Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400816/5/Ste/BP/Se

Linz, 11.07.2006

 

 

VwSen-400816/5/Ste/BP/Se Linz, am 11. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Beschwerde des M K, vertreten durch Mag.Dr. B R, Rechtsanwalt, P, S, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

  2. Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) Kosten in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz - FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 157/2005) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/20.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck Sich40-1413-2006, wurde am 7. März 2006 über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Basis des § 76 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, iVm § 80 Abs. 5 FPG und iVm § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Salzburg am 7. März 2006 vollzogen.

Begründend wird im genannten Bescheid dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf am 6. März 2006 ohne gültiges Reisedokument illegal über einen unbekannten Nachbarstaat ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei und am gleichen Tag beim Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West einen Asylantrag eingebracht hat.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der Bf in der Erstaufnahmestelle West aus, dass seine Ehegattin anerkannter Flüchtling in Deutschland sei. Der Bf verweigerte aber, ohne Angabe von Gründen, wann und wo die Verehelichung stattgefunden hat.

Im Zuge der - seitens der österreichischen Behörden - geführten Erhebungen wurde mittels Abgleich der Fingerabdrücke in Erfahrung gebracht, dass der Bf vor seiner illegalen Einreise nach Österreich bereits am 7. Jänner 2004 in Frankreich einen Asylantrag eingebracht hatte. Ferner wurde festgestellt, dass gegen den Bf ein im gesamten Schengengebiet gültiges Einreise- und Aufenthaltsverbot, erlassen von der Bundesrepublik Deutschland besteht.

Während der niederschriftlichen Erstbefragung zum Asylantrag führte der Bf - in Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Türkisch - am 7. März 2006 gegenüber Beamten der Polizeiinspektion St. Georgen i.A. jedoch an, dass er am 6. März 2006 ohne in Besitz eines Nationalreisedokumentes oder eines Einreise- oder Aufenthaltstitels für Österreich oder einem anderen Schengenstaat zu sein, von seinem Heimatland Türkei kommend, illegal, gegen ein Schlepperentgelt in der Gesamthöhe von 5.500 Euro, versteckt in einem LKW, über eine dem Bf unbekannte Route in das österreichische Bundesgebiet eingereist wäre.

Die Behörde führt daher insbesondere an, dass aufgrund der Erhebungen die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Antrag des Bf auf internationalen Schutz - nach Abschluss des Konsultationsverfahrens gemäß den Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens mit Frankreich bzw. allenfalls Deutschland - mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird. Der Bf verfügt weiters über keinen Wohnsitz in Österreich und ist gegenwärtig völlig mittellos. Familiäre Bezugspunkte habe der Bf weder nachweisen können, noch solche geltend gemacht.

Von der Erlassung eines gelinderen Mittels müsste - nach genauester Abwägung - aufgrund der Tatsachen Abstand genommen werden und die Schubhaft verhängt werden.

1.2. Der Bf hat sich von 7. März 2006 bis einschließlich 2. Juni 2006 in Schubhaft befunden.

 

2.1. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 22. Juni 2006 beim Oö. Verwaltungssenat (und damit rechtzeitig) eingelangte Beschwerde.

Darin bringt der Bf im Wesentlichen vor, dass mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. April 2006 für die Prüfung des Antrages auf Internationalen Schutz Frankreich für zuständig erklärt worden war, er jedoch gegen diesen Bescheid Berufung erhoben hat. Mit Bescheid des UBAS vom 2. Mai 2006 wurde der Bescheid des Bundesasylamtes behoben und zurückverwiesen.

Der Bf führt dazu an, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft nicht mehr vorlagen, weil durch die Bescheidbehebung das Asylverfahren in Österreich zugelassen worden sei.

Abschließend wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung, vom 3. Mai 2006 bis zu seiner Entlassung am 2. Juni 2006, und Kostenersatz in der Höhe von insgesamt 610 Euro beantragt.

2.2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Akt vorgelegt und beantragt, die Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Der Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt.

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

Der Bf ist am 6. März 2006 ohne gültiges Reisedokument illegal über einen unbekannt Nachbarstaat ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist und hat am gleichen Tag beim Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West einen Asylantrag eingebracht. Der Bf hat im Jahr 2004 in Frankreich einen Asylantrag eingebracht, was er jedoch bei der Erstbefragung in Österreich verschwiegen hat. Über den Bf wurde am 7. März 2006 die Schubhaft verhängt, die bis zum 2. Juni 2006 andauerte. Der Bf hat keine Angaben bezüglich der Einreiseroute nach Österreich gemacht. Es besteht darüber hinaus ein gültiges Einreise- und Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum, erlassen von der Bundesrepublik Deutschland.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. April 2006 wurde für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz Frankreich für zuständig erklärt. Gegen diesen Bescheid hat der Bf Berufung erhoben, worauf mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom 2. Mai 2006 der erstinstanzliche Bescheid zurückverwiesen wurde, da nach Ansicht des UBAS nicht ausreichend genug geprüft worden war, wo sich der Bf in der Zeit zwischen der Asylantragsstellung in Frankreich (7. Jänner 2004) und der Asylantragsstellung in Österreich (6. März 2006) aufgehalten hatte. Es werden weitere Erhebungen an Frankreich herangetragen werden von deren Ergebnis es abhängen wird, ob ein neuerlicher zurückweisender Bescheid gemäß § 5 Asylgesetz iVm einer Ausweisung nach Frankreich ergehen wird oder aber eine Zulassung zum Asylverfahren erfolgen wird. Nach Aussage von Schweizer Behörden vom 23. Mai 2006 hat sich der Bf zum 10. Dezember 2005 darüber hinaus in der Schweiz als Asylwerber aufgehalten. Ab dem genannten Zeitpunkt galt er als "verschwunden". Auch die Asylantragstellung in der Schweiz hatte der Bf dieser gänzlich verschwiegen.

3.3. Der Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorliegenden Dokumenten.

 

4. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 157/2005, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

4.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

4.3. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Z 4 FPG zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft wird auch vom Bf nicht grundlegend bestritten, da seine ungenauen und widersprüchlichen Aussagen sowie die erkennungsdienstliche Behandlung durchaus annehmen ließen, dass der Antrag des Bf auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Die im Zuge des Verfahrens festgestellte Tatsache, dass sich der Bf bis zum 10. Dezember 2005 als Asylwerber in der Schweiz aufgehalten hat, was er bis heute den österreichischen Behörden nicht bekannt gab, erhärtet über dies die Annahme seitens der belangten Behörde, dass sich die Republik Österreich im Asylverfahren als unzuständig erklären wird.

4.4. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

Nach § 80 Abs. 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs. 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zu Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrecht erhalten werden, wenn der unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

Unstreitig ist, dass Schubhaft über den Bf gemäß § 76 Abs. 2 FPG verhängt worden war, über die bis zu ihrer Aufhebung am 2. Juni 2006 noch keine rechtskräftige materielle Entscheidung des Verfahrens vorlag.

Vom Bf wird allerdings bestritten, dass zumindest die Aufrechterhaltung der Schubhaft nach dem Bescheid des UBAS vom 2. Mai 2006 rechtmäßig war. Mit dem Bescheid vom 2. Mai 2006 wurde der erstinstanzliche Bescheid an den Bundesasylsenat zurückverwiesen, um den Aufenthalt des Bf zwischen seiner Asylantragstellung in Frankreich am 7. Jänner 2004 und dem Asylantrag in Österreich vom 6. März 2006 zu klären. Damit ist zwar die Zulassung zum Asylverfahren grundsätzlich verbunden, jedoch nach einer eingehenden Überprüfung eine Abschiebung des Bf nach Frankreich durchaus nicht ausgeschlossen, weshalb die belangte Behörde weiterhin vom vorliegen der Voraussetzungen nach § 76 Abs. 2 Z 4 FPG ausgehen konnte.

Mangels rechtskräftiger, materieller Entscheidung durch den UBAS konnte sich die belangte Behörde mit der Aufrechterhaltung der Schubhaft durchaus auf § 80 Abs. 5 FPG stützen.

Durch die Aufhebung der Schubhaft am 2. Juni 2006 hat die belangte Behörde jedenfalls - ohne die ihr zur Verfügung stehende Frist gemäß § 80 Abs. 5 FPG auszuschöpfen - unter Abwägung aller Umstände ihrer Verpflichtung gemäß Abs. 1 leg. cit. voll entsprochen, darauf hin zu wirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich andauerte.

4.5. Insgesamt kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn Sie davon ausging, dass im fraglichen Zeitraum die In-Schubhaft-Nahme und die Aufrechterhaltung der Schubhaft des Bf rechtmäßig war. Eine Verletzung von Rechten des Bf liegt daher nicht vor und die Beschwerde war im Ergebnis nach § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Rechtsträger der belangten Behörde (Bund) nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG iVm. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II Nr. 334/2003, Kosten in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro; Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Wolfgang Steiner

Beachte: 

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VfGH vom 10.03.2008, Zl.: B 1532/06-15

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 08.07.2009, Zl.: 2008/21/0250-7

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum