Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102979/2/Br

Linz, 17.07.1995

VwSen-102979/2/Br Linz, am 17. Juli 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn C R, B, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, Zl.

VerkR96/3000/1994/SR/GA, vom 13. Juni 1995, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, idF BGBl. Nr. 866/1992 iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, idF BGBl.Nr. 666/1993; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem Straferkenntnis vom 13. Juni 1995 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 38 Abs.1 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 700 S und für den Nichteinbringungsfall 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und in dessen Spruch dem Berufungswerber zur Last gelegt, daß er am 13.5.1994 um 11.10 Uhr als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen in W, S Richtung Osten gelenkt und dabei an der Kreuzung mit der Dr. S bei gelbem nichtblinkenden Licht der Verkehrslichtsignalanlage nicht vor der Haltelinie angehalten habe.

2. Begründend führte die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß die Übertretung durch ein Organ der Straßenaufsicht wahrgenommen wurde und dieses Organ im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme dies bestätigt hätte.

Detailliert habe der Beamte ausgeführt, daß der PKW mit ca.

40 km/h gefahren sei und er beim Aufleuchten des gelben Lichtes noch 20 Meter von der Kreuzung entfernt gewesen sei.

Ein sicheres Anhalten wäre somit ohne Gefährdung und Behinderung anderer Straßenbenützer noch möglich gewesen.

Die Fahrgeschwindigkeit hätte der Beamte von seinem Standort aus während einer Wegstrecke von ca. 100 Meter wahrnehmen können.

3. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht bei der Erstbehörde eingebrachten Berufung.

Inhaltlich führt der Berufungswerber im wesentlich aus, daß nicht festgestellt worden sei, von welchem Punkt (gemeint von bzw. zu welchen Bezugspunkt) aus die 20 Meter gerechnet wurden und ob diese gemessen oder geschätzt wurden. Ferner vermeint der Berufungswerber, daß die Kreuzung vom Standort des Meldungslegers infolge parkender Fahrzeuge und bedingt durch Gebäude nicht hinreichend einsehbar gewesen sei. Er beantragt die Beibringung einer maßstabsgetreuen Skizze und folglich die Verfahrenseinstellung.

3.1. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

Da sich bereits aus der Aktenlage der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt ergibt und eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht gesondert beantragt wurde, konnte die Durchführung einer solchen unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, Zl. VerkR96/3000/1994/SR/GA.

5. In der Sache selbst wurde nachfolgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

5.1. Es ist unbestritten, daß der Berufungswerber zur fraglichen Zeit, seinen Pkw mit einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 40 km/h gelenkt hat, wobei mindestens 20 Meter vor Erreichen der Haltelinie die Ampel von GRÜN (-blinken) auf GELB umschaltete. Diese Angaben beruhen auf Schätzungen des Sicherheitswachebeamten. Der Standort, aus welchem diese Wahrnehmung gemacht wurde, läßt sich weder der Anzeige noch der Zeugenaussage des Meldungslegers entnehmen. Da eine Geschwindigkeitsschätzung naturgemäß nicht präzise sein kann, müßte jedenfalls zugunsten des Beschuldigten von einer (möglichen) Fahrgeschwindigkeit auch von 50 km/h ausgegangen werden. An der Entfernungsangabe des Meldungslegers "mindestens 20 Meter" ist jedoch nicht zu zweifeln. Diese geht demnach bereits von einer für den Beschuldigten "günstigsten Variante" [mindestens] aus.

5.2. Rechtlich ist daher folgendes zu erwägen:

5.2.1. Gelbes blinkendes Licht gilt unbeschadet der Vorschriften des § 53 Z10a StVO 1960 über das Einbiegen der Straßenbahn bei gelbem Licht als Zeichen für "Halt". Bei diesem Zeichen haben die Lenker herannahender Fahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen des Abs.7 (Anm.: Spurensignale) anzuhalten:

a) wenn eine Haltelinie vorhanden ist, vor der Haltelinie; b) wenn ein Schutzweg ohne Haltelinie vorhanden ist, vor dem Schutzweg; c) wenn eine Kreuzung ohne Schutzweg und ohne Haltelinie vorhanden ist, vor der Kreuzung; d) ansonsten vor dem Lichtzeichen.

Hiezu ist zu bemerken, daß bei Aufleuchten des gelben Lichtes nicht unter allen Umständen die Pflicht zum Anhalten des Fahrzeuges besteht; vielmehr darf in jenen Fällen, in denen ein (sicheres!) Anhalten nicht mehr möglich ist, die Kreuzung noch durchfahren werden. Es ist also von ausschlaggebender Bedeutung, in welchem Punkt vor der Kreuzung sich das Fahrzeug befand, als der Wechsel des Lichtes von Grün auf Gelb erfolgte. So ist ein verkehrssicheres Anhalten dann nicht mehr möglich, wenn bei Beginn der Gelbphase die Entfernung des Fahrzeuges von der Kreuzung (Abs.1 lit.a bis lit.d) geringer ist als die Länge des Anhalteweges zuzüglich etwa des halben Reaktionswertes (verkürzt wegen der Grünblinkphase); das entspricht bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h - von welcher wie oben dargelegt zugunsten des Berufungswerbers auszugehen gewesen ist - 32,5 m (25 m + 7,5 m) [Benes-Messiner, Kommentar zur StVO, 8. Auflage, Seite 510 ff., Anm. 2, sowie E 1, 4 und 5]. Im gegenständlichen Fall liegt bereits der "Bremsweg" über 20 Meter. Selbst bei Grundlegung der vom Meldungsleger angegebenen Fahrgeschwindigkeit von (nur) 40 km/h ergibt sich ein Anhalteweg von 20,96 Meter (Bremsweg 12,94 Meter und 8 Meter für den halben Reaktionsweg und der Berücksichtigung einer Bremsschwellphase von 0,2 sek.). Hier wurde der Verzögerungswert einer Betriebsbremsung mit 4,4 m/sek2 grundgelegt (Berechnung mit dem Unfallrekonstruktionsprogramm von Prof. Dr. Werner Gratzer, KFZ-Sachverständiger). Eine Vollbremsung, mit welcher (bei einer Fahrgeschwindigkeit von 40 km/h) ein Anhalten vor der Haltelinie technisch wohl noch möglich gewesen wäre, wäre in einer derartigen Situation mit dem Erfordernis eines "sicheren Anhaltens" jedoch nicht vereinbar.

5.2.2. Als Konsequenz folgt daher in rechtlicher Hinsicht, daß, wenn ein eindeutiges Beweisergebnis nicht vorliegt, selbst wenn (bloß) Zweifel am Tatvorwurf bestehen, der Tatnachweis eben nicht erbracht ist und von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122). Hier steht vielmehr sogar zweifelsfrei fest, daß ein rechtzeitiges und sicheres Anhalten nicht mehr gewährleistet gewesen ist! Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß jeweils - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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