Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400727/2/Gf/Gam

Linz, 13.08.2005

VwSen-400727/2/Gf/Gam Linz, am 13. August 2005

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des mj. O B, vertreten durch den Magistrat Linz (Amt für Jugend und Familie), wegen Anhaltung in Schubhaft vom 6. Mai 2005 bis zum 29. Juni 2005 durch die Bundespolizeidirektion Linz, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 6. Mai bis zum 29. Juni 2005 als rechtswidrig festgestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der am 1. November 1987 geborene, nach seinen eigenen (und von der belangten Behörde unbestritten gebliebenen) Angaben dzt. noch minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea, ist am 26. März 2002 ohne gültige Dokumente in das Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Asylantrag eingebracht; das Asylverfahren wurde zunächst vom Bundesasylamt-Außenstelle Wien am 27. Oktober 2003 eingestellt. In der Folge wurde er dreimal wegen Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz gerichtlich verurteilt und nach seiner Haftentlassung gegen ihn am 2. Mai 2005 von der BPD Wien ein unbefristetes, sofort vollstreckbares Aufenthaltsverbot erlassen.

1.2. Mit Bescheid der BPD Linz vom 6. Mai 2005, Zl. 1050536/FRB, wurde über den Rechtsmittelwerber zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und diese durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Linz am selben Tag vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass gegen ihn ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot bestehe und zu befürchten sei dass er sich diesem durch Untertauchen in der Anonymität widersetzen könnte.

1.3. Am 29. Juni 2005 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen, nachdem ihm seitens des Bundesasylamtes-Außenstelle Linz die Weiterführung seines Asylverfahrens und die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte zugesichert wurde.

1.4. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richten sich die vorliegenden, am 5. August 2005 - und damit rechtzeitig - per Telefax eingebrachte Beschwerde.

Darin bringt der Rechtsmittelwerber im Wesentlichen vor, dass er stets in Englisch oder Französisch einvernommen worden sei, obwohl er lediglich einzelne Wörter dieser Sprachen, nicht jedoch Zusammenhänge verstanden habe, sodass ihm die Tragweite seiner Aussagen und Handlungen nicht bewusst geworden sei. Außerdem seien sämtliche Bescheide nur dem Beschwerdeführer selbst, nicht aber auch seinen Vertretern zugestellt worden, sodass diese unwirksam seien. Schließlich habe sich der Rechtsmittelwerber seit seiner Entlassung aus der Schubhaft ständig in einer staatlichen Einrichtung, die für Asylwerber eine Grundversorgung bietet, aufgehalten, sodass tatsächlich keine Gefahr eines Untertauchens bestehe.

Daher wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft beantragt.

1.5. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass ihr die Vertretung durch das Jugendamt nicht bekannt gewesen und der Rechtsmittelwerber im Übrigen - weil er bereits über 16 Jahre alt ist - eigenständig handlungsfähig sei. Gelindere Mittel hätten nicht angewendet werden können, weil die von ihm angegebenen Personaldaten noch in keiner Weise verifiziert worden seien und er bis zu seiner Entlassung aus der Schubhaft unsteten Aufenthalts gewesen sei und gegenüber der BPD Wien - soweit es die Bekanntgabe seiner Personaldaten betraf - bereits Verschleierungshandlungen gesetzt habe.

2. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Nach § 72 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. I 75/1997, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 126/2002 (im Folgenden: FrG), hat u.a. derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit dieser Anhaltung anzurufen.

Gemäß § 61 Abs. 1 FrG können Fremde u.a. dann in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bzw. die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf eine Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie sich diesem Verfahren entziehen werden.

Daraus folgt umgekehrt, dass ein Fremder, der sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhält, auch dann in Schubhaft genommen werden kann, wenn es für die Behörde als plausibel erscheint, dass dieser - im nunmehrigen Wissen um die zu erwartenden fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen - versuchen könnte, sich dem weiteren Verfahren zu entziehen oder dieses zumindest zu erschweren, und darüber hinaus die Voraussetzungen des § 66 FrG (gelindere Mittel) nicht vorliegen. Gegen Minderjährige sind anstelle der Schubhaft gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, dass mit diesen der Zweck der Schubhaft nicht erreicht werden kann.

Nach § 95 Abs. 1 FrG sind minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, in Schubhaftangelegenheiten selbständig handlungsfähig. Ungeachtet dessen sind Bescheide - bei sonstiger Unwirksamkeit - deren gesetzlichen Vertretern zuzustellen, sofern der bescheiderlassenden Behörde diese Vertretung zuvor angezeigt oder bekannt geworden ist; ein derartiger Zustellmangel heilt aber gemäß § 7 ZustG jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem dem Vertreter die für ihn bestimmte Ausfertigung des Bescheides tatsächlich zukommt.

2.2. Im gegenständlichen Fall wurde der Magistrat Wien (MA 11 - Amt für Jugend und Familie) mit Beschluss des BG Leopoldstadt vom 4. Juli 2002 für die Dauer des Aufenthaltes des Rechtsmittelwerbers zu dessen Obsorgeträger bestellt. Der Aufenthaltsverbotsbescheid der BPD Wien vom 2. Mai 2005, Zl. III-1114525/FrB/05, hätte daher nicht dem Beschwerdeführer direkt, sondern vielmehr dem Magistrat Wien zugestellt werden müssen. Da diese Bescheidausfertigung dem Magistrat Wien auch in der Folge nicht zugekommen ist, liegt sohin im Ergebnis keine gültige Zustellung vor. Dies kommt einer Nichterlassung des Bescheides gleich, sodass dieser auch nicht vollstreckbar sein oder in Rechtskraft erwachsen konnte.

Weil es auf eine diesbezügliche (offensichtlich unverschuldete) Unkenntnis der belangten Behörde nicht ankommt, entfällt damit aber objektiv besehen auch die Grundlage für den die vorliegende Schubhaftverhängung tragenden Bescheid der BPD Linz vom 6. Mai 2005, Zl. 1050536/FRB, sodass der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG schon aus diesem formalen Grund stattzugeben war.

3. Eine Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG war jedoch mangels eines darauf gerichteten Antrages des Rechtsmittelwerbers nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. G r o f

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 29.04.2008, Zl.: 2005/21/0349-8

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum