Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102948/8/Br

Linz, 27.07.1995

VwSen-102948/8/Br Linz, am 27. Juli 1995 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn M N, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 1. Juni 1995, Zl.:

VerkR96-8551-1993, wegen Übertretung der StVO 1960, nach der am 27. Juli 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird in Punkt 1) F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Punkt aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

In Punkt 2) wird der Berufung keine F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, idF BGBl.Nr. 866/1992 - AVG iVm. § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1 ([Punkt 1]), § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 u. § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, idF BGBl.Nr.

867/1992 - VStG.

II. Zu Punkt 1) entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge. Zu Punkt 2) werden zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten als Kosten für das Berufungsverfahren 300 S (20 % der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem Straferkenntnis vom 1. Juni 1995, Zl. VerkR96-8551-1993 über den Berufungswerber zwei Geldstrafen von je 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall je 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 2.8.1993 gegen 18.00 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen auf der S Bundesstraße 145 von G in Richtung E gelenkt und dabei 1) kurz nach dem Ortsende von A und 2) auf der Höhe des Gasthauses E trotz Gegenverkehr mehrere Pkw überholt habe, sodaß der Gegenverkehr sowie die überholten Fahrzeuglenker gefährdet bzw. behindert worden seien.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde aus wie folgt:

"Der im Spruch angeführte Sachverhalt wurde der Bezirkshauptmannschaft Gmunden am 11. 8. 1993 vom Gendarmeriepostenkommando E angezeigt.

Nach der Anzeige lenkten Sie am 2.8.1993 gegen 18.00 Uhr den PKW auf der S Bundesstraße von G kommend in Richtung E. Kurz nach dem Ortsende A und weiters auf Höhe des Gasthauses E in T überholten Sie trotz Gegenverkehr mehrere vor Ihnen fahrende PKW'S. In beiden Fällen mußte der Gegenverkehr stark abbremsen und auch der Meldungsleger Josef D sowie die anderen PKW-Lenker, welche überholt wurden, mußten ihre Fahrzeuge an den äußerst rechten Straßenrand lenken, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.

Bei Ihrer anschließenden Anhaltung in B bzw. Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 8.2.1994 und einer Vernehmung vor dem Gemeindeamt E am 21.6.1994 gaben Sie an, daß Sie sich keiner Schuld bewußt seien, andere Verkehrsteilnehmer beim Überholen gefährdet zu haben.

Anläßlich der zeugenschaftlichen Einvernahme von Herrn Josef D am 19.4.1994 vor der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, bestätigte dieser seine anläßlich der Anzeigeerstattung gemachten Angaben und führte weiters aus, daß es für ihn deutlich sichtbar gewesen sei, daß bei Ihrem Überholvorgang zwischen dem Ortsende von A und dem sogenannten "Hochholz" ein entgegenkommender PKW sein Fahrzeug nach rechts ablenken mußte, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern und auch ein zweites entgegenkommendes Fahrzeug an den äußerst rechten Fahrbahnrand auslenken mußte. Die selbe Situation konnte er noch einmal beim Gasthaus E in T beobachten.

Über diesen Sachverhalt hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als Organ der Landesverwaltung in I. Instanz erwogen:

Die Angaben des Zeugen D anläßlich der Anzeigeerstattung bzw. seiner zeugenschaftlichen Einvernahme sind schlüssig und in sich widerspruchsfrei, weshalb die erkennende Behörde keinen Grund dafür erblicken kann, am Wahrheitsgehalt dieser Angaben zu zweifeln.

Sie bestritten auch nicht, an den betreffenden Stellen Fahrzeuge überholt zu haben, brachten jedoch zu Ihrer Entlastung vor, daß Sie sich keiner Schuld bewußt seien, andere Fahrzeuge beim Überholen gefährdet zu haben. Sie stellten somit den glaubwürdigen Angaben des Zeugen D keinerlei Tatsachenbehauptungen entgegen.

Den Angaben des Anzeigers wurde insbesondere auch deshalb mehr Glauben geschenkt als Ihrer Rechtfertigung, da dieser seine Aussage unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen gemacht hat, Sie als Beschuldigter hingegen sich in jeder Richtung verteidigen können, ohne strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen.

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht Überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist. Da im gegenständlichen Fall sowohl entgegenkommende als auch überholte Straßenbenützer gefährdet bzw. behindert wurden, ist das objektive Tatbild und, da Sie keine Schuldausschließungsgründe geltend machten bzw. solche für die erkennende Behörde auch nicht erblickbar waren, auch das subjektive Tatbild der § 16 Abs. 1 lit. a StVO 1960 gegeben und ist daher der strafbare Tatbestand erfüllt.

Bei der Strafbemessung wurden die Bestimmungen des § 19 Abs.

1 und 2 VStG. in ihrem gesamten Umfange entsprechend berücksichtigt. Es lagen weder mildernde noch erschwerende Umstände vor.

Das Überholen bei Gegenverkehr stellt einen schweren Verstoß gegen die straßenpolizeilichen Normen dar und indiziert hohen Unrechtsgehalt. Gerade die Mißachtung von Überholverboten ist immer wieder Ursache für schwere Verkehrsunfälle mit oft unabsehbaren Folgen. Die Behörden haben daher derartigen Verwaltungsübertretungen mit aller Strenge entgegenzutreten.

Unter den o.a. Gründen erscheint die gegen Sie verhängte Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- - bei einem Strafrahmen bis zu S 10.000,-- dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat sowie dem Grad des Verschuldens und auch Ihren persönlichen Verhältnissen (monatliches Nettoeinkommen S 11. 500, - -, kein Vermögen, Sorgepflicht für 3 Kinder) angepaßt und geeignet, Sie in Hinkunft von der Begehung gleichartiger Straftaten abzuhalten.

Überdies ließ sich die erkennende Behörde bei der Strafzumessung auch vom Gedanken der Generalprävention leiten, da die Verhängung von Geldstrafen auch einen potentiellen Täter von der Begehung gleichartiger Straftaten abzuhalten geeignet ist.

Die Vorschreibung der Strafverfahrenskosten gründet sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden." 2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung.

Inhaltlich wendet er sich gegen die Höhe der festgesetzten Strafe und (auch) gegen den Bescheid. Im wesentlichen rügt er die Beweiswürdigung, insbesondere, daß die Erstbehörde nicht seiner Verantwortung, sondern den Angaben des Zeugen D gefolgt sei. Er verweist auf seine jahrelange straffreie Fahrpraxis. Die verhängte Strafe stelle ferner eine schwere Belastung dar, zumal er für drei Kinder sorgepflichtig sei.

Er beantragt die ersatzlose Aufhebung des Bescheides, in eventu die Herabsetzung der Strafe.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war erforderlich, weil vom Berufungswerber die ihm zur Last gelegten Übertretungen dem Grunde nach bestritten wurden (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und Erörterung des Verwaltungsstrafaktes der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Zl.: VerkR96-8551-1993, vom 22. Juni 1995. Ferner durch Vornahme eines Ortsaugenscheines im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung und die Vernehmung des Zeugen D und des Berufungswerbers als Beschuldigten.

5. Der Berufungswerber lenkte am 2. August 1993 gegen 18.00 Uhr sein Fahrzeug auf der B in Richtung B. Kurz nach dem Ortsgebiet von A überholte er das Fahrzeug des Berufungswerbers. Dabei konnte von keiner Behinderung entgegenkommender Fahrzeuge nicht ausgegangen werden. Zu diesem Zeitpunkt herrschte Kolonnenverkehr in dieser Fahrtrichtung. In weiterer Folge überholte er auf der Höhe des Gasthauses E abermals ein mehrspuriges Kraftfahrzeug.

Dabei mußte ein entgegenkommender Lenker eines Pkw`s mit deutschem Kennzeichen welcher am Dach ein Surfbrett mitführte, sein Fahrzeug stark abbremsen und nach rechts an den Straßenrand ausweichen. An dieser Stelle ist die Straße gegenwärtig acht Meter breit. Zum Zeitpunkt des Vorfalles betrug die Straßenbreite jedoch etwa neun Meter, weil damals der nunmehr vorhandene Radfahrstreifen noch nicht errichtet war. Die Fahrgeschwindigkeit der überholten Fahrzeuge betrug zum Überholzeitpunkt etwa 60 km/h, während das überholende Fahrzeug des Berufungswerbers beim Überholvorgang etwa 80 km/h erreicht haben dürfte.

5.1. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung, insbesondere der zeugenschaftlichen Angaben des Josef D. Der Zeuge gab glaubwürdig und den Denkgesetzen nachvollziehbar an, daß es jedenfalls in der Höhe des Hauses E (an dieser Örtlichkeit wurde die Berufungsverhandlung abgeführt) zu einem Überholmanöver des vom Berufungswerber gelenkten Fahrzeuges gekommen ist, wobei der Gegenverkehr sichtlich behindert wurde. Der Zeuge vermochte sich sogar noch an Details des "behinderten Fahrzeuges" (deutsches Kennzeichen und Surfbrett am Dach) erinnern. Nachvollziehbar ist auch, daß bei einer Straßenbreite von neun Metern nur ein knappes Heranfahren bzw. Ausweichen zum rechten Fahrbahnrand kollisionsvermeidend ist. Der Zeuge ist auch dadurch glaubwürdig wenn er angab, daß er aus Zorn über diese gefährliche Fahrweise die Anzeige erstattet habe.

Andererseits relativiert der Zeuge die angebliche Behinderung eines Gegenverkehrs beim Überholmanöver kurz nach dem Ortsgebiet von A. Hier meinte der Zeuge nunmehr sogar, daß er glaube, es sei bei diesem Überholvorgang, wo ja er selbst überholt wurde, zu keiner Behinderung des Gegenverkehrs gekommen. Er begründet diesen Widerspruch zur Anzeige mit seiner heutigen Erinnerung. Selbst diese nun widersprüchlichen Angaben vermögen an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht zu rütteln. Er beruft sich auf seine "heutige Erinnerung", was besagt, daß er sich mit den Vorgängen kritisch auseinandergesetzt hat und jedenfalls den Angezeigten nicht grundsätzlich aus einen "Justamentstandpunkt" heraus belasten will. Im Punkt 1) ist daher zumindest im Zweifel von der für den Berufungswerber günstigeren Variante auszugehen gewesen. Der Berufungswerber selbst machte bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung einen sehr aufrichtigen Eindruck. Er legte dar, daß er berufsbedingt jährlich 120.000 km zurücklege und er trotzdem noch nie wegen der Verletzung einer Verkehrsvorschrift bestraft worden sei. Er bestritt die damaligen Überholvorgänge nicht, vermeinte aber, daß es damals zu keiner wirklichen Behinderung des Gegenverkehrs gekommen sei. Er verwies diesbezüglich auf seine Fahr- und die Verkehrspraxis, nämlich, daß auch er gelegentlich wegen eines überholenden Gegenverkehrs sein Fahrzeug abbremse.

Diese Verantwortung vermochte jedoch zu Angaben des Zeugen D nicht zu erschüttern.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. folgendes erwogen:

6.1. Die Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommender, ergibt sich im Sinne des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 bereits aus der Tatsache, daß ein Fahrzeug überholt worden ist, indem selbst eine Behinderung anderer Fahrzeuglenker beim Einordnen zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholmanövers jedenfalls nicht ausgeschlossen werden konnte (vgl. VwGH 23.10.1986, 86/02/0097). Auch der Inhalt dieser Bestimmung stellt bereits auf das "Behindern-können" ab und nicht einmal auf eine tatsächliche Behinderung (VwGH 17.6.1981, 3097/80, ZfV 1982/1775). Umsomehr wurde tatbestandsmäßig gehandelt wenn es tatsächlich zu einer Behinderung des Gegenverkehrs gekommen ist.

6.1.1. Hier wäre allenfalls auch eine Kumulation zweier verschiedener Tatbestände möglich gewesen, weil dieser Überholvorgang auch offenbar das sichere Wiedereinordnen nicht gewährleistet hatte (§ 16 Abs.1 lit.c StVO) Diese Tatbestände schließen einander nicht aus, indem jedes für sich alleine und beide auch gleichzeitig begangen werden können (VwGH 28.10.1983, 83/02/0233). Die hier allenfalls auch noch mit diesem Überholvorgang verletzten Schutznormen (§ 16 Abs.1 lit.a und c, sowie § 16 Abs.2 lit.a StVO 1960) hätten daher sogar jeweils gesondert bestraft werden können (§ 22 VStG).

7. Gemäß 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

7.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe durchaus gering bemessen wurde. Die Strafe ist in ein Verhältnis zum objektiven Unwertgehalt der übertretenen Verbotsnormen zu setzen. Sohin kann der hier verhängten Strafe objektiv selbst dann nicht entgegengetreten werden, wenn der Erstbehörde der Fehler unterlaufen ist, daß sie den Milderungsgrund der bisherigen Unbescholtenheit des Berufungswerbers nicht zuerkannte. Es ist daher, sowohl aus Sicht der Spezialprävention (den Berufungswerber künftighin von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten) aber auch aus Gründen der Generalprävention (den Unrechtsgehalt derartiger Übertretungen generell zu pönalisieren) die Verhängung dieser Strafe jedenfalls angezeigt gewesen. Der Strafsatz für diese Übertretung reicht bis zu 10.000 S, sodaß dieser Strafe auch bei dem eher unterdurchschnittlichen Einkommen und der Sorgepflicht für drei Kinder noch durchaus angemessen zu erachten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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