Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400806/4/WEI/BP/Ps

Linz, 08.08.2006

 

 

 

VwSen-400806/4/WEI/BP/Ps Linz, am 8. August 2006

DVR.0690392

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des J J, geb., m Staatsangehöriger, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, als Jugendwohlfahrtsträger, Hauptstraße 1-5, 4041 Linz, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 14. April 2006, Zl. Sich 40-37765, und Anhaltung in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum (PAZ) der Bundespolizeidirektion Linz durch den Bezirkshauptmann von Linz-Land zu Recht erkannt:

 

 

Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 14. April bis 11. Mai 2006 für rechtswidrig erklärt wird.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert BGBl. I Nr. 99/2006) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger der M, wurde am 14. April 2004 gegen 14.00 Uhr von der Polizei am Parkplatz der API Haid als Insasse im PKW F, Kz., auf der Autobahn A1, Raststation Ansfelden Nord, einer Kontrolle unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass er sich ohne Reisepass in Österreich aufhält und somit illegal nach Österreich eingereist ist. Er besaß keine Barmittel und konnte seine Identität nicht nachweisen. Nach eigenen Angaben bestehen keine familiären Beziehungen zu Österreich beziehungsweise zu einem EU-Land.

 

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14. April 2006 vor der Fremdenpolizei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gab der Bf zu seiner Identität an, "Y T, geboren in U" zu sein.

 

1.2. Am 14. April 2006 wurde über den Bf mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land, Zl. Sich 40-37765, auf der Grundlage des § 76 Abs 1 und 2 FPG iVm § 57 AVG Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung in sein Heimatland beziehungsweise einen anderen EU-Staat angeordnet. Eine Ausfertigung des Schubhaftbescheids übernahm der Bf am 14. April 2006 um 19.30 Uhr persönlich und wurde in der Folge in das PAZ Linz überstellt.

 

Begründend gab die belangte Behörde an, dass aufgrund des festgestellten Sachverhalts die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Bf untertauchen beziehungsweise sich den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entziehen werde, weshalb auch gelindere Mittel auszuschließen gewesen wären.

 

1.3. Am 24. April 2006 stellte der Bf beim BAA Linz einen Asylantrag und stellte dort sowohl seinen Namen als auch sein Geburtsdatum wie folgt richtig: J J, geboren am.

 

Am 3. Mai 2006 wurde der Bf zur Einvernahme im Zulassungsverfahren in die Erstaufnahmestelle West gebracht, wobei seine Angaben bezüglich des Geburtsdatums nicht angezweifelt wurden. In der Folge wurde ihm eine Aufenthaltsberechtigungskarte für die Dauer des Asylverfahrens ausgestellt. Die Rechtsberaterin des Bf im Asylverfahren teilte dem Amt für Soziales, Jugend und Familie des Magistrates der Landeshauptstadt Linz mit, dass mit seiner baldigen Entlassung aus der Schubhaft zu rechnen sei.

 

Am 5. Mai 2006 hat der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land auf seine Zuständigkeit als gesetzlicher Vertreter des mj. Bf hingewiesen und einen Antrag auf Zustellung des Schubhaftbescheides gestellt, dem bis dato noch nicht entsprochen wurde.

 

In der Folge blieb der mj. Bf bis zum 11. Mai 2006 um 14.00 Uhr in Schubhaft, wobei als Begründung für die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme gegenüber der Schubhaftbetreuung angeführt wurde, dass er vor seiner Entlassung einer Befragung durch das Bundeskriminalamt unterzogen werden sollte. Am 11. Mai 2006 folgte schließlich seine Enthaftung, wobei im Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, mit dem die Entlassung aus der Schubhaft angeordnet wurde, Name und Geburtsdatum des Bf gemäß den Angaben im Asylverfahren angeführt wurden.

 

1.4. Mit Schreiben vom 2. Juni 2006 erhob der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, als Jugendwohlfahrtsträger und gesetzlicher Vertreter des Bf Schubhaftbeschwerde und beantragte die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme und der Anhaltung des mj. Bf.

 

Begründend wird ausgeführt, dass die Zustellung des Schubhaftbescheids an den gemäß § 12 Abs 3 FPG noch handlungsunfähigen minderjährigen Bf rechtswidrig und ohne Rechtswirkung erfolgte. Beim gegebenen Sachverhalt sei der Jugendwohlfahrtsträger der Hauptstadt des Bundeslandes ex lege zum gesetzlichen Vertreter des Bf geworden, dem auch zugestellt hätte werden müssen. Weiters wird festgestellt, dass die belangte Behörde zumindest nach Bekanntwerden der Minderjährigkeit des Bf am 24. April 2006 beziehungsweise am 3. Mai 2006 im Asylverfahren und nach Aufforderung durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, vom 5. Mai 2006 den Kontakt mit diesem aufnehmen und die Zustellung des Bescheides an den gesetzlichen Vertreter veranlassen hätte müssen. Es wird der belangten Behörde zwar zugebilligt, dass die niederschriftlichen Angaben des Bf am 14. April 2006 falsch waren, allerdings hätte die belangte Behörde aufgrund des jugendlichen Aussehens und der in diesem Zusammenhang unschlüssigen Angaben des Bf Ermittlungen im Sinne des § 12 Abs 4 FPG einleiten müssen.

 

Schließlich wird zur Anhaltung in Schubhaft nach Zulassung des Asylverfahrens gerügt, dass eine noch ausständige Vorführung vor der Kriminalpolizei nicht zur Sicherung des Verfahrens gemäß § 76 FPG geeignet war. Spätestens mit Asylantragstellung am 24. April 2006 hätte die belangte Behörde schon überprüfen müssen, ob ein gelinderes Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG hätte angewendet werden können.

 

2. Mit Schreiben vom 26. Juni 2006 übermittelte die belangte Behörde Auszüge des Fremdenpolizeiaktes und erstattete eine Gegenschrift, in der sie der Beschwerde entgegen tritt und deren Abweisung beantragt. Darin wird festgehalten, dass die Verhängung der Schubhaft "natürlich rechtlich zulässig" gewesen sei, da der Bf zwar nicht wie über 30, jedoch zumindest im Alter um die 20 Jahren gewirkt hätte und daher von seiner vollen Handlungsfähigkeit auszugehen gewesen wäre. Aufgrund bisheriger Erfahrungen - die Vorspiegelung der Minderjährigkeit sei ein beliebtes Mittel um der Schubhaft zu entgehen - würde die belangte Behörde weiterhin von der Volljährigkeit und damit der Handlungsfähigkeit ausgehen.

 

Beim Bf, der beabsichtigte, nach Schweden zu gelangen, hätte die Gefahr des Untertauchens und des Entziehens vor einer Abschiebung bestanden.

 

Weiters wird angemerkt, dass eine Bescheidzustellung an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, nicht vorgenommen wurde, da der Bescheid bei den Effekten des Bf aufgelegen wäre und jederzeit vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, besorgt hätte werden können. Außerdem beweise die Beschwerde, dass der Bescheidinhalt dem gesetzlichen Vertreter des Bf ohnehin bekannt sei.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

 

  1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder
  3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

Der Bf wurde am 14. April 2006 in Oberösterreich festgenommen und wurde bis 11. Mai 2006 im PAZ Linz für die belangte Behörde in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und Anhaltung in Schubhaft ist zulässig.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 FPG hat die Fremdenbehörde auf § 77 Abs 5 FPG Bedacht zu nehmen und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

4.3. Gemäß § 12 Abs 1 FPG sind minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, im Verfahren handlungsfähig. Sie können zu einer mündlichen Verhandlung einen gesetzlichen Vertreter und eine an der Sache nicht beteiligte Person ihres Vertrauens beiziehen.

 

Gemäß § 12 Abs 2 leg.cit. hat der gesetzliche Vertreter des Fremden nach Abs 1 das Recht,

 

  1. auch gegen den Willen des Minderjährigen Akteneinsicht zu nehmen und zu dessen Gunsten Beweisanträge zu stellen und
  2. innerhalb der einer Partei offen stehenden Frist Rechtsmittel einzulegen, Beschwerden einzubringen und Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen.

 

Nach § 12 Abs 3 FPG können minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und deren Interessen von ihrem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, im eigenen Namen nur Verfahrenshandlungen zu ihrem Vorteil setzen. Gesetzlicher Vertreter wird mit Einleitung eines solchen Verfahrens der Jugendwohlfahrtsträger der Hauptstadt des Bundeslandes, in dem sich der Minderjährige aufhält. Wäre dieselbe Behörde für das fremdenpolizeiliche Verfahren und die Vertretung zuständig, so wird der örtlich nächstgelegene Jugendwohlfahrtsträger gesetzlicher Vertreter.

 

Gemäß § 12 Abs 4 FPG obliegt die Feststellung des Alters eines Fremden der Fremdenpolizeibehörde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens. Zur Klärung des Sachverhaltes kann insbesondere auch ein Amtsarzt hinzugezogen werden. Behauptet ein Fremder, ein bestimmtes Lebensjahr noch nicht vollendet zu haben und daher minderjährig zu sein, so ist - außer im Fall offenkundiger Unrichtigkeit - unverzüglich mit dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger Kontakt aufzunehmen und dieser zu hören. Die Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken, ist von der Fremdenpolizeibehörde im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

 

4.4. Im gegenständlichen Verfahren ist unbestritten, dass die Schubhaft über den Bf verhängt und ihm der diesbezügliche Bescheid am 14. April 2006 persönlich übergeben wurde. § 12 Abs 3 FPG normiert, dass Minderjährige unter 16 Jahren nicht prozessfähig sind. In diesem Sinne ist zu prüfen, ob der Schubhaftbescheid in der Weise zugestellt worden ist, dass er als rechtswirksam erlassen angesehen werden kann. Wie sich im Laufe des Asylverfahrens zeigte und wie auch von der belangten Behörde selbst in der Anordnung der Entlassung des Bf aus der Schubhaft vom 11. Mai 2006 angenommen wurde, kann davon ausgegangen werden, dass der Bf zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Dieser Umstand wird nicht etwa dadurch geändert, dass der Bf bei seiner ersten niederschriftlichen Befragung am 14. April 2006 eine unrichtige Identität und ein falsches Geburtsdatum angab und die belangte Behörde bei der Bescheiderlassung glaubte, von seiner Volljährigkeit ausgehen zu können.

 

Die belangte Behörde hätte auf Grund des jugendlichen Aussehens des Bf (vgl aktenkundiges Lichtbild) die offensichtliche Falschangabe seines Geburtsdatums im Hinblick auf das Doppelte seines tatsächlichen Alters durchaus bezweifeln und die Volljährigkeit des Bf in Frage stellen müssen. § 12 Abs 4 FPG sieht zur Klärung des Alters auch die Hinzuziehung eines Amtsarztes und die Kontaktaufnahme mit dem Jugendwohlfahrtsträger vor. Aufgrund der voreiligen Annahme der Volljährigkeit des Bf unterließ die belangte Behörde sowohl die Hinzuziehung eines Amtsarztes als auch das Einschalten des nach § 12 Abs 3 FPG zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats hat die Fremdenpolizeibehörde im Zweifel den gemäß § 12 Abs 3 FPG zuständigen Jugendwohlfahrtsträger einzuschalten und ihm als gesetzlichen Vertreter den Schubhaftbescheid zuzustellen, um eine Situation zu vermeiden, bei der sich nachträglich herausstellt, dass der Bf noch ein handlungsunfähiger Minderjähriger unter 16 Jahren war, der Verfahrenshandlungen nur zu seinem Vorteil setzen kann.

 

Gemäß § 13 ZustellG hat bei nicht prozessfähigen Personen die Zustellung an den gesetzlichen Vertreter zu erfolgen. Der gegenständliche Bescheid wurde dem Bf persönlich übergeben. Eine Zustellung an den gesetzlichen Vertreter erfolgte auch nachträglich trotz Aufforderung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, nicht. Somit wurde der Schubhaftbescheid nicht erlassen und konnte keine Rechtswirksamkeit entfalten. Die in der Gegenschrift der belangten Behörde vertretene Meinung, dass der belangte Bescheid bei den Effekten des Bf aufgelegen sei und jederzeit vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Amt für Soziales, Jugend und Familie, hätte besorgt werden können, ist nicht geeignet, den rechtlich unwirksamen Bescheid wirksam werden zu lassen. Diese Möglichkeit der Kenntnisnahme kann eine ordnungsgemäße behördliche Zustellung an den gesetzlichen Vertreter nicht ersetzen.

 

Gemäß § 76 Abs 3 FPG kann Schubhaft nur auf Grund eines Bescheides verhängt werden. Da diese Voraussetzung im gegenständlichen Fall nicht erfüllt ist und der bekämpfte Bescheid keine Rechtswirkung entfalten konnte, mangelt es im gegenständlichen Fall der Anhaltung in Schubhaft bereits an einem Titelbescheid iSd § 76 Abs 3 FPG. Dieser Umstand allein führt schon zur Rechtswidrigkeit der tatsächlichen Anhaltung in Schubhaft, ohne dass auf die weiteren Argumente der Beschwerde eingegangen werden müsste.

 

4.5. Der Vollständigkeit halber soll aber im Übrigen angemerkt werden, dass der belangten Behörde nicht nur formale Fehler, sondern auch inhaltliche Fehler unterlaufen sind. Spätestens am 3. Mai 2006, an dem das Asylverfahren des Bf vom BAA EASt West für zugelassen erklärt und dem Bf eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt worden ist, hätte die belangte Behörde ihren Standpunkt zur Frage der Anhaltung in Schubhaft revidieren müssen. Dass die belangte Behörde trotz der entsprechenden fremdenpolizeilichen Information durch die Asylbehörde vom 3. Mai 2006 und ungeachtet des Tätigwerdens des Jugendwohlfahrtsträgers (Antrag auf Zustellung des Schubhaftbescheides vom 5. Mai 2006) den Bf weiterhin in Schubhaft belassen hat, spricht für eine besondere Ignoranz.

 

Selbst in der Gegenschrift wird noch der Zweck der Schubhaft und ein konkreter Sicherungsbedarf damit begründet, dass eine Einvernahme durch das Bundeskriminalamt gewährleistet hätte werden müssen. Daraus kann entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht nachträglich ein Verfahren zur Sicherstellung der Erlassung eines Rückkehrverbotes konstruiert werden. Ein solches Verfahren ist nicht aktenkundig und wurde auch im Schubhaftbescheid - wie zu erwarten gewesen wäre - nicht ausdrücklich angesprochen. Im verwendeten Formblatt für den Schubhaftbescheid wurde nur der Schubhaftfall "X zur Sicherung der Abschiebung in ihr Heimatland bzw. einen anderen EU-Staat" angekreuzt und unterstrichen. Lediglich in der Begründung wird leerformelhaft und ohne konkreten Bezug ausgeführt:

 

"Aufgrund dieses Sachverhaltes ist die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens unumgänglich, da Gefahr besteht, dass Sie untertauchen bzw sie sich der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entziehen werden und muss daher von der Anwendung des gelinderen Mittel Abstand genommen werden."

 

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist nicht erkennbar, dass die belangte Behörde nach Übergabe des Schubhaftbescheids an den Bf ein fremdenpolizeiliches Verfahren aktenkundig geführt hätte. Die Entlassung des Bf erst am 11. Mai 2006 nach kriminalpolizeilicher Einvernahme entbehrt demnach der fremdenrechtlichen Begründung. Die Beschwerde ist daher im Recht, wenn sie rügt, dass die weitere Anhaltung des Bf nach Zulassung des Asylverfahrens keinem der in § 76 FPG umschriebenen Zwecke diente.

 

Schließlich ist der Beschwerde einzuräumen, dass der Sicherungszweck der Schubhaft schon mit der Asylantragstellung am 24. April 2006 und der Richtigstellung der Identität des Bf in Frage zu stellen war (Kenntnisnahme durch Telefaxersuchen vom 27.04.2006 des BAA EASt West) und wohl auch gelindere Mittel hätten angewendet werden können. Jedenfalls hätte die belangte Behörde nicht ohne konkrete Anhaltspunkte und ohne jede Begründung weiterhin davon ausgehen dürfen, der Bf werde sich dem Asylverfahren entziehen, obwohl er nach der gemäß Art 15a B-VG getroffenen Grundversorgungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern (vgl BGBl I Nr. 80/2004) in Umsetzung der EU-Versorgungsrichtlinie einen Anspruch auf Grundversorgung durch die öffentliche Hand hatte.

 

5. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der vorliegende Schubhaftbescheid mangels rechtswirksamer Zustellung an den Jugendwohlfahrtsträger rechtlich bis heute nicht existent geworden ist. Deshalb kann er entgegen der Beschwerdeansicht auch nicht gesondert für rechtswidrig erklärt werden. Dies war aber auch nicht erforderlich, zumal ohnehin die Anhaltung des Bf mangels eines Titelbescheides zur Gänze für rechtswidrig erklärt werden musste. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Eine Kostenentscheidung zugunsten des Bf im Grunde des § 79a AVG iVm § 83 Abs 2 FPG hatte mangels Antragstellung zu unterbleiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Dr. W e i ß

 

 

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