Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420026/29/Gf/La

Linz, 05.07.1993

VwSen-420026/29/Gf/La Linz, am 5. Juli 1993 DVR 0690392

E r k e n n t n i s

Der Oberösterreichische Verwaltungssenat hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde der Aloisia Pree, Hammersteinplatz 7, 5280 Braunau, vertreten durch Dr. Erna Lang-Hartl, Wagner-Jauregg-Weg 15, 4020 Linz, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Braunau zu Recht erkannt:

Gemäß § 67c Abs. 3 AVG wird festgestellt, daß die Beschwerdeführerin durch ihre zwangsweise Verbringung in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus Linz am 6. Novmeber 1992 durch Organe der belangten Behörde in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1.1. Mit einer am 18. November 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Braunau.

Begründend bringt die Beschwerdeführerin vor, daß - nachdem sie sich geweigert habe, über Aufforderung ihre Wohnungstür zu öffnen Gendarmeriebeamte über das Dachgeschoß und die offene Balkontür in ihre Wohnung eingedrungen seien. Anlaß zu diesem Einschreiten sei eine Lärmerregung ihrerseits gewesen, die sie aber mittlerweile abgestellt gehabt habe. In der Folge sei sie gegen ihren ausdrücklichen Willen auf einer Bahre in einen Rettungswagen verfrachtet und unter Begleitung eines Gendarmeriebeamten in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus Linz gebracht worden. Der Gendarmeriebeamte hätte sich zuvor ein Einweisungsschreiben eines Gemeindearztes von Braunau besorgt. Hiebei habe es sich aber lediglich um eine normale "Einweisung zur Anstaltspflege" wegen einer "psychotischen und aggressiven Verhaltensstörung" sowie wegen "Fremd- und Selbstgefährdung" gehandelt, der überdies keine ärztliche Untersuchung vorausgegangen sei. Auch im Krankenhaus habe sie sich den Anstaltsärzten gegenüber gegen eine Aufnahme ausgesprochen. Dennoch sei sie in der Folge im geschlossenen Bereich dieser Anstalt untergebracht worden. Anläßlich einer Anhörung durch das Bezirksgericht Linz am 10. November 1992 sei ihr zwangsweiser Aufenthalt im WagnerJauregg-Krankenhaus Linz mit Beschluß vom selben Tag, Zl. 24-Ub-663/92, für unzulässig erklärt worden, da keine Fremd- oder Selbstgefährdung vorgelegen sei.

Die Beschwerdeführerin begehrt daher festzustellen, daß sie durch die zwangsweise Einlieferung in die Psychiatrische Anstalt Wagner-Jauregg-Krankenhaus Linz in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit sowie in ihren Rechten nach dem Unterbringungsgesetz verletzt wurde.

1.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der vorliegenden Beschwerde begehrt.

Begründend wird dazu ausgeführt, daß das zwangsweise Betreten der Wohnung deshalb erfolgt sei, weil sich Nachbarn über eine Lärmerregung seitens der Beschwerdeführerin, die die ganze Nacht über angedauert habe, beschwert hätten und seit 8.00 Uhr morgens aus deren Wohnung ein Klopfen zu hören gewesen sei; auf einen Kontakt von außen habe die Beschwerführerin aber nicht reagiert. Da der belangten Behörde bekannt gewesen sei, daß die Beschwerdeführerin wegen einer psychischen Erkrankung seit Jahren in ärztlicher und auch schon in anstaltsmäßiger Behandlung gestanden sei, habe der Verdacht bestanden, daß sie sich selbst oder - wie frühere Vorfälle vermuten ließen - deren Nachbarn (zB durch Brandlegung) gefährden könne. Daher sei die Wohnung zwangsweise betreten und zugleich - da der Amtsarzt an diesem Tag nicht im Dienst und auch sonst nicht erreichbar gewesen sei Kontakt mit dem zuständigen Gemeindearzt aufgenommen worden. Aufgrund der großen Zahl von in seiner Ordination wartenden Patienten sei es diesem jedoch weder möglich gewesen, zur Wohnung der Beschwerdeführerin zu kommen, noch diese in seiner Ordination zu untersuchen. Dem Gemeindearzt sei die Beschwerdeführerin jedoch schon aufgrund früherer Behandlungen bekannt gewesen, sodaß dieser nach Schilderung ihres Verhaltens durch die Gendarmeriebeamten wegen Gefahr in Verzug eine Einweisung zur Anstaltspflege ausstellte.

Die Einlieferung sei daher nach § 9 Abs. 2 des Unterbringungsgesetzes erforderlich und durch diese Bestimmung auch gedeckt gewesen. Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

2. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in das Protokoll des Gendarmeriepostenkommandos Braunau vom 13. November 1992, Zl. P-2723/92/Hu, (mit Einverständnis der Beschwerdeführerin) in den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 10. November 1992, Zl. 24-Ub-663/92, sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der als Parteien die Beschwerdeführerin mit deren Rechtsvertreterin und Dr. Johann Gruber als Vertreter der belangten Behörde sowie die Zeugen BI Herbert Hubauer und Dr. Johann Schubert (Gemeindearzt) erschienen sind.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Am 6. November 1992 begehrten Beamte des Gendarmeriepostens Braunau im Auftrag der belangten Behörde etwa gegen 9.00 Uhr Einlaß in die Wohnung der Beschwerdeführerin. Anlaß für das Einschreiten waren Beschwerden von Wohnungsnachbarn gewesen, die dahin gingen, daß die Beschwerdeführerin schon die ganze Nacht über gelärmt habe und seit etwa 8.00 Uhr aus deren Wohnung ein lautes Klopfen zu hören sei. Da die Beschwerdeführerin den Beamten den Zutritt zu ihrer Wohnung verwehrte und auch auf gutes Zureden nicht entsprechend reagierte, wurde ein Schlüsseldienst angefordert, um die Wohnungstür zu öffnen. In der Zwischenzeit wurde von den Beamten mit einem Vertreter der belangten Behörde Rücksprache gehalten und letzterer versuchte, zunächst den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Braunau zu erreichen. Da weder dieser noch dessen Vertreter verfügbar war, wurde schließlich mit dem zuständigen Gemeindearzt (dem zweiten Zeugen) telefonisch Kontakt aufgenommen. Der Gemeindearzt stellte aufgrund dieses Telefongespräches für die Beschwerdeführerin eine "Einweisung zur Anstaltspflege" in das Wagner-JaureggKrankenhaus Linz (Psychiatrische Abteilung) aus, wobei als Gründe für die Erforderlichkeit einer stationären Behandlung "psychotische Verhaltensstörung; aggressive Verhaltensstörung; Selbst- und Fremdgefährdung" angegeben wurden; die Ausstellung einer Bescheinigung iSd § 8 des Unterbringungsgesetzes wurde hingegen vom Gemeindearzt ausdrücklich abgelehnt. Der Einweisungsschein wurde in der Folge von einem der einschreitenden Gendarmeriebeamten (dem ersten Zeugen) in der Ordination des Gemeindearztes abgeholt. Mittlerweile war es den zur Unterstützung des Gendarmerieeinsatzes ersuchten Feuerwehrleuten gelungen, unbemerkt über den Balkon in die Wohnung der Beschwerdeführerin einzusteigen. Die dadurch offensichtlich überraschte Beschwerdeführerin leistete keinerlei Widerstand, sodaß die Wohnungstür nun ohne Mühe von innen geöffnet werden konnte. Die zwischenzeitig angeforderten Sanitäter legten die Beschwerdeführerin gewaltsam auf die mitgebrachte Bahre, banden sie auf dieser fest und trugen sie in den Rettungswagen. In Begleitung eines Gendarmeriebeamten wurde die Beschwerdeführerin schließlich in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus nach Linz gebracht und dort gegen 13.00 Uhr im geschlossenen Bereich der Station B-11 untergebracht. Am 10. November 1992 wurde ihre weitere Anhaltung im geschlossenen Bereich durch Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom selben Tag, Zl. 24-Ub-663/92, für unzulässig erklärt und die Beschwerdeführerin mit ihrem Einverständnis um 13.30 Uhr in eine offene Abteilung dieses Krankenhauses verlegt.

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der Beschwerdeführerin und der einvernommenen Zeugen.

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

3.1. Zur Zuständigkeit:

3.1.1. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. e MRK darf einem Menschen die Freiheit ua. dann auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn er sich in rechtmäßiger Haft befindet, weil er geisteskrank ist.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z. 5 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 (im folgenden: PersFrSchG), darf die persönliche Freiheit ua. dann einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, daß er wegen psychischer Erkrankung sich oder andere gefährdet.

In Ausführung dieser Gesetzesvorbehalte regelt das Unterbringungsgesetz, BGBl.Nr. 155/1990 (im folgenden: UbG), die näheren Voraussetzungen und das Verfahren der Unterbringung.

3.1.2. Nach § 12 Abs. 1 UbG ist zur Besorgung der nach dem UbG dem Gericht übertragenen Aufgaben jenes Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die Anstalt liegt. Wie aus den §§ 13 bis 41 UbG hervorgeht, obliegt dem Gericht die Prüfung der Frage der Rechtmäßigkeit der (weiteren) Anhaltung einer Person ab dem Zeitpunkt ihrer Aufnahme bzw. ihrer Unterbringung in einer Anstalt, in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden. Bezüglich der Frage der Zuständigkeit zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der (bloßen) Verbringung einer Person in eine Anstalt ohne deren Verlangen findet sich im UbG keine Regelung. Insoweit kommt daher die allgemeine Bestimmung des Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG zum Tragen, wonach die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen zu entscheiden haben, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein, wenn und soweit die Verbringung in den geschlossenen Bereich einer Anstalt durch Handlungen erfolgte, die einer Verwaltungsbehörde zuzurechnen sind.

3.1.3. Wenn und insoweit die Beschwerdeführerin also durch die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt seitens der Organe des Bezirkshauptmannes von Braunau gegen ihren Willen und Widerstand in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus nach Linz verbracht wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat also zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zulässig.

3.2. Zur Zulässigkeit:

3.2.1. Das Betreten der Wohnung der Beschwerdeführerin erfolgte zweifellos gegen deren Willen und im Wege der Anwendung von Zwangsmaßnahmen, wie der Versuch des Öffnens der Wohnungstür durch einen von der Behörde beauftragten Schlüsseldienst und das Eindringen in die Wohnung durch die beauftragten Feuerwehrleute zeigt. Insofern liegt also die Ausübung von der belangten Behörde zuzurechnender verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor.

3.2.2. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die Verbringung der Beschwerdeführerin von ihrer Wohnung in den geschlossenen Bereich des Wagner-Jauregg-Krankenhauses Linz. Die Beschwerdeführerin ließ nämlich von Beginn der Amtshandlung an keinen Zweifel darüber offen, daß sie keinesfalls in ein Krankenhaus verbracht werden will. Die Furcht vor einer zwangsweisen Einweisung in eine geschlossene Abteilung war vielmehr - was auch den einschreitenden Sicherheitsorganen im Laufe ihrer zwei Stunden dauerenden Amtshandlung bewußt war oder jedenfalls werden mußte - der alleinige Beweggrund, weshalb die Beschwerdeführerin ihre Wohnungstür nicht öffnete. Nachdem schließlich eine Vielzahl von Personen in ihre Wohnung eingedrungen war, war es der - im übrigen schwer körperlich behinderten - Beschwerdeführerin schon rein faktisch gar nicht möglich, einen effektiven Widerstand zu leisten. Sie gab anfangs dennoch unmißverständlich zu verstehen, daß sie nicht in eine Krankenanstalt verbracht werden wolle. Wenn dieser Widerstand schließlich nachließ und die Beschwerdeführerin sogar geäußert haben soll, daß sie "jetzt ohnehin mitfahren" wolle, so war dies unter den gegebenen Umständen jedoch keineswegs als eine Einwilligung, sondern vielmehr als ein allgemein verständlicher Ausdruck einer Resignation angesichts unabwehrbarer Übermacht zu werten. Zudem darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß der Vorfall in der Nachbarschaft bereits ein beträchtliches Aufsehen erregt hatte und die Beschwerdeführerin naturgemäß bemüht war, eine weitere Eskalation hintanzuhalten.

3.2.3. Da sich die vorliegende Beschwerde somit gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt richtet und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 und 2 AVG erfüllt sind, ist diese sohin zulässig. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin mit der vorliegenden Beschwerde die oben unter 3.2.1. angesprochene Verletzung ihres Hausrechts nicht auch aus eigenem releviert hat, hindert den Oö. Verwaltungssenat nicht, die Rechtmäßigkeit der behördlichen Vorgangsweise auch unter diesem Aspekt zu überprüfen, weil er im Rahmen seiner Kontrollbefugnis gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 iVm § 67c AVG nicht bloß auf die geltend gemachten Beschwerdepunkte beschränkt ist (vgl. dazu zB VwSen420022 v. 3. Dezember 1992).

3.3. In der Sache selbst:

3.3.1.1. Gemäß Art. 8 MRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs; ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach den §§ 2 und 3 des Gesetzes zum Schutze des Hausrechts, RGBl.Nr. 88/1862 (im folgenden: HausRG), dürfen ua. von den Organen der polizeilichen Aufsicht zu diesem Zweck in den durch das Gesetz bestimmten Fällen Hausdurchsuchungen auch aus eigener Macht, d.h. ohne richterlichen Befehl, vorgenommen werden, wenn jemand bei der Tat betreten, durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet oder im Besitz von Gegenständen betreten wird, die auf die Beteiligung an einer solchen hinweisen.

Gemäß Art. II § 4 Abs. 2 des zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalles noch in Geltung gestandenen - und daher auch vom Oö. Verwaltungssenat im vorliegenden Maßnahmebeschwerdeverfahren gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG, in dessen Zuge ihm nach Art. 129 B-VG (ausschließlich) die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns in bezug auf die dieses damals determinierenden Rechtsvorschriften obliegt, anzuwendenden Übergangsgesetzes 1929, BGBl. Nr. 393/1929 (im folgenden: ÜG 1929), konnten die mit den Agenden der allgemeinen Sicherheitspolizei betrauten Organe zum Schutz der gefährdeten körperlichen Sicherheit von Menschen oder des Eigentums die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Anordnungen treffen (vgl. nunmehr § 39 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991).

3.3.1.2. Anlaß des behördlichen Einschreitens war eine permanente Lärmerregung durch die Beschwerdeführerin, also das Vorliegen des Verdachtes einer Übertretung des § 3 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 94/1985. Während der Amtshandlung, d.h. bis zum Eindringen in die Wohnung der Beschwerdeführerin, konnten die Sicherheitsorgane - insbesondere aufgrund früherer Vorfälle - zudem auch zumindest vertretbar annehmen, daß von der Beschwerdeführerin eine Gefahr für Personen und Sachen, nämlich für sie selbst und ihr Eigentum, aber auch für die Nachbarn und deren Eigentum, ausgeht. Denn aus der Wohnung waren laute, nicht exakt definierbare Geräusche zu vernehmen, der an sich labile Geisteszustand der Beschwerdeführerin war den einschreitenden Organen bekannt und sie machte auf diese während des Gespräches durch den geöffneten Türspalt einen verstörten Eindruck. Zudem konnte Brandlegung nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Unter diesem Aspekt bot Art. II § 4 Abs. 2 ÜG 1929 aber eine hinreichende gesetzliche Grundlage sowohl iSd Art. 8 MRK als auch iSd §§ 2 und 3 HausRG, um das zwangsweise Betreten der Wohnung der Beschwerdeführerin zu rechtfertigen.

3.3.1.3. Die Beschwerdeführerin wurde daher durch das der belangten Behörde zuzurechnende zwangsweise Eindringen von Sicherheits-, Feuerwehr- und Sanitätsbediensteten in ihre Wohnung weder in ihrem gemäß Art. 8 MRK verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Achtung ihres Privatlebens und ihrer Wohnung noch in ihrem nach den §§ 2 und 3 HausRG verfassungsgesetzlich geschützten Hausrecht noch in sonstigen Rechten verletzt.

3.3.2.1. Jene Bestimmungen, die die Behörde und deren Organe grundsätzlich dazu berechtigen, einem Menschen die persönliche Freiheit zu entziehen, wenn Grund zur Annahme besteht, daß er wegen einer psychischen Erkrankung sich oder andere gefährdet, wurden bereits oben unter 3.1. dargestellt.

Eine zwangsweise Unterbringung einer Person in einer Anstalt bedarf im übrigen gemäß § 8 UbG prinzipiell einer mit Gründen versehenen Bescheinigung eines im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes; der Ausstellung einer derartigen Bescheinigung hat eine entsprechende Untersuchung vorauszugehen. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 9 UbG berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzung der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt zu bringen oder diesen beizuziehen; bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen; wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden. Bei Gefahr in Verzug können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen.

3.3.2.2. Der im vorliegenden Fall von der belangten Behörde konsultierte zweite Zeuge war zum Vorfallszeitpunkt in Braunau zwar Gemeindearzt iSd § 3 des Oö. Gemeindesanitätsdienstgesetzes und in dieser Funktion als im öffentlichen Sanitätsdienst iSd §§ 8 und 9 UbG stehend anzusehen; bei der von ihm ausgestellten "Einweisung zur Anstaltspflege" handelte es sich allerdings - wie schon das verwendete Formular (Zl. ÄV..Kr.V.Tr.-F35a/1-8.91) belegt - bloß um eine Einweisung in eine öffentliche Krankenanstalt gemäß § 145 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, nicht jedoch - worauf der zweite Zeuge in seinem Telefongespräch mit dem Organ der belangten Behörde auch ausdrücklich hinwies - um die Ausstellung einer Bescheinigung iSd §§ 8 und 9 UbG. Abgesehen davon, daß auch der Ausstellung einer derartigen bloßen "Einweisung zur Anstaltspflege" eine ärztliche Untersuchung der Beschwerdeführerin voranzugehen gehabt hätte, berechtigte diese jedenfalls die einschreitenden Sicherheitsorgane nicht dazu, die Beschwerdeführerin gegen ihren Willen in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus nach Linz zu verbringen.

Schließlich lag aber auch die von § 9 Abs. 2 UbG geforderte "Gefahr in Verzug", die die Sicherheitsorgane dazu berechtigt hätte, die Beschwerdeführerin ohne vorhergehende ärztliche Untersuchung und ohne Bescheinigung in eine Anstalt zu bringen, nicht vor. Nachdem die Sicherheitsorgane ein zwangsweises Eindringen in die Wohnung verfügt und schließlich Gewahrsame über die Beschwerdeführerin erlangt hatten, war damit eine akute Fremdoder Selbstgefährdung ab diesem Zeitpunkt jedenfalls ausgeschlossen. Um derartige Gefährdungen auch weiterhin hintanzuhalten, hätte es geradezu auf der Hand gelegen, die Beschwerdeführerin nunmehr unter Begleitung eines Gendarmeriebeamten einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt - nämlich entweder dem Vertreter des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Braunau (davon, daß eine entsprechende Vertretungsregelung für den Fall einer schulungsbedingten Abwesenheit des Amtsarztes besteht, ist jedenfalls auszugehen) oder dem zweiten Zeugen bzw. einem anderen Gemeindearzt (die Gemeinde Braunau verfügt insgesamt über drei Gemeindeärzte) zwecks Untersuchung vorzuführen.

Die unter solchen Umständen demgegenüber verfügte zwangsweise Verbringung der Beschwerdeführerin in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus Linz fand sohin in den Bestimmungen des UbG keine gesetzliche Deckung, erfolgte daher - weil sich die Organe der belangten Behörde tatsächlich nur zum Schein auf eine Rechtsgrundlage zu stützen vermochten - willkürlich (vgl. zB grundsätzlich VfSlg 7458) und war deshalb rechtswidrig.

3.4. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher gemäß § 67c Abs. 3 AVG auszusprechen, daß die Beschwerdeführerin dadurch, daß sie am 6. November 1992 von Organen der Bezirkshauptmannschaft Braunau gegen ihren Willen in eine Krankenanstalt verbracht wurde, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurde.

4. Ein Ersatz ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten war der Beschwerdeführerin als im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat obsiegender Partei mangels eines darauf gerichteten Antrages gemäß § 79a AVG nicht zuzusprechen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den Oö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f Für die Richtigkeit der Ausführung:

Ergeht an:

1. Aloisia Pree, zHd. Dr. Erna Lang-Hartl, WagnerJauregg-Weg 15, 4020 Linz, mit Kopie der VH-Schriften (ONr. 16 u. ONr. 28), mit RSb; 2. BH Braunau, mit Kopie der VH-Schrift (ONr. 28), nachweislich. 6

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