Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400407/4/Schi/Rd

Linz, 14.05.1996

VwSen-400407/4/Schi/Rd Linz, am 14. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schieferer über die Beschwerde des E N, bosnischer Staatsbürger, vertreten durch RAe Dr. W und Mag. M R, wegen Festnahme und Anhaltung in Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, daß die zum Zeitpunkt der Entscheidung für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Anhaltung rechtmäßig ist.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Höhe von 3.365 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 51 Abs.1, 52 Abs.1, 2 und 4, 54, 48 sowie 17 und 41 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl.Nr. 838/1992 idF BGBl.Nr.

110/1994, iVm § 67c Abs.1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1992 idF BGBl.Nr. 471/1995.

zu II.: §§ 74 und 79a AVG iVm § 1 Z3 und 4 Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

(1) Der Beschwerdeführer (Bf) ist am 7.5.1996 um 14.30 Uhr über die Grenzkontrollstelle Wullowitz, Gemeinde Leopoldschlag, Bezirk Freistadt, nach Österreich eingereist und hat dabei einen gefälschten holländischen Reisepaß verwendet; nachdem die Fälschung des Reisepasses festgestellt worden war, wurde der Bf über Anordnung des Untersuchungsrichters Dr. Starlinger des LG Linz gemäß § 175 StPO vorläufig in Verwahrung genommen und in das Gefangenenhaus des LG Linz eingeliefert. Bei der Personsdurchsuchung ergab sich, daß der Bf 38.200 DM sowie kleinere Beträge in verschiedenen anderen Währungen (niederländische Gulden, belgische Franc, tschechische Kronen, US-Dollar und österreichische Schillinge) bei sich hatte.

(2) Am 9.5.1996 um 13.15 Uhr wurde der Bf wiederum aus der U-Haft entlassen. Daraufhin hat sich der Bf zur Grenzkontrollstelle Wullowitz begeben und dort um Ausfolgung seiner Dokumente (bosnischer und holländischer Führerschein) ersucht. Diese Ausfolgung konnte nicht erfolgen, da sich die Führerscheine (ebenfalls) bei der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle zur Feststellung der Echtheit befanden.

(3) Da eine Weiterreise mangels vorhandener Reisedokumente nicht möglich war, wurde der Bf durch Organe der Bundesgendarmerie (Grenzkontrollstelle Wullowitz) der BH Freistadt vorgeführt. Um 16.30 Uhr wurde mit dem Bf eine Niederschrift aufgenommen; da der Bf einige Jahre in Deutschland gearbeitet hat, war eine Verständigung ohne Dolmetscher möglich. Weiters hat der Bf ersucht, mit einem Rechtsanwalt Kontakt aufzunehmen. Um 17.10 Uhr ist ein Rechtsanwalt bei der belangten Behörde erschienen und hat die Vertretung des Bf übernommen. Vom Rechtsvertreter wurde der Erlag einer Kaution in Höhe bis zu 200.000 S angeboten und erklärt, der Bf würde sich auch mehrmals täglich bei der Gendarmerie melden.

(4) Dennoch hat die belangte Behörde den Bf mit Bescheid vom 9.5.1996 gemäß § 41 Abs.1 und 2 FrG iVm § 57 AVG in Schubhaft genommen, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung zu sichern. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Bf in Österreich keinen Wohnsitz habe, seine Identität aufgrund des gefälschten Reisedokumentes nicht völlig geklärt sei und überdies zu befürchten sei, daß er sich den beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde. Deshalb müsse die Schubhaft verhängt werden.

(5) Dagegen hat der Bf mit Schriftsatz vom 10.5.1996 Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Bescheides bzw. der weiteren Anhaltung erhoben. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der dem Bescheid zugrundeliegende Sachverhalt betreffend Grenzübertritt mit dem gefälschten Reisedokument nicht bestritten werde. Er fühle sich jedoch durch die Verhängung der Schubhaft insofern beschwert, als die Schubhaft durch Anwendung gelinderer Mittel ersetzt werden hätte können. Insbesondere deshalb, weil er einen Betrag von 25.000 DM bzw. 200.000 S als Kaution bzw.

Sicherheitsleistung hinterlegt und angeboten hätte, sich auch täglich beim GP Freistadt zu melden. Außerdem habe er dieselben Intentionen wie die Fremdenbehörde, nämlich möglichst schnell von Österreich nach Bosnien zu gelangen.

Er sei bereit, seine gesamten Ersparnisse bis auf einen Geldbetrag, damit er seinen Lebensunterhalt (bis zur Ausstellung der Reisedokumente) bezahlen könne, als Kaution zu hinterlegen, wobei dieser Betrag bei Nichteinhaltung der behördlichen Anordnungen für verfallen erklärt werden könnte. Es sei daher keinesfalls erforderlich, ihn bis zur Ausstellung der Reisedokumente zu inhaftieren. Eine derartige Haft würde der EMRK und dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit widersprechen, da ein Eingriff in die persönliche Freiheit ausdrücklich nur dann erlaubt und zulässig sei, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig sei. Diesem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche die gegenständliche Schubhaft keinesfalls.

(6) Er wiederhole ausdrücklich nochmals, daß er zum Erlag einer Kaution in Höhe von DM 25.000 oder 200.000 S bereit sei und sich auch täglich beim GP Freistadt oder einer anderen Sicherheitsdienststelle melden würde. Er stelle daher den Antrag, der unabhängige Verwaltungssenat möge der Beschwerde Folge geben und den bekämpften Bescheid dahingehend abändern, daß die über ihn verhängte Schubhaft aufgehoben und durch die Anwendung gelinderer Mittel ersetzt werde.

(7) Die BH Freistadt als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und mit Schreiben vom 13.5.1996 eine Gegenschrift erstattet. Nach Darstellung des Sachverhaltes hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß gemäß § 17 Abs.1 FrG Fremde mit Bescheid auszuweisen seien, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Da der Bf einen Sichtvermerk für den Aufenthalt in Österreich benötigen würde, dieser jedoch nicht vorliege, sei sein Aufenthalt in Österreich illegal. Es werde die Ausweisung gemäß § 17 FrG auszusprechen sein. Da der Bf keine gültigen Reisedokumente besitze und er auch einen Wohnsitz in Österreich nicht aufweisen könne, bestehe die Gefahr, daß er sich den fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen würde. Darüber hinaus sei die versuchte Einreise mit einem gefälschten Reisedokument durchaus geeignet, den Verdacht zu begründen, die betreffende Person wolle sich nicht an die in Österreich gültige Rechtsordnung halten und sich gegebenenfalls durch Verschleierung ihres Aufenhaltes im Inland der Durchsetzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen entziehen. Aus diesem Grund sei gemäß § 41 FrG die Schubhaft anzuordnen gewesen. Auch konnte deshalb das Angebot des Bf, sich mehrmals täglich bei der Gendarmerie zu melden, nicht zum Tragen kommen. Zum Angebot der Kaution sei festzuhalten, daß die Entgegennahme einer derartigen Kaution im Gesetz nicht vorgesehen sei. Insbesondere sei völlig unklar, was mit einer Kaution geschehen sollte, wenn der Kautionsleger aus welchen Gründen auch immer - untertaucht und sich damit dem Zugriff der Behörde entzieht. Zusammenfassend werde daher festgestellt, daß die Verhängung der Schubhaft zu Recht erfolgte, weshalb der Antrag gestellt werde, die Beschwerde abzuweisen und dem Bf den Ersatz der Kosten für den der Behörde entstehenden Vorlage- und Schriftsatzaufwand aufzutragen.

(8) Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorgelegten Verwaltungsakt Einsicht genommen und es wird festgestellt, daß der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher gemäß § 52 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben.

(9) Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

(10) Gemäß § 51 Abs.1 FrG hat, wer gemäß § 43 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wobei jener Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde (§ 52 Abs.1 FrG) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 52 Abs.4 FrG).

Gemäß § 41 Abs.1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt seiner Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Die Schubhaft ist mit Bescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen.

(11) Der der Schubhaft zugrundeliegende Schubhaftbescheid wurde gemäß § 41 Abs.1 und 2 FrG iVm § 57 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung erlassen.

(12) Die Schubhaft ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft (§ 41 Abs.2 FrG).

Gemäß § 67 Abs.2 FrG richtet sich die örtliche Zuständigkeit ua zur Verhängung der Schubhaft nach dem Aufenthalt.

(13) Gemäß dem 2. Teil des FrG (Ein- und Ausreise von Fremden), 1. Abschnitt ( Notwendigkeit eines gültigen Reisedokumentes) brauchen Fremde für die Einreise, während des Aufenthaltes und für die Ausreise einen gültigen Reisepaß (Paßpflicht), soweit nicht anderes bundesgesetzlich oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird oder internationalen Gepflogenheiten entspricht (§ 2 Abs.1 FrG). Gemäß § 17 Abs.1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.

Zufolge § 17 Abs.2 Z6 FrG können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten werden.

Nach § 17 Abs.3 FrG wird die Ausweisung gemäß Abs.2 mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen.

(14) Zunächst ist festzustellen, daß aufgrund des als erwiesenen angenommenen Sachverhaltes im Hinblick auf die eben dargestellte Rechtslage die Verhängung der Schubhaft über den Bf durch die belangte Behörde zulässig war. Weiters weist die belangte Behörde zu Recht darauf hin, daß im FrG die Möglichkeit der Abwendung der Schubhaft durch Erlag einer Kaution oder Sicherheitsleistung nicht vorgesehen ist; dies bedeutet, daß der Erlag einer angebotenen Kaution ohne Rechtsgrundlage von der belangten Behörde hätte entgegengenommen werden müssen. Außerdem hätte die belangte Behörde mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage bei Nichteinhaltung der ausgesprochenen Auflagen (durch Untertauchen usw) keine Möglichkeit gehabt, die Kaution für verfallen zu erklären. Schon aus diesem Grund hätte der Erlag der Kaution der Behörde keinerlei Sicherheit gegeben.

(15) Da der Bf geltend macht, aufgrund der (unmittelbar anwendbaren) EMRK und dem Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) sei seine Anhaltung in Schubhaft unverhältnismäßig und daher rechtswidrig, ist auf diesem Problembereich näher einzugehen:

(16) Im verfassungsrechtlichen Bereich sind für die Schubhaft vor allem die Garantien - der unmittelbar anwendbaren - EMRK und des BVG PersFrG relevant. Das PersFrG enthält weitgehend analoge Regelungen zur EMRK, weicht allerdings in manchen Details von dieser ab. Von besonderer Bedeutung ist das in Art.1 Abs.3 PersFrG normierte Verhältnismäßigkeitsgebot, das einen Entzug der persönlichen Freiheit nur dann zuläßt, "wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht".

(17) Wie bereits oben ausgeführt, ist die Freiheitsentziehung im fremdenpolizeilichen Verfahren grundlegend in § 41 FrG geregelt. Geklärt ist, daß die Schubhaft keinen wie immer gearteten Strafcharakter trägt.

Sie dient als Zwangsmaßnahme lediglich dazu, die Möglichkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen des § 41 Abs.1 FrG sicherzustellen. Der Gesetzgeber selbst versteht die Ermächtigung zur Anhaltung Fremder nach diesen Bestimmungen primär als Sicherungsmaßnahme (vgl. dazu RV 691 BlgNR 18.GP: "Hiebei geht es durchwegs um den Gesichtspunkt der Sicherung der erforderlichen Maßnahmen."). Dieser Befund wurde vom VfGH im Erk. vom 8.3.1994, G112/93, ausdrücklich bestätigt.

(18) Die EMRK zählt in Art.5 Abs.1 lit.a bis f taxativ jene Gründe auf, die einen konventionskonformen Entzug der persönlichen Freiheit gestatten. Für die Zulässigkeit der Schubhaft bietet Art.5 Abs.1 lit.f EMRK die völkerrechtliche Grundlage (bei reiner Wortinterpretation wäre auch eine Subsumtion unter Art.5 Abs.1 lit.b EMRK denkbar, der Freiheitsentziehungen "zur Erzwingung der Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung" gestattet; vgl. zur Interpretation dieser vagen und problematischen Klausel Trechsel, Liberty and Security of Person, in:

McDonald/Matscher/Petzold, the Europeans System for the Protection of Human Rights, 1993, 277; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar 1985, 73ff).

(19) Aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs.1 lit.f EMRK ergeben sich drei Voraussetzungen für eine konventionskonforme Festnahme und Anhaltung. Der Entzug der persönlichen Freiheit bedarf erstens eines gesetzlich zu regelnden Verfahrens ("procedure prescribed by law"). Das innerstaatliche Recht muß demzufolge die Möglichkeit der Freiheitsentziehung und das dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich vorsehen. Zweitens muß die Freiheitsentziehung "rechtmäßig" sein, dh auf die gesetzlich vorgesehene Weise vorgenommen werden ("lawful", "in accordance with a procedure prescibed by law"). Drittens muß der Entzug der persönlichen Freiheit einem der in lit.f genannten Gründe dienen ("prevent his affecting an unauthorised entry into the country", "person against whom action is being taken with a view to deportation or extradition").

Die beiden erstgenannten Kriterien verweisen auf die Notwendigkeit der Übereinstimmung der Freiheitsentziehung mit dem innerstaatlichen Recht. Damit unterliegt die Beurteilung der innerstaatlichen Rechtmäßigkeit der Nachprüfung durch die EMRK-Organe. Das dritte Kriterium benennt dagegen die zulässigen Inhaftierungsgründe, denen die individuellen Verwaltungsakte dienen müssen, damit eine konventionskonforme Freiheitsentziehung vorliegt.

(20) Die EMRK verlangt für eine konventionskonforme Freiheitsentziehung ein Verfahren, daß 1) gesetzlich geregelt ist, 2) EMRK-konform ist, dh bestimmten Verfahrensgarantien entspricht und 3) auch im Einzelfall eingehalten wurde. Die Verfahrensgarantien des Art.5 Abs.1 EMRK gehen nicht so weit wie jene der Art.5 Abs.4 oder Art.6 EMRK; verlangt wird ein "faires" und "angemessenes" Verfahren (Europäische Kommission für Menschenrechte - EKMR 7.10.1987, Appl. 11531/85, Zulässigkeitsentscheidung im Fall A. gegen Schweden).

(21) Eine genauere Bestimmung dessen, was als ein faires und angemessenes Verfahren zur Entziehung der persönlichen Freiheit anzusehen ist, ist der bisherigen Straßburger Judikatur allerdings nicht zu entnehmen.

Das FrG regelt in den §§ 41, 46 bis 49 die Voraussetzung der Verhängung, des Vollzugs und der Aufhebung der Schubhaft, benennt in den §§ 65 bis 70 die zuständigen Behörden und sieht in den §§ 51 bis 53 Rechtsmittel gegen die Schubhaftbescheide an die UVS vor. Da die österreichischen Regelungen hinsichtlich der Schubhaft einschließlich des anzuwendenden Verfahrens in Gesetzesform getroffen wurden, diese Bestimmungen damit wohl die von den Straßburger Instanzen geforderte hinreichende Zugänglichkeit erfüllen, ist dieses Erfordernis des gesetzlichen Verfahrens weitestgehend erfüllt.

(22) Der Aspekt der Rechtmäßigkeit der Festnahme und Anhaltung verweist auf deren innerstaatliche Rechtmäßigkeit.

Da die Möglichkeit der Freiheitsentziehung und das anzuwendende Verfahren gesetzlich zu regeln sind, entsprechen individuelle Freiheitsentziehungen nur dann der EMRK, wenn sie gemäß den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt werden. Damit sind gesetzwidrige Freiheitsentziehungen zugleich konventionswidrig. Darüber hinaus gehen die Straßburger Organe iZm der Prüfung der Rechtmäßigkeit davon aus, daß Freiheitsentziehungen einem zulässigen Inhaftierungszweck dienen müssen und nicht "willkürlich" erfolgen dürfen:

"As regards the lawfulness of the custody it is necessary to establish wether the custody was in conformity with the domestic law, wether it conformed with the purposes of the restrictions permitted by Article 5 para. 1 of the Convention and finally wether the custody was not arbitrary" (EKMR 7.10.1987, Appl. 11531/85). "Lawfulness, in any event, also implies absence of any arbitrariness" (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR 18.12.1986, Bozano gegen Frankreich, Serie A Nr. 111, § 59).

(23) Diese Interpretation erlaubt es, innerstaatlich gesetzeskonforme Freiheitsentziehungen, die einen nach Art.

5 Abs.1 EMRK erlaubten Zweck dienen, als konventionswidrig anzusehen, falls den Behörden "Willkür" zur Last gelegt werden kann.

Was in diesem Zusammenhang als Willkür anzusehen ist, ist unklar (vgl.EKMR 7.12.1984, Appl. 9990/82, Bericht im Fall Bozano gegen Frankreich).

Da nur innerstaatlich gesetzmäßige Freiheitsentziehungen konventionskonform sind, ist für die Beurteilung der EMRK-Konformität die Überprüfung der Inhaftierung am innerstaatlichen Recht notwendig. Die Straßburger Organe verfolgen dabei eine restriktive Linie und überlassen es weitgehend den innerstaatlichen Organen, Nationales Recht auszulegen: "Where the Convention refers directly back zu to domestic law, as in Art. 5, compliance with such law is an intergral part of Contracting States engagements and the Court is accordingly competent to satisfy itself of such compliance where relevant (Art. 19); the scope of its task in this connection, however, is subject to limits inherent in the logic of the European system of protection, since it is in the first place for the national authorities, notably the courts, to interpret and applay domestic law (EGMR, 18.12.1986, Bozano gegen Frankreich).

Damit behalten sich die Straßburger Organe eine Mißbrauchsund Willkürkontrolle vor. (24) Aufgrund der oben gemachten Ausführungen ergibt sich aber, daß im gegenständlichen Fall Willkür weder nach der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen noch nach jener des (Österreichischen) Verfassungsgerichtshofes vorliegt. Denn nach der vom Verfassungsgerichtshof entwickelten sog.

Gleichheitsformel (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 7. Auflage, RZ 1354) wird das Gleichheitsrecht durch einen Bescheid verletzt, wenn sich der Akt auf ein gleichheitswidriges Gesetz stützt, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, wenn sie Willkür übt, wobei eine denkunmögliche Gesetzesanwendung Willkür indizieren kann. Im gegenständlichen Fall kann von Willkür keine Rede sein, weil die Behörde gesetzmäßig vorgegangen ist und dadurch, daß sie unter Hinweis auf die fehlende gesetzliche Grundlage den Erlag einer Kaution ablehnte, keinesfalls eine denkunmögliche Gesetzesanwendung durchgeführt haben kann.

(25) Art. 5 Abs.1 lit.f EMRK nennt als zulässige Gründe für eine Inhaftierung die Verhinderung eines unberechtigten Eindringens in das Staatsgebiet ("prevent his effecting an unauthorised entry into the country") oder die Anhaltung von Personen, die von schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen sind ("person against whom action is being taken with a view to deportation or extradition"). Damit unterliegt jede konventionskonforme Freiheitsentziehung einer Zweckbindung, die von den Straßburger Organen restriktiv, dh zugunsten der in Haft genommenen Person, ausgelegt wird (vgl. EGMR, 22.3.1995; Quinn gegen Frankreich, Serie A, Nr. 311, § 42). Eine Freiheitsentziehung ist somit nur dann - und nur solange konventionskonform, als sie dem anvisierten zulässigen Zweck dient.

(26) Auch diese Voraussetzungen sind im gegenständlichen Fall jedenfalls erfüllt, denn aufgrund des oben geschilderten Sachverhaltes steht fest, daß der Bf einerseits unberechtigt in das Staatsgebiet der Republik Österreich eingedrungen und außerdem von einem schwebenden Ausweisungsverfahren betroffen ist. Weiters dient die Schubhaft - wie schon mehrfach ausgeführt - einzig und allein dem Sicherungszweck.

Das somit sämtliche verfassungs- und europarechtliche Voraussetzungen im gegenständlichen Fall für eine rechtmäßige Freiheitsentziehung vorlagen, war die Beschwerde auch unter diesem Gesichtspunkt abzuweisen.

(27) Im übrigen ist hier auch noch auf die diesbezügliche Judikatur des VwGH (vgl. zB Erkenntnis vom 23.12.1994, Zl.

94/02/0360) hinzuweisen. In diesem Erkenntnis hat der VwGH zum Ausdruck gebracht, daß die Anwendung eines "gelinderen Mittels" als der Schubhaft gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Außerdem dient die Schubhaft gemäß § 41 Abs.1 FrG nicht nur zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit, sondern auch dazu, die nachfolgende Abschiebung zu sichern (§ 48 Abs.3 FrG).

Daß sich aber der Bf dem behördlichen Zugriff entziehen oder diesen zumindest wesentlich erschweren werde, konnte die belangte Behörde deshalb mit Recht annehmen, weil sich der Bf unerlaubt in Österreich aufgehalten hat. Im übrigen spielt auch im gegenständlichen Fall die Aufhebung des § 17 Abs.3 und des § 27 Abs.3 letzter Satz FrG (betreffend Ausweisung) durch den VfGH keine Rolle, weil zufolge des Ausspruches des VfGH im Erkenntnis G 1306/95 vom 1.12.1995 die Aufhebung erst mit Ablauf des 30.6.1996 wirksam wird.

(28) Im Erkenntnis vom 25.11.1994, Zl. 94/02/0312, hat der VwGH ausgesprochen, daß die Ansicht der belangten Behörde, aus der Verwendung eines gekauften fremden Reisepasses sei zu schließen, daß sich der Bf dem behördlichen Zugriff entziehen werde, nicht als rechtswidrig zu erkennen ist.

Jedenfalls aus demselben Grund war auch hier die Annahme gerechtfertigt, daß die Überwachung des (unerlaubten) Aufenthaltes und der Ausreise des Bf notwendig erscheint (§ 48 Abs.3 FrG). Aus den angeführten Gründen ist es auch unerheblich, daß der Bf - wie sich aus der Aktenlage eindeutig ergibt - nicht mittellos ist, sondern sogar einen längeren Aufenthalt finanzieren könnte. Denn im gegenständlichen Fall geht das Sicherheitsbedürfnis des Staates, den weiteren Aufenthalt und die Ausreise des Bf zu überwachen bzw. eindeutig sicherzustellen jedenfalls vor.

Aus den gleichen Gründen ist auch der Freiheitsentzug durch Verhängung der Schubhaft im vorliegenden Fall im Sinne des Art. 1 Abs. 3 PersFrG nicht unverhältnismäßig.

(29) Auch im übrigen konnte im Hinblick auf die Forderung des VfGH, wonach der unabhängige Verwaltungssenat die Beschwerde nach jeder Richtung hin zu prüfen hat, nicht gefunden werden, daß sonstige (nicht ausdrücklich gerügte) Rechtswidrigkeiten bei der gegenständlichen Inschubhaftnahme auftraten.So wurde der Bf bereits nach kürzester Zeit (max.

ca. 2 Stunden) niederschriftlich in einer für ihn verständlichen Sprache vernommen und ihm unverzüglich die Kontaktaufnahme mit einem Rechtsanwalt ermöglicht.

(30) Aus allen diesen Gründen war die vorliegende Schubhaftbeschwerde zur Gänze unbegründet und kostenpflichtig abzuweisen.

(31) Dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, war antragsgemäß der Ersatz der notwendigen Aufwendungen gemäß § 79a AVG (iVm § 52 Abs.2 FrG) zuzusprechen. Nach § 1 Z 3 und Z4 der am 1. Jänner 1996 in Kraft getretenen Aufwandersatzverordnung UVS des Bundeskanzlers, BGBl.Nr. 855/1995, betragen die von der belangten Behörde als obsiegender Partei anzusprechenden Pauschbeträge für den Vorlageaufwand 565 S und für den Schriftsatzaufwand 2.800 S, insgesamt sohin 3.365 S.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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