Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400731/2/SR/Be

Linz, 30.08.2005

 

 

 

VwSen-400731/2/SR/Be Linz, am 30. August 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des P N C, geb. am, StA von Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R M, Ustraße, W, wegen Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft im PAZ Wels durch den Polizeidirektor der Stadt Wels zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird Folge gegeben und Anhaltung in Schubhaft ab dem 7. Juli 2005 für rechtswidrig erklärt.

 

Der Antrag "auf sofortige Enthaftung" wird zurückgewiesen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 72 Abs. 1, 73 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 iVm §§ 67c und 79a AVG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Wels vom 22. April 2005, Zl. IV-10168822/FP/05 wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt.

 

Im Wesentlichen führte die belangte Behörde begründend aus, dass gegen den Bf von der BPD Wien unter der Zl. III-1108670/RB/03 ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Da zu befürchten gewesen sei, dass sich der Bf den fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde, sei die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung notwendig gewesen und man habe von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand nehmen müssen.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft nach Ablauf der vierten Woche nach Einlangen des Heimreisezertifikates richtet sich die vorliegende - per FAX am 24. August 2005, um 16.24 Uhr der belangten Behörde übermittelte und am 29. August 2005 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangte - Beschwerde.

 

Darin bringt der Rechtsvertreter vor, dass sich der Bf seit dem 22. April 2005 in Schubhaft befinde. Gemäß § 69 Abs. 2 FrG dürfe außer den Fällen des Abs. 4 die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern. Gemäß § 69 Abs. 4 FrG könne die Schubhaft bis zum Ablauf der 4. Woche nach Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit (Heimreisezertifikat) aufrecht erhalten werden. Entsprechend seinen Informationen liege das Heimreisezertifikat bereits seit dem 14. Juni 2005 vor und er sei auch bereits für den Charterflug nach Nigeria vorgemerkt gewesen. Nachdem bereits vier Wochen vergangen seien, befinde er sich unrechtmäßig in Schubhaft. Diese sei daher rechtswidrig. Er stelle daher höflichst den Antrag auf sofortige Enthaftung.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die am 29. August 2005 vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint.

 

3.2. Auf Grund der Aktenlage steht folgender relevanter Sachverhalt fest:

 

Der Bf reiste am 29. Juli 2002 illegal in das Bundesgebiet ein. Der am 30. Juni 2002 gestellte Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt vom 1. August 2002, AZ 02 20.417-BAE gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 ASylG zulässig ist. Am 17. August 2002 erwuchs der Bescheid in Rechtskraft.

 

Der Berufung gegen den Bescheid des Polizeipräsidenten der Bundeshauptstadt Wien vom 3. Juli 2003, Zl. III-1108670/FrB/03, mit dem über den Bf ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden war, wurde mit Bescheid des Sicherheitsdirektors für das Bundesland Wien vom 20. August 2003, Zl. SD 726/03 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundeshauptstadt Wien vom 28. Oktober 2003 (wohl richtig: 7. Dezember 2002), Zl. S 184850/O/03, wurde über den Bf am 7. Dezember 2003 um 21.00 Uhr die Schubhaft verhängt.

 

Über seinen Rechtsvertreter ließ der Bf am 15. Dezember 2005 einen schriftlichen Asylantrag beim Bundesasylamt, Außenstelle Wien einbringen. Auf Grund dieser Antragsstellung wurde der Bf für 5. Februar 2004 zum Bundesasylamt, Außenstelle Wien vorgeladen.

 

Am 22. Dezember 2003 um 10.00 Uhr endete die Schubhaft, da der Bf zu diesem Zeitpunkt wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung festgenommen worden war.

 

Am 15. April 2004 wurde der Bf vom Landesgericht für Strafsachen Wien, AZ 141 Hv 78/04g wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 1. Fall SMG gemäß § 28 Abs. 3 1. Strafsatz SMG unter Bedachtnahme auf § 36 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von eineinhalb Jahren verurteilt.

 

Mit FAX vom 25. März 2005 wurde der belangten Behörde von der Strafvollzugsanstalt Wels die bedingte Entlassung des Bf für den 22. April 2005 angekündigt.

 

Dem Ersuchen der belangten Behörde kam die Konsularabteilung der Botschaft der Bundesrepublik Nigeria nach und übermittelte dem Bundesministerium für Inneres ein auf den Bf ausgestelltes Heimreisezertifikat.

 

Laut Aktenlage (Laufzettel) langte das Heimreisezertifikat am 8. Juni 2005 bei der belangten Behörde ein.

 

Zwischenzeitig war über den Bf mit dem o.a. Bescheid die Schubhaft verhängt worden.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz vom 1. Juni 2005, AZ 03 37968-BAL wurde der Asylantrag des Bf vom 15. Dezember 2003 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27. Juni 2005 wurde dem Bf gemäß § 69 Abs. 5 FrG zur Kenntnis gebracht, dass gemäß § 69 Abs. 4 Ziffer 3 FrG die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach Einlangung der Einreisebewilligung aufrecht erhalten werden dürfe und die Charterabschiebung für den 29. Juni 2005 fixiert worden sei. Es stünde jedoch noch nicht fest, ob der Bf auch bei dieser Abschiebung nach Nigeria verbracht werden könne. Die Schubhaft würde daher bis zur möglichen Abschiebung, jedoch mit einer Gesamtdauer von maximal 6 Monaten verlängert.

 

Obwohl die vorgesehene Abschiebung nicht stattfand, wurden weitere Abschiebungsversuche von der belangten Behörde bis zum 23. August 2005 nicht betrieben.

 

Weder aus der Aktenlage noch aus dem Vorlageschreiben ist ersichtlich, dass die belangte Behörde die Anhaltung des Bf in Schubhaft auf eine andere als die in der Niederschrift vom 27. Juni 2005 angeführte Bestimmung - § 69 Abs. 4 Ziffer 3 FrG - gestützt hat.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Nach § 72 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. I Nr. 75/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.134/2002 (im Folgenden: FrG), hat u.a. derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit dieser Anhaltung anzurufen.

 

4.2. Gemäß § 69 Abs. 1 leg. cit. ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

 

Gemäß Abs. 2 darf die Schubhaft nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

 

Kann oder darf ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden, 1. weil über einen Antrag gemäß § 75 noch nicht rechtskräftig entschieden ist oder 2. weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist oder 3. weil er die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht besitzt oder 4. weil er die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 60) widersetzt, so kann gemäß Abs. 4 die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung (Z 1), nach Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit (Z 2), nach Einlangen der Bewilligung bei der Behörde (Z 3) oder nach Vereitelung der Abschiebung (Z 4), insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden; Abs. 6 bleibt jedoch unberührt.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG können Fremde, die einen Asylantrag gestellt haben, bis zur Erlangung der Aufenthaltsberechtigungskarte oder bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz).

Gemäß § 21 Abs. 1 leg. cit. finden auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz im Sinne des § 19 Abs. 1 genießen, oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, die §§ 36 Abs. 2 Z 7 sowie 61 bis 63 FrG keine Anwendung. § 61 FrG findet jedoch Anwendung, wenn der Asylantrag von einem Fremden gestellt wird, über den vor Antragstellung die Schubhaft verhängt wurde und diese aufrecht ist.

 

Gemäß Abs. 2 dürfen Fremde gemäß Abs. 1 nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden; die Übermittlung personenbezogener Daten dieser Fremden an den Herkunftsstaat ist nicht zulässig. Daten, die erforderlich sind, um die zur Einreise notwendigen Bewilligungen zu beschaffen, dürfen jedoch übermittelt werden, wenn der Antrag - wenn auch nicht rechtskräftig - abgewiesen oder zurückgewiesen worden ist und das Ergebnis der Prüfung, ob subsidiärer Schutz zu gewähren ist, dem nicht entgegensteht und die Identität des Asylwerbers nicht geklärt ist.

 

Der Bf wird zum Entscheidungszeitpunkt in Schubhaft angehalten.

 

Seine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ist zulässig und begründet.

 

4.3. Der Bf erachtet seine Anhaltung in Schubhaft ab dem Zeitpunkt des Ablaufes der vierten Woche nach Einlangen des Heimreisezertifikates für rechtswidrig.

 

Unstrittig wird daher die Verhängung der Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft bis zum Ablauf des 6. Juli 2005 als rechtmäßig angesehen.

 

Abgesehen davon, dass dem Bf während der Anhaltung in Schubhaft kein Aufenthaltsrecht zukam, verfügte er auch gemäß § 19 Abs. 1 AsylG über keinen faktischen Abschiebeschutz.

 

Wie unter Punkt 3.2. festgestellt, langte das von der Konsularabteilung der Botschaft der Bundesrepublik Nigeria ausgestellte Heimreisezertifikat am 8. Juni 2005 bei der belangten Behörde ein. Die Anhaltung in Schubhaft war daher gestützt auf § 69 Abs.4 Z.3 FrG, ausschließlich bis zum Ablauf des 6. Juli 2005 zulässig. Eine zulässige Verlängerung dieser Frist aus Gründen, die beispielsweise die belangte Behörde nicht zu vertreten hat, lässt sich dem Fremdengesetz nicht entnehmen.

 

Weder aus der Aktenlage noch aus dem Vorlageschreiben der belangten Behörde kann erkannt werden, dass die Anhaltung des Bf in Schubhaft, gestützt auf eine andere Ziffer des § 69 Abs. 4 FrG, als rechtmäßig anzusehen ist.

Nachdem es der belangten Behörde bis zum Ablauf der vierten Woche nach dem Einlangen der Bewilligung - Heimreisezertifikat - nicht gelungen ist, den Bf in sein Heimatland abzuschieben, wäre sie gehalten gewesen, den Bf jedenfalls spätestens zum Zeitpunkt des Ablaufes der Frist unverzüglich zu entlassen.

Da die belangte Behörde den Bf weiterhin in Schubhaft angehalten hat, war die Anhaltung im Schubhaft ab dem 7. Juli 2005 für rechtswidrig zu erklären.

 

4.4. Gemäß § 70 Abs. 1 FrG ist die Schubhaft durch Freilassung des Fremden formlos aufzuheben, wenn sie gemäß § 69 nicht länger aufrechterhalten werden darf oder der Unabhängige Verwaltungssenat festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht vorliegen.

 

Aus § 70 FrG ist ableitbar, dass unter den genannten Voraussetzungen die Schubhaft "formlos" aufzuheben ist. Dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist es verwehrt, eine Anordnung mit dem beantragen Inhalt zu treffen. Ausschließlich die Feststellung des Unabhängigen Verwaltungssenates, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen, führt dazu, dass auf Grund seiner Entscheidung eine formlose Aufhebung der Schubhaft vorzunehmen ist. Ein Anordnungsrecht des Unabhängigen Verwaltungssenates ist daraus nicht abzuleiten.

 

Der gegenständliche Antrag wird daher als unzulässig zurückgewiesen.

 

5. Der Bund hat dem Beschwerdeführer mangels Antrages keinen Aufwandersatz zu leisten.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Stierschneider

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