Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400382/4/Wei/Bk

Linz, 30.10.1995

VwSen-400382/4/Wei/Bk Linz, am 30. Oktober 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des C P, geb. 1975, liberianischer StA, dzt.

Justizanstalt R, B, vertreten durch Dr. H B, Rechtsanwalt in M, vom 23. Oktober 1995 wegen Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Schärding zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Höhe von S 376,66 binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 51 Abs 1, 52 Abs 2 und 4 Fremdengesetz - FrG (BGBl Nr.

838/1992) iVm §§ 67c Abs 3 und 79a AVG 1991 iVm §§ 47 ff VwGG 1985.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde vom folgenden Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (im folgenden Bf), ein liberianischer Staatsangehöriger, ist am 12. September 1995 von I kommend über einen unbekannten Grenzübergang eingereist. In Wien bestieg er am 14. September 1995 den Schnellzug um in die Bundesrepublik Deutschland zu reisen.

Gegen 17.25 Uhr wollte er über den Grenzübergang P ausreisen. Anläßlich der Grenzkontrolle wies er den Beamten der bayerischen Grenzpolizei die durch Lichtbildauswechslung verfälschte französische Identitätskarte Nr. , lautend auf B, geb. 1969, vor, die er von einem unbekannten italienischen Schlepper für US$ 100,-- käuflich erworben hatte. Bei der Vernehmung durch die Grenzpolizei gestand er diesen Sachverhalt zu.

Am 28. September 1995 um 10.30 Uhr wurde der Bf entsprechend dem österreichisch-deutschen Schubabkommen der österreichischen Grenzkontrollstelle übergeben, die ihn um 11.45 Uhr am Bahnhof S der Gendarmerie S zur weiteren Veranlassung übergab. Daraufhin wurde der Bf der belangten Behörde vorgeführt.

1.2. Mit Mandatsbescheid vom 28. September 1995, Zl.

Sich 41-850-1995, verhängte die belangte Behörde nach Überprüfung des Sachverhaltes die Schubhaft zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung. Zur Begründung der Gefahr, daß sich der Bf dem fremdenbehördlichen Zugriff entziehen werde, wird darauf hingewiesen, daß die genaue Identität zu klären, der Bf ohne gültiges Reisedokument und ohne den erforderlichen Sichtvermerk eingereist ist und sich illegal in Österreich aufhält. Den Schubhaftbescheid hat der Bf am 28. September 1995 um 11.55 Uhr übernommen. Er wurde daraufhin im Auftrag der belangten Behörde in die Justizanstalt Ried zum Vollzug der Schubhaft verbracht.

1.3. Am 3. Oktober 1995 hat die Bezirkshauptmannschaft R den Bf im Rechtshilfeweg einvernommen. Dabei berichtete der Bf, daß er in M nach dem Sturz des Präsidenten S D, mit dem seine in der Folge hingerichteten Eltern gut befreundet gewesen wären, bereits zweieinhalb Jahre im Gefängnis verbracht hatte und anläßlich eines Freiganges die Gelegenheit nützte per Schiff nach Italien zu gelangen. Den weiteren Sachverhalt schilderte der Bf wie oben dargestellt.

Er gab auch zu, beinahe mittellos zu sein. Er wollte zu einem Freund nach Amsterdam und in Holland um Asyl ansuchen.

Dem Bf wurde bekanntgegeben, daß die belangte Behörde beabsichtige, ihn nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und Einholung eines Heimreisezertifikates in seine Heimat Liberia abzuschieben. Damit erklärte er sich nicht einverstanden, weil er in Liberia mit seiner Hinrichtung rechnen müßte. Deshalb beantragte er auch die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Liberia. Außerdem erklärte er, einen Asylantrag einbringen zu wollen. Einen solchen Antrag stellte er in der Folge am 12. Oktober 1995.

Im Akt befindet sich eine Ladung zur Einvernahme am 17.

Oktober 1995 um 11.00 Uhr beim Bundesasylamt, Außenstelle L.

Eine Entscheidung ist noch nicht aktenkundig.

1.4. Mit Bescheid vom 9. Oktober 1995, zugestellt am 12.

Oktober 1995, hat die belangte Behörde im Spruchpunkt I. ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot ausgesprochen und diesbezüglich im Spruchpunkt II. die aufschiebende Wirkung der Berufung ausgeschlossen. Es bestehe die Gefahr, daß der Aufenthalt des mittellosen Bf die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet.

Im Spruchpunkt III. stellte die belangte Behörde fest, daß die Abschiebung in die Republik Liberia zulässig ist, weil keine stichhaltigen Gründe im Sinne des § 37 Abs 1 oder 2 FrG vorlägen. In Liberia sei im Sommer 1995 ein Friedensübereinkommen zwischen den wesentlichen Bürgerkriegsparteien mit der Aussicht auf dauerhaften Frieden zustandegekommen, zumal ein staatsratsähnliches Organ zur Leitung der Republik Liberia etabliert worden wäre.

1.5. Mit Schreiben vom 6. Oktober 1995, abgesandt am 9.

Oktober 1995, an die Botschaft der Republik Liberia, Konsularabteilung, in Bonn hat die belangte Behörde unter Anschluß der erforderlichen Unterlagen ("großes Nationale" bzw Angaben zur Person und zwei Paßbilder) um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Bf ersucht.

Eine Antwort ist noch nicht aktenkundig.

1.6. Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1995, eingelangt am 24.

Oktober 1995, hat der Bf durch seinen Rechtsvertreter Schubhaftbeschwerde beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhoben und beantragt, kostenpflichtig festzustellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht vorliegen und daß Inschubhaftnahme als auch Aufrechterhaltung der Schubhaft rechtswidrig seien.

2.1. Zur Begründung führt die Beschwerde aus, daß es mittlerweile eine amtsbekannte Tatsache wäre, daß liberianische Staatsangehörige nicht abgeschoben werden können, weil die Republik Liberia kein Einreisezertifikat ausstelle und die Abschiebung in ein Drittland ausscheide.

Da der Bf über kein gültiges liberianisches Reisedokument verfügt, werde seine Abschiebung nicht möglich sein. Die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft erweise sich damit von vornherein als ungeeignet, um den angestrebten Schutzzweck Sicherung der Abschiebung zu gewährleisten. Sie sei daher rechtswidrig. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft erweise sich als Sanktion für die rechtswidrige Einreise.

Die Schubhaft sei aber Sicherungshaft, nicht Sanktionshaft und ebensowenig Beugehaft. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit dar.

2.2. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 25. Oktober 1995, beim O.ö. Verwaltungssenat eingelangt erst am 30.

Oktober 1995, ihre Verwaltungsakten vorgelegt und für den Fall der Abweisung einen Kostenersatzantrag gestellt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb gemäß § 52 Abs 2 Z 1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann gemäß § 51 Abs 1 FrG der unabhängige Verwaltungssenat von dem in Schubhaft Angehaltenen angerufen werden. Solange die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 52 Abs 4 FrG).

Die formellen Beschwerdevoraussetzungen liegen vor. Die Schubhaftbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

4.2. Gemäß § 41 Abs 1 FrG können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder Durchbeförderung zu sichern.

Aufgrund des gegebenen Sachverhalts ist offenkundig, daß die Inschubhaftnahme des Bf erforderlich war. Er bediente sich der Hilfe eines Schleppers und reiste bewußt mit gefälschten Reisedokumenten. Sein Aufenthalt in Österreich ist illegal.

Er hat voraussichtlich auch keine Möglichkeit, seinen Aufenthalt zu legalisieren. Außerdem ist er mittellos und kann keiner legalen Beschäftigung in Österreich nachgehen.

Sein Asylantrag ist im Hinblick auf den Verweigerungsgrund nach § 2 Abs 2 Z 3 AsylG 1991 schon deshalb nicht aussichtsreich, weil er sich vor der Einreise schon nach seinem eigenen Vorbringen in Italien aufhielt, in welchem Land er vor Verfolgung bereits sicher war. Es besteht daher nicht der geringste Zweifel, daß die Inschubhaftnahme wegen der sonst bestehenden Gefahr der Vereitelung oder Erschwerung fremdenbehördlicher Maßnahmen notwendig war.

4.3. Gemäß § 48 Abs 1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 48 Abs 4 FrG darf die Schubhaft gemäß § 48 Abs 2 FrG nicht länger als zwei Monate dauern.

Die Beschwerde übersieht zunächst, daß die Schubhaft bis zur Erlassung des durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes der Verfahrenssicherung diente. Erst ab Zustellung des Aufenthaltsverbotes bestand ihr Zweck in der Sicherung der Abschiebung zur Durchsetzung des vollstreckbaren Aufenthaltsverbotes. Gemäß § 48 Abs 3 FrG gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Die Angabe dieses Zwecks im Schubhaftbescheid wäre demnach gar nicht notwendig gewesen. Sie war allerdings im Sinne des Gesetzes zu verstehen, zumal vor Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes eine rechtmäßige Abschiebung gemäß § 36 Abs 1 FrG begrifflich nicht möglich ist. Der Einwand der Zweckverfehlung wegen der angeblich tatsächlich unmöglichen Abschiebung kann daher frühestens ab 12. Oktober 1995 relevant werden.

Grundsätzlich ist die tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung ein Grund für einen Abschiebungsaufschub nach dem § 36 Abs 2 FrG. Es kann nicht Aufgabe des unabhängigen Verwaltungssenates sein, das allenfalls zukünftige Problem der Unmöglichkeit der Abschiebung zu untersuchen. Diese Frage ist auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Schubhaftprüfungsverfahren zu klären (vgl VwGH 8.7.1994, 94/02/0227; VwGH 12.8.1994, 94/02/123; VwGH 25.11.1994, 94/02/0409; VwGH 27.1.1995, 94/02/ 0201,0202, 0283). Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist daher rechtmäßig, solange sich die Unmöglichkeit der Abschiebung nicht im Zuge des Verfahrens konkret herausgestellt hat. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn die Abschiebung in einen bestimmten Staat aus hinreichend dargelegten Gründen von vornherein - also schlechthin unmöglich erschiene. Derartige Gründe hat der Bf weder vorgebracht, geschweige denn bescheinigt.

Die Behauptung, daß eine Abschiebung des Bf nach Liberia nicht möglich wäre, weil dieser Staat kein Heimreisezertifikat ausstellte, ist in dieser Pauschalität unhaltbar und beruht keineswegs auf einer amtsbekannten Tatsache. Es trifft zwar zu, daß es vor allem im Verkehr mit Vertretungen von Ländern der Dritten Welt immer wieder zu Verzögerungen kommt, weil mitunter ein wenig kooperatives Verhalten von Botschaften oder Konsulaten festzustellen ist.

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates scheitert aber meist an der mangelnden Bereitschaft des Fremden zur Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität und seiner persönlichen Verhältnisse (vgl dazu etwa die die Republik Liberia betreffenden h. Erk. vom 9.8.1993 und 6.12.1993, VwSen-400205/4/Wei/Shn und 400232/3/Wei/Shn = VwGH 25.11.1994, 94/02/0233, 0234). Daß die Republik Liberia grundsätzlich keine Heimreisezertifikate ausstelle, wenn kein gültiges Reisedokument vorliegt, entspricht jedenfalls nicht den bisherigen Erfahrungen des O.ö.

Verwaltungssenates. Im übrigen bedürfte es im Falle des Vorliegens eines gültigen Reisedokumentes gar keines Heimreisezertifikates mehr, weil die Identität und Staatsangehörigkeit dann evident wäre.

4.4. Da sich die Prämisse der Beschwerde als unhaltbar erwiesen hat, kann gegenständlich weder von Sanktionshaft noch von Beugehaft die Rede sein. Die Beschwerde war demnach als unbegründet abzuweisen und gemäß § 52 Abs 4 FrG für den Zeitpunkt dieser Entscheidung festzustellen, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Dem Bund als zuständigem Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, war als obsiegender Partei antragsgemäß der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten iSd § 52 Abs 2 FrG iVm § 79a AVG für den Vorlageaufwand zuzusprechen. Dabei ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von einem Ansatz in Höhe von zwei Drittel des Pauschalkostenersatzes vor dem Verwaltungsgerichtshof auszugehen (vgl stRsp seit VwGH 23.9.1991, 91/19/0162). Dem unterlegenen Beschwerdeführer waren selbstverständlich keine Kosten zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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