Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400395/4/Wei/Bk

Linz, 26.02.1996

VwSen-400395/4/Wei/Bk Linz, am 26. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des Xiao F, vom 15. Februar 1996 wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft durch die Bundespolizeidirektion Linz zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 3.365,-- binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 51 Abs 1, 52 Abs 2 und 4 Fremdengesetz - FrG (BGBl Nr.

838/1992) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 iVm V BGBl Nr.

855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde vom folgenden Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (im folgenden Bf), ein chinesischer Staatsangehöriger, wies am 7. November 1995 bei einer fremdenpolizeilichen Kontrolle im Chinarestaurant in Linz, den am 5. Februar 1993 auf den Namen Xu D, geb. am 3.

Dezember 1971, ausgestellten holländischen Reisepaß Nr. vor.

Bei der Überprüfung stellte sich heraus, daß ein Festnahmeauftrag der Bezirkshauptmannschaft vorlag. Die niederländische Botschaft in Wien hatte der Sicherheitsdirektion für die Steiermark zur Fotokopie des Reisepasses mitgeteilt, daß der Reisepaß blanko gestohlen worden war und der Bf kein niederländischer Staatsangehöriger ist. Außerdem war der Bf wegen Übertretung des Meldegesetzes und wegen Schwarzarbeit der Bezirkshauptmannschaft Weiz angezeigt worden. Der Gendarmerieposten Weiz zeigte den unsteten Bf der Staatsanwaltschaft Graz wegen des Verdachts eines Vergehens nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB im Hinblick auf den Gebrauch des gefälschten niederländischen Reisepasses anläßlich einer fremdenpolizeilichen Kontrolle im Chinarestaurant in Weiz an (vgl Anzeige des GP Weiz vom 19.04.1994).

Nach Klärung der Sachlage wurde der Bf von Sicherheitswachebeamten des Wachzimmers Landhaus der Bundespolizeidirektion Linz festgenommen und mit dem Arrestantenwagen in die Polizeidirektion überstellt, wo der Journalbeamte die Anhaltung im Polizeigefängnis anordnete.

1.2. Mit Bescheid vom 7. November 1995, Zl. Fr-90.079, hat die belangte Behörde gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung eines Aufenthaltsverbots- oder Ausweisungsverfahrens und zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Begründend wurde auf den Gebrauch des gefälschten niederländischen Reisepasses sowie den illegalen und unsteten Aufenthalt hingewiesen. Der Bf übernahm den Schubhaftbescheid am 7. November 1995 um 14.20 Uhr und unterschrieb den Rückschein mit "W".

Am 8. November 1995 unternahm der Bf einen Selbstmordversuch durch Strangulation, worauf er in eine Sicherungszelle verlegt wurde. Ein Dolmetscher konnte an diesem Tag nicht beigezogen werden. Am nächsten Tag um 8.00 Uhr konnte die fremdenpolizeiliche Einvernahme trotz anwesender Dolmetscherin nicht durchgeführt werden, da der Bf in der Sicherungszelle am Boden liegend angab, daß er heftige Bauchschmerzen hätte und nicht aufstehen könnte. Auch weitere Vernehmungsversuche scheiterten aus demselben Grund.

Am 11. November 1995 um 11.00 Uhr wurde der Bf mit dem Kopf in einer hellblutigen schleimigen Lache liegend vorgefunden.

Der Amtsarzt erklärte ihn für nicht mehr haftfähig und er wurde zur genaueren Untersuchung ins AKH Linz eingeliefert.

Noch am gleichen Tag um 15.30 Uhr wurde er wieder rücküberstellt, weil man im AKH keine Erkrankung feststellen konnte. Nach Feststellung der Haftfähigkeit ordnete die belangte Behörde mit Bescheid vom 11. November 1995 neuerlich die Schubhaft zur Sicherung der oben genannten Haftzwecke an. Der Bf trat danach zunächst bis zum 16.

November 1995 in den Hungerstreik. Außerdem war seine wiederholt versuchte Einvernahme nicht möglich, weil er sich weigerte aufzustehen. Am 19. November 1995 gab er neuerlich bekannt, in den Hungerstreik zu treten und sein Bett nicht verlassen zu wollen.

1.3. Schließlich konnte am 23. November 1995 um 13.00 Uhr die fremdenbehördliche Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden. Dabei gab er seine wahre Identität bekannt und gestand nach mehrfachen Vorhalten, daß er bereits im Juni 1993 mit dem Zug von Holland über Deutschland nach Österreich gereist war, wo er die Grenzkontrolle mit Hilfe des gefälschten niederländischen Reisepasses passieren konnte. Nähere Angaben wollte er nicht machen. Es wurde ihm eröffnet, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes beabsichtigt wäre und daß ihn die Fremdenbehörde als völlig mittellos betrachtete, weil er nur S 2,-- besaß. Außerdem wurde seine Abschiebung nach China nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die chinesische Vertretungsbehörde in Wien angekündigt. Über die mögliche Antragstellung nach § 54 Abs 1 FrG wurde er ebenfalls belehrt.

Mit Strafverfügung vom 24. November 1995, Zl. St.425/95-B, erkannte die belangte Behörde den Bf wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet ohne ein gültiges Reisedokument der Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 Z 3 FrG für schuldig und verhängte gemäß § 82 Abs 1 FrG eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage). Ein Rechtsmittel ist nicht aktenkundig.

1.4. Mit Bescheid vom 12. Dezember 1995, Zl. Fr-90.079, hat die belangte Behörde gegen den Bf ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs 1 und 2 Z 7 FrG erlassen und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs 2 AVG aberkannt.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 hat die belangte Behörde unter Vorlage von Lichtbildern und Angabe der Personaldaten des Bf um Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Botschaft der Volksrepublik China in Wien ersucht. Eine Antwort ist noch nicht aktenkundig.

Am 11. Jänner 1996 wurde dem Bf niederschriftlich mitgeteilt, daß das beantragte Heimreisezertifikat noch nicht eingetroffen ist und daß die Schubhaft bis zum Einlangen, längstens jedoch bis zu einer Dauer von sechs Monaten, verlängert wird.

1.5. Am 20. Februar 1996 langte ein vom Bf zur Post gegebener und mit "W" unterschriebener Schriftsatz vom 15.

Februar 1996 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ein, in dem beantragt wird, den Schubhaftbescheid sowie die weitere Anhaltung in Schubhaft kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.

2.1. Begründend verweist die Beschwerde auf den § 48 Abs 1 und 2 FrG. In der Sache wird dann lediglich behauptet, daß die Aussichten, ein Heimreisezertifikat von der chinesischen Botschaft zu erlangen, äußerst niedrig wären, was der belangten Behörde aus der bisherigen Praxis bekannt sein sollte.

2.2. In ihrem Vorlageschreiben vom 22. Februar 1996 trat die belangte Behörde der eingebrachten Beschwerde entgegen und beantragte die kostenpflichtige Abweisung. Es sei eine amtsbekannte Tatsache, daß sich Angaben chinesischer Staatsangehöriger in China nur schwer überprüfen lassen.

Deshalb werde auch nicht so früh wie sonst die Ausstellung des Heimreisezertifikates urgiert. Chinesische Heimreisezertifikate werden dennoch immer wieder ausgestellt, auch wenn dies eine gewisse Zeit in Anspruch nehme.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb gemäß § 52 Abs 2 Z 1 FrG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann gemäß § 51 Abs.1 FrG der unabhängige Verwaltungssenat von dem in Schubhaft Angehaltenen angerufen werden. Solange die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 52 Abs.4 FrG).

Die vorliegende Beschwerde ist zwar zulässig, aber aus den folgenden Gründen unberechtigt.

4.2. Gemäß § 41 Abs 1 FrG können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder Durchbeförderung zu sichern.

Die Notwendigkeit der Anhaltung in Schubhaft ist angesichts des langen unrechtmäßigen und unangemeldeten (unsteten) Aufenthalts des Bf in Österreich, seiner Mittel- und Unterkunftslosigkeit sowie der Verwendung eines gefälschten niederländischen Reisedokumentes offenkundig. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß die dringende Gefahr bestand und weiterhin besteht, der Bf werde auf freiem Fuße untertauchen und damit die fremdenpolizeilichen Maßnahmen vereiteln oder zumindest erschweren.

4.3. Gemäß § 48 Abs 1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nach Abs 2 nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Im Fall des Vorliegens der Verlängerungsgründe des § 48 Abs 4 FrG darf die Schubhaft aber länger als zwei Monate, höchstens jedoch sechs Monate dauern.

Die bisherige Schubhaftdauer erscheint dem erkennenden Verwaltungssenat auch nicht unangemessen lang. Dem Bf ist zunächst entgegenzuhalten, daß er durch sein unter Punkt 1.2. und 1.3. geschildertes unkooperatives Verhalten während der ersten Wochen seiner Anhaltung in Schubhaft selbst eine gewisse, von der belangten Fremdenbehörde nicht zu vertretende Verzögerung bewirkt hat. Im übrigen wurde das Heimreisezertifikat schon mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 beantragt. Die Erklärung der belangten Behörde, wonach die Überprüfung der Angaben chinesischer Staatsangehöriger in der Volksrepublik China erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nimmt, weshalb auch noch nicht urgiert worden wäre, ist durchaus plausibel und glaubhaft. Selbst wenn die Aussichten auf ein chinesisches Heimreisezertifikat nicht besonders hoch sein sollten, kann dieser Umstand nicht bedeuten, daß die belangte Behörde keinen Abschiebungsversuch unternehmen und den Bf trotz seines langandauernden illegalen Aufenthalts und trotz des durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes freilassen müßte.

Im Zuge des weiteren Verfahrens wird die belangte Behörde das Heimreisezertifikat urgieren und gegebenenfalls auf bekanntgegebene Hindernisse durch weiterer Nachforschungen reagieren müssen. Eine endgültige Unmöglichkeit der Abschiebung ist nicht ersichtlich. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Zuwarten auf die allenfalls verzögerte - Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht rechtswidrig, solange die Fremdenbehörde mit einer positiven Erledigung rechnen kann (vgl VwGH 8.9.1995, 95/02/0178 und 95/02/0322; VwGH 9.6.1995, 95/02/0041).

Im Ergebnis war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und gemäß § 52 Abs 4 FrG festzustellen, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft (nunmehr ausschließlich zur Sicherung der Abschiebung) maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, antragsgemäß der Ersatz der notwendigen Aufwendungen gemäß § 79a AVG (iVm § 52 Abs 2 FrG) für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand zuzusprechen. Nach § 1 Z 1 und Z 2 der am 1. Jänner 1996 inkraftgetretenen Aufwandersatzverordnung UVS des Bundeskanzlers, BGBl Nr. 855/1995, betragen die von der belangten Behörde als obsiegender Partei anzusprechenden Pauschbeträge für den Vorlageaufwand S 565,-- und für den Schriftsatzaufwand S 2.800,--. Insgesamt waren dem Bund daher Aufwendungen in Höhe von S 3.365,-- zuzusprechen. Dem unterlegenen Bf war selbstverständlich kein Aufwandersatz zuzusprechen.

Eine Leistungsfrist sieht der novellierte § 79a AVG 1991 idF BGBl Nr. 471/1995 nicht vor. Der erkennende Verwaltungssenat nimmt insofern eine echte Lücke an, zumal nicht angenommen werden kann, der Gesetzgeber hätte in Abweichung von der Regelung des § 59 Abs 4 VwGG 1985 die sofortige Vollstreckbarkeit des zugesprochenen Aufwandersatzes für den Falle des Fehlens einer Leistungsfrist (vgl dazu die Nachw aus der Judikatur bei Angst/Jakusch/Pimmer, MGA EO, 12. A [1989], E 107 und E 114 zu § 7 EO) vorsehen wollen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl Erl RV 130 BlgNR 19. GP, 14 f) wird ausdrücklich davon gesprochen, daß die Regelung im wesentlichen den Kostentragungsbestimmungen im VwGG 1985 angeglichen worden sei. Demnach ist nach wie vor (vgl schon bisher stRsp seit VwGH 23.9.1991, 91/19/0162) von einer analogen Anwendbarkeit der Kostenbestimmungen des VwGG 1985 auszugehen, soweit der Verfahrensgesetzgeber eine Regelung vergessen hat. Deshalb war analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 eine Leistungsfrist von zwei Wochen festzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

 

 

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