Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400764/3/SR/Ri

Linz, 08.02.2006

 

 

 

VwSen-400764/3/SR/Ri Linz, am 8. Februar 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des El S H alias Al S H alias Al S H, geb. am, StA von Libanon, vertreten durch Dr. J R, Rechtsanwalt in L, Wstraße, wegen Rechtswidrigkeit der Verhängung und Anhaltung in Schubhaft im PAZ Linz seit dem 3. Jänner 2006 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

  1. Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als der gegen den Beschwerdeführer am 3. Jänner 2006 erlassene Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab dem 3. Jänner 2006 für rechtswidrig erklärt werden.

  2. Der Antrag auf "sofortige Enthaftung" wird als unzulässig zurückgewiesen.

  3. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 673,80 Euro (darin enthalten 13 Euro Eingabegebühr) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das weitergehende Kostenbegehren wird abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 157/2005) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.), ein libanesischer Staatsangehöriger, aufgetreten unter den Namen El S H alias Al S H alias Al S H, laut seinen Angaben geboren am, reiste am 1. Jänner 2006 illegal mit einem Pkw von der Schweiz kommend ins Bundesgebiet der Republik Österreich ein und brachte am 2. Jänner 2006 beim Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West (im Folgenden: EAST-West) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Nach der Einbringung des Antrages wurde dem Bf. eine Unterkunft in der EAST-West zugewiesen und er in dieser angemeldet.

 

Am 3. Jänner 2006 nahmen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Beamte der Polizeiinspektion St. Georgen i. A.) in der EAST-West die "Erstbefragung" des Bf. vor. Die Befragung dauerte von 12.45 bis 13.30 Uhr. Nach 17.42 Uhr (Fax-Protokoll) wurde dem Bf. mit Schriftsatz der EAST-West vom 3. Jänner 2006, Zl. 06 00.025, mitgeteilt, dass die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz vom 2. Jänner 2006 gemäß § 4 AsylG 2005 beabsichtigt ist.

 

Gleichzeitig wurde die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde von der Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 in Kenntnis gesetzt.

 

1.2. Mit Mandatsbescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 3. Jänner 2006, AZ. Sich40-1003-2005, wurde über den Bf. zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Der Schubhaftbescheid wurde vom Bf. am 3. Jänner 2006 nach 18.10 Uhr persönlich übernommen. Im Anschluss daran wurde der Bf. in das Polizeianhaltezentrum Linz eingeliefert.

 

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des relevanten Sachverhaltes aus, dass die EAST-West sowohl den Bf. als auch die belangte Behörde von der Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 in Kenntnis gesetzt habe. Da der Bf., "abgesehen von seiner ihm bis zur Durchführung seiner Erstbefragung im Asylverfahren zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft in der EAST-West", über keinen polizeilich gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich verfüge, weder im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung nach dem Fremdengesetz noch nach dem Asylgesetz sei, kein Nationalreisedokument bzw. ein anderweitiges Identitätsdokument vorweisen könne und völlige Mittellosigkeit vorliege, sei der Bf. am 3. Jänner 2006 um 18.10 Uhr von Beamten der Polizeiinspektion St. Georgen i. A. in der EAST-West über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck festgenommen und vorgeführt worden. "Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes und seines bisher gezeigten Verhaltens im Bundesgebiet sei zu befürchten, dass der Bf sich - auf freiem Fuß belassen - dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde". Weiters führt die belangte Behörde aus, dass ein gelinderes Mittel die Gefahr des Abtauchens in die Illegalität beinhalten würde und daher von der Verhängung der Schubhaft nicht Abstand genommen werden konnte.

 

1.3. Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2006, eingebracht mit Fax vom 3. Februar 2006 bei der belangten Behörde, erhob der Bf. nunmehr vertreten durch den in der Präambel angeführten Rechtsanwalt "Beschwerde gegen die Verhängung und Anordnung der Schubhaft gem. § 82 FPG 2005". Beantragt wird u.a. die kostenpflichtige Rechtswidrigkeitserklärung der Anhaltung in Schubhaft auf Grund des Schubhaftbescheides der belangten Behörde vom 3.1.2006, Sich40- 1003-2005.

 

Die Beschwerde bringt zum relevanten Sachverhalt, der dem Vorlageakt zu entnehmen ist, keine wesentlichen Neuerungen vor. Ergänzend führt der Rechtsvertreter aus, dass der Bf. bei seinem Freund O O H, geb. in T, Bstraße, Quartier und Unterhalt gewährt erhalte und dieser auch bereit wäre, eine weitergehende Verpflichtungserklärung vorzulegen. Weiters habe der Bf. seine Bereitschaft erklärt, im Falle einer entsprechenden Entscheidung durch das Bundesasylamt die Rückreise in die Schweiz vorzunehmen. Im Verfahren sei ihm eine bundesbetreute Unterkunft in der EAST-West zur Verfügung gestellt worden und dort habe man ihn auch in Haft genommen. Seine Identität könne er durch die Vorlage seines libanesischen Führerscheines jederzeit unter Beweis stellen. Eine Ablichtung liege der Beschwerdeschrift bei.

 

In rechtlicher Hinsicht geht der Beschwerdevertreter sowohl von der Rechtswidrigkeit der Haftverhängung als auch der Anhaltung in Schubhaft aus, da jedenfalls gelindere Mittel zur Anwendung gelangen hätten müssen.

 

Neben den Anträgen auf "sofortige Enthaftung", "ersatzlose Aufhebung des Schubhaftbescheides", "Anwendung gelinderer Mittel" und "Feststellung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung" beantragt der Rechtsvertreter einen Aufwandersatz in der Höhe von 732 Euro (Schriftsatzaufwand: 610 Euro und USt: 122 Euro).

 

2.1. Mit Fax vom 6. Februar 2006 (eingelangt am 7. Februar 2006) hat die belangte Behörde Auszüge des bezughabenden Verwaltungsaktes vorgelegt. Mit Schreiben vom 6. Februar 2006 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt im Original vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Der Originalakt langte am 8. Februar 2006 ho. ein.

 

2.2. In der Gegenschrift brachte die belangte Behörde ergänzend vor, dass der Bf. am Tag nach seiner Asylantragsstellung in der Schweiz am 3. Juni 2003 in die Illegalität abgetaucht sei. Die Angaben des Bf. im "österreichischen Asylverfahren" bezogen auf seinen Aufenthalt in der Schweiz würden mit den Erkenntnissen der Schweizer Polizeibehörden nicht übereinstimmen. Hinsichtlich "der fremdenpolizeilichen Bestimmungen habe sich der Bf. völlig unbelehrbar erwiesen. Durch dieses Verhalten habe der Bf. eindeutig dokumentiert, dass er kein Interesse an der Einhaltung der Rechts- und Werteordnung seines Gastlandes habe."

 

Die belangte Behörde gelange auch nach den neuesten Erkenntnissen zur Ansicht, dass ein gelinderes Mittel nicht erlassen werden konnte. "Es könne - im Sinne eines funktionierenden Asylwesens - von den Behörden keinesfalls hingenommen werden, dass Asylsuchende unmittelbar nach der Einbringung eines Asylantrages wieder in die Illegalität abtauchen um in weiterer Folge in ein Nachbarland illegal einzureisen und wiederum ein Asylbegehren stellen".

 

Abschließend beantragt die belangte Behörde die kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.157/2005 (im Folgenden: FPG 2005), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

  1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

  2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

  3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

4.2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 14 leg. cit. ist ein Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. ist ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder bei einer Erstaufnahmestelle (§ 59) um Schutz vor Verfolgung ersucht.

 

Gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. ist der Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wenn er vom Fremden persönlich - auch im Rahmen einer Vorführung (§ 43 Abs. 2) - bei der Erstaufnahmestelle (§ 59) gestellt wird.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 leg. cit. ist ein Fremder, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder im Zulassungsverfahren in der Erstaufnahmestelle zu befragen. Diese Befragung dient insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen.

 

Gemäß § 29 Abs. 1 leg. cit. sind Zulassungsverfahren mit Einbringen von Anträgen auf internationalen Schutz zu beginnen und in einer Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes zu führen, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Unverzüglich nach Einbringung des Antrages ist dem Asylwerber eine Orientierungsinformation und eine Erstinformation über das Asylverfahren in einer ihm verständlichen Sprache zu geben.

 

Gemäß § 76 Abs. 1 FPG 2005 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 leg. cit. kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG 2005 grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 77 Abs. 5 leg. cit. steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung, der Zurückschiebung oder Durchbeförderung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Grundversorgungsgesetz - Bund 2005 (BVG-B 2005) leistet der Bund Asylwerbern im Zulassungsverfahren Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes (§ 1 Z 5 ). Darüber hinaus sorgt der Bund im gleichen Ausmaß für Fremde, deren Asylantrag im Zulassungsverfahren

  1. zurückgewiesen oder

  2. abgewiesen wurde, wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, solange ihr diese nicht wieder zuerkannt wird,

bis diese das Bundesgebiet verlassen, solange sie in einer Betreuungseinrichtung des Bundes untergebracht sind.

 

4.3. Der Bf. wird zum Entscheidungszeitpunkt in Schubhaft angehalten.

 

Seine Beschwerde ist zulässig und begründet.

 

4.4. Wie sich aus der Aktenlage und unwidersprochen aus der Beschwerdebegründung ergibt, war der Bf. zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung Asylwerber.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG 2005 ist u.a. § 76 Abs. 1 FPG 2005 auf Asylwerber nicht anzuwenden.

 

Ausgehend davon, dass das Asylverfahren des Bf. zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und der Verhängung der Schubhaft weder rechtskräftig abgeschlossen, eingestellt noch für gegenstandslos erklärt war und der Bf. vom Asylwerberbegriff des § 1 Abs. 2 FPG 2005 erfasst wird, kann die Schubhaft nicht auf § 76 Abs. 1 FPG 2005 gestützt werden.

 

Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage wird die Möglichkeit einer Schubhaftverhängung Asylwerber betreffend nicht mehr im Asylgesetz sondern im Fremdenpolizeigesetz geregelt. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG 2005 kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 des Abs. 2 angeführten Fälle gegeben ist.

 

Grundsätzlich kann die belangte Behörde die Anordnung der Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 stützen. Sie darf aber dabei keinesfalls § 77 leg. cit. außer Acht lassen.

 

Die Verhängung der Schubhaft erweist sich nämlich auch dann als rechtswidrig, wenn an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel i.S.d. § 77 Abs. 1 FPG 2005 hätten angewendet werden können.

 

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301, zu § 66 FrG 1997 ausgeführt, dass allein der Umstand eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung die Behörde noch nicht zur Schubhaftverhängung berechtigt; vielmehr ist stets eine materielle Prüfung dahin, ob - z.B. wegen mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung des Fremden im Inland - ein konkreter Sicherungsbedarf besteht, durchzuführen.

 

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist hier kein konkreter Sicherungsbedarf zu erkennen.

 

Die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens in die Anonymität rechtfertigt eine Ermessensausübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahmen zu verhängen (VwGH vom 23.3.1999, 98/02/0309).

 

Von einer solchen Wahrscheinlichkeit kann derzeit im gegenständlichen Fall aber nicht gesprochen werden. Der Bf. ist ein Asylwerber, der sich im Zulassungsverfahren befindet und vor der Schubhaftverhängung bereits in einer Betreuungseinrichtung in der EAST-West versorgt wurde. Nach dem BVG-B 2005 leistet der Bund Asylwerbern im Zulassungsverfahren die Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes. Darauf besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch (vgl dazu und zur Entstehungsgeschichte Diehsbacher, Bundesbetreuungsrecht, 2005, 19 ff). Die Einschränkung oder Entziehung der Versorgung kann nur aus bestimmten im Gesetz genannten Gründen vom Bundesasylamt mit Bescheid erfolgen. Eine solche ist bis dato nicht erfolgt.

 

Der Bf. müsste demnach als Asylwerber weiterhin in einer Bundesbetreuungsstelle untergebracht werden. Dafür kommt in Oberösterreich - wie amtsbekannt ist - die EAST-West in Betracht. Den Überlegungen der belangten Behörde, dass sich der Bf. auf illegale Weise seinen Unterhalt sichern müsse, könne im Hinblick auf seinen bestehenden Versorgungsanspruch nicht gefolgt werden. Des weiteren kann auch aus seinem Verhalten in Österreich nicht darauf geschlossen werden, dass er sich dem Ausweisungsverfahren entziehen werde. Gerade Gegenteiliges ist aus seinem Verhalten vor der Schubhaftverhängung abzuleiten.

 

Die belangte Behörde hätte daher anstelle der Schubhaft gelindere Mittel anwenden müssen.

 

5. Im Ergebnis war daher der gegenständlichen Beschwerde Folge zu geben und der gegenständliche Schubhaftbescheid sowie die darauf beruhende Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

 

Gemäß § 81 Abs. 1 Z 2 FPG 2005 hat die belangte Behörde nach der gegenständlichen Entscheidung des Oö. Verwaltungssenats die Schubhaft formlos durch Freilassung aufzuheben.

 

6. Die weitergehenden Anträge waren als unzulässig zurückzuweisen.

7. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Beschwerdeführer nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG iVm. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003 Kosten in Höhe von insgesamt 673,80 Euro (Gebühren: 13,00 Euro; Schriftsatzaufwand: 660,80 Euro) zuzusprechen. Das weitergehende Kostenbegehren war abzuweisen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Stierschneider

Beachte:

Vorstehende Entscheidung wird insoweit, als sie über die Zulässigkeit der Anhaltung des Mitbeteiligten ab 8.2.2006

abspricht, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

VwGH vom 28.06.2007, Zl.: 2006/21/0051-8 

 

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