen ist) abschieben zu können, und, um diese Verfahrensschritte entsprechend absichern zu können, war es insbesondere aufgrund der Mittellosigkeit und Unterkunftslosigkeit des Bf anzunehmen, daß er sich bei Abstandnahme von der Schubhaftverhängung diesen fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen würde durch ein Untertauchen in die Anonymität.

Dieser Schubhaftbescheid wurde dem Bf noch am 17.6.1995 (Samstag) um 12.10 Uhr ausgehändigt, nachdem er zuvor über die Festnahmegründe in französischer Sprache eingehend unter Verwendung eines entsprechenden im Akt erliegenden Informationsblattes unterrichtet wurde.

1.3. Mit gleichem Datum 17.6.1995 hat der Bf sodann eine Schubhaftbeschwerde (eigenhändig in französischer Sprache geschrieben) an den unabhängigen Verwaltungssenat, bei dem sie am Montag den 19.6.1995 eingelangt ist, eingebracht.

Ausdrücklich wird festgestellt, daß die vorliegende Beschwerde aus folgenden Gründen als zulässig anzusehen bzw.

kein Verbesserungsauftrag gemäß § 67c Abs.2 AVG iVm § 52 Abs.3 FrG erteilt wurde, obwohl die Beschwerde ausschließlich in französischer Sprache abgefaßt ist:

Zunächst ist auf die Einhaltung der einwöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 52 Abs.2 FrG hinzuweisen, der der VfGH (vgl. zB. 12.10.1994, B 2153/93-6) unter dem Blickwinkel des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit und Sicherheit (Art.6 Abs.1 BVGpersFr) größte Bedeutung zumißt.

Da weiters das erkennende Mitglied des O.ö.

Verwaltungssenates hinreichend der französischen Sprache kundig ist und die Beschwerde doch weitgehend lesbar ist und alle erforderlichen Elemente insoweit enthielt bzw. erkennen ließ, worauf der Bf seine Beschwerde zu stützen können glaubte, wurde von einem - das Verfahren unnötig verzögerndem - Verbesserungsauftrag abgesehen.

In der Beschwerde führt der Bf im wesentlichen folgendes aus:

"Ich beehre mich die ganze Angelegenheit betreffend meine Inhaftierung (Schubhaft) vor Ihre hohe Behörde zu bringen.

Ich bin afrikanischer Abstammung. Ich hatte das Glück im Zuge eines Studentenaustausches (Studentenbörse) nach Ungarn zu gelangen. Die politischen Behörden meines Heimatlandes haben mir einen Reisepaß verweigert, weil ich aus einer Region stamme, in der sich die hauptsächliche Opposition "St.Etienne - Tshisesedy" befindet. Ich habe zu diesem Zweck einen Rekurs erhoben, um aus meinem Heimatland wegfahren zu können. Ich ersuche daher dringend, mir den Status eines Flüchtlings hier in Österreich zum Zwecke meiner Sicherheit zu gewähren.

Ich glaube, daß ich aufgrund der Menschenrechte ermächtigt bin, in einem Land meiner Wahl zu bleiben, in dem ich mich sicher fühle, weil in meinem Heimatland es um meine Sicherheit sehr schlecht bestellt ist.

Aus diesem Grund wiederhole ich auch meine Forderung nach Asylrecht hier in Österreich. Ich verlange daher von Ihnen, daß ich in meiner Sache die Gerechtigkeit wieder erlange.

Außerdem verlange ich einen Verfahrenshilfeanwalt in meiner Sache, mit dem ich meine Angelegenheit besprechen kann. Ich verspreche auch, daß ich die Ausländergesetze hier respektieren werde.

Hochachtungsvoll M B" 2. Die belangte Behörde hat mit Schreiben (Telefax) vom 19.6.1995 den bezughabenden Verwaltungsakt dem O.ö. Verwaltungssenat vorgelegt und keine Gegenschrift erstattet.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH Schärding, zu Sich41-490-1995-Hol; da aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien, konnte im übrigen gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 51 Abs.1 FrG hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 FrG).

Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 FrG).

Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt seiner Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

3.2. Der der Schubhaft zugrundeliegende Schubhaftbescheid wurde gemäß § 41 Abs.1 FrG iVm § 57 AVG einerseits zur Sicherung der Abschiebung nach § 36 FrG und andererseits, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 FrG zu sichern, erlassen.

Gemäß § 48 Abs.1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Die Schubhaft darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs.4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern (§ 48 Abs.2 leg.cit.). Wird ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt (§ 48 Abs.3 FrG).

3.3. Aufgrund des dargelegten Sachverhaltes steht fest, daß der Beschwerdeführer illegal, dh ohne gültigem Reisedokument, nach Österreich eingereist ist, nicht im Besitz der Mittel für seinen Lebensunterhalt in Österreich war und über keine Unterkunft in Österreich verfügte. Weiters verfügte er über keine Beschäftigungsbewilligung in Österreich, sodaß er auch nicht die Möglichkeit gehabt hätte, die erforderlichen Mittel für den Lebensunterhalt in rechtmäßiger Weise zu erwerben. Aufgrund dieses Sachverhaltes ist nach der ständigen Judikatur des VwGH die Befürchtung der belangten Behörde begründet, daß sich der Bf durch Untertauchen einem fremdenpolizeilichen Verfahren und einer Ausreise bzw einer Abschiebung zu entziehen suchen oder jedenfalls dieses Verfahren erschweren werde. Für eine solche Annahme reichen nach der Judikatur bereits eine illegale Einreise und unrechtmäßiger Aufenthalt oder Mittellosigkeit und fehlende Unterkunft aus (VwGH vom 17.6.1993, 93/18/0078; VwGH 14.4.1993, 93/18/0080).

3.4. Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage war daher die Verhängung der Schubhaft und die Inschubhaftnahme zur Sicherung des Verwaltungsverfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bzw. um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern, jedenfalls gerechtfertigt und erforderlich. Da der Bf erst am Samstag dem 17.6.1995 in Schubhaft genommen worden war, kann auch von einer unnötig langen Haftdauer in keiner Weise gesprochen werden.

4. Die vom Bf geltend gemachten Beschwerdegründe sind aus nachstehenden Erwägungen unzutreffend.

4.1. Insofern der Bf (implizite) vorbringt, daß gegen ihn ein Rückschiebungsverbot bestehe, weil er aus einer Region stamme, in der die hauptsächliche Opposition beheimatet sei, ist dazu folgendes festzustellen:

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden (§ 37 Abs.1 FrG). Die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (§ 37 Abs.2 leg.cit.). Ein Fremder, der sich auf eine der in Abs.1 oder 2 genannten Gefahren beruft, darf erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem er Gelegenheit hatte, entgegenstehende Gründe darzulegen.

Nach der Rechtsprechung des VfGH kann ein Schubhäftling Gründe nach § 37 FrG, sofern ihm keine wirksame Beschwerde (Feststellungsverfahren) offensteht, anläßlich einer Schubhaftbeschwerde vor dem unabhängigen Verwaltungssenat geltend machen, wobei diese Gründe iS einer umfassenden Haftprüfung zu prüfen sind. In diesem Zusammenhang hat der VwGH die Auffassung vertreten, daß ein Abschiebungsverbot nicht im Schubhaftverfahren, sondern bei der Abschiebung zu prüfen ist, sofern nicht feststeht, daß die Abschiebung in alle in Betracht kommenden Staaten rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist. Dies begründete er damit, daß die Einhaltung der Entscheidungsfrist von einer Woche in der Regel nicht ausreichte, um ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, das Feststellungen über ein Abschiebungsverbot ermöglichte, die einer nachträglichen Überprüfung durch den VwGH standhielten. Diese Auffassung vertrat im übrigen auch immer der erkennende Verwaltungssenat.

Im Bestreben der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes weitgehend Rechnung zu tragen, gelangt daher der entscheidende O.ö. Verwaltungssenat zur Auffassung, daß die gegenständliche Beschwerde stichhaltige Gründe, die die Annahme eines Rückschiebungsverbotes rechtfertigen, nicht vorgebracht hat.

Denn mit seinem Vorbringen hat der Bf weder Behauptungen aufgestellt, daß er unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen sei, noch daß sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität usw bedroht wäre. Jedenfalls enthält sein Vorbringen keine Konkretisierung dahingehend, welche Auswirkungen er selbst tatsächlich bei Rückkehr in sein Heimatland zu erwarten hätte.

Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß dem Bf die Möglichkeit weiterhin freisteht, einen ausdrücklichen Antrag nach § 37 FrG bei der belangten Behörde zu stellen.

Schließlich wird darauf hingewiesen, daß dem unabhängigen Verwaltungssenat hinsichtlich der Gewährung von Asyl bzw.

der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft keine Kompetenz zukommt; diesbezüglich muß sich der Bf an die hiefür zuständigen Behörden (Bundesasylamt, Sicherheitsdirektion) wenden.

4.2. Da sohin Gründe für die Verhängung der Schubhaft vorlagen, diese Gründe fortbestanden und keine Änderung erfahren haben, war die Anhaltung in Schubhaft rechtmäßig und liegen auch weiterhin Gründe für die Anhaltung in Schubhaft vor.

5. Der belangten Behörde als obsiegender Partei war antragsgemäß der Ersatz der Kosten im Sinn des § 52 Abs.2 FrG iVm § 79a AVG für den Vorlageaufwand zuzusprechen. Dabei ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von einem Ansatz in Höhe von zwei Drittel des Pauschalkostenersatzes vor dem VwGH (BGBl.Nr.416/1994, Art.I B Z.4 und 5) auszugehen.

6. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war als unzulässig zurückzuweisen, da gemäß § 51a VStG ein solcher nur für ein Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen ist. Im (hier zur Anwendung gelangenden) AVG ist keine solche Verfahrenshilfe vorgesehen; es war daher auch der diesbezügliche Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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