Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400785/4/SR/Ri

Linz, 03.04.2006

VwSen-400785/4/SR/Ri Linz, am 3. April 2006

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des A T, geb. am, Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, dzt. Polizeianhaltezentrum Linz, vertreten durch Mag. D M, p/A C der D L, Hstraße, L, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als der gegen den Beschwerdeführer am 22. März 2006 erlassene Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab dem 22. März 2006 für rechtswidrig erklärt werden.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, ist am 15. März 2006 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren wurde dem Bf am 22. März 2006 vom Bundesasylamt, EAST-West gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 des Asylgesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG), mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz vom 15. März 2006, Zl. 0603.035 zurückzuweisen.

1.2. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 22. März 2006, Zl. Sich40-1548-2006, wurde über den Bf zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ Linz sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf - abgesehen von einer in Österreich lebenden Schwester - familiäre Bezugspunkte weder nachgewiesen habe noch solche geltend machen könne. Abseits der ihm anlässlich der Einbringung seines Antrages auf internationalen Schutz zunächst zur Verfügung gestellten bundesbetreuten Unterkunft verfüge der Bf über keinen polizeilich gemeldeten Wohnsitz im Bundesgebiet und sei völlig mittellos. Darüber hinaus sei er nicht im Besitz eines Nationalreisedokumentes oder eines anderweitigen Identitätsdokuments und demzufolge gelte seine Identität als nicht gesichert. Auf Grund des geschilderten Sachverhaltes und seines bisher gezeigten Verhaltens im Bundesgebiet sei zu befürchten, dass er sich dem weiteren Zugriff der Behörde entziehen werde. In der Vergangenheit habe er infolge mehrerer illegaler Grenzübergänge zwischen Serbien und Montenegro und Österreich zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich in keinster Weise gewillt sei, die Rechtsordnungen der Gastländer im Bereich des Fremdenrechtes zu respektieren. Im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung erscheine der belangten Behörde die Annahme gerechtfertigt, dass der Bf noch vor Abschluss seines Asyl- und Ausweisungsverfahrens versuchen werde, sich durch ein Abtauchen in die Illegalität einem weiteren Zugriff durch die Fremdenpolizeibehörde zu entziehen.

1.3. Dagegen bringt der Bf vor, dass er sich seit seiner Einreise in Österreich nie dem Verfahren entzogen hätte, in der ihm zugewiesenen Erstaufnahmestelle verblieben und den Behörden zur Befragung zur Verfügung gestanden sei. Entgegen der Annahme der Behörde habe er zahlreiche familiäre Bezugspunkte in Österreich. Seine Schwester L L und sein Schwager I L seien österreichische Staatsbürger, leben in A, Wstraße (Tel:) und sein Cousin Z K halte sich als Asylwerber in Wien (Tel:) auf. Der Schwager würde ihn nach Zulassung des Verfahrens bei sich aufnehmen, Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung stellen. Seine Identität könne derzeit zwar nicht durch Dokumente jedoch durch Zeugenaussagen der Verwandten belegt werden. Die Identität sei im Asylverfahren nie in Frage gestellt worden. Da er weder in Slowenien noch in Ungarn registriert worden sei, wäre mit der Zulassung im Asylverfahren in Österreich zu rechnen. Im "Bundesgebiet habe er kein sonstiges Verhalten gesetzt", dass die Annahme - er würde sich dem Verfahren entziehen - rechtfertigen würde. Bei ordnungsgemäßer Ermittlungstätigkeit und richtiger Sachverhaltsfeststellung hätte die belangte Behörde von einer Inhaftnahme Abstand genommen.

1.4. Die belangte Behörde hat den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde beantragt wird.

2. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 157/2005 (im Folgenden: FPG), hat (nur) ein Fremder, der unter Berufung auf das FPG festgenommen wurde oder angehalten wird bzw. gegen den die Schubhaft angeordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme, der Anhaltung oder des Schubhaftbescheides anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die Behörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 AsylG ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz - d.i. gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen - bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstandslosigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen.

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

Nach § 2 Abs. 1 des Grundversorgungsgesetzes-Bund, BGBl. Nr. 405/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 100/2005 (im Folgenden: GVG-B), gewährt der Bund den Asylwerbern im Zulassungsverfahren sowie Fremden, deren Asylantrag zurück- oder abgewiesen wurde, solange eine Versorgung in einer Betreuungseinrichtung, bis diese das Bundesgebiet verlassen.

2.2. Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt dem Bf mit Schreiben vom 22. März 2006, Zl. 06 03.035 gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag zurückzuweisen, weil seit demselben Tag Dublin-Konsultationen mit den Staaten Ungarn und Slowenien, über die der Rechtsmittelwerber in das Bundesgebiet eingereist ist, geführt werden.

Diese Mitteilung verkörpert jedoch noch keinen das Verfahren abschließenden Bescheid, sondern bloß eine - eine vorläufige, in eine bestimmte Richtung deutende Rechtsmeinung dieser Behörde zum Ausdruck bringende - Verfahrensanordnung (so explizit § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG).

Der Bf ist daher (zumindest bis dato) als Asylwerber i.S.d. § 1 Z. 1 GVG-B zu qualifizieren (arg. "über dessen Zulässigkeit noch nicht entschieden ist"), sodass ihm - weil sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt für einen Ausnahmefall des § 3 Abs. 1 GVG-B keine Anhaltspunkte ergeben - ex lege ein Anspruch auf Versorgung nach § 2 Abs. 1 GVG-B zukommt.

2.3. Davon ausgehend konnte die belangte Behörde im gegenständlichen Fall die Anordnung der Schubhaft zwar grundsätzlich auf § 76 Abs. 2 Z. 2 und/oder Z. 4 FPG stützen.

Zuvor wäre jedoch zu prüfen gewesen, ob nicht gelindere Mittel i.S.d. § 77 Abs. 1 FPG hätten angewendet werden können (vgl. dazu VwGH vom 8. September 2005, 2005/21/0301).

Dies ist hier im Ergebnis deshalb zu bejahen, weil auf eine Unterbringung in der Bundesbetreuung grundsätzlich ein Rechtsanspruch besteht (vgl. auch Diehsbacher, Bundesbetreuungsrecht, Wien 2005, 19 ff), der Bf bereits seit dem 15. März 2006 bis zur Schubhaftverlängerung in Betreuungsstellen des Bundes (15.03. bis 17.03.2006 in der Betreuungsstelle Traiskirchen und anschließend in der Betreuungsstelle Thalham - Verlegung "Spitzenausgleich") untergebracht war und vor dem Ergreifen einer derartigen gelinderen Maßnahme einem Fremden nicht a priori unterstellt werden kann, dass er eine derartige Anordnung in der Folge dazu nützen wird, in der Anonymität unterzutauchen.

Die belangte Behörde hat, wie es scheint, sich bei ihrem Handeln - wenn auch nicht explizit schriftlich ausgeführt - von dieser Annahme leiten lassen und dem Bf allgemein unterstellt, dass er, sollte er in Freiheit verbleiben, im Anschluss an die Anordnung untertauchen werde. Im Schubhaftbescheid wird zwar in erster Linie auf das "bisher gezeigte Verhalten des Bf im Bundesgebiet" abgestellt und dieses u.a. zur Begründung der Schubhaft herangezogen. Die Aktenlage zeigt aber eindeutig auf, dass sich der Bf im Bundesgebiet rechtskonform verhalten und keinen Anlass zu einer solchen Annahme gegeben hat. Bedenklich erscheint, dass die Nichtvornahme der Antragstellung auf internationalen Schutz in Ungarn oder Slowenien und die illegalen Grenzübertritte zwischen Serbien/Montenegro und Österreich zur Begründung eines konkreten Sicherungsbedarfes in Österreich herangezogen werden und somit aus dem Fluchtweg des Bf, dem derzeit unbestritten der Status eines Asylwerbers zukommt, abgeleitet wird, dass dieser nicht gewillt sei, die Rechtsordnungen der Gastländer - vermutlich somit auch jene von Österreich - zu respektieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301, zu § 66 FrG 1997 ausgeführt, dass allein der Umstand eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung die Behörde noch nicht zur Schubhaftverhängung berechtigt; vielmehr ist stets eine materielle Prüfung dahin, ob - z.B. wegen mangelnder beruflicher oder sozialer Verankerung des Fremden im Inland - ein konkreter Sicherungsbedarf besteht, durchzuführen.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist hier kein konkreter Sicherungsbedarf zu erkennen. So ist auch dem Asylverfahren nicht zu entnehmen, dass das Bundesasylamt den fehlenden Identitätsnachweis in Form von Dokumenten problematisiert hätte.

Die Wahrscheinlichkeit des Untertauchens in die Anonymität rechtfertigt eine Ermessensausübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahmen zu verhängen (VwGH vom 23.3.1999, 98/02/0309).

Von einer solchen Wahrscheinlichkeit kann derzeit im gegenständlichen Fall aber nicht gesprochen werden. Der Bf. ist ein Asylwerber, dessen Zulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und der bis zu seiner Festnahme am 22. März 2006 in Betreuungseinrichtungen versorgt wurde.

2.4. iHinbl

 

 

 

Im Ergebnis war daher der Beschwerde gemäß § 83 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG stattzugeben, der gegenständliche Schubhaftbescheid sowie die darauf beruhende Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

3. Mangels eines entsprechenden Antrages waren keine Kosten zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Mag. Stierschneider

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