Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400781/6/WEI/Da

Linz, 25.04.2006

VwSen-400781/6/WEI/Da Linz, am 25. April 2006

DVR.0690392

B E S C H L U S S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Beschwerde des A S, angeblich Staatsangehöriger von Sierra Leone, dzt. Strafhaft in Justizanstalt Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 56, 4910 Ried im Innkreis, wegen Schubhaft den Beschluss gefasst:

  1. Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
  2. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis) den Verfahrensaufwand in Höhe von 271,80 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs 1, 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm §§ 67c Abs 3 und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

B e g r ü n d u n g:

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Ried im Innkreis vom 1. März 2006, Zl. Sich 41-245-2005, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 157/2005) zur Sicherung der Abschiebung nach Beendigung der gerichtlichen Anhaltung (Strafhaft), die Schubhaft angeordnet.

In der Begründung des Schubhaftbescheides wird zum Sachverhalt ausgeführt, dass der Bf am 3. September 2003 ohne Reisepass per LKW von Italien nach Österreich kam und noch an diesem Tag in Wien um Asyl ansuchte. Das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, habe den Asylantrag mit Bescheid vom 6. April 2004, Zl. 03 26.688 BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 leg.cit. die Abschiebung nach Sierra Leone für zulässig erklärt. Dieser Bescheid sei mit 30. April 2004 in Rechtskraft erwachsen, womit die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz erloschen sei. Der Aufenthalt des Bf sei seither als nicht rechtmäßig einzustufen.

Bereits kurz nach seiner Einreise sei der Bf am 12. Oktober 2003 von Kriminalbeamten festgenommen und wegen des Verdachts des Suchtmittelhandels zur Anzeige gebracht worden.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 14. November 2005, Zl. 061 EHv 120/03t, sei der Bf wegen §§ 27 Abs 1 und 2 Z 2 SMG und 15 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, davon 6 Monate bedingt, verurteilt worden. Auf Grund dieser Verurteilung habe die BPD Wien mit Bescheid vom 31. März 2004, Zl. III-1144559/FrB/04, ein auf die Dauer von zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, das ebenfalls rechtskräftig geworden sei. In der Folge sei der Bf erneut straffällig geworden und rechtskräftig verurteilt worden. Am 28. Jänner 2005 sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu Zl. 142 Hv 242/04f, wegen §§ 15, 269 Abs 1 Fall 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden, wobei 6 Monate bedingt auf 3 Jahre nachgesehen wurden. Mit Urteil vom 6. Dezember 2005, Zl. 061 Hv 182/05p, habe ihn das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 27 Abs 1 und 2 Z 2 1. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt.

Die BPD Wien habe auf Grund der zuletzt genannten Verurteilungen mit Bescheid vom 4. Jänner 2006, Zl. III-1.144.59-FrB/06, über den Bf ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt. Da der Bf Berufung erhoben habe, sei noch keine Rechtskraft eingetreten, jedoch sei das Aufenthaltsverbot zufolge Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durchsetzbar.

Der am 14. Juni 2005 eingebrachte weitere Asylantrag sei vom Bundesasylamt, EASt Ost, am 9. August 2005 rechtskräftig gemäß § 68 AVG zurückgewiesen worden.

Der Bf sei im Stand der Strafhaft von der Justizanstalt Wien-Josefsstadt in die Justizanstalt Ried im Innkreis überstellt worden, wobei das vorläufige Strafende mit 7. Februar 2007 errechnet worden sei.

Die belangte Behörde führt ferner an, dass der Bf in Österreich weder familiäre, noch berufliche Bindungen habe und auch nicht im Besitz von Barmitteln sei. An der letzten Adresse in (Unterkunftgeber SOS Mitmensch) sei er per 2. August 2005 abgemeldet worden.

Bei Gesamtbetrachtung des Sachverhalts bestünde ernsthaft die Gefahr, dass sich der Bf mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung dem behördlichen Zugriff entziehen und die fremdenpolizeilichen Maßnahmen vereiteln oder wesentlich erschweren würde. Der Zweck der Schubhaft könne nicht durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden, weil zu befürchten sei, dass der Bf untertauchen und erneut straffällig werden werde. Dabei verweist die belangte Behörde auf die Mittellosigkeit, den fehlenden festen Wohnsitz sowie die mangelnden beruflichen und sozialen Anknüpfungspunkte.

Die Abschiebung des Bf sei aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 46 Abs 1 Z 1 FPG dringend geboten. Da der Bf bisher Österreich nicht verlassen habe, seine Identität ungeklärt sei und er über keine Reisedokumente verfüge, sei zu befürchten, dass er weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen werde (Hinweis auf § 46 Abs 1 Z 3 FPG).

2. Gegen die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach Beendigung der Strafhaft hat der Bf die in englischer Sprache verfasste Eingabe ("APPEAL AGAINST DETENTION DECISION") vom 20. März 2006 bei der belangten Behörde eingebracht. Diese ging von einer Schubhaftbeschwerde aus, legte in der Folge mit Schreiben vom 22. März 2006 die bezughabenden Verwaltungsakten vor. Sie trat der Eingabe entgegen und beantragte die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen.

Der Oö. Verwaltungssenat erteilte dem Bf mit Schreiben vom 24. März 2006 einen Verbesserungsauftrag und stellte ihm eine Ablichtung seiner Eingabe zum Zwecke der Verbesserung durch Übersetzung und Wiedereinbringung in deutscher Sprache binnen 1 Woche zu. Mit Schreiben vom 5. April 2006 brachte er unter dem "Betreff: Berufung gegen den erlassenen Schubhaftbescheid" eine weitere Eingabe in gebrochenem Deutsch ein. Darin entschuldigt er sich zunächst für seine Straftaten und wendet sich dann sinngemäß gegen die beabsichtigte Abschiebung nach Sierra Leone, wo es nach mehr als zehn Jahren Bürgerkrieg noch keine Besserung gebe. Der Verstoß gegen Menschenrecht sei bis heute an der Tagesordnung. Er wäre deshalb nach Österreich gekommen, um Schutz und Sicherheit im Sinne der Genfer Konvention zu finden. Die Abschiebung nach Sierra Leone wäre auch das Ende seines Lebens, weil ihn dort die Todesstrafe wegen des Verkaufs von Drogen im Ausland drohte. Wegen der schrecklichen Situation in Sierra Leone befänden sich dort auch Friedenstruppen der Vereinten Nationen. Nach einem UNO-Bericht sei dieses Land eines der unsichersten und ärmsten Länder der Welt. Die Lebenserwartung läge unter fünfzig Jahren. Dies sei ein sehr hässliches Bild von der Situation dieses Landes. Deshalb berufe der Bf gegen die Absicht, ihn nach Sierra Leone abzuschieben.

3. Der Oö. Verwaltungssenat verweist zum maßgeblichen Sachverhalt auf die Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Schubhaftbescheid. Nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht, mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde.

Nach § 83 Abs 4 FPG hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

4.2. Im vorliegenden Fall wollte der Bf nach eigenen Angaben eine Berufung gegen den Schubhaftbescheid der belangten Behörde einbringen, weil er die beabsichtigte Abschiebung nach Sierra Leone wegen der ihm dort angeblich drohenden Todesstrafe und der sonstigen menschenunwürdigen Zustände für unzulässig hält.

Eine Berufung gegen den Schubhaftbescheid ist nach § 9 Abs 2 FPG nicht zulässig. Die Eingabe des Bf könnte allenfalls auch als Beschwerde iSd § 82 Abs 1 FPG gedeutet werden. Mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids ist nach dem § 82 Abs 1 Z 3 FPG die Beschwerde auch dann möglich, wenn die Schubhaft angeordnet wurde. Dass damit das bisherige Konzept der Haftprüfungsbeschwerde (habeas-corpus-Verfahren iSd Art 5 Abs 4 EMRK) verlassen werden sollte, ist den Materialien aber eher nicht zu entnehmen (vgl dazu RV 952 BlgNR 22. GP, 106 und den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten, 1055 BlgNR 22. GP, 6, wo von "terminologische Anpassung" die Rede ist).

Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, dass der Bf noch die Zeit bis 7. Februar 2007 in Strafhaft verbringen wird. Die Schubhaft kann erst danach vollzogen werden. Da der Schubhaftbescheid erst mit der Entlassung aus der Strafhaft wirksam wird, scheint eine Schubhaftbeschwerde derzeit noch nicht zulässig. Wie oben bereits erwähnt, ist auch eine Berufung gegen den Schubhaftbescheid nicht zulässig. Abgesehen von der Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels wären die vom Bf aufgeworfenen Fragen nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kein Gegenstand eines Schubhaftbeschwerdeverfahrens. Vielmehr ist zur Prüfung des Refoulementverbots das asylbehördliche Verfahren bzw das Verfahren nach § 51 FPG betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat vorgesehen.

4.3. Außerdem steht nach der Aktenlage fest, dass der Bf zuletzt am 7. November 2005 wegen des Verdachts des Suchtmittelhandels offenbar in Wien festgenommen und in der Folge gegen ihn ein gerichtliches Strafverfahren durchgeführt wurde, das mit einer Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am 6. Dezember 2005 zu Zl. 061 Hv 182/05p, endete. Aus der Strafzeitberechnung der Justizanstalt Wien-Josefsstadt geht die Anrechnung der Vorhaft nach der StPO vom 7. November 2005, 14.45 Uhr, bis 6. Dezember um 12.25 Uhr hervor.

Damit steht auch fest, dass der Bf weder in Oberösterreich, noch auf der Grundlage des Fremdenrechts festgenommen wurde. Er wird lediglich in der Justizanstalt Ried im Innkreis in Strafhaft angehalten, weil er am 20. Dezember 2005 von Wien-Josefsstadt überstellt worden war.

Der Bf wurde demnach auch nicht im Sprengel des Oö. Verwaltungssenats festgenommen. Dessen Zuständigkeit iSd § 83 Abs 1 FPG kommt daher nicht in Betracht. Die Beschwerde war daher nach § 67c Abs 3 AVG mangels Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenats als unzulässig zurückzuweisen.

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG).

Beim gegenständlichen Verfahrensergebnis war dem Bund als den zuständigen Rechtsträger auf Antrag der belangten Behörde der Vorlage- und Schriftsatzaufwand (51,50 und 220,30 Euro) der belangten Behörde nach den Pauschbeträgen der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl II Nr. 334/2003) und damit ein Verfahrensaufwand in Höhe von insgesamt 271,80 Euro zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren in Höhe von 13 Euro für die Beschwerde (Eingabengebühr) angefallen.

Dr. W e i ß

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