Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400831/4/Gf/Ga

Linz, 24.07.2006

VwSen-400831/4/Gf/Ga Linz, am 24. Juli 2006

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde des Y O, dzt. PAZ Linz, vertreten durch die RAe Dr. K und Mag. B, gegen seine Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 83 FPG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 16. Juni 2006 (zum wiederholten Male) unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und hat am 7. Juli 2006 einen Asylantrag gestellt.

1.2. Im Zuge seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt (Erstaufnahmestelle West) am 13. Juli 2006, Zl. 0607054, wurde ihm gemäß § 29 Abs. 3 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG), mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag abzuweisen und dass diese Mitteilung als Einleitung eines Ausweisungsverfahrens gilt.

1.3. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 13. Juli 2006, Zl. Sich40-2354-2006, wurde über den Rechtsmittelwerber gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das PAZ Linz sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass er einerseits weder über einen Identitätsnachweis noch über gültige Reisedokumente sowie andererseits nicht über die für einen Aufenthalt erforderlichen finanziellen Mittel verfüge und er sich im Hinblick auf die nunmehr beabsichtigte Abschiebung nicht freiwillig der Fremdenpolizeibehörde zur Verfügung halten werde.

Zudem habe er im Zuge seiner Einvernahme geäußert, für seine Schleppung nach Österreich 6.000 Euro bezahlt zu haben und sicher nicht mehr in seinen Heimatstaat zurückkehren zu wollen.

1.4. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft wendet der Beschwerdeführer ein, dass die Verhängung der Schubhaft generell bloß eine ultima-ratio-Maßnahme darstelle, die erst zur Anwendung kommen könne, wenn gelindere Mittel zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zweckes nicht hinreichen. Im gegenständlichen Fall habe die belangte Behörde aber derartige Alternativen von vornherein gar nicht erwogen, obwohl der Rechtsmittelwerber sich weder seiner Ausweisung widersetzt noch seinen Aufenthalt oder seine Identität verschleiert habe. Außerdem könne er bei seinem in Österreich gut integrierten Bruder leben, dem mittlerweile auch schon die Staatsbürgerschaft verliehen worden sei.

Daher wird die kostenpflichtige Aufhebung der Schubhaft beantragt.

1.5. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der insbesondere darauf hingewiesen wird, dass ihr bislang noch keine notariell beglaubigte oder gerichtlich beeidete Haftungserklärung des Bruders des Beschwerdeführers vorgelegt wurde.

2. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

2.1. Nach § 82 Abs. 1 Z. 3 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft angeordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme, der Anhaltung oder des Schubhaftbescheides anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG kann die Behörde auch über einen Asylwerber (als solcher gilt nach § 2 Abs. 14 AsylG ein Fremder ab der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz - d.i. gemäß § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG das auf welche Weise auch immer artikulierte Ersuchen, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen - bis zum rechtskräftigen Abschluss, bis zur Einstellung oder bis zur Gegenstandslosigkeit dieses Verfahrens) zum Zweck der Sicherung des Verfahrens einer Ausweisung oder zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängen, wenn gegen ihn ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde.

Nach § 27 Abs. 1 Z. 1 AsylG gilt eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z. 5 AsylG mit dem Inhalt, dass beabsichtigt ist, den Asylantrag des Fremden abzuweisen, ex lege als Einleitung eines Ausweisungsverfahrens gegen diesen.

Nach dem auch insoweit maßgeblichen § 77 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei dem dem Fremden bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

2.2. Im vorliegenden Fall steht allseits unbestritten fest, dass dem Beschwerdeführer eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 2 Z. 5 AsylG zugegangen ist, damit ein Ausweisungsverfahren nach § 27 Abs. 1 Z. 1 AsylG als eingeleitet gilt und die belangte Behörde daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG grundsätzlich dazu berechtigt war, über ihn zur Sicherung des Ausweisungsverfahrens und der Abschiebung die Schubhaft zu verhängen.

2.3. Strittig ist hingegen die Frage, ob die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 FPG − nämlich: schlagende Gründe dafür, dass der mit der Schubhaft verfolgte Zweck durch gelindere Mittel in gleicher Weise erreicht werden kann − zutreffend beurteilt hat.

2.3.1. In diesem Zusammenhang ist vorweg darauf hinzuweisen, dass sowohl die Beurteilung des aktuellen Sicherungsbedarfes wie auch des Hinreichens gelinderer Mittel jeweils eine Prognoseentscheidung erfordern. Derartige Prognoseentscheidungen divergieren nun von den sonstigen ex-post-Beurteilungen, die Verwaltungsbehörden üblicherweise zu treffen haben, wesensmäßig dadurch, dass nicht anhand feststehender Fakten zu entscheiden ist, was Rechtens ist, sondern dass eine Annahme über die künftige Entwicklung von Sachverhalten getroffen werden und diese Einschätzung dem behördlichen Abspruch zu Grunde gelegt werden muss. Damit liegt aber auf der Hand, dass in diesem Zusammenhang − was der Gesetzgeber immer dann, wenn er die Verwaltung zu einer Prognoseentscheidung ermächtigt, in Kauf nimmt − auch außerrechtlichen Parametern ein vergleichsweise wesentlich größeres, sogar primäres Gewicht beikommt. Insbesondere spielen hiebei eine langjährige Behördenerfahrung in vergleichbaren Fällen (standardisierte Verhaltensmuster) und psychologische Elemente (objektivierbares Durchschnittsverhalten von Personen in vergleichbaren Situationen) eine bedeutende Rolle.

2.3.2. Bezogen auf Fallkonstellationen wie die vorliegende, in denen bloße "Wirtschaftsflüchtlinge", die zum wiederholten Mal unter Inanspruchnahme von finanzaufwändiger Schlepperhilfe illegal in das Bundesgebiet einreisen, um denselben Lebensstandard wie vereinzelte bereits hier integrierte Familienangehörige zu erreichen, und zwecks Verfahrensverzögerung pseudomäßige Asylanträge stellen, lehrt die behördliche Erfahrung jedenfalls des letzten Jahrzehnts, dass sich diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zum Zweck der behördlichen Abschiebung in ihren Heimatstaat zur Verfügung halten, im Gegenteil: Würden solche Fremde in Freiheit belassen, sind in aller Regel unverhältnismäßig hohe, dem Staat zur Last fallende Kosten für die Stornierung des vorgebuchten Fluges in den Heimatstaat und für dessen neuerliche Ausforschung die übliche Folge.

Von diesem Wahrscheinlichkeitsszenario ausgehend kann daher die Nichtanwendung gelinderer Mittel in derartigen Fällen grundsätzlich nicht als rechtswidrig erkannt werden, es sei denn, es würden sich auf Grund der Umstände des konkreten Falles triftige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die allgemeine Behördenerfahrung hier ausnahmsweise nicht zutrifft. In diesem Zusammenhang kommt der dem Fremden verfahrensmäßig auferlegten Mitwirkungsverpflichtung eine besondere Bedeutung zu: Hinsichtlich solcher Umstände und Tatsachen, die in seiner eigenen Person begründet und nicht offenkundig sind, obliegt es ihm, diese rechtzeitig und umfassend vorzubringen und zudem nachvollziehbar und überzeugend zu begründen.

2.3.3. In diesem Zusammenhang wird in der gegenständlichen, weitwendigen Beschwerde jedoch tatsächlich nur darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber bei seinem in Österreich sozial integrierten Bruder in Kärnten leben könnte, ohne diesen gleichzeitig wenigstens namentlich zu benennen oder dessen Adresse bekannt zu geben, geschweige denn, eine konkrete, rechtlich verbindliche und damit auch einklagbare Verpflichtungserklärung vorzulegen − ganz abgesehen davon, dass damit nur seine Versorgung, nicht aber auch sichergestellt wäre, dass er sich zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Abschiebung auch tatsächlich der Behörde zur Verfügung hält.

In gleicher Weise scheinen auch andere Arten gelinderer Mittel wie z.B. die in § 77 Abs. 3 FPG genannte Möglichkeit der Verpflichtung zur Unterkunftsnahme in von der Behörde bestimmten Räumen und periodischen Meldung bei einem Polizeikommando angesichts des zuvor dargestellten Wahrscheinlichkeitsszenarios schon von vornherein nicht geeignet, den mit der Schubhaftverhängung beabsichtigten Zweck der Verfahrenssicherung in gleicher Weise zu gewährleisten.

2.4. Im Ergebnis erweist sich sohin die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft als rechtmäßig.

Die gegenständliche Beschwerde war daher gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG abzuweisen; gleichzeitig war nach § 83 Abs. 4 FPG festzustellen, dass die für eine Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen aus den genannten Gründen weiterhin vorliegen.

3. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Rechtsträger der belangten Behörde, der nach § 79a Abs. 3 AVG als obsiegende Partei anzusehen ist, mangels eines darauf gerichteten Antrages dennoch kein Kostenersatz zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. G r o f

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum