Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420018/2/Kl/Rd

Linz, 10.08.1992

VwSen - 420018/2/Kl/Rd Linz, am 10. August 1992 DVR.0690392 - & -

B e s c h l u ß

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde der Dr. E, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Karl Zerner, Dr. Heinrich Vana und Dr. Christine Kolbitsch, Taborstraße 10/Stiege 2, 1020 Wien, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch das Wagner-Jauregg-Krankenhaus des Landes Oberösterreich beschlossen:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage: Art.129a Abs.1 Z.2 B-VG i.V.m. § 67a Abs.1 Z.2 und § 67c Abs.3 AVG i.V.m. §§ 14 Abs.1, 17 und 18 Unterbringungsgesetz - UbG, BGBl.Nr.155/1990, in Zusammenhalt mit Art.6 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr.684/1988 (kurz: PersFrSchG).

II. Der Antrag auf Kostenersatz wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage: §§ 74 und 79a AVG.

Begründung:

1. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 1992, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 3. August 1992, wurde Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich fortgesetzte zwangsweise Unterbringung im Wagner-Jauregg-Krankenhaus, Station B9, durch Organe der Anstalt seit dem 22. Juni 1992 erhoben, und die Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit sowie der Rechte nach dem Unterbringungsgesetz behauptet. Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, daß sich die Beschwerdeführerin seit 6.2.1992 in stationärer Anstaltspflege im offenen Bereich der Krankenanstalt befand und seit dem 25.5.1992 ohne ihren Willen in den geschlossenen Bereich der Anstalt verlegt wurde. Es wurde das Bezirksgericht verständigt und ein Unterbringungsverfahren eingeleitet. Eine Erstanhörung erfolgte am 29.5.1992 durch das Bezirksgericht Linz und es erklärte das Bezirksgericht die Unterbringung gemäß § 20 Abs.2 UbG für unzulässig. Einem Rekurs des Abteilungsleiters wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Es verblieb daher die Beschwerdeführerin weiterhin im geschlossenen Bereich. Mit Beschluß vom 9.6.1992 gab das Landesgericht Linz dem Rekurs des Abteilungsleiters gegen die Entscheidung des Bezirksgerichtes keine Folge und bestätigte die Unzulässigkeitsentscheidung des Erstgerichtes. Diese Entscheidung wurde der Patientin am 22.6.1992 zugestellt. Am 10.6.1992 wurde dem Gericht mittels Formblatt der Anstalt die Beendigung des stationären Aufenthaltes mit 10.6.1992 auf dem geschlossenen Bereich mitgeteilt. Diese Mitteilung entsprach allerdings nicht den Tatsachen, sondern es wurde die Patientin weder aus der geschlossenen Station B9 verlegt, noch wurde es ihr freigestellt, die Anstalt zu verlassen. Von der Patientenanwältin wurde auch noch während der ersten Wochen des Juli festgestellt, daß sich die Patientin unverändert auf der Station B9 befand und auch noch zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung die Anhaltung auf dieser Station andauert.

Da die Unterbringung ab der Zustellung und Rechtskraft des Beschlusses des Landesgerichtes Linz am 22.6.1992 ab diesem Zeitpunkt ihrer Deckung durch einen Gerichtsbeschluß entbehrt, sei ab diesem Zeitpunkt von einem selbständig bekämpfbaren Verwaltungsakt auszugehen und daher die Beschwerdefrist gewahrt.

Als Begründung wurde ausgeführt, daß es sich im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und Verfassungsgerichtshofes und im Sinne der Literatur um eine Beschränkung der persönlichen Freiheit durch zwangsweise Festhaltung bzw. Hinderung beim Verlassen der Anstalt und sohin einen Akt unmittelbarer behördlicher Zwangsgewalt handelt, der in einer Angelegenheit der Hoheitsverwaltung und ohne vorangehendes gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren ergehe. Die nach der rechtskräftigen Unzulässigkeitserklärung fortgesetzte Unterbringung sei daher nicht mehr der Justiz zuzurechnen, sondern es hat die Anstalt die Verpflichtung zur Aufhebung der Unterbringung nach § 29 Abs.3 UbG nicht beachtet. Auch bestehe kein alternativer Rechtsschutzweg, da die für unzulässig erklärte Unterbringung nicht neuerlich beim Unterbringungsgericht bekämpft werden kann und auch der Durchsetzung der Unzulässigkeitsentscheidung ein gesondertes Verfahren nicht zu kommt.

Es liege weiterhin eine Unterbringung vor, da sich die Beschwerdeführerin noch immer auf der Station B9, also dem geschlossenen Bereich, befindet. Im übrigen sei auch die sonstige Anhaltung und Beschränkung der Bewegungsfreiheit als Unterbringung zu werten. Daran ändert auch nicht die Erklärung der Anstalt vom 10.6.1992 über die Beendigung des stationären Aufenthaltes im geschlossenen Bereich. Die Fortsetzung der Unterbringung wurde seitens der Anstalt weder auf neue Tatsachen noch auf eine weitere Meldung an das Gericht gestützt. Der Freiheitsentzug erfolgte daher nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise im Sinn des Art.1 Abs.2 PersFG und sei daher eine Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit.

Es wurde daher der Antrag gestellt, die Beschränkung der Bewegungsfreiheit im Wagner-Jauregg-Krankenhaus seit dem 22.6.1992 für rechtswidrig zu erklären und für den Fall der aufrechten Anhaltung dem Krankenhaus die unverzügliche Herstellung des rechtmäßigen Zustandes aufzutragen. Schließlich wurde Kostenersatz begehrt.

2. Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat hierüber erwogen:

3.1. Gemäß Art.2 Abs.1 Z.5 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr.684/1988, (kurz: PersFrSchG), darf die persönliche Freiheit einem Menschen nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, daß er eine Gefahrenquelle für die Ausbreitung ansteckender Krankheiten sei, oder wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährde.

In Ausführung dieses Gesetzesvorbehaltes regelt daher das Unterbringungsgesetz - UbG, BGBl.Nr.155/1990, die näheren Voraussetzungen und das Verfahren der Unterbringung. Danach ist zwischen der Unterbringung auf Verlangen (§§ 4 bis 7 UbG) und der Unterbringung ohne Verlangen (§§ 8 bis 11 UbG) zu unterscheiden.

3.2. Aufgrund der Beschwerdeausführungen ist davon auszugehen, daß es sich um eine Unterbringung ohne Verlangen gemäß § 11 Z.1 UbG handelt, nämlich daß die Patientin zunächst in die Anstalt ohne Einschränkung der Bewegungsfreiheit aufgenommen wurde und erst später aufgrund der Annahme, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen, in den geschlossenen Bereich der Anstalt verlegt wurde.

Gemäß § 13 Abs.1 des UbG hat der Vorsteher des Bezirksgerichtes für die Kranken einer Anstalt aus dem Kreis der von einem geeigneten Verein namhaft gemachten Personen im voraus einen, erforderlichenfalls auch mehrere Patientenanwälte zu bestellen.

Gemäß § 14 Abs.1 UbG wird der Patientenanwalt mit der Aufnahme eines ohne Verlangen untergebrachten Kranken kraft Gesetzes dessen Vertreter für das in diesem Bundesgesetz vorgesehene gerichtliche Verfahren und zur Wahrnehmung der insbesondere in den §§ 33 bis 39 verankerten Rechte. Dadurch werden die Geschäftsfähigkeit des Kranken und die Vertretungsbefugnis eines sonstigen Vertreters nicht beschränkt.

Im Grunde dieser Bestimmung ist daher die beschwerdeerhebende Patientenanwältin nicht zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt legitimiert. Die zitierte Gesetzesstelle sieht nämlich nur die gesetzliche Vertretung für das im Unterbringungsgesetz vorgesehene gerichtliche Verfahren und zur Wahrnehmung der Rechte nach den §§ 33 bis 39 leg.cit. vor. Es ist daher eine Vertretungsbefugnis generell im Verwaltungsverfahren nicht vorgesehen. Es stellt daher der zweite Satz der zitierten Gesetzesstelle expressis verbis fest, daß die Geschäftsfähigkeit des Kranken und die Vertretungsbefugnis eines sonstigen Vertreters nicht beschränkt werden. Die beschwerdeführende Patientenanwältin hat sich aber nicht auf eine sonstige Vertretungsbefugnis berufen.

Es war daher schon aus diesem Grunde die Beschwerde mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

3.3. Im Grunde des Art.5 Abs.4 MRK und gemäß Art.6 Abs.1 PersFrSchG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Gemäß Abs.2 leg.cit. ist im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde zu überprüfen.

Wird daher eine Person ohne Verlangen in eine Anstalt aufgenommen, so hat der Abteilungsleiter hievon unverzüglich das Gericht zu verständigen (§ 17 UbG), und es hat das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Anstalt liegt, nach Prüfung der Voraussetzungen der Unterbringung über die Zulässigkeit der Unterbringung des Kranken zu entscheiden (§§ 12 Abs.1 und 18 UbG).

Wie aus den Sachverhaltsdarstellungen unter Punkt 1. hervorgeht, hat sowohl das Gericht erster als auch zweiter Instanz die Unzulässigkeit der Unterbringung der Patientin in dem geschlossenen Bereich der Anstalt als unzulässig festgestellt. Dieser Beschluß wurde der Patientin am 22.6.1992 zugestellt und ist seit diesem Tag rechtswirksam.

Gemäß § 29 Abs.3 UbG ist die Unterbringung sogleich aufzuheben, wenn das Gericht die Unterbringung für unzulässig erklärt.

Wenn auch eine Meldung des Abteilungsleiters der Anstalt an das Gericht erging, daß die Patientin in den offenen Bereich der Anstalt verlegt wurde, so geht aus den weiteren Beschwerdeausführungen hervor, daß tatsächlich eine Verlegung nicht stattgefunden hat und auch weiterhin die Patientin Beschränkungen in der Bewegungsfreiheit unterworfen ist. Es ist daher nach der Legaldefinition des § 2 UbG weiterhin von einer Unterbringung - und zwar ohne Verlangen - auszugehen. Es ist daher auch für die Entscheidung über die Zulässigkeit der weiteren Unterbringung bzw. von Beschränkungen in der Bewegungsfreiheit das Gericht zuständig (vgl. § 30 und § 33 UbG bzw. § 31 UbG i.V.m. Art.6 Abs.2 PersFrSchG).

Da es sich um eine weitere Anhaltung über den Zeitraum des bereits vorhandenen gerichtlichen Beschlusses hinaus handelt, wäre auch die weitere Unterbringung beim Gericht anzufechten. Dies entspricht auch dem bereits zitierten Art.6 PersFrSchG, wonach ein Gericht oder eine unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges bzw. der weiteren Dauer zu entscheiden hat. Dabei läßt die zitierte Gesetzesregelung neben der nach dem Unterbringungsgesetz in die Zuständigkeit des Gerichtes gegebenen Entscheidungsbefugnis eine kumulative Befassung einer anderen unabhängigen Behörde nicht zu (arg."oder"). Vielmehr wird eine alternative Zuständigkeit einer unabhängigen Behörde "mit Gerichtsqualität" ausgedrückt.

Es ist auch aus diesem Grunde die Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates neben der Gerichtsbarkeit nextlässig bzw. ist dieser daher unzuständig.

3.4. Wie aus dem unter Punkt 1. dargelegten Beschwerdevorbringen weiters hervorgeht, wurde die Patientin nicht durch einen Amts- oder Polizeiarzt oder ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in die Anstalt gebracht und auch nicht aufgrund einer verwaltungsbehördlichen Anordnung weiterhin angehalten, sodaß bei der Anhaltung nicht von einem Verwaltungsakt gesprochen werden kann.

Gemäß Art.129 B-VG sind die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufen.

Gemäß Art.129a Abs.1 Z.2 B-VG können die unabhängigen Verwaltungssenate nur nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt, in Anspruch genommen werden, um über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, zu entscheiden. Da eine unmittelbare verwaltungsbehördliche Zwangsgewalt aber nicht ausgeübt wurde, ist die Beschwerde unzulässig. Es sind die Beschwerdeausführungen nicht zutreffend, wonach es sich bei einer zwangsweisen Anhaltung durch die Anstalt jedenfalls um eine behördliche Zwangsgewalt handeln soll, sondern es stellt das Behandlungsverhältnis zwischen Krankenanstalt und Patienten an sich lediglich ein privatrechtliches Verhältnis und kein öffentlich-rechtliches Verhältnis dar. Eine einer Verwaltungsbehörde zurechenbare Anordnung (Befehlsgewalt) wurde - wie oben ausgeführt wurde - nicht getroffen, sodaß die Anhaltung durch die Anstalt nicht einer gesetzlich organisierten und eingerichteten Verwaltungsbehörde zuzurechnen, sondern als Ausfluß des privatrechtlichen Behandlungsvertrages zu werten ist. Auch aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Wenn allerdings in der Beschwerde die Behauptung aufgestellt wird, daß die Gerichtszuständigkeit in allen Instanzen ausgeschöpft wurde, und, weil der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nicht Folge geleistet wurde, der Verwaltungsweg zu beschreiten wäre, so steht allein dieser Behauptung schon der Art.94 B-VG entgegen, wonach die Justiz von der Verwaltung von allen Instanzen getrennt ist. Eine "sukzessive Zuständigkeit" des unabhängigen Verwaltungssenates ist daher schon aus diesem Grunde auszuschließen. Es kann daher der Vollzug eines Gerichtsbeschlusses (hier die Entlassung aus der Anstalt) nur im Justizweg erfochten werden. Die Durchsetzung eines Aktes der Gerichtsbarkeit im Verwaltungswege ist hingegen ausgeschlossen.

3.6. All die angeführten Gründe führten daher zur spruchgemäßen Zurückweisung der gegenständlichen Beschwerde, ohne daß auf das Sachvorbringen an sich einzugehen war.

4. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß eine Vorgangsweise entgegen der gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 29 Abs.3 UbG den Anspruch auf Schadenersatz gegen den Rechtsträger der Anstalt begründen kann, und allenfalls ein Vorgehen bzw. eine Anzeige wegen eines strafbaren Tatbestandes nach dem Strafgesetzbuch zu erwägen ist.

5. Gemäß § 79a AVG steht nur der Partei Kostenersatz zu, die in Fällen einer Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegt. Die Zurückweisung einer Beschwerde ist im Hinblick auf den Anspruch auf Kostenersatz so zu beurteilen, wie wenn die Beschwerde abgewiesen worden wäre. Es hat daher die Beschwerdeführerin die Kosten nach den allgemeinen Verwaltungsverfahrensbestimmungen (§ 74 AVG) selbst zu tragen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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