Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400567/6/SR/Ri

Linz, 10.03.2000

VwSen-400567/6/SR/Ri Linz, am 10. März 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des B D, geb. am 29. August 1973, algerischer StA, derzeit JA Ried i. I., Bstraße, R I, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W wegen der weiteren Anhaltung in der Schubhaft durch die Bezirkshauptmannschaft S, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund die Kosten für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand in der Höhe von insgesamt 565  S (entspricht  41,06 Euro) binnen 14 Tagen ab Zustellung zu ersetzen.

Der Kostenersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 und 4 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 (BGBl Nr. 75/1997 idF BGBl I Nr. 158/1998) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 iVm § 1 Z3 der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995.

.

Entscheidungsgründe:

1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde von nachstehendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer (Bf), ein algerischer Staatsangehöriger hat im Jahr 1992 seine Heimat verlassen und ist legal mit seinem algerischen Reisepass, versehen mit einem italienischen Sichtvermerk auf dem Luftweg von A nach R gereist. Nach Ablauf des 6 Monate gültigen Visums ist er weiterhin ohne Aufenthaltsberechtigung in I aufhältig geblieben. Im Oktober 1997 ist er nach Österreich gereist, hat sich ca. 4 Tage illegal in Österreich aufgehalten, einen Asylantrag gestellt und in der Folge wieder in I Aufenthalt genommen. Der Asylantrag in Österreich ist am 4. Dezember 1997 vom Bundesasylamt, Außenstelle W, in erster Instanz rechtskräftig abgewiesen worden. Der Bf war in den letzten 3 Jahren in Rom wohnhaft und hat im Dezember 1998 in I einen Aufenthaltstitel beantragt. Im Mai 1999 sind ihm von der Q d R zwei Schriftstücke ausgefolgt worden. Bei Abgabe dieser Papiere hätte er am 1. Februar 2000 einen italienischen Aufenthaltstitel ausgestellt erhalten.

Am 21. Jänner 2000 hat der Bf R mit dem Zug verlassen und ist ohne gültige Einreise- bzw. Aufenthaltstitel, somit illegal, in Österreich eingereist und mit dem Zug nach W weiter gefahren. In der Folge wollte der Bf am 24. Jänner 2000 als Mitfahrer in einem PKW auf der A nach Deutschland ausreisen. Im Gemeindegebiet von S wurde im Zuge einer Kontrolle festgestellt, dass sich der Bf mangels gültiger Einreise- oder Aufenthaltstitel nicht rechtmäßig in Österreich aufhält, über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet, keine Beschäftigung und geringe Mittel verfügt. Der Bf wurde der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde (S) vorgeführt und vom Bezirkshauptmann von S mittels Bescheid, Sich41-42-2000 am 25. Jänner 2000 (ua "zur Vorbereitung der Erlassung einer Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit und zur Sicherung der Abschiebung/Zurückschiebung") in Schubhaft genommen. Der bezeichnete Schubhaftbescheid wurde vom Bf am 25. Jänner 2000 übernommen.

Über Ersuchen der belangten Behörde wurde der Bf am 28. Jänner 2000 niederschriftlich befragt. Der Bf äußerte dabei den Wunsch, nach I ausreisen zu dürfen, da er seit Jahren in R den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe.

Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 31. Jänner 2000, Zl. Sich41-42-2000 die Ausweisung aus dem Gebiet der Republik Österreich verfügt.

Am 1. Februar 2000 wurde gegenständlicher Sachverhalt dem Bundesministerium für Inneres, Abteilung III/16 zur Kenntnis gebracht und ersucht, gemäß Art.2 Abs.1 des österreichisch-italienischen Schubabkommens eine Übernahmeerklärung der italienischen Behörden zu erwirken.

Am 7. Februar 2000 wurde dem Bundesministerium für Inneres die Ablichtung des Staatsbürgerschaftsnachweises der algerischen Botschaft in Rom, sowie ein Antrag des Bf vom 15. Dezember 1998 (Antrag zur Identitätsfeststellung) nachgereicht. Im bezeichneten Schreiben wurde ersucht, die Rückantwort der italienischen Behörden der Bezirkshauptmannschaft S zur Kenntnis zu bringen.

2.1. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 7. März 2000 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte und auf § 72 des Fremdengesetzes 1997, BGBl.Nr. I 75/1997, idF I Nr. 86/1998 und I Nr. 158/19988 (im folgenden: FrG), gestützte Beschwerde.

Der Bf führt darin im Wesentlichen aus, dass er sich seit 25. Jänner 2000 in Schubhaft befinde und am 21. Jänner 2000 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Österreich ausgewiesen worden sei. Die Einreise wäre am 22. Jänner 2000 von Italien kommend illegal per Zug erfolgt. Die belangte Behörde hätte am 1. Februar 2000 beim Bundesministerium für Inneres, Abteilung III/16, beantragt, dass eine Übernahmeerklärung gemäß Art.2 Abs. 1 des österreichisch-italienischen Schubabkommens erwirkt würde. Weitere Beweismittel seien am 7. Februar 2000 dem Bundesministerium für Inneres übersandt worden. In der Folge hätte der Bf einen Rechtsvertreter beauftragt, die Rückstellung nach I zu beschleunigen, da er freiwillig in die Republik I zurückkehren möchte. Über Ersuchen des Bf hätte dessen Rechtsvertreter mehrmals mit dem Bundesministerium für Inneres Kontakt aufgenommen (so auch am 22. und 23. Februar 2000). Diese Kontaktaufnahmen hätten der Beschleunigung der Abschiebung nach I dienen sollen. Dem Rechtsvertreter des Bf sei jedoch mit Hinweis auf Amtsverschwiegenheit und mangelnder Parteistellung (Schubabkommen/SDÜ - zwischenstaatliche Verfahren) die Akteneinsicht verweigert worden. In der Beschwerde behauptet der Bf, dass er in seinem Recht gemäß § 69 Abs. 1 Fremdengesetz verletzt sei und dass das Fehlen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortdauer der Schubhaft festzustellen wäre. Begründend wird ausgeführt, dass neben der belangten Behörde auch das Bundesministerium für Inneres auf Grund des österreichisch italienischen Schubabkommens Behörde iSd § 69 FRG sei. Eine andere Auslegung würde Art.5 MRK widersprechen. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass dem Bf bekannt sei, dass ein Schubhäftling keinen Anspruch auf die Wahrung der im Übernahmeabkommen (Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die Übernahme von Personen an der Grenze) festgelegten Entscheidungsfrist von 8 Tagen habe.

Der Bf hätte jedoch Anspruch, dass auch die Abteilung III/16 darauf hinwirke, die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten bzw. die Übernahmeerklärung durch I rasch zu erreichen. Durch die Nichtgewährung der Akteneinsicht seitens der Abteilung III/16 würde sich der Verdacht ergeben, dass das Ersuchen der BH S lange Zeit unerledigt gelassen worden sei.

Trotzdem der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis zu § 48 Abs. 1 FRG (Fremdengesetz 1991) hingewiesen hätte, dass die Fremdenbehörde weder eine rechtliche noch eine faktische Handhabe hat, die rasche Ausstellung eines Heimreisezertifikats durch die diplomatische Vertretungsbehörde des Fremden durchzusetzen, dass Urgenzen betreffend Ausstellung eines Heimreisezertifikates kein maßgebliches Gewicht im Zusammenhang mit der im § 48 Abs. 1 FRG normierten Pflicht der Fremdenbehörde zukomme und kein konkreter Gesetzesauftrag zu Urgenzen bestehe, könne diesem Erkenntnis nicht mehr gefolgt werden, da mittlerweile das "Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) und das Schubabkommen mit Italien "publiziert " worden sei. Im Hinblick auf das SDÜ könne nicht davon gesprochen werden, dass keine rechtliche Handhabe bestehe, die Übernahmserklärung durch Italien durchzusetzen. Gemäß Artikel 7 SDÜ hätten Österreich und Italien eine enge und ständige Zusammenarbeit zu pflegen. Darüber hinaus könnte gemäß Art. 23 Abs. 4 SDÜ der betroffene Drittausländer in seinen Herkunftsstaat oder in einen anderen Staat, in dem seine Zulassung, insbesondere nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Rücknahmeabkommen, abgeschoben werden.

2.2. Auf Grund der Aktenanforderung teilte der zuständige Referatsleiter des BMfI, Abt III/16 mit, dass mehrere Urgenzen bei den zuständigen italienischen Behörden durchgeführt worden seien. Am 9. März 2000 sei eine diesbezügliche Antwort in italienischer Sprache eingelangt; dabei dürfte es sich um die Zustimmung zur Rückübernahme handeln. Gegenständliches Schreiben müsste noch übersetzt werden und das Ergebnis würde dem Verwaltungssenat und der belangten Behörde unverzüglich mitgeteilt werden. Am 10. März 2000 langte beim Verwaltungssenat per Fax die Mitteilung ein, dass das italienische Innenministerium der Rückübernahme zugestimmt hat.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den vorgelegten Verwaltungsakt der BPD L Einsicht genommen und Aktenergänzungen (Aktenteile BMfI Zl. 962.911/8-III/16/00) veranlasst.

Es wird festgestellt, dass der Sachverhalt in den wesentlichen entscheidungsrelevanten Punkten aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 73 Abs. 2 Z1 FrG unterbleiben kann.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 72 Abs. 1 FrG 1997 von dem angerufen werden, der gemäß § 63 FrG 1997 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf das Fremdengesetz 1997 angehalten wird oder wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 73 Abs. 4 FrG 1997).

Gemäß § 91 Abs. 1 FrG 1997 richtet sich - soweit nichts anderes bestimmt ist - die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland oder subsidiär nach seinem Aufenthalt im Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens. Zufolge § 91 Abs. 2 FrG 1997 richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft aber nach dem Aufenthalt.

Gemäß § 61 Abs. 1 FrG 1997 können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines

Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Entsprechend § 66 Abs. 1 FrG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen.

Die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens in die Anonymität rechtfertigt eine Ermessensausübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahmen zu verhängen (VwGH vom 23.3.1999, 98/02/0309). Auch die Absicht des illegalen Grenzübertrittes in die BRD und fehlende finanzielle Mittel rechtfertigen die Schubhaftverhängung (VwGH vom 5.9.1997, 96/02/0547).

Der Bf befindet sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung in Schubhaft. In der Beschwerde wurde ausschließlich das Fehlen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortdauer der Schubhaft behauptet. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig, sie ist aber nicht begründet.

So wie der Verwaltungssenat ist auch der Bf. von der Rechtmäßigkeit der Schubhaftverhängung und der folgenden Anhaltung ausgegangen. Dies ist auch daraus ersichtlich, dass der Bf. den Beschwerdepunkt ausdrücklich auf § 69 Abs. 1 FrG und das Fehlen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortdauer der Schubhaft beschränkt hat.

Gemäß § 69 Abs. 1 FrG ist die Behörde verpflichtet, hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Wie aus den angeführten Feststellungen entnommen werden kann, wurde die Schubhaft sowohl zur Sicherung des Ausweisungsverfahrens als auch der Abschiebung nach I erlassen.

Der belangten Behörde kann nicht abgesprochen werden, dass sie ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen wäre. Sie hat bereits am 1. Februar 2000 das BMfI schriftlich verständigt. Dabei wurde um die Kontaktaufnahme mit den italienischen Behörden zwecks Umsetzung des oben angeführten Abkommens ersucht. Die belangte Behörde hat am 7. Februar 2000 weitere Beweismittel an das BMfI herangetragen und um Mitteilung der Entscheidung der zuständigen italienischen Behörden gebeten. Da die belangte Behörde auf Grund des Erhebungsstandes davon ausgehen konnte, dass die Rückübernahme durch die italienischen Behörden entsprechend dem oa Schubabkommen nicht ausgeschlossen erscheint, kann kein Verstoß gegen § 69 Abs. 1 FrG erblickt werden (VwGH vom 27.1.1995, Zlen 94/02/0188, 94/02/0189 und 94/02/0285).

Die im Beschwerdevorbringen geäußerte Absicht, der Bf. würde freiwillig in die Republik I zurückkehren kann den Sicherungszweck (Abschiebung) nicht beseitigen, da dem Bf. die Möglichkeit einer legalen unbegleiteten Ausreise nach I nicht offen steht.

Ab der Durchsetzbarkeit der Ausweisung gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft als zur Sicherung der Abschiebung verhängt, wenn die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig erscheint (VwGH vom 24.2.1995, Zl. 95/02/0055). Die Mitteilung des BMfI, dass die Republik I der Rückübernahme zugestimmt hat, ist daher ebenfalls nicht geeignet, die Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt für rechtswidrig zu erklären, da die Überwachung der Ausreise nach I erforderlich ist.

Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Verwaltungssenat im Rahmen der Schubhaftbeschwerde nur gehalten ist, zu prüfen, ob die für die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung oder Zurückschiebung eine (mittelbare) Tatbestandswirkung erzeugende Ausweisung nach wie vor aufrecht ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. September 1995, Zl.95/02/0220). Da dies im Beschwerdefall zutraf, war der Verwaltungssenat an das Bestehen des selben gebunden und hatte auch davon auszugehen (VwGH vom 26. Jänner 1999, Zl.96/02/0548).

4.2. Der Hinweis des Bf auf Art. 5 EMRK iVm der Ansicht, dass das Bundesministerium für Inneres Behörde iSd § 69 FrG ist, kann nicht nachvollzogen werden.

Gemäß § 88 Abs. 1 FRG ist die Bezirksverwaltungsbehörde Behörde iS dieses Bundesgesetzes. Neben der im § 88 Abs. 1 FRG geregelten sachlichen Zuständigkeit bestimmt § 91 Abs. 1 FRG die örtliche Zuständigkeit im Inland. Im gegenständlichen Verfahren hat die belangte Behörde auf Grund des ersten behördlichen Einschreitens die örtliche Zuständigkeit wahrgenommen.

Eine Zuständigkeit des Bundesministeriums für Inneres (reiner behördlicher Apparat im Gegensatz zum Bundesminister) bei der Inschubhaftnahme kann dem Fremdengesetz nicht entnommen werden.

Unabhängig von der gesetzlich deutlich festgelegten sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der belangten Behörde ist für den Verwaltungssenat das Konstrukt Art. 5 EMRK - Bundesministerium für Inneres - Behörde iSd § 69 FRG - nicht nachvollziehbar.

Der Gesetzeswortlaut des § 88 Abs. 1 iVm 69 Abs. 1 FRG bestimmt eindeutig die Bezirksverwaltungsbehörde als Behörde iSd Fremdengesetzes. Lediglich bei nicht eindeutigem Gesetzeswortlaut und mehreren denkbar möglichen Auslegungen ist der verfassungskonformen Interpretation der Vorzug zu geben. Die vom Beschwerdeführer gewünschte Auslegung liefe darauf hinaus, dass beim Vollzug in der dargelegten Weise sowohl die Bezirksverwaltungsbehörde und das Bundesministerium gleichzeitig und unabhängig voneinander verpflichtet wären, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Dies würde zwangsläufig dazu führen, dass "beide Behörden" kraft eigener Zuständigkeit die Schubhaft beenden bzw weiter aufrecht erhalten könnten und einander widersprechende Entscheidungen möglich wären. Ein Verständnis iSd Beschwerdeführers würde das Gebot, strikte Zuständigkeitsgrenzen festzulegen, wie es sowohl dem Art.18.Abs. 1 und Abs. 2 B-VG als auch Art.83 Abs. 2 B-VG zu entnehmen ist (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1997, B 1565/96 mit zahlreichen weiteren Nachweisen), verletzen (VwGH vom 12.5.1999, Zl.98/01/0365).

4.3. Im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers ist ausschließlich der Bezirkshauptmann von S belangte Behörde und nicht der in der Begründung und am Deckblatt in Klammer angeführte Bundesminister für Inneres.

In den Erkenntnissen vom 24. Februar 1995 (Zlen 94/02/0199, 94/02/0200 und 94/01/0284) hat auch der Verwaltungsgerichtshof das Handeln des Bundesministeriums für Inneres als Unterstützungshandlung für die belangte Behörde bezeichnet (siehe auch Hickisch/Keplinger Handbuch zum Fremdengesetz - Ergänzungsband, Seite 323).

Der Bf. scheint darüber hinaus in diesem Zusammenhang die Rechtslage zu verkennen. § 69 Abs. 1 FrG stellt nicht auf ein Verschulden der Behörde ab. Der Verwaltungssenat hat verschuldensunabhängig zu prüfen, ob die belangte Behörde ihrer Verpflichtung nachgekommen ist, die Schubhaft so kurz wie möglich zu halten. Es ist nicht entscheidend wer nicht darauf hingewirkt hat, sondern ob der gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen worden ist.

4.4. Zum Vorbringen, dass die Judikatur, die zu § 48 Abs. 1 FrG 1991 ergangen ist, auf die wortgleiche Bestimmung des § 69 Abs. 1 FrG 1997 nicht mehr anwendbar ist, weil nachfolgend internationale Abkommen geschlossen worden sind wird erläuternd ausgeführt:

Am 27. Mai 1997 wurde im Bundesgesetzblatt, Teil III, Nr.90, das Übereinkommen über den Beitritt der Republik Österreich zu den am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, dem die italienische Republik, das Königreich Spanien und die Portugiesische Republik sowie die Griechische Republik jeweils mit dem Übereinkommen am 27. November 1990, vom 25. Juni 1991 und am 6. November 1992 beigetreten sind, kundgemacht.

Artikel 7 (auszugsweise):

Zur wirksamen Durchführung der Kontroll- und Überwachungsaufgaben unterstützen die Vertragsparteien einander und pflegen eine enge und ständige Zusammenarbeit. Die Zusammenarbeit kann in Form eines Austausches von Verbindungsbeamten erfolgen.

Artikel 23 Abs. 4 (auszugsweise):

Der betroffene Drittausländer kann .... in einen anderen Staat ....nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen,.... der zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Rückübernahmeabkommen.... abgeschoben werden.

Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die Übernahme von Personen an der Grenze, BGBl. III Nr.160/1998:

Artikel 2 Abs. 1:

Jede Vertragspartei übernimmt auf Ersuchen der anderen Vertragspartei auf ihr Gebiet Drittstaatsangehörige, welche nicht oder nicht mit ihr auf dem Gebiet der ersuchenden Vertragspartei gültige Bedingungen zur Einreise oder zum Aufenthalt erfüllen, sofern nachgewiesen wird, dass diese Staatsangehörigen in das Gebiet dieser Vertragspartei eingereist sind, nachdem sie sich auf dem Gebiet der ersuchten Vertragspartei aufgehalten haben oder durch jenes durchgereist sind.

Artikel 15:

Streitigkeiten, die aus der Anwendung und der Interpretation dieses Abkommens entstehen könnten, werden auf diplomatischem Weg beigelegt werden.

Entgegen der Ansicht des Bf lässt sich weder dem SDÜ noch dem österreichisch -italienischen Abkommen über die Übernahme von Personen an der Grenze ableiten, dass das die belangte Behörde unterstützende Bundesministerium für Inneres eine durchsetzbare rechtliche Handhabe habe, die Übernahmserklärung durch Italien zu "erwirken".

Wie aus Artikel 15 des zitierten Abkommens über die Übernahme von Personen an der Grenze ersichtlich ist, kann nur auf diplomatischem Wege eine Beseitigung von Streitigkeiten - die aus der Anwendung des Abkommens entstehen könnten - versucht werden.

Das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist somit auch weiterhin auf den gegenständlichen Sachverhalt anwendbar.

4.5. Auch das Höchstausmaß des § 69 Abs. 2 FrG wurde offenbar nicht überschritten, wenn die Schubhaft erst seit dem 25. Jänner 2000 - und damit insgesamt weniger als zwei Monate - andauert.

Aus allen diesen Gründen war daher die gegenständliche Beschwerde gemäß § 67c Abs. 4 AVG als unbegründet abzuweisen sowie darüber hinaus gemäß § 73 Abs. 4 FrG festzustellen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

5. Gemäß § 73 Abs. 2 FrG iVm § 79a AVG steht der belangten Behörde als obsiegender Partei der Kostenersatz zu, wobei nach der geltenden Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995, der Ersatz für den Vorlageaufwand von 565 S zuzusprechen war. Das Aufwandersatzbegehren des Bf. war hingegen aus diesem Grunde abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Stierschneider

Beschlagwortung: belangte Behörde

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum