Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400556/3/SR/Ri

Linz, 30.12.1999

VwSen-400556/3/SR/Ri Linz, am 30. Dezember 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des T A, geb., russischer StA, dzt. PGH der BPD S, Bgasse, S, vom 28. Dezember 1999 wegen der Anhaltung in Schubhaft durch die BPD S zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben, die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 23. Dezember 1999 für rechtswidrig erklärt und gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen

Rechtsgrundlagen:

§§ 61, 69, 72 und 73 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 158/1998 iVm § 7c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Sachverhalt aus:

1.1. Der Bf, ein russischer Staatsangehöriger, ist in der Nacht zum 19. oder 20. Juni 1999 illegal, ohne Personaldokumente und mittellos ins Bundesgebiet eingereist. In der Folge hat er in Zusammenwirken mit zwei weiteren russischen StA Verbrechen nach dem Strafgesetzbuch begangen.

Am 24. Juni 1999, um 13.30 Uhr wurde der Bf festgenommen, ins LG Steyr eingeliefert und über ihn die Untersuchungshaft verhängt.

1.2. Das Landesgericht S hat den Bf am 10. August 1999, Zahl 12 Vr 253/99 wegen Begehung des

a) Verbrechens des Bandendiebstahls und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1, 130 erster Satz, zweite Alternative und zweiter Satz, zweite Alternative StGB

b) Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach den §§ 136 Abs 1 und Abs 2, 15 StGB und

c) Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB

zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 43 a Abs 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 8 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und die Vor- und Untersuchungshaft angerechnet.

1.3. Der Bundespolizeidirektion S wurde laut AV am 10. August 1999 der Urteilsspruch und das Datum der Haftentlassung - 24. Oktober 1999 - mitgeteilt. Die zuständige fremdenpolizeiliche Abteilung der BPD S hat am 13. August 1999 eine niederschriftliche Befragung mit dem Bf durchgeführt und die Inschubhaftnahme für den Zeitpunkt der Haftentlassung, die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet Österreich und die beabsichtigte Abschiebung nach R zur Kenntnis gebracht. Begründet wurde die in Aussicht gestellte Vorgangsweise der Behörde damit, dass sich der Bf illegal und mittellos im Bundesgebiet aufhält und vom LG S zu einer mehrmonatigen Haftstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist. Im Zuge dieser Befragung hat der Bf einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag wurde dem Bundesasylamt am 13. August 1999 vorgelegt.

1.4. Am 27. September 1999 übermittelte das LG S zu Zl 11 Vr 253/99 der BPD S die Benachrichtigung von der Beendigung des Strafverfahrens mit dem Hinweis, dass das Urteil gegen den Bf seit 10. August 1999 rechtskräftig ist.

1.5. Die BPD S hat mit Bescheid vom 22. Oktober 1999, Zl Fr-4485 /99 gegen den Bf die Schubhaft gemäß § 61 Abs 1 FrG in Verbindung mit § 57 Abs 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens und der Abschiebung verhängt. Die Schubhaft wird seit dem 22. Oktober 1999 im Polizeigefangenenhaus S vollzogen und ist im Entscheidungszeitpunkt noch aufrecht.

1.6. Im vorgelegten Akt befindet sich eine Fax-Mitteilung vom 27. Oktober 1999. Darin wird der belangten Behörde der Hungerstreik des Bf berichtet. Am selben Tag wurde in einem AV festgehalten, dass eine Abschiebung des Bf in die Bundesrepublik Deutschland nicht erfolgen kann und die belangte Behörde den Bf zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung am 22. Oktober 1999 in Schubhaft genommen hat.

Weiters enthält der Akt einen Bescheidentwurf (27. Oktober 1999 !!) über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Eine Zustellung der Bescheidausfertigung wurde bis dato nicht vorgenommen.

Am 25. November 1999 teilte der Bf der belangten Behörde schriftlich mit, dass der Asylantrag abgelehnt worden ist und er sofort das Land verlassen möchte. Über Antrag erfolgte am 30. November 1999 die Vorführung zum Bundesasylamt und in der Folge wurde der Behörde erster Instanz mitgeteilt, dass der Bf den Asylantrag zurückgezogen hat.

1.7. Am 13. Dezember 1999 ersuchte die belangte Behörde die Botschaft der Russischen Föderation/Konsularabteilung um Ausstellung eines Heimreisezertifikates.

1.8. Am 27. Dezember 1999 brachte der Bf die Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat bei der Bundespolizeidirektion S ein.

2.1. Der Bf ersuchte um Feststellung, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig ist, da schon über zwei Monate vergangen sind.

Bei der am 28. Dezember 1999 durchgeführten niederschriftlichen Befragung durch die belangte Behörde wurde dem Bf erstmals gemäß den §§ 69 Abs 4 und 69 Abs 5 FrG mitgeteilt, dass er weiterhin in Schubhaft angehalten wird.

2.2. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Stellungnahme ihren entscheidungsrelevanten Sachverhalt dargelegt. Diese Ausführungen decken sich in Grundzügen mit dem festgestellten Sachverhalt. Jene Teile des behördlichen Vorbringens, die sich nicht mit dem Akteninhalt decken (zB kann dem Akt nicht entnommen werden, dass es mehrere Versuche zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gegeben hat, sind nicht entscheidungsrelevant.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorgelegten Verwaltungsakt der BPD S Einsicht genommen und es wird festgestellt, dass der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 73 Abs.2 Z1 FrG unterbleiben kann.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 72 Abs 1 FrG 1997 von dem angerufen werden, der gemäß § 63 FrG 1997 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf das Fremdengesetz 1997 angehalten wird oder wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 73 Abs 4 FrG 1997).

Der Bf wird im PGH S in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde gegen die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist zulässig und begründet.

4.2. Gemäß § 61 Abs 1 FrG 1997 können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines

Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Die Schubhaft ist nach dem § 61 Abs 2 FrG 1997 grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides nicht bloß kurzfristig aus anderem Grund in Haft. Im vorliegenden Fall erfuhr die belangte Fremdenbehörde bereits am 19. August 1999, dass der Bf am 24. Oktober 1999 aus der Strafhaft entlassen wird.

Eine Vorgangsweise nach § 57 Abs 1 AVG war aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht mehr angebracht. Der Verwaltungssenat hat diese Vorgangsweise in dem Fall nicht aufzugreifen, da dem Bf gegen behördliche Entscheidungen (betreffend Schubhaftbescheide), die entweder auf Grund eines Mandatsverfahrens oder eines Ermittlungsverfahrens ergangen sind nur die Beschwerdemöglichkeit an den unabhängigen Verwaltungssenat zukommt.

Gemäß § 69 Abs 1 FrG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 69 Abs 4 FrG darf die Schubhaft gemäß § 69 Abs 2 FrG nicht länger als 2 Monate dauern.

§ 69 Abs 4 FrG nennt taxativ Gründe für eine Verlängerung der grundsätzlichen Schubhaftdauer von 2 Monaten. Diese die Abschiebung betreffenden Hinderungsgründe setzten aber voraus, dass alle sonstigen Voraussetzungen für die Abschiebung vorliegen (vgl bereits VwSen-400210/5/Kl/Rd vom 14. September 1993, VwSen-400448/3/Wei/Bk vom 6. November 1996). Die Fremdenbehörde hat jedenfalls innerhalb der Zweimonatefrist einen durchsetzbaren Administrativakt (Aufenthaltsverbot, Ausweisung) zu erlassen, widrigenfalls eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung schon begrifflich nicht denkbar ist (vgl auch § 69 Abs 3 FrG) und eine Aufrechterhaltung der Schubhaft aus den Verlängerungsgründen des § 69 Abs 4 FrG ausscheidet (vgl schon VwSen-400228/3/Wei/Shn vom 11. November 1993).

Die belangte Behörde hat zwar entsprechend dem gesetzlichen Auftrag das Ermittlungsverfahren unverzüglich eingeleitet und den Bf am 13. August 1999 niederschriftlich befragt. Ein durchsetzbarer Administrativakt (Aufenthaltsverbot, Ausweisung) ist weder bis zur Erlassung des Schubhaftbescheides am 22. Oktober 1999 noch bis zum Ablauf der Zweimonatefrist erlassen worden. Dem vorgelegten Akt kann auch nicht entnommen werden, dass die belangte Behörde mittlerweile ein Aufenthaltsverbot erlassen hat. Der im Akt befindliche Entwurf eines Aufenthaltsverbotes (27. Oktober 1999) zeigt zwar die beabsichtigte Vorgangsweise der belangten Behörde auf, ist jedoch nicht geeignet, den Erfordernissen des § 69 Abs 2 iVm Abs 4 FrG zu entsprechen.

4.3. Gemäß § 69 Abs 5 FrG hat die Fremdenbehörde einen aus den Gründen des § 69 Abs 4 FrG anzuhaltenden Fremden davon unverzüglich niederschriftlich in Kenntnis zu setzen.

In der niederschriftlichen Inkenntnissetzung des Bf am 28. Dezember 1999 kann nicht mehr die gesetzlich geforderte Unverzüglichkeit erblickt werden.

Im vorliegenden Fall wirkt sich die Nachlässigkeit der belangten Behörde aber nicht mehr aus, weil eine Verlängerung der Schubhaft iSd § 69 Abs 4 FrG von vornherein nicht zulässig war.

5. Eine Kostenentscheidung war mangels darauf gerichteten Antrages des Bf als obsiegender Partei nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

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