Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400783/4/Gf/Ga

Linz, 30.03.2006

VwSen-400783/4/Gf/Ga Linz, am 30. März 2006

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde der A D, dzt. Polizeianhaltezentrum Linz, vertreten durch RA Dr. E, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

  1. Die Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft seit dem 27. März 2006, 13.45 Uhr, wird als rechtswidrig erklärt.

  2. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat der Beschwerdeführerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution Kosten in Höhe von insgesamt 660,80 Euro zu ersetzen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von S und M, ist am 17. März 2006 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Asylantrag gestellt.

Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 23. März 2006, Zl. 0603.119, wurde ihr gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 des Asylgesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG), mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihren Asylantrag zurückzuweisen.

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 27. März 2006, Zl. Sich40-1541-2006, wurde über die Rechtsmittelwerberin gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 157/2005 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ Linz sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass sie einerseits weder über einen Identitätsnachweis noch über gültige Reisedokumente sowie andererseits weder über familiäre Bindungen noch einen Wohnsitz noch über die für einen Aufenthalt erforderlichen finanziellen Mittel verfüge und sie sich - zumal sie sich am 23. März 2006 unrechtmäßig aus der ihr im Zuge der Bundesbetreuung zur Verfügung gestellten Unterkunft entfernt habe - im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung nicht freiwillig der Fremdenpolizeibehörde zur Verfügung halten werde.

1.3. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie mit der Auflage aus der Bundesbetreuung entlassen worden sei, sich dort täglich zu melden. Diesem Auftrag habe sie auch jeweils entsprochen, mit Ausnahme samstags und sonntags, weil sie davon ausgegangen sei, dass am Wochenende dort kein Dienstbetrieb sei. Als sie sich am folgenden Montag wieder gemeldet habe, sei sie sofort in Schubhaft genommen worden.

Im Übrigen werde sie von einem Bekannten in St. T am B versorgt, dessen ihr schon vom Kosovo her bekannten Sohn sie zu ehelichen beabsichtigt.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Anhaltung in Schubhaft beantragt.

1.4. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der wegen massiven Verstößen gegen die internationale und die österreichische Rechtsordnung sowie wegen der Unmöglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

2. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Nach § 82 Abs. 1 Z. 3 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft angeordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme, der Anhaltung oder des Schubhaftbescheides anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG kann die Behörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 AsylG ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz - d.i. gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen - bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstandslosigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen, wenn gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde. Ein Ausweisungsverfahren gilt nach § 27 Abs. 1 AsylG als eingeleitet, wenn im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe dahin, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder abzuweisen, erfolgt und das Verfahren vor dem UBAS einzustellen sowie die Entscheidung des Bundesasylamtes mit einer Ausweisung verbunden war. Darüber hinaus ist ein Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs. 2 und 3 AsylG auch einzuleiten, wenn die bisherigen Ermittlungen die Annahme rechtfertigen, dass der Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder abzuweisen sein wird und ein besonderes öffentliches Interesse an einer beschleunigten Durchführung des Verfahrens besteht.

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

2.2. Im vorliegenden Fall hat zwar das Bundesasylamt der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. März 2006, Zl. 0603.119, gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihren Asylantrag zurückzuweisen, weil seit demselben Tag Dublin-Konsultationen mit den Staaten U und S, über die die Rechtsmittelwerberin vermeintlich in das Bundesgebiet eingereist ist, geführt werden.

Eine auf Einstellung lautende Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates -wie dies § 27 Abs. 1 AsylG als zusätzliche Voraussetzung fordert - lag jedoch ebenso wenig vor wie ein besonderes öffentliches Interesse an einer beschleunigten Durchführung des Verfahrens i.S.d. § 27 Abs. 2 und 3 AsylG; Letzteres geht weder aus dem vorgelegten Akt hervor noch wurde Derartiges von der belangten Behörde im Schubhaftbescheid oder in ihrer Gegenschrift behauptet.

Im Ergebnis war damit aber jedenfalls zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme der Rechtsmittelwerberin kein Ausweisungsverfahren i.S.d. § 27 AsylG eingeleitet.

Die explizit auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützte Anordnung der Schubhaft erweist sich daher schon aus diesem Grund als rechtswidrig, ohne dass gesondert geprüft werden musste, ob die bloße Nichtmeldung der Beschwerdeführerin am Wochenende tatsächlich als ein "Untertauchen in der Anonymität" zu qualifizieren ist, das eine Schubhaftverhängung anstelle der weiteren Anwendung gelinderer Mittel rechtfertigt.

Ob allenfalls sonstige Gründe für eine Anhaltung der Rechtsmittelwerberin gegeben sind, hatte der Oö. Verwaltungssenat, dem insoweit nicht die Funktion einer Administrativbehörde, sondern lediglich eine solche als Haftprüfungsinstanz zukommt, hingegen im Rahmen einer Beschwerde gemäß § 82 FPG nicht zu untersuchen; vielmehr hat dies die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.

2.3. Im Ergebnis war daher der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 83 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben und die Anhaltung der Rechtsmittelwerberin in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

3. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der Beschwerdeführerin gemäß § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 1 und 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der Aufwandsersatzverordnung, BGBl.Nr. II 334/2003, antragsgemäß Kosten in Höhe von 660,80 Euro zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 16,60 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. G r o f

Beachte: 

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 30.08.2007, Zl.: 2006/21/0101-6

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