Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400787/2/BMa/Ri

Linz, 28.04.2006

 

 

 

VwSen-400787/2/BMa/Ri Linz, am 28. April 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bergmayr-Mann über die Beschwerde des F J, Staatsangehöriger von Sierra Leone, alias U J E, Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Schubhaftbescheid des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. vom 24. Oktober 2005, Sich41-132-2005, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben; der Bescheid wegen Verhängung einer Schubhaft nach Beendigung der gerichtlichen Anhaltung (Strafhaft) zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung wird aufgehoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs.1, 83 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, (im Folgenden: FPG) iVm § 67c und § 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 (im Folgenden: AVG)

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Der unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der vorliegenden Beschwerde von folgendem Sachverhalt aus:

Frank John ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft. Er hat nach eigenen Angaben Sierra Leone im Jahre 1999 verlassen und ist nach Belgien gereist. Obwohl sein Asylantrag in Belgien abgelehnt wurde, wurde ihm ein belgischer Aufenthaltstitel ausgestellt. Die Stadt Antwerpen erteilte ihm zuletzt eine bis 8. Oktober 2005 befristete Aufenthaltsberechtigung. Am 10. Juni 2005 wurde Frank John beim Autobahnparkplatz Ansfelden/Süd wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Suchtgiftschmuggels festgenommen. Er hat lediglich seinen belgischen Aufenthaltstitel, aber kein Reisedokument mitgeführt.

Wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt und befindet sich derzeit in Strafhaft. Das vorläufige Strafende ist mit 10. Juni 2007 errechnet.

Die Fremdenpolizeibehörde konnte ermitteln, dass die Fingerabdrücke des Beschwerdeführers in Deutschland mit folgenden Daten einliegen:

U J E, geb. Nigeria. Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde in der BRD am 15.10.1999 abgelehnt. Am 25. April 1999 ist er nach unbekannt verzogen.

Am 24. Oktober 2005 wurde von der belangten Behörde der Schubhaftbescheid zu Sich41-132-2005 erlassen, um nach Beendigung der gerichtlichen Anhaltung (Strafhaft) des Beschwerdeführers das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots und seine Abschiebung zu sichern.

1.2. Zur Begründung des bekämpfen Schubhaftbescheides wurde neben dem festgestellten Sachverhalt, der sich im Wesentlichen mit den Feststellungen dieses Bescheides deckt, angeführt, der Beschwerdeführer habe angegeben, dass sein Name auf FRANK John laute. In Belgien habe man den Familiennamen mit dem Vornamen irrtümlich vertauscht. Er lebe in Antwerpen und habe in Österreich keinen Wohnsitz. Er sei zum ersten Mal nach Österreich eingereist. Im Bundesgebiet habe er keine Angehörigen. Seine Identitätskarte von Sierra Leone befinde sich beim Asylamt in Brüssel. Seine Ehegattin lebe in Sierra Leone, mitunter reise sie nach Nigeria. Nach Strafverbüßung wolle der Beschwerdeführer nach Belgien zurückkehren. Eine Abschiebung nach Sierra Leone käme für ihn nicht in Frage, er würde an einer Hirnerkrankung leiden, die in Afrika nicht ausreichend medizinisch versorgt werden könne. Der Polizeiarzt habe anlässlich seiner Verhaftung festgestellt, dass bei ihm höchstwahrscheinlich eine Psychose, remittiert unter entsprechender Medikation, vorliege. Derzeit erhalte er monatlich eine Depotinjektion eines Neuroleptikums.

Die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest, weil er einerseits in Deutschland und Belgien unterschiedliche Personalien verwendet habe, andererseits aber Dokumente seines Herkunftsstaates nicht vorliegen würden. Er halte sich mangels eines Reisedokumentes nicht rechtmäßig in Österreich auf.

Es bestehe die Gefahr, dass er sich mit Beendigung der gerichtlichen Anhaltung bei einer Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft dem Zugriff der Behörde entziehen und dadurch die fremdenpolizeilichen Maßnahmen verhindern oder wesentlich erschweren werde. Der Zweck der Schubhaft könne durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 66 FrG nicht erreicht werden, weil auf Grund des dargestellten Sachverhaltes zu befürchten sei, dass er sofort untertauchen und erneut straffällig werden würde. Seine Abschiebung sei aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dringend geboten.

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. ebenfalls vom 24. Oktober 2005, Sich41-132-2005, wurde über den Beschwerdeführer auch ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen, das mit Bescheid vom 1. März 2006 vom Sicherheitsdirektor von Oberösterreich bestätigt wurde.

Der bestätigende Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 9. März 2006 in der Justizanstalt Ried i.I. zugestellt.

1.3. Mit Eingabe vom 31. Oktober 2005 hatte der Beschwerdeführer gegen den Schubhaftbescheid vom 24. Oktober 2005 schon einmal Beschwerde erhoben, die vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 11. November 2005 auf der damals geltenden Rechtsgrundlage des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. I 75/1979, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 151/2004 - FrG, als unzulässig zurückgewiesen wurde.

1.4.  Mit Schreiben vom 29. März 2006 wandte sich der Beschwerdeführer abermals gegen seine Anhaltung in Schubhaft nach Beendigung seiner gerichtlichen Strafhaft (gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. vom 24. Oktober 2005, Sich41-132-2005).

Begründend führt er im Wesentlichen aus, er besitze einen Aufenthaltstitel von Belgien, deshalb müssten alle Maßnahmen ergriffen werden, um ihn sofort nach Beendigung seiner gerichtlichen Strafe nach Belgien zurückzuschicken. Er wolle nicht in Österreich wohnen, er beschwere sich, um sofort nach Beendigung seiner Anhaltung in gerichtlichem Vollzug seine Abschiebung nach Belgien zu erreichen.

Ein Kostenbegehren wurde nicht gestellt.

2. Unter Vorlage des Aktes der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. erstattete die belangte Behörde am 4. April 2006 eine Gegenschrift.

2.1. Darin wird im Wesentlichen ergänzend ausgeführt, es werde beantragt, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, weil noch keine Anhaltung nach dem FPG vorliege.

Sollte hingegen § 82 Abs.1 Z3 FPG dahingehend interpretiert werden, dass bereits die bescheidmäßige Anordnung einer später zu vollziehenden Schubhaft materiell bekämpfbar sei, so werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Befürchtung, der Fremde würde sich angesichts der drohenden Abschiebung im Verborgenen halten, sei deshalb gegeben, weil er illegal eingereist sei, sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und über kein Reisedokument verfüge. Der Beschwerdeführer habe keinen gemeldeten festen Wohnsitz in Österreich und besitze sehr geringe Barmittel. Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sei nicht geklärt und es würden berufliche, soziale und familiäre Anknüpfungspunkte im Inland zur Gänze fehlen.

Die vom Fremden begangene Straftat lasse im Hinblick auf den festgestellten Grad an krimineller Energie die Anwendung gelinderer Mittel bzw. die Abstandnahme von der Schubhaft und die Abschiebung keinesfalls geboten erscheinen. Abschließend wurde der Zuspruch des pauschalierten Aufwandersatzes beantragt.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach Erlassung des zurückweisenden Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenats vom 11. November 2005 ist mit 1.1.2006 das Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG) in Kraft getreten, wodurch die Rechtsgrundlage des vorzitierten Erkenntnisses (§ 72 FrG, wonach nur derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wird, das Recht hat, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit dieser Anhaltung anzurufen), durch § 82 FPG geändert wurde.

3.2. Gemäß § 82 Abs.1 FPG hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005

angehalten wird oder wurde oder

3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Der gegenständliche Schubhaftbescheid vom 24. Oktober 2005, der nach dem Fremdengesetz 1997 erlassen wurde, gilt gem. § 125 Abs. 2 FPG ab 1. Jänner 2006 als nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen.

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Schubhaftbescheid vom 24. Oktober 2005 nach der Rechtslage gemäß Fremdenpolizeigesetz 2005 zu beurteilen ist. Demnach ist gemäß § 82 Abs.1 Z3 FPG (nach der neuen Rechtslage) die Schubhaftbeschwerde zulässig, weil gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 80 Abs.1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Gemäß Abs.2 leg. cit. darf die Schubhaft so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Im konkreten Fall wurde die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Beendigung der gerichtlichen Anhaltung erlassen.

Gegen den Bescheid des Sicherheitsdirektors von Oberösterreich, mit dem das unbefristete Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich bestätigt wurde, das vom Bezirkshauptmann Ried/I. erlassen wurde, ist gemäß § 9 Abs.1 Z2 FPG eine weitere Berufung unzulässig. Es steht dem Beschwerdeführer nur mehr das außerordentliche Rechtsmittel einer Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofbeschwerde offen. Dieser zweitinstanzliche Bescheid ist also mit seiner Erlassung am 9. März 2006 in Rechtskraft erwachsen.

Im konkreten Fall besteht damit kein Sicherungsbedarf mehr zur Durchführung eines Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots, womit dieser Titel weggefallen ist.

Wie sich aus dem vorliegenden Akt der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. ergibt, wurden bereits Maßnahmen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet (Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. an die Polizeiinspektion vom 14. März 2006 mit dem Ersuchen Fingerabdruckblätter anzufertigen, um ein Heimreisezertifikat beantragen zu können).

Aus § 80 Abs.1 FPG ergibt sich, dass die Behörde darauf hinzuwirken hat, die Dauer der Schubhaft so kurz wie möglich zu halten. Bis zur voraussichtlichen Haftentlassung aus der gerichtlichen Strafhaft (vorläufiges Strafende 10. Juni 2007) steht der Behörde noch ein Zeitraum von über einem Jahr zur Verfügung, um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer zu erwirken.

Gemäß § 74 Abs.2 Z1 FPG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 Abs.1 vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde erfolgt.

Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus der Strafhaft zur Sicherung seiner Abschiebung festgenommen werden kann und binnen dieser Festnahme, die keinesfalls 48 Stunden überschreiten darf (§ 39 Abs.5 FPG), abzuschieben ist.

Sollte der Zeitraum von mehr als einem Jahr zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (trotz des zu fordernden zügigen Betreibens durch die Behörde) nicht ausreichen oder der Beschwerdeführer vorzeitig aus der Strafhaft entlassen werden, ehe das Heimreisezertifikat erlangt wurde, so wird die Behörde auf Grund des neuen Sachverhalts allenfalls die Möglichkeit haben, einen Schubhaftbescheid zur Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers zu erlassen.

Aus heutiger Sicht und auf Grund des derzeit vorliegenden Sachverhalts besteht für die Aufrechterhaltung des Schubhaftbescheids vom 24. Oktober 2005 aber keine Grundlage, denn die Verhängung einer Schubhaft ist nach dem Telos des Gesetzes ein Mittel für einen konkreten Sicherungsbedarf und nicht für eine möglicherweise künftig eintretende Situation.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Ein Kostenbegehren wurde vom Beschwerdeführer nicht gestellt.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

     

  2. Im gegenständlichen Verfahren ist eine Eingabengebühr in Höhe von 13 Euro angefallen.

Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 30.04.2009, Zl.: 2006/21/0135-9

 

 

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