Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400772/7/BMa/Da VwSen420470/2/BMa/Da

Linz, 24.05.2006

 

 

VwSen-400772/7/BMa/Da

VwSen-420470/2/BMa/Da Linz, am 24. Mai 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Beschwerde des S. G, Staatsangehöriger der R, vertreten durch M. G., - W, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme und der Anhaltung in Schubhaft sowie der Abschiebung nach P, durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

 

 

  1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Schubhaftbescheid vom 5. Jänner 2006, Sich40-4483-2005, sowie die auf diesem Bescheid basierende Verhängung der Schubhaft und Anhaltung in dieser für rechtswidrig erklärt.

  2. Es wird festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach P am 17. Jänner 2006 rechtswidrig war.

     

  3. Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 1338,20 Euro (darin enthalten 13 Euro Eingabegebühr) als obsiegender Partei binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 82 Abs.1, 83 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl.I Nr. 100/2005, (im Folgenden: FPG)

zu II.: Art 129a Abs.1Z2 B-VG iVm §67a Abs.1 Z 2 Allgemeines Verwaltungs-verfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.I Nr. 10/2004, (im Folgenden: AVG)

zu III.: I und II jeweils iVm §§ 67c und 79a AVG und UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl.II Nr. 334/2003

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage iVm mit der vorliegenden Beschwerde von folgendem Sachverhalt aus:

S. G. ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft. Er reiste gemeinsam mit seiner Ehegattin, B. E., und seinen Kindern H. G. und J. G., jeweils Staatsangehörige der R., nachdem die gesamte Familie bereits in L. (P.) A. eingebracht hatte, ohne im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels für Österreich oder einen anderen Schengenstaat zu sein, illegal nach Österreich ein. Am 12. Dezember 2005 brachte der Beschwerdeführer für sich, seine Gattin und seine Kinder beim B., Erstaufnahmestelle W., S., A. ein.

Am gleichen Tag wurde dem Beschwerdeführer, seiner Ehegattin und seinen Kindern für die Dauer des Zulassungsverfahrens im Asylverfahren eine Unterkunft in der E.-W. in S. zugewiesen.

Dem von der österreichischen Asylbehörde gestellten Wiederaufnahmeersuchen an P. wurde mit Schreiben der p. A. vom 3. Jänner 2006 entsprochen. P. stimmte einer Übernahme des Beschwerdeführers sowie einer Übernahme der Ehegattin und ihrer beiden minderjährigen Kinder zu.

Mit Bescheid des B., E.-W., AZ: 0521.717, vom 5. Jänner 2006 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass für die Prüfung seines Asylantrags P zuständig sei. Mit gleichem Bescheid wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach P. ausgewiesen und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen den vorliegenden Bescheid ausgeschlossen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 5. Jänner 2006 durch persönliche Übergabe zugestellt und ist seit diesem Zeitpunkt durchsetzbar.

Der Beschwerdeführer ist weder im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung nach dem Fremdengesetz noch dem Asylgesetz und hält sich unberechtigt im Bundesgebiet auf. Er ist weder im Besitz eines Nationalreisedokuments noch im Besitz eines anderwärtigen Identitätsdokuments, seine Identität gilt daher als nicht gesichert. Er ist völlig mittellos und verfügt - abgesehen von der während der Dauer seines Asylzulassungsverfahrens zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft in der Erstaufnahmestelle W. - über keinen ordentlichen Wohnsitz. Am 5. Jänner 2006 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und danach zur Sicherung der Abschiebung nach P. in Schubhaft angehalten.

Gegen die Ab-/Zurückweisung der Asylanträge erhob der Beschwerdeführer über seinen rechtsfreundlichen Vertreter Berufung, mit der auch die gegen seine Gattin und seine Kinder erlassenen Bescheide angefochten worden waren. Die Berufung wurde dem UBAS am 25. Jänner 2006 vorgelegt.

Mit Bescheiden vom 6. Februar 2006 hat der unabhängige Bundesasylsenat die Bescheide der Erstaufnahmestelle West behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Bereits am Tag nach der Schubhaftverhängung über den Beschwerdeführer entfernte sich seine Gattin mit den beiden Kindern aus der bundesbetreuten Unterkunft, obwohl deren Aufenthalt in dieser als gelinderes Mittel angeordnet worden war und tauchte in die Anonymität ab.

Am 17. Jänner 2006 wurde S. G. am Luftweg nach P. abgeschoben.

Seiner Schubhaftbeschwerde vom 14. Februar 2006 ist auch ein Schreiben betreffend die Untersuchung seines Sohnes J. G. am 1. Februar 2006 angeschlossen, aus dem hervorgeht, dass das Kind schnell behandelt werden müsse, um eine lebensbedrohende Verschlechterung seines Zustandes zu verhindern.

1.2. Zur Begründung des bekämpften Schubhaftbescheides wurde neben dem festgestellten Sachverhalt, der sich im Wesentlichen mit den Feststellungen dieses Bescheides deckt, angeführt, auf Grund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bzw. auf Grund seines bisherigen Verhaltens im Schengengebiet - er habe sich dem Verfahren bereits in P. entzogen und sei illegal in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist - sei zu befürchten, er werde sich auf freien Fuß belassen dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen. Er habe bereits in der Vergangenheit infolge illegaler Grenzübertritte in das bzw. innerhalb des Schengengebietes zu erkennen gegeben, dass er in keinster Weise gewillt sei, die Rechtsordnung seines Gastlandes, insbesondere im Bereich des Fremdenrechts, zu respektieren.

Er habe bereits in Polen einen Asylantrag eingebracht, ehe er illegal nach Österreich eingereist sei.

Ein gelinderes Mittel würde die Gefahr beinhalten, dass er nach einem Abtauchen in die Illegalität dem österreichischen Staat finanziell zur Last fallen würde, da er seinen Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müsse, sei die Gefahr groß, dass er dies auf illegale Art und Weise bewerkstelligen würde.

Diese Tatsachen würden eine Ermessensentscheidung dahingehend rechtfertigen, die Schubhaft anstelle eines gelinderen Mittels zu verhängen.

1.3. Gegen den Schubhaftbescheid, die Festnahme und Anhaltung sowie seine Abschiebung nach P. wird in der Beschwerde vom 14. Februar 2006 (eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 20. Februar 2006) im Wesentlichen vorgebracht, sowohl die Schubhaftverhängung als auch die Abschiebung nach P. sei rechtswidrig. Die Inschubhaftnahme sei ein unverhältnismäßiges Mittel, mit dem in sein Recht auf Schutz seines Familienlebens eingegriffen worden sei. Die schubhaftverhängende Behörde habe nicht begründet, warum eine Trennung von seiner Familie notwendig gewesen sei. In diesem Zusammenhang wurde auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28.9.2004, B 292/04, dem ein ähnlicher Sachverhalt zu Grunde gelegen war, hingewiesen.

Die belangte Behörde habe auch das Wohl des Kindes des Berufungswerbers weder vorrangig noch überhaupt berücksichtigt. Der Bescheid verstoße daher auch gegen die (von Österreich unterschriebene und völkerrechtlich bindende) Kinderrechtskonvention.

Eine Schubhaftverhängung gemäß § 76 Abs.2 Z4 FPG verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip, da diese Bestimmung überschießend ausgestaltet und damit verfassungswidrig sei.

Die Schubhaft als eine auf Aufenthaltsbeendigung abzielende Maßnahme falle unter den Ausweisungsbegriff. Damit liege ein Verstoß gegen Art. 4 4.ZPMRK vor, denn diese verbiete eine Kollektivausweisung von Fremden. Der Beschwerdeführer habe nämlich nicht die Möglichkeit gehabt, in einem objektiven Verfahren individuelle Gründe vorzubringen, die gegen eine Ausweisung sprechen würden. Die Prüfung im Rahmen des Asylverfahrens alleine reiche nicht aus, vielmehr sei eine solche im fremdenpolizeilichen Verfahren ebenfalls geboten.

Selbst wenn man von einer Verfassungskonformität des § 76 Abs.2 Z4 FPG ausgehen würde, werde dieser Bestimmung ein verfassungswidriger Inhalt beigemessen.

Die Inschubhaftnahme stehe im Widerspruch zur Verordnung (EG) Nr. 1560/2003, wonach zunächst davon auszugehen sei, dass ein Gesetz bzw. eine gesetzlich ergangene Entscheidung vom Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten werde. Erst wenn sich herausstelle, dass dies nicht der Fall sei, könne zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden. Nach Abschluss des Verfahrens über die (Un-)Zuständigkeit Österreichs sei zunächst zu versuchen, dass der A. freiwillig ausreise; erst wenn sich herausstelle, dass er dies nicht tun werde, sei eine Haftverhängung zulässig.

Es liege auch ein Widerspruch zur UNHCR-Richtlinie vor, denn als T. sei die Wahrscheinlichkeit, dass er traumatisiert und/oder ein Folteropfer sei, sehr hoch. Er habe auch eine Narbe auf der Stirn, die von einem militärischen Überfall herrühre. Gemäß dieser Richtlinie solle wegen der negativen Auswirkungen der Haft auf die psychische Verfassung der Inhaftierten aktiv nach Alternativen zu der Haft gesucht werden, bevor gegen Asylsuchende, die u.a. Opfer von Folter oder traumatisiert sind, ein Haftbefehl erlassen werde.

Auch die Anwendung eines gelinderen Mittels sei von der schubhaftverhängenden Behörde nicht geprüft worden.

Abschließend wurde beantragt, den Schubhaftbescheid, die Festnahme und Anhaltung sowie die Abschiebung für rechtswidrig zu erklären. Darüber hinaus wurde ein Begehren auf Ersatz der Kosten des Verfahrens gestellt.

2. Unter Vorlage der Akten der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck erstattete die belangte Behörde am 2. März 2006 (eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 6. März 2006) eine Gegenschrift.

2.1. Darin wird im Wesentlichen ergänzend ausgeführt, die Annahme, die Schubhaftverhängung bzw. die Abschiebung des Herrn G. seien rechtswidrig, entbehre jeder Grundlage. Die Asylanträge der gesamten Familie seien als unzulässig zurückgewiesen worden. Die Ausweisung der gesamten Familie nach P. sei mit Bescheiderlassung durchsetzbar gewesen. Nach Ansicht der belangten Behörde verfüge der Vertreter des Beschwerdeführers über keine Vertretungsbefugnis und sei offenbar nicht über § 5 Abs.1 Asylgesetz 1997 bzw. § 76 Abs.2 Z1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 informiert.

Dass die Schubhaft gegen den Beschwerdeführer notwendig gewesen sei, werde durch die Tatsache untermauert, dass seine Familienmitglieder ein behördlich angeordnetes gelinderes Mittel nicht befolgt hätten.

In der Beschwerde werde völlig offen gelassen, warum eine Untersuchung des Kindes des Beschwerdeführers in P. nicht möglich sein solle und auch nicht ausgeführt, ob eine medizinische Behandlung des Kindes in P. überhaupt in Erwägung gezogen worden sei.

Eine Überstellung der gesamten Familie nach P. sei nicht möglich gewesen, da der Aufenthalt der Gattin und der beiden Kinder nach wie vor unbekannt sei. Nachdem der Beschwerdeführer über das Verschwinden seiner Familie informiert worden war, habe er angegeben, er werde unter keinen Umständen nach P. fliegen, er werde seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Damit habe keine andere Möglichkeit der Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers bestanden. Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt.

2.2. Zur Klärung des Umfangs der Vollmacht des Vertreters des Beschwerdeführers wurde mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 10. März 2006 gemäß § 13 Abs.3 AVG der Auftrag erteilt, eine entsprechende Vertretungsvollmacht binnen 14 Tagen nach Zustellung des Schreibens vorzulegen.

Diese wurde mit Fax vom 29. März 2006 übermittelt.

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 82 Abs.1 FPG hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005

angehalten wird oder wurde, oder

wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Der Beschwerdeführer wurde von 5. Jänner 2006 bis zu seiner Abschiebung am 17. Jänner 2006 in Schubhaft angehalten, damit ist er zur Einbringung der Schubhaftbeschwerde legitimiert.

3.2. Gemäß § 76 Abs.2 FPG 2005 kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft u.a. zum Zweck zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn gemäß Z1 gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 Asylgesetz 2005) erlassen wurde. Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer nach Zurückweisung seines Asylantrags nach Polen ausgewiesen. In diesem Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gem. § 64 Abs.2 AVG ausgeschlossen. Gegen ihn liegt also eine durchsetzbare Ausweisung iSd Z1 des § 76 Abs.2 FPG vor.

Das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung alleine rechtfertigt jedoch noch nicht die Verhängung der Schubhaft. Die belangte Behörde hat zwar auch auf die Mittellosigkeit, das Fehlen eines polizeilich gemeldeten Wohnsitzes in Österreich - abgesehen von der im Asylzulassungsverfahren zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft in der Erstaufnahmestelle West - auf das Fehlen eines Nachweises der Identität des Beschwerdeführers, auf sein bisheriges Verhalten im Bundesgebiet bzw. im Schengengebiet und auf eine fehlende Ausreisewilligkeit abgestellt, sie hat aber bei der Schubhaftverhängung in keinster Weise berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer mit seiner Gattin und seinen beiden Kindern nach Österreich eingereist war und hier im Familienverbund mit diesen aufhältig war.

Der Beschwerde ist im Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes beizupflichten, dass die belangte Behörde bei Verhängung der Schubhaft auch auf diese konkrete familiäre Situation des Beschwerdeführers eingehen hätte müssen. Die Beschwerde weist zu Recht auf das VfGH-Erkenntnis vom 28. September 2004, B292/04, hin, wonach der Verfassungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Verfahren ausgeführt hat, dass bloß allgemeine Annahmen nicht genügen würden, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen sei. Der Umstand, dass ein A. bereits in einem anderen Land die Gewährung von Asyl beantragt habe, rechtfertige nicht den Schluss, dass er "unrechtmäßig" in einen anderen Schengenstaat weiterziehen und sich so dem Verfahren entziehen werde. Eine Auseinandersetzung mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers sei notwendig; insbesondere sei eine nachvollziehbare Begründung dahingehend erforderlich, weshalb eine Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie durch die Inschubhaftnahme erfolgt sei. Durch die Unterlassung der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Lichte des Art. 2 Abs.1 Z7 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (Pers-FRSchG 1988) sei der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit verletzt worden.

Im konkreten Verfahren lässt der angefochtene Bescheid eine nachvollziehbare Begründung bzw. jede Begründung dahingehend vermissen, weshalb eine Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie erforderlich gewesen ist. Dieser Mangel konnte auch vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht behoben werden, weil sich aus dem vorgelegten Akt für diese (Prognose-)Entscheidung der belangten Behörde, die auf den Sachverhalt im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung abstellt, keine Anhaltspunkte ergeben. Das Vorbringen in der Gegenschrift, die Gattin sei mit den beiden Kindern am Tag nach der Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer in die Illegalität abgetaucht, kann - weil sich dies nachträglich ereignet hat - kein entscheidungsrelevanter Sachverhalt für die Inschubhaftnahme sein.

Bereits aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig.

Ein weiteres Eingehen auf die Ausführung der Beschwerde erübrigt sich daher.

4. In dem als "Schubhaftbeschwerde" titulierten Schreiben vom 14. Februar 2006 wurde auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung begehrt. Dieses Vorbringen zielt auf die Prüfung der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abschiebung im Auftrag des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck ab.

4.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG 1991 entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehls mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl. u.a. VwGH 14.12.1993, 93/05/0191).

Nach der neuen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Abschiebung nach dem § 36 FrG 1992 nicht eine bloß tatsächliche Maßnahme der Vollstreckung vorangegangener Bescheide, sondern als selbständige Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen (vgl. VwGH 23.9.1994, 94/02/0139; VwGH 24.2.1995, 94/02/0410; VwGH 8.9.1995, 95/02/0197; VwGH 17.11.1995, 95/02/0217; anders der VfGH in den Erkenntnissen vom 1.10.1994, B75/94 und vom 28.11.1994, B178/94). Hingegen war nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Abschiebung nach § 13 FrPolG eine bloße Vollstreckungsmaßnahme und keine anfechtbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl. VwGH 14.4.1993, 93/18/0062, 93/18/0108 und 93/18/0113; VwGH 11.11.1993, 93/18/0456; VwGH 22.4.1994, 94/02/0009; VwGH 30.5.1995, 92/18/0275). Zuletzt hat auch der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass die Abschiebung iSd § 56 FrG 1997 als bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angesehen werden könne (VfGH 29.9.2005; Zl. B1324/04).

Die Abschiebung ist als Einheit aufzufassen, die auf den Endzweck gerichtet ist, den Fremden zum Verlassen des Bundesgebietes zu veranlassen, gleichgültig wo sich die Einzelelemente ereignen. Diese gehen alle auf den Willen der die Abschiebung veranlassenden Fremdenpolizeibehörde zurück. Daraus folgt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur jener unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen örtlichen Wirkungsbereich die Abschiebung beginnt. Solange es nur um die Abschiebung selbst und nicht auch davon losgelöste selbständige Maßnahmen geht, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Abschiebung im Gebiet eines anderen Landes stehen, bleibe für die Zuständigkeit eines anderen unabhängigen Verwaltungssenates kein rechtlicher Raum (vgl. VwGH 29.9.1994, 94/02/0139).

Die Abschiebung im § 46 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 2005 unterscheidet sich kaum von der Vorgängerbestimmung des § 56 Abs.1 FrG 1997. Die oben angeführte Judikatur ist daher übertragbar. Die im gegenständlichen Fall rechtzeitig gegen die Abschiebung vom 17. Jänner 2006 eingebrachte Maßnahmenbeschwerde ist daher zulässig.

4.2. Gemäß dem § 46 Abs.1 FPG können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung (auch §§ 53, 54 und 10 Asylgesetz) durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise (§ 67, § 10 Asylgesetz) nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder

4. sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 5. Jänner 2006, Zl. 0521.717, zurückgewiesen, den Beschwerdeführer nach P. ausgewiesen und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs.2 AVG ausgeschlossen hat.

4.3. Das Asylgesetz 2005 ist am 1. Jänner 2006 in Kraft getreten und auf den vorliegenden Fall vollinhaltlich anzuwenden (vgl. die Übergangsbestimmung im § 75 Asylgesetz 2005).

§ 12 Abs.1 Asylgesetz 2005 regelt den faktischen Abschiebeschutz. Nach seinem Abs.1 kann ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gem. § 24 Abs.2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist geduldet. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt; § 36 Abs.4 gilt.

Gemäß § 36 Abs.4 Asylgesetz 2005 ist die Ausweisung durchsetzbar, wenn einer Berufung gegen eine Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zukommt. Mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen, bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Berufungsvorlage zuzuwarten. Der unabhängige Bundesasylsenat hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der Berufungsvorlage und der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

Gemäß § 36 Abs.1 kommt einer Berufung gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag zurückgewiesen wird, aufschiebende Wirkung nicht zu. Einer Berufung gegen eine mit einer solchen Entscheidung verbundenen Ausweisung kommt aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie vom unabhängigen Bundesasylsenat zuerkannt wird.

Wie bereits in einem ähnlich gelagerten Verfahren im Erkenntnis VwSen-420456/7/WEI/An vom 31. März 2006 ausgeführt wurde, bedeutet "Durchsetzbarkeit" iSd § 36 Abs.4 Asylgesetz 2005 noch keine unmittelbare Durchsetzbarkeit im herkömmlichen Sinne einer Vollstreckbarkeit des Bescheides nach § 36 Abs.1 Asylgesetz 2005, weil dafür der Eintritt von weiteren gesetzlichen Bedingungen erforderlich ist. Erst mit dem ungenützten Ablauf der angeführten Fristen tritt auch die Vollstreckbarkeit und damit die Zulässigkeit der Umsetzung der Ausweisung durch Abschiebung ein.

Im Hinblick auf den faktischen Abschiebeschutz des Beschwerdeführers nach § 12 Abs.1 Asylgesetz 2005 hätte die belangte Behörde mit der Abschiebung gem. § 36 Abs.4 Asylgesetz 2005 iVm § 1 Abs.2 FPG jedenfalls noch bis zum Ablauf des siebten Tages ab Berufungsvorlage beim UBAS am 25. Jänner 2006 und damit bis zum Ablauf des 1. Februar 2006 zuwarten müssen.

Der Beschwerdeführer hätte demnach nicht am 17. Jänner 2006 abgeschoben werden dürfen. Der angefochtene Verwaltungsakt war daher für rechtswidrig zu erklären.

5. Gemäß § 79a Abs.1 AVG idF BGBl. Nr. 471/1995 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Nach § 79a Abs.4 AVG gelten als Aufwendungen gem. Abs.1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat, vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl. II Nr. 334/2003) beträgt der Pauschbetrag für den Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Bf als obsiegende Partei 660,80 Euro.

Im konkreten Fall ist ein Schriftsatzaufwand sowohl für die Schubhaft- als auch für die Maßnahmenbeschwerde in Anschlag zu bringen. Für die gegenständliche Beschwerde ist eine Eingabegebühr in Höhe von 13 Euro und für die Vergebührung der Vollmacht, als Beilage zur Beschwerde, 3,60 Euro zu entrichten.

Beim gegenständlichen Ergebnis war der Bund, für den die belangte Fremdenpolizeibehörde tätig geworden ist, antragsgemäß zum Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Bf und der von ihm zu entrichtenden Stempelgebühren, insgesamt daher zum Ersatz von Verfahrenskosten für die Schubhaftbeschwerde und die Maßnahmenbeschwerde in Höhe von 1338,20 Euro zu verpflichten.

Analog dem § 59 Abs.4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von zwei Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl. Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl zur RV, 130 BlgNR 19.GP 14 f).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorsehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 31.08.2006, Zl.: 2006/21/0174-3

 

 

 

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