Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420020/30/Kl/Rd

Linz, 02.02.1993

VwSen - 420020/30/Kl/Rd Linz, am 2. Februar 1993 DVR.0690392 - & -

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Nikola K, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Festnahme am 11. Juli 1992 in Zurechnung der Bundespolizeidirektion Linz nach öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 20. November 1992 und 20. Jänner 1993 zu Recht:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Festnahme am 11. Juli 1992 und Anhaltung in Haft bis 12. Juli 1992 11.00 Uhr als nicht rechtswidrig festgestellt.

Rechtsgrundlagen: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm §§ 67a Abs.1 Z2 und 67c AVG sowie Art.3 und 5 MRK.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der belangten Behörde (dem Bund) die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Höhe von 4.297 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen. Rechtsgrundlage: §§ 74 und 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer beantragt in seiner Eingabe, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 20.8.1992, die durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz am 11.7.1992 erfolgte Festnahme und Anhaltung in Haft bis zum 12.7.1992 11.00 Uhr für rechtswidrig zu erklären und den Bund für schuldig zu erkennen, dem Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdeführervertreters die Kosten des Beschwerdeverfahrens im verzeichneten Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen. Begründend wurde dazu ausgeführt, daß der Beschwerdeführer zunächst bei einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt war und über Aufforderung durch Bundespolizeiorgane auch seine Fahrzeugpapiere, welche er zunächst nicht fand, sodann vorwies. Daraufhin sei er an den Armen ergriffen und aus ihm unerklärlichen Gründen in den Arrestantenwagen verbracht worden. Dem Ersuchen, auf die Ehegattin zu warten, wurde nicht Rechnung getragen. Er sei auf den Asphalt geworfen und im Würgegriff gehalten worden, und es seien Handfesseln angelegt worden. Der Beschwerdeführer erlitt daher einen Bruch des linken Fußgelenks, eine Festnahme sei verbal nicht ausgesprochen worden. Anschließend - beim Transport zur Bundespolizeidirektion Linz - seien die Handfesseln mehrmals enger zugezogen worden; auch sei er sonst hinsichtlich seiner Fußverletzung nicht ärztlich versorgt worden, obwohl er den Arzt nachdrücklich auf Schmerzen hingewiesen habe. Auch sei der bei der niederschriftlichen Einvernahme am nächsten Tag beigezogene Dolmetscher nicht der bulgarischen Sprache mächtig gewesen. Eine Information über die Gründe der Anhaltung wurde nicht erteilt. Nach Haftentlassung um 11.00 Uhr sei der Beschwerdeführer im Unfallkrankenhaus Linz ärztlich versorgt worden. Der Beschwerdeführer behauptet daher, in seinem Recht auf persönliche Freiheit und in seinem Recht auf Unterlassung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung verletzt zu sein.

2. Die belangte Behörde hat mit Schriftsatz vom 11.9.1992 eine Stellungnahme abgegeben und die bezughabenden Verwaltungsakten vorgelegt. In der Stellungnahme wurde nach Darlegung des Sachverhaltes angeführt, daß zunächst die Festnahme wegen § 270 StGB gemäß §§ 452 StPO iVm 175 Abs.1 Z2 StPO ausgesprochen wurde. Nach weiteren Losreißversuchen des Beschwerdeführers und körperlichen Attacken sei der Beschwerdeführer in Handfesseln geschlossen worden und zusätzlich wegen § 269 StGB gemäß §§ 177 StPO iVm 175 Abs.1 Z1 StPO festgenommen worden. Eine Befragung vor dem Verkehrsunfallkommando war wegen Verweigerung des Beschwerdeführers nicht möglich. Dort zog sich der Beschwerdeführer durch Stoßen seines Kopfes gegen die Wand selbst Verletzungen zu. Nach Vorführung vor den Journalbeamten und Verständigung über die Festnahme und Belehrung über die Rechte sei der Beschwerdeführer einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen worden, bei der die Haft- und Deliktfähigkeit geprüft und festgestellt wurde; dabei wurden Verletzungen an der rechten Wange und am linken Ellenbogen festgestellt. Weitere Schmerzen oder Verletzungen wurden nicht geltend gemacht. Die Schmerzen am Fuß wurden seitens des Beschwerdeführers erst am nächsten Tag nach der Einvernahme geäußert und es wurde für den Fall einer weiter andauernden Haft eine ärztliche Untersuchung zugesagt. Die Haftentlassung erfolgte um 11.00 Uhr.

Der Beschwerdeführer sei in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nicht verletzt und es werde daher kostenpflichtige Abweisung (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den Verfahrensakt der Bundespolizeidirektion Linz, Verkehrsunfallkommando und kriminalpolizeiliche Abteilung, Einsicht genommen. Weiters wurde Beweis erhoben durch die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.11.1992, an welcher neben dem Beschwerdeführervertreter und dem Vertreter der belangten Behörde die Zeugen Amtsarzt Dr. Anton Feuerstein, RI Hans-Peter Aicher, RI Dieter Kaltenböck und RI Josef Koll, alle von der Bundespolizeidirektion Linz, teilnahmen und auch als Zeugen vernommen wurden. Bei der weiteren öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.1.1993 ist lediglich der Vertreter der belangten Behörde erschienen.

4. Aus der Aktenlage im Zusammenhalt mit dem Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlungen ergibt sich folgender der Entscheidung zugrundegelegter erwiesener Sachverhalt:

4.1. Aufgrund einer Verkehrsunfallmeldung wurden die Bundespolizeibeamten RI Dieter Kaltenböck und RI Josef Koll mit dem Funkwagen am 11.7.1992 um 23.40 Uhr zur Unfallstelle vor dem Haus Wienerstraße Nr. 210 in Linz beordert, da sich dort ein Verkehrsunfall mit Personenschaden ereignet habe. Während RI Kaltenböck die Unfallstelle absicherte, begann RI Koll seine Amtshandlung durch Befragung des am Unfallort anwesenden Nikola K, welcher als Unfallenker von den Unfallzeugen benannt wurde. Der Beschwerdeführer leugnete in der Folge seine Lenkereigenschaft und wies auch seine Fahrzeugpapiere nicht vor. Der Aufforderung, zum herbeigeholten Flugbus (zur Verkehrsunfallaufnahme) zum Fahrbahnrand mitzukommen, leistete er nicht Folge, und zwar mit der Begründung, daß er den PKW nicht gelenkt habe und nun fortgehen wolle. Dabei war der Beschwerdeführer der deutschen Sprache insofern mächtig, als er in gebrochenem Deutsch, aber in verständlicher Sprache gesprochen hat. Die Aufforderung wurde auch durch eine entsprechende Gestik, nämlich Handbewegung in Richtung des Flugbusses, verdeutlicht. Es war daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer wußte, um was es bei der Amtshandlung ging. Im Zuge der Amtshandlung kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Polizeibeamten und dem Beschwerdeführer, indem der Beschwerdeführer sodann mit der rechten Hand gegen einen Kollegen (RI Koll) auf die Brust schlug, sodaß dieser stürzte. Indem er sodann vom weiteren Polizeibeamten RI Kaltenböck am linken Arm festgehalten wurde, riß er sich aus diesem Griff los und schlug auf den Oberkörper des Beamten ein. Daraufhin wurde die Festnahme des Beschwerdeführers ausgesprochen, und zwar wurde die Festnahme verbal durch RI Koll ausgesprochen. Einer weiteren Aufforderung, zum Flugbus mitzukommen, leistete der Beschwerdeführer ebenfalls nicht Folge und er wehrte sich so heftig, daß es schließlich zu einer Rauferei zwischen dem Beschwerdeführer und den beiden Polizeibeamten auf der Fahrbahn kam. Eine weitere Festnahme war zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, sodaß der ebenfalls anwesende Polizeibeamte RI Hans-Peter Aicher, welcher mit der Aufnahme des Verkehrsunfalls betraut war, nunmehr seine Kollegen unterstützte. Es gelang daraufhin, den Beschwerdeführer am Boden mit den Armen auf den Rücken in Fesseln zu schließen und festzunehmen. Der Beschwerdeführer wurde in den Flugbus verbracht, wo er nochmals über die Festnahmegründe von den Polizeibeamten belehrt wurde und versucht wurde, ihm diese verständlich zu machen.

Erst zu diesem Zeitpunkt berief sich der Beschwerdeführer auf seine Gattin, welche Dolmetscherin sei und welche nach seinen Aussagen durch seinen im PKW anwesenden Beifahrer zur Unfallstelle herbeigeholt werde.

Die Gattin des Beschwerdeführers kam erst nach Beendigung dieser Amtshandlung zum Flugbus bzw. zum herbeigeholten Arrestantenwagen. Zu diesem Zeitpunkt war die Amtshandlung bereits abgeschlossen und der PKW abfahrbereit. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Beschwerdeführer über keinerlei Schmerzen vor den Beamten geklagt.

4.2. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin zum Verkehrsunfallkommando am Stützpunkt Nietzschestraße in Linz verbracht, um eine erste Unfallerhebung bzw. Aussage aufzunehmen. Da sich der Beschwerdeführer auch hinsichtlich einer weiteren Mitwirkung weigerte und keinerlei Aussagen machte, wurde von einer weiteren Einvernahme Abstand genommen. Der Beschwerdeführer wurde sodann dem Journalbeamten der Bundespolizeidirektion Linz vorgeführt, über die Haftgründe befragt und sodann dem diensthabenden Amtsarzt zur Feststellung der Haftfähigkeit vorgeführt. Der Beschwerdeführer hatte im weiteren Verlauf der Amtshandlung keine weiteren Ausführungen bzw. Aussagen getroffen. Es wurde aber einvernehmlich von allen am Geschehen beteiligten und als Zeugen vernommenen Beamten ausgesagt, daß der Beschwerdeführer den Eindruck erweckte, daß er den Gesprächen folgen konnte und diese verstand. Wegen seines andauernden aggressiven Verhaltens wurde der Beschwerdeführer ständig in Fesseln geschlossen gehalten, um eine Selbstverletzung sowie auch einen Angriff auf Beamte zu vermeiden. Die Fesseln wurden aber nicht enger gezogen. Während der amtsärztlichen Untersuchung machte der Beschwerdeführer auf keinerlei Verletzungen an seinem Fuß aufmerksam. Er wies lediglich auf seinen linken Ellenbogen und seine rechte Wange bzw. auf die dortigen Abschürfungen hin. Diese wurden auch aktenkundig festgestellt. Weitere Verletzungen waren offenkundig nicht bemerkbar. Der Beschwerdeführer konnte hingegen das Untersuchungszimmer freigehend betreten und auch wieder verlassen. Durch das aggressive Verhalten des Beschwerdeführers waren auch Schnürfurchen von den Handfesseln an den Handgelenken zu sehen. Diese sind aber nicht als Verletzung anzusehen, da sich diese Furchen nach Abnahme der Fesseln innerhalb weniger Stunden wieder zurückbilden bzw. verschwinden.

Es wurde daher der Beschwerdeführer über Anordnung der belangten Behörde im polizeilichen Gefangenenhaus eingeliefert und dort bis zum 12.7.1992 11.00 Uhr angehalten. Die Fesseln wurden in der Arrestzelle abgenommen.

4.3. Am Vormittag des 12.7.1992 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers unter Beiziehung eines Dolmetschers für die bulgarische Sprache. Darin leugnete er seine Unterlassung der Mitwirkung an der Unfallstelle sowie auch seine aggressive Verhaltensweise am Unfallort und berief sich auf einen Unfallschock. Die Niederschrift wurde auch eigenhändig vom Beschwerdeführer unterzeichnet, sodaß von seinem Einverständnis zum Inhalt ausgegangen werden kann. Erst nach Abschluß dieser Vernehmung äußerte der Beschwerdeführer Schmerzen im Fuß und ersuchte er um eine ärztliche Untersuchung. Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Haftentlassung wurde er aber auf eine ärztliche Versorgung im Allgemeinen Krankenhaus Linz verwiesen.

4.4. Eine vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung des Unfallkrankenhauses Linz bescheinigt den Bruch des Köpfchens des 5. Mittelfußknochens. Dazu gab der Amtsarzt befragt an, daß beim Gehen und Abrollen des Fußes eine Kraftübertragung in erster Linie über den Großzehenstrahl und nur auslaufend zum 5. Mittelfußknochen erfolgt, sodaß mit offenkundigen Schwellungen oder Gehbehinderungen nicht zu rechnen war.

4.5. Eine amtsärztliche Untersuchung am 12.7.1992 hat sowohl bei RI Kaltenböck als auch bei RI Koll den Befund von Verletzungen leichten Grades ergeben. Es wurde Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Linz erstattet.

4.6. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergaben sich widerspruchsfrei und eindeutig aus den glaubhaften Zeugenaussagen des vernommenen Amtsarztes Dr. Anton Feuerstein sowie der Polizeibeamten RI Aicher, RI Koll und RI Kaltenböck. Die Zeugen sagten einerseits unter Ermahnung und Belehrung über die Wahrheitspflicht aus, andererseits wurden diese Aussagen unabhängig voneinander in einer glaubwürdigen und schlüssigen Weise getroffen. Die vom Vertreter des Beschwerdeführers weiters beantragte Zeugeneinvernahme der Gattin des Beschwerdeführers sowie des benannten Zeugen Daniel Schüsser konnte anläßlich einer neuerlich anberaumten mündlichen Verhandlung am 20.1.1993 nicht erfolgen, da sich die Ehegattin des Beschwerdeführers sowie der Beschwerdeführer selbst für unbestimmte Zeit im Ausland befunden haben bzw. befinden und der Zeuge Schüsser unentschuldigt zur mündlichen Verhandlung nicht erschien. Aufgrund des bereits hinreichend erhobenen und erwiesenen Sachverhaltes war eine weitere Zeugenladung nicht mehr erforderlich.

Der Beschwerdeführervertreter gab mit Schriftsatz vom 30.11.1992, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 2.12.1992, die Auflösung des bestehenden Vollmachtsverhältnisses bekannt.

5. Es hat daher der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsund Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Durch die Festnahme des Beschwerdeführers und seine weitere Anhaltung sowie das Anlegen von Handfesseln durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz wurden ohne Vorliegen eines richterlichen Befehls solche Maßnahmen in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsund Zwangsgewalt gesetzt.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

5.2. Gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Entsprechende Gründe ergeben sich aus Art.2 Abs.1 Z2 lit.b (wenn er einer bestimmten mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist, um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen) und Art.2 Abs.1 Z3 leg.cit. (zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist).

Dieser Verfassungsbestimmung entspricht daher die einfachgesetzliche Regelung des § 35 lit.a VStG, wonach Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen dürfen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes setzt die Festnahme einer Person gemäß § 35 VStG voraus, daß die Person auf frischer Tat betreten wird. Das Sicherheitsorgan muß sein Verhalten unmittelbar selbst wahrnehmen, daß es dieses zumindest vertretbarerweise als eine als Verwaltungsübertretung strafbare Tat qualifizieren kann.

Gemäß § 4 der StVO 1960 wird an einem Verkehrsunfall beteiligten Personen die Pflicht zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsfeststellung auferlegt. Wie dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen ist, war von den am Unfallort eintreffenden Sicherheitsorganen die Unfallbeteiligteneigenschaft des Beschwerdeführers aufgrund unmittelbarer Zeugenaussagen begründet anzunehmen und betraten sie den Beschwerdeführer dahingehend, daß er nicht bereit war, Aussagen über den Unfallhergang zu machen bzw. seine Identität nachzuweisen. Es war daher in vertretbarer Weise das Betreten auf frischer strafbarer Tat durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes begründet. Da der Beschwerdeführer der Aufforderung zur Ausweisleistung nicht Folge leistete und daher auch in der Folge die Identität nicht sofort festgestellt werden konnte, war schon aus diesen Sachverhaltselementen ein Festnahmegrund gemäß § 35 lit.a VStG gegeben.

5.3. Die Bundespolizeidirektion Linz als belangte Behörde beruft sich aber auf den Festnahmegrund wegen § 270 StGB gemäß §§ 452 und 175 Abs.1 Z2 StPO.

Gemäß § 175, welcher ebenfalls im Einklang zum obzitierten Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit steht, kann vom Untersuchungsrichter die Vorführung oder vorläufige Verwahrung eines Verdächtigen angeordnet werden, wenn der Verdächtige auf frischer Tat betreten wird (Z1), wenn er flüchtig ist oder sich verborgen hält, oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, daß er flüchten werde oder sich verborgen halten werde (Z2), wenn er Beweismittel zu beseitigen oder die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat (Z3), oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde die strafbare Handlung wiederholen oder ausführen (Z4).

Es setzt daher die Verwahrungshaft nach § 175 StPO das Vorliegen eines Tatverdachtes und eines bestimmten Haftgrundes (Z1 bis 4) voraus. Ein Tatverdacht liegt dabei vor, wenn es aufgrund bestimmter Tatsachen wahrscheinlich ist, daß die zu verhaftende Person eine gerichtlich strafbare Handlung, also eine tatbildmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung begangen hat.

Ein richterlicher Befehl ist nicht ergangen. Es kann aber ausnahmsweise die vorläufige Verwahrung zum Zweck der Vorführung vor den Untersuchungsrichter auch durch einen zur Untersuchung nicht zuständigen Richter und durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden, nämlich 1.) in den Fällen des § 175 Abs.1 Z1 StPO sowie 2.) in den Fällen des § 175 Abs.1 Z2 bis 4 und Abs.2, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist (§ 177 Abs.1 StPO).

Der in Verwahrung Genommene ist durch den Richter oder die Sicherheitsbehörde unverzüglich zur Sache und zu den Voraussetzungen der Verwahrungshaft zu vernehmen und, wenn sich dabei ergibt, daß kein Grund zu seiner weiteren Verwahrung vorhanden sei, sogleich freizulassen, sonst aber binnen 48 Stunden dem zuständigen Gericht einzuliefern (§ 177 Abs.1 StPO).

Wie bereits unter Punkt 4. als erwiesen festgestellt wurde, hat der Beschwerdeführer durch Abwehrhandlungen bzw. Schläge mit dem Arm gegen den Oberkörper der Beamten sich wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung gemäß § 270 Abs.1 StGB (Tätlicher Angriff auf einen Beamten) verdächtig gemacht, welche mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten bedroht ist. Da der Beschwerdeführer aber immer wieder Anstalten machte, den Ort des Verkehrsunfalls bzw. der weiteren Amtshandlung verlassen zu wollen und sich daher aus diesem Grund losmachen wollte, konnte seitens der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgrund der Äußerungen des Beschwerdeführers selbst, daß er nun gehen werde, sowie aufgrund seiner Verhaltensweise, daß er versuchte, die Fahrbahn zu verlassen und sich von der Unfallstelle zu entfernen, begründet eine Fluchtgefahr angenommen werden. Der begründete Verdacht, der Beschwerdeführer werde sich einem weiteren behördlichen Vorgehen entziehen, erhärtet sich umsomehr aufgrund der bereits vorausgegangenen Nichtmitwirkung an der Feststellung seiner Identität. Es liegt daher keine denkunmögliche Gesetzesanwendung seitens der Sicherheitsorgane vor, wenn sie aufgrund der Tatumstände annehmen, daß sich der Beschwerdeführer aufgrund seiner bisherigen Verhaltensweise jedenfalls auch einer weiteren Verfolgung entziehen werde. Die Einholung eines richterlichen Befehls war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr tunlich bzw. faktisch nicht mehr möglich.

5.4. Es hat dann schließlich der Beschwerdeführer selbst durch weiteres Wehren und sich Losreißen versucht, sich vom Ort der Amtshandlung zu entfernen. Daran wurde er durch Körperkraft seitens der Sicherheitsorgane gehindert. Zur Abwehr dieser unmittelbar gegen ihn gerichteten Zwangsakte durch Körperkraft entgegnete er durch Umherschlagen mit Armen und Beinen, sodaß die Sicherheitsbeamten leicht verletzt wurden. Durch diese Vorgangsweise hat der Beschwerdeführer unmittelbar Gewalt bei der Durchführung einer Amtshandlung ausgeübt, sodaß in weiterer Folge nunmehr auch der Haftgrund des § 175 Abs.1 Z1 bzw. § 177 Abs.1 Z1 StPO im Zusammenhalt mit § 269 StGB gegeben war.

5.5. Wie sich aus der Aktenlage sowie auch aus den glaubwürdigen Zeugenaussagen anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ergeben hat, wurde der Beschwerdeführer noch von den Sicherheitsorganen über seine Festnahme bzw. die Festnahmegründe in einer ihm verständlichen Sprache belehrt. Einhellig gaben die Zeugen bekannt, daß der Beschwerdeführer gebrochen Deutsch sprach, aber im wesentlichen den Erklärungen und der Amtshandlung Folge leisten konnte. Einen Rechtsbeistand habe er nicht verlangt. Seine Ehegattin kam zum Tatort, als der Festgenommene bereits im Arrestantenwagen zur Abfahrt bereit war. Es konnte daher auch eine weitere Rechtsverletzung im Sinne des Art.4 Abs.6 und Abs.7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit nicht festgestellt werden.

5.6. Schließlich hat auch der erwiesene Sachverhalt ergeben, daß der Beschwerdeführer unverzüglich der Sicherheitsbehörde vorgeführt wurde und dort zu seinen Festnahmegründen befragt wurde, wobei er aber jede Antwort verweigerte. Es hat aber bereits der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß eine Informationspflicht über die Haftgründe nicht bestehe, wenn dem Betroffenen der Grund für seine Verhaftung sehr wohl bekannt war. Dies ist jedenfalls anläßlich der unmittelbaren Verhaftung und Belehrung durch die Sicherheitsorgane gegeben gewesen. Auch wird selbst im Sinne der europäischen Gerichtsbarkeit über Menschenrechtsverletzungen nicht gefordert, daß diese Information in einer spezifischen Form, insbesondere in schriftlicher Form erfolgen muß.

Auch in der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers im bundespolizeilichen Gefangenenhaus Linz bis zum nächsten Tag, nämlich dem 12.7.1992 11.00 Uhr kann keine Rechtswidrigkeit bzw. Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf persönliche Freiheit erblickt werden, zumal weder von einer zu langen Haftdauer noch von einer Unverhältnismäßigkeit des angewendeten Mittels ausgegangen werden kann. Schließlich ist der Beschwerdeführer bereits am Morgen um 9.00 Uhr zu einer persönlichen Einvernahme vorgeführt worden, in deren Anschluß er in Freiheit entlassen wurde. Angesichts des körperlichen Angriffs gegen die Sicherheitsbeamten und seines weiteren erwiesenen aggressiven Verhaltens noch während der Festnahme und Vorführung vor die Behörde und vor den Amtsarzt war jedenfalls zum Schutz der eigenen persönlichen Sicherheit sowie auch zum Schutz der persönlichen Sicherheit der Beamten eine weitere Anhaltung erforderlich, wobei ein anderes gelinderes Mittel nicht geeignet gewesen wäre, eine Verletzungsgefahr durch den Beschwerdeführer hintanzuhalten.

Aus den dargelegten Erwägungen folgt, daß der Beschwerdeführer durch die vorgenommene Verhaftung und Anhaltung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit nicht verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher, soweit sie sich auf die Verhaftung und Anhaltung bezieht, abzuweisen.

5.7. Weiters stützt sich die Beschwerde auf Art.3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK). Danach darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die Beschwerdebehauptungen, daß der Beschwerdeführer am Ort der Festnahme von den Beamten auf den Asphalt geworfen und im Würgegriff gehalten wurde, konnten vom unabhängigen Verwaltungssenat aufgrund der unmittelbaren Ermittlungen durch ein Beweisverfahren anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht in dieser Form aufrechterhalten werden. Vielmehr stellte sich der Sachverhalt so dar, daß der Beschwerdeführer samt den Beamten anläßlich seines Losreißversuches auf den Asphalt zu Fall kam und wegen der körperlichen Übermacht des Beschwerdeführers aufgrund seiner Körpergröße und seiner angestrengten Abwehrmaßnahme seine Festhaltung auf dem Boden, ein Festhaltegriff am Hals, um den Oberkörper zu fixieren, und das Anlegen von Handfesseln mit den Armen am Rücken erforderlich war. Ein Würgen am Hals sowie in weiterer Folge das Engerziehen der Handfesseln konnte aufgrund der glaubhaften Zeugenaussagen nicht verifiziert werden. Schließlich stützt sich der unabhängige Verwaltungssenat auch auf die Aussagen des Amtsarztes, wobei weder Druckstellen am Hals feststellbar noch Verletzungen an den Handgelenken festzustellen waren. Die Einschnürungen am Handgelenk waren lediglich auf die Losreißversuche des Beschwerdeführers zurückzuführen und nicht auch auf ein Engerziehen der Handfesseln. Eine echte Verletzung kann daraus nicht abgeleitet werden.

Eine bereits oben festgestellte gerechtfertigte Festnahme war aber ohne das Anlegen von Handfesseln aufgrund des erwiesenen Tatumstandes nicht möglich. Es kann daher in dem Anlegen von Handfesseln zur Durchsetzung einer gerechtfertigten Festnahme keine erniedrigende Behandlung gesehen werden. Im übrigen fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer auf andere Art und Weise erniedrigend behandelt worden wäre.

Die weiters in der Beschwerde geltend gemachte Unterlassung der ärztlichen Hilfeleistung konnte im Grunde des Beweisverfahrens nicht verifiziert werden.

Es war daher der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassung erniedrigender Behandlung (Art.3 MRK) nicht verletzt, sodaß auch diesbezüglich die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

5.8. Eine weitere Rechtsverletzung wurde dagegen weder in der Beschwerde geltend gemacht noch konnte eine solche im weiteren Verfahren festgestellt werden.

6. Gemäß § 79a AVG steht nur der Partei Kostenersatz zu, die in Fällen einer Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegt. Da die Beschwerde erfolglos geblieben ist, hat der Beschwerdeführer nach dem allgemeinen Grundsatz des § 74 AVG die Kosten selbst zu bestreiten.

Da die belangte Behörde ebenfalls Kostenersatz begehrt hat, sind gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.9.1991, Zl.91/19/0162/7, die Bestimmungen der §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof analog heranzuziehen, wobei unter Bedachtnahme auf den Grundsatz einer Abstufung des Kostenersatzes im Verfahren entsprechend der Unter- bzw. Überordnung der angerufenen Behörden und der damit verbundenen verschiedenartigen Mühewaltung die angeführten Pauschalsätze um ein Drittel zu kürzen sind. Es ergibt sich daher ein Vorlageaufwand von 337 S, ein Schriftsatzaufwand von 1.687 S und ein Verhandlungsaufwand von 2.273 S, also insgesamt ein Betrag von 4.297 S. Entsprechend war das Mehrbegehren spruchgemäß abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig. Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t 6

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