Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400648/2/SR/Ri

Linz, 17.03.2003

 

 

 VwSen-400648/2/SR/Ri Linz, am 17. März 2003

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des M H marokkanischer Staatangehöriger (Identität laut eigenen Angaben), dzt. Justizanstalt Ried im Innkreis, Bstraße, R i I, wegen Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
  2. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis) Aufwendungen in der Höhe von 244 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 72 und 73 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997(BGBl. I Nr. 75/1997 zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 126/2002) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 117/2002.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden Sachverhalt aus:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.), laut eigenen Angaben ein marokkanischer Staatsbürger mit dem Namen M H dürfte vermutlich am 25. Juli 1993 erstmals illegal von Italien kommend in Österreich eingereist sein.

1.2. Am 8. November 1993 stellte der Bf. beim Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, einen Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid vom 17. November 1993 abgewiesen. Der Bescheid erwuchs am 2. Dezember 1993 in Rechtskraft.

1.3. Vor der derzeitigen Schubhaft befand sich der Bf. zu folgenden Zeiten in Schubhaft:

1.4. Aus der Aktenlage ergeben sich folgende gerichtliche Vorstrafen:

  1. LG Innsbruck vom 25.03.1994, 29 Vr 2730/93 Hv 41/94, wegen §§ 224 und 223/2 StGB: Geldstrafe von 140 Tagessätzen á ATS 30,-- (NEF 70 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), bedingt auf drei Jahre.
  2. LG für Strafsachen Wien vom 10.11.1997, 1 A E Vr 9240/97 Hv 6244/97, wegen §§ 127, 130 StGB: Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt nachgesehen auf drei Jahre.
  3. LG für Strafsachen Wien vom 27.09.1999, 4 C E Vr 7255/99 Hv 4422/99, wegen §§ 15 und 269/1 StGB: 8 Monate Freiheitsstrafe, davon 6 Monate bedingt nachgesehen.
  4. LG für Strafsachen Wien vom 19.10.2000, 6 B E Vr 6283/00 Hv 3952/00, wegen §§ 15, 269/1 StGB: 5 Monate Freiheitsstrafe.
  5. LG für Strafsachen Wien vom 15.10.2002, 52 E Hv 156/2002, wegen §§ 15, 269/1 StGB: 9 Monate Freiheitsstrafe.

Der Bf. befand sich zu folgenden Zeiten in Gerichtshaft:

* 23. 9. 1997 - 10. 11. 1997 JA Josefstadt

* 11. 10. 1999 - 11. 12. 1999 JA Josefstadt

* 31. 7. 2000 - 30. 6. 2001 JA Stein

* 5. 9. 2002 - 4. 3. 2003 JA Ried

1.5. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1993, Zl B-2989/93 erließ der Bezirkshauptmann von Kufstein gegen den Bf. ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Der Polizeipräsident der Bundeshauptstadt Wien hat mit Bescheid vom 23. März 1998, Zl. IV-801654/FrB/98 vorerst ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot (durchsetzbar ab 23. März 1998) und mit Bescheid vom 4. April 2002, Zl. IV-801654/FrB, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot (rechtskräftig seit 18. April 2002) gegen den Bf. erlassen.

1.6. Die jeweils zuständigen Fremdenbehörden nahmen am 4. August 1993, am 25. März 1994, am 1. September 1994, am 10. Juli 1996, am 1. Oktober 1997, am 21. Oktober 1997, am 1. Dezember 1997, am 29. Dezember 1998, am 13. August 1999, und am 23. August 1999 mit der Botschaft des Königreiches Marokko Kontakt auf und ersuchten entweder um Ausstellung eines Heimreisezertifikates oder um Unterstützung bei der Klärung der Identität des Bf.

Am 30. März 1994 teilte der Botschafter mit, dass der Bf. nicht in der amtlichen Kartei erfasst sei und daher kein Reisezertifikat ausgestellt werden könne. Am 7. Oktober 1997 ersuchte die Botschaft um Übermittlung von Fotos und der Fingerabdrücke des Bf. und am 27. Oktober 1997 gab der Leiter der Konsularabteilung bekannt, dass die zuständige marokkanische Behörde eingeschaltet worden sei. Bei der telefonischen Kontaktaufnahme des Bf. mit dem Konsul stellte Letzterer am 23. März 1998 fest, dass es sich beim Bf. schon auf Grund seiner Aussprache sowie seines Dialektes um keinen Marokkaner handle. Abschließend teilte der Konsul mit, dass der Bf. vermutlich aus Tunesien oder Algerien stamme. Laut Aktenvermerk vom 26. 8. 1999 ersuchte der 1. Botschaftssekretär am 26. August 1999 um telefonische Kontaktaufnahme mit dem Bf. Nach dem Gespräch gab der Botschaftssekretär bekannt, dass es sich bei dem Bf. um keinen Marokkaner handeln würde. Im Schreiben vom 30. August 1999 wies der Botschafter auf die von ihm vorgenommene direkte Identifizierung hin und gab bekannt, dass der Bf. kein marokkanischer Staatsbürger sei.

1.7. Jene Angaben des Bf., die am 13. August 1999 zu Erhebungen über die Botschaft der Italienischen Republik führten, brachten hervor, dass der Bf. über keine italienische Aufenthaltsberechtigung verfügt hatte.

1.8. Am 16. Mai 2002 ersuchte das Fremdenpolizeiliche Büro der Bundespolizeidirektion Wien das Bundesministerium für Inneres eine Identitätsklärung über die tunesische Vertretungsbehörde vornehmen zu lassen. Weder dieses Ersuchen noch die Urgenz vom 19. Juni 2002 wurden beantwortet. Die belangte Behörde ersuchte am 10. Februar 2003 neuerlich um Identitätsklärung bei der tunesischen Vertretungsbehörde. Am 5. März wurde der belangten Behörde vom Bundesministerium für Inneres mitgeteilt, dass laut tunesischer Botschaft der Bf. kein Tunesier sei.

Am 10. Februar 2003 ersuchte die belangte Behörde das Bundesministerium für Inneres eine Identitätsklärung über die algerische Vertretungsbehörde vornehmen zu lassen. Gleichzeitig teilte die belangte Behörde mit, dass sie parallele Erhebungen eingeleitet habe.

Auf Grund des Ersuchens der belangten Behörde teilte der Vertreter der Österreichischen Botschaft in Rabat nach entsprechender Urgenz am 4. März 2003 mit, dass wegen der Schwerfälligkeit der marokkanischen Behörden noch kein Ergebnis bekannt sei.

1.9. Mit Bescheid vom 13. September 2002, Zl. III-801654/FrB/02 ordnete der örtlich zuständige Polizeipräsident der Bundeshauptstadt Wien, gegen den Bf. die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung an. Betreffend der Rechtsfolgen des Bescheides wurde verfügt, dass diese nach der Entlassung aus der Gerichtshaft eintreten sollten. Der Bf. übernahm den Schubhaftbescheid am 18. September 2002 eigenhändig. Eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht erhoben.

Am 5. November 2002 wurde der Bf. von der JA Josefstadt in die JA Ried überstellt.

1.10. Am 6. Februar 2003 wurde der Bf. in der Justizanstalt Ried niederschriftlich befragt, von der beabsichtigten Schubhaftverhängung in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, unverzüglich wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu seiner Person zu machen und entsprechende Beweismittel hinsichtlich seiner Identität beizuschaffen.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2003, Zl. Sich41-215-2002, ordnete die belangte Behörde an, dass der Bf. mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung (Strafhaft) gemäß § 61 Abs.1 und 2 FrG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen wird. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Bf. fünfmal rechtskräftig verurteilt worden sei und die BPD Wien gegen den Bf. ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen habe. Das Aufenthaltsverbot sei vollstreckbar, der Bf. verfüge weder über relevantes Bargeld, bestreite den Lebensunterhalt durch Schwarzarbeit, habe keinen Wohnsitz und keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Eine Identitätsfeststellung scheitere an der entsprechenden Mitwirkung des Bf. um eine Aufenthaltsbeendigung zu verhindern.

Bei einer Gesamtbetrachtung bestünde ernsthaft die Gefahr, dass sich der Bf. nach Beendigung der gerichtlichen Anhaltung den fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen könnte. Darüber hinaus könne der Zweck der Schubhaft nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 66 FrG erreicht werden, da aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes ein Untertauchen und eine neuerliche Straffälligkeit zu befürchten sei.

Dieser Schubhaftbescheid wurde dem Bf. am 12. Februar 2003 in der Justizanstalt Ried im Innkreis zu eigenen Handen zugestellt und der Empfang des Bescheides auf der Rückseite der Zweitausfertigung bestätigt. Der Bf. wurde am 4. März 2003, um 08.00 Uhr aus der Strafhaft entlassen und anschließend in Schubhaft genommen.

Die Schubhaft wird in der Justizanstalt Ried im Innkreis vollzogen.

1.11. Am 10. März 2003 adressierte der Bf. eine Schubhaftbeschwerde an die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis. Das nicht von ihm verfasste Schreiben wurde mit seiner eigenhändigen Unterschrift versehen und langte bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis am 11. März 2003 ein.

In der Annahme, dass es sich bei dieser Eingabe um eine Schubhaftbeschwerde handelt, hat die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattet und den vollständigen Akt dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt. Der Akt samt Schriftsatz langte am 13. März 2003 beim Unabhängigen Verwaltungssenat ein.

2. In der Eingabe erhebt der Bf. Beschwerde wegen rechtswidriger Anhaltung in Schubhaft seit dem 5. März 2003. Ein Antrag auf Kostenersatz für das Verfahren wurde nicht gestellt.

Begründend führt der Bf. u.a. aus, dass seine Anhaltung rechtswidrig sei, da die Behörde weder seine Identität klären noch ihn abschieben könne. Eine Abschiebung sei deshalb nicht möglich, da er staatenlos sei. Für Österreich sei es vorteilhafter ihn jetzt zu entlassen als erst in 6 Monaten.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hält nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung für nicht erforderlich. Ein Parteienantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht gestellt.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung kann der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 72 Abs.1 FrG 1997 von dem Bf. angerufen werden, der gemäß § 63 FrG 1997 festgenommen worden ist oder unter Berufung auf das Fremdengesetz 1997 angehalten wird oder wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 73 Abs.4 FrG 1997).

 

Der Bf. wird zum Entscheidungszeitpunkt in der Justizanstalt Ried im Innkreis in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ist zulässig, aber nicht begründet.

 

4.2. Gemäß § 61 Abs.1 FrG 1997 können Fremde festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines

Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 61 Abs.2 FrG 1997 grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides nicht bloß kurzfristig aus anderem Grund in Haft.

 

Gemäß § 69 Abs.1 FrG 1997 ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 69 Abs. 4 FrG 1997 darf die Schubhaft gemäß § 69 Abs. 2 leg. cit. nicht länger als 2 Monate dauern.

4.3. Unstrittig liegt seit der Erlassung des Schubhaftbescheides ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot vor. Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Verwaltungssenat im Rahmen der Schubhaftbeschwerde nur gehalten ist, zu prüfen, ob das für die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung eine (mittelbare) Tatbestandswirkung erzeugende Aufenthaltsverbot nach wie vor aufrecht ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. September 1995, Zl.95/02/0220). Da dies im Beschwerdefall zutraf, war der Oö. Verwaltungssenat an das Bestehen des selben gebunden und hatte auch davon auszugehen (VwGH vom 26. Jänner 1999, Zl.96/02/0548).

 

4.4. Der Bf. hat sich im Beschwerdeantrag ausschließlich über die rechtswidrige Anhaltung beschwert (arg: "Beschwerde wegen der rechtswidrigen Anhaltung").

 

Wie bereits ausgeführt, können Fremde - sofern dies notwendig ist - gemäß § 61 Abs.1 FrG festgenommen und angehalten werden (Schubhaft) um die Abschiebung zu sichern.

 

Gemäß § 67 Abs. 3 FrG darf die Schubhaft im unmittelbaren Anschluss an eine gerichtliche Freiheitsstrafe auch sonst im gerichtlichen Gefangenenhaus oder in der Strafvollzugsanstalt vollzogen werden.

 

4.5. Zum Zeitpunkt der Festnahme zum Zwecke der Anhaltung in Schubhaft befand sich der Bf. in der Justizanstalt Ried im Innkreis. Somit war die örtliche Zuständigkeit des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis zur Verhängung der Schubhaft gegeben.

 

Die Schubhaft setzt begriffsnotwendig eine Festnahme und eine Anhaltung voraus und ist mit Bescheid anzuordnen. Von einer "Verhängung" der Schubhaft kann erst dann gesprochen werden, wenn es zu einer Festnahme und Anhaltung im Sinne des § 61 Abs. 1 FrG gekommen ist.

 

Das FrG unterscheidet grundsätzlich zwischen "Anordnung der Schubhaft mit Bescheid", "Verhängung der Schubhaft" und "Vollziehung der Schubhaft".

 

Aus § 61 Abs. 2 FrG ist ableitbar, dass auf die Anordnung der Schubhaft und der Erlassung des Schubhaftbescheides nicht unmittelbar die Verhängung der Schubhaft zu erfolgen hat. Schubhaftbescheide, die nicht gemäß § 57 AVG erlassen worden sind, können wie im gegenständlichen Fall die Bedingung aufweisen, dass die Rechtsfolgen des Bescheides erst nach der Entlassung aus der Gerichtshaft eintreten.

 

Aus den §§ 61 Abs. 1, 2 und 4, 62 Abs. 1 Z. 2, 67 Abs. 1,2 , 3 und 6 und 72 Abs. 1 und 2 FrG, denen eine örtliche Nahebeziehung zwischen Fremden und Behörde immanent ist, ist aber erschließbar, dass nur die örtlich zuständige Behörde die Schubhaft anordnen darf.

 

Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war die bescheiderlassende Behörde - Polizeipräsident der Bundeshauptstadt Wien - örtlich zuständig. Der Schubhaftbescheid ist in Rechtskraft erwachsen, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde dagegen nicht erhoben und der Bescheid gehörte zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft dem Rechtsbestand an.

 

4.6. Gemäß § 91 Abs. 2 FrG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft nach dem Aufenthaltsort. Der Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis war auf Grund des Aufenthaltsortes die örtlich zuständige Behörde. Zu prüfen ist nunmehr, ob sich die belangte Behörde bei der Verhängung der Schubhaft auf den rechtskräftigen Schubhaftbescheid stützen konnte.

 

Gemäß § 70 Abs. 1 FrG ist die Schubhaft durch die Freilassung des Fremden u.a. formlos aufzuheben, wenn sie gemäß § 69 FrG nicht länger aufrechterhalten werden darf.

 

In der RV 1991 (Regierungsvorlage, 692 BlgNR, 18. GP) ist ausgeführt, dass die formlose Aufhebung der Schubhaft den "contrarius actus" zum Schubhaftbescheid darstellt.

 

Gemäß § 69 Abs. 2 FrG darf die Schubhaft nur solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Aus den beiden letztgenannten Bestimmungen ist zu ersehen, dass der rechtskräftige Schubhaftbescheid nach der formlosen Aufhebung der Schubhaft keine Rechtswirkungen mehr entfaltet. Wenn der Gesetzgeber nun der Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 69 FrG die formlose Aufhebung der Schubhaft vorschreibt und somit die Bindungswirkung, die sich aus dem rechtskräftigen Schubhaftbescheid ergibt, formlos beseitigen lässt, dann ist entsprechend dem Größenschluss daraus abzuleiten, dass die örtlich zuständige Behörde auch vor der Verhängung der Schubhaft verpflichtet ist, die Voraussetzungen des § 69 FrG zu prüfen. Die Anordnung der Schubhaft erfolgt im Sinne des Gesetzes stets unter dem Vorbehalt, dass bei ihrer tatsächlichen Umsetzung durch Inhaftnahme (= Verhängung) ihre Voraussetzungen noch gegeben sein müssen, widrigenfalls die Schubhaft trotz an sich aufrechtem Schubhaftbescheid nicht in Vollzug gesetzt werden darf. Weitere restriktive Auslegung der Rechtswirkungen eines Schubhaftbescheids folgt auch aus den grundrechtsimmanenten Schranken des Rechts auf Freiheit und Sicherheit gemäß Art 1 Abs. 2 und 3 PersFrSchG. Der Gesetzgeber hat in § 69 FrG eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Eingriff in die persönliche Freiheit nur so kurz wie möglich andauern darf. Daraus folgt, dass die Bindungswirkung des rechtskräftigen Schubhaftbescheides immer an dieser Bestimmung zu messen ist. Unabhängig davon, dass die die Schubhaft verhängende Behörde eine genaue Prüfung der Voraussetzungen vorzunehmen hat, ist sie bei einem Schubhaftbescheid, dessen Erlassungszeitpunkt weit zurückliegt oder der von einer anderen, vormals zuständigen Behörde erlassen worden ist, gehalten, vor der Verhängung der Schubhaft ein besonderes Augenmerk auf den zu beurteilenden Sachverhalt zu legen.

 

Dabei hat die belangte Behörde auch bei der Verhängung der Schubhaft auf § 66 Abs.1 FrG (gelinderes Mittel) Bedacht zu nehmen. Würde die Behörde unmittelbar vor der Verhängung der Schubhaft zum Ergebnis kommen, dass der Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann, wäre es ihr verwehrt, trotz vorliegendem Bescheid die Schubhaft zu verhängen.

 

Die belangte Behörde hat vor der Verhängung eine ausreichende Prüfung gemäß § 66 FrG vorgenommen (siehe Seite 3 der Begründung des von der belangten Behörde erlassenen Schubhaftbescheides).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat beispielsweise dann die Anwendung gelinderer Mittel verneint, wenn die Befürchtung bestand, dass sich der Fremde angesichts der ihm drohenden Abschiebung im Verborgenen halten würde, weil

 

Das Verhalten des Bf. lässt eine deutliche Missachtung der österreichischen Rechtsordnung erkennen. Die fortgesetzten Rechtsverletzungen stellen einen offensiven Angriff auf die österreichische Rechtsordnung mit verheerenden Folgen für die Rechtssicherheit der österreichischen Bevölkerung dar. Der Unabhängige Verwaltungssenat kommt daher im Zuge seiner Verhaltensprognose zu der Auffassung, dass auf Grund der Schwere der Straftaten des Bf. Grund zur Annahme vorliegt, dass der Zweck der Schubhaft mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden kann. Der Unabhängige Verwaltungssenat legt Wert auf die Feststellung, dass bei dem gegenständlich festgestellten Grad an krimineller Energie des Bf. die Anwendung gelinderer Mittel keinesfalls geboten erscheint.

 

Darüber hinaus rechtfertigt die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens in die Anonymität eine Ermessensausübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahmen zu verhängen (VwGH vom 23.3.1999, 98/02/0309).

 

Wie den Feststellungen entnommen werden kann, wurde auf Grund des o.a. unbefristeten und rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung erlassen.

 

Trotz der ständigen Versuche der vormals zuständigen Behörden die Identität des Bf. zu erforschen, begann die belangte Behörde ab dem Übergang der Zuständigkeit unverzüglich mit intensiven Ermittlungen zu seiner Person. Der Bf. hat diese Ermittlungen sowohl durch ständig geänderte Angaben zu seiner Person - beispielsweise hat er die unterschiedlichsten Geburtsdaten angegeben (16. Jänner 1966, 16. April 19966, 6. April 1966, 6. April 1965) - als auch durch Aussagen zu Aufhalten in anderen EU-Mitgliedsstaaten, die einer nachprüfenden Kontrolle nicht standgehalten haben, behindert bzw. verhindert. Vorgehaltene Ermittlungsergebnisse (Angaben des Botschafters des angeblichen Herkunftsstaates - Königreich Marroko), die seinen Vorstellungen nicht entsprochen haben, hat er einfach negiert. Schlussendlich versuchte er in der Beschwerdebegründung die belangte Behörde dafür verantwortlich zu machen, dass sie seine Identität nicht klären könne. Mangels entsprechender Mitwirkung des Bf. war es aber der belangten Behörde bisher verwehrt, Feststellungen zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit zu treffen.

 

Gemäß § 69 Abs. 6 FrG darf ein Fremder wegen desselben Sachverhaltes innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren nicht länger als sechs Monate in Schubhaft angehalten werden.

 

Die Schubhaftdauer, die zum Entscheidungszeitpunkt - eingerechnet der Zeit vom 3. April 2002 bis 15. Juli 2002 (104 Tage) - insgesamt noch keine sechs Monate aufrecht erhalten wurde, kann in diesem Verfahrensstadium und unter Bedachtnahme darauf, dass die Identitätsfeststellung mangels Mitwirkung des Bf. nicht möglich ist, nicht als unverhältnismäßig lange betrachtet werden.

 

Es ist klar zu ersehen, dass die belangte Behörde ihrer Verpflichtung nach § 69 FrG nachgekommen ist.

 

4.7. Abschließend ist festzuhalten, dass auf Grund der mit dem Schubhaftbescheid des Polizeipräsidenten der Bundeshauptstadt Wien vom 13. September 2002 verbundenen Bindungswirkung und des sich daraus erschließenden Wiederholungsverbotes ("ne bis in idem") es der belangten Behörde verwehrt war, in derselben Sache (durch die angewendete Rechtsvorschrift und den Sachverhalt konstituiert) eine weitere Entscheidung zu treffen. Es stand ihr somit auch nicht die Erlassung einer im Spruch gleichlautenden Entscheidung zu.

 

4.8. Unabhängig von der neuerlichen Bescheiderlassung durch die belangte Behörde war die vorliegende Schubhaftbeschwerde mit der Feststellung iSd § 73 Abs. 4 FrG als unbegründet abzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der belangten Behörde als obsiegender Partei nach § 79a AVG Abs.1, 3, 4 und 6 AVG i.V.m. § 1 Z.3 und 4 der UVS-AufwandersatzVO, BGBl. Nr. II 499/2001, antragsgemäß Kosten in Höhe von insgesamt 244 Euro (Vorlageaufwand: 41 Euro; Schriftsatzaufwand: 203 Euro), zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

Beschlagwortung: Bindungswirkung des Schubhaftbescheides

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