Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420051/28/Schi/Ka

Linz, 11.07.1994

VwSen-420051/28/Schi/Ka Linz, am 11. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Schieferer über die Beschwerde des M J Z vertreten durch wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bundesministers für Inneres nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung am 30.6.1994, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Festnahme am 20. Dezember 1993 um ca. 21.00 Uhr, die nachfolgende Anhaltung im Verwahrungsraum des GP Leonding bis 21.

Dezember 1993, 8.00 Uhr, sowie die weitere Anhaltung bis 21.05 Uhr desselben Tages in Linz, Nietzschestraße 33 (Amtsgebäude der BPD Linz und der Sicherheitsdirektion für das Bundesland ) als rechtswidrig festgestellt.

II. Die belangte Behörde (der BM für Inneres) hat dem Beschwerdeführer zu Handen des Beschwerdeführervertreters die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Höhe von 17.853,33 S binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm §§ 67a Abs.1 Z2 und § 67c AVG iVm Art.5 MRK sowie Art.2 Abs.1 Z2 lit.b und Art.4 B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit 1988; § 177 Abs.1 iVm § 175 Abs.1 Z3 StPO.

zu II.: §§ 74 und 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 24.1.1994, beim unabhängigen Verwaltungssenat eingelangt am 27.1.1993, wurde Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Festnahme am 20. Dezember 1993 um ca. 22.35 Uhr und die nachfolgende Anhaltung bis 21.

Dezember 1993, 22.00 Uhr, durch Organe des Bundesministers für Inneres erhoben und die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit behauptet.

Begründend wurde ausgeführt, daß der Bf am 20. Dezember 1993 um ca. 15.30 Uhr in ein Büro der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberöstereich (im folgenden SiD ) befohlen wurde. Dort wurde dem Bf vom Beamten des Landesgendarmeriekommandos für die Steiermark (LGK Stmk) Bez.Insp. T und Folger - welche in unmittelbarem Auftrag des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit, Herrn Mag. Sika, tätig wurde, vorgehalten, personenbezogene Daten an Privatpersonen mißbräulich weitergegeben und sich dadurch bereichert zu haben. Diese Untersuchungen wurden im Rahmen des beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu 26d Vr 14466/93 anhängigen Strafverfahrens durchgeführt. Während der Einvernahme des Bf durch die Beamten wurde von diesen auch mehrfach mit dem LG für Strafsachen Wien sowie mit der belangten Behörde telefonischen Kontakt aufgenommen. Obwohl der Bf eine freiwillige Nachschau in seiner Privatwohnung anbot, wurde er mit dem behaupteten Haftgrund der Verdunkelungsgefahr am Gendarmerieposten Leonding vorläufig verwahrt. Zu diesem Zweck wurde er von dem Gendarmeriebezirksinspektoren der vom GD f. öffentliche Sicherheit eingerichteten Sonderkommission um ca. 23.00 Uhr nach Leonding gebracht, von wo er am 21. Dezember 1993 um ca. 8.30 Uhr wieder abgeholt und sodann in der SiD OÖ.

weitervernommen wurde. Die Hausdurchsuchung im Detektivbüro "Observo" dauerte am 20. Dezember 1993 von 18.30 Uhr bis 21.00 Uhr. Die Einvernahme des Bf am 21. Dezember 1993 wurde bis ca. 22.00 Uhr fortgesetzt. Danach wurde dem Bf bedeutet, daß die vorläufige Verwahrung aufgehoben werde und er nach Hause gehen könne. Eine Nachschau in den privaten Räumlichkeiten des Bf erfolgte nie. Ein Haftbefehl des LG für Strafsachen Wien gegen den Bf lag zu keiner Zeit vor; ein solcher wurde auch vom zuständigen Staatsanwalt nie beantragt.

Wegen der behaupteten Rechtsverletzungen wurde daher die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes beantragt.

2. Der Bundesminister für Inneres als belangte Behörde erstattete mit Schriftsatz vom 1. Juni 1994 eine Gegenschrift und legte dazu die bezughabenden Aktenteile (deren Originale dem LG für Strafsachen Wien vorgelegt wurden) dem O.ö.

Verwaltungssenat vor. Darin führt die belangte Behörde aus:

3. Zufolge einer Mitteilung des LG für Strafsachen Wien vom 13.4.1994 wurde das Verfahren gegen den Bf wegen §§ 302 Abs.1 StGB gemäß 51 und 56 StPO an das LG Linz abgetreten.

Über h. Ersuchen hat das LG Linz mit Note vom 31.5.1994 dem O.ö. Verwaltungssenat eine Aktenkopie des Gerichtsaktes übermittelt. Weiters wurden vom GP Leonding Kopien des Haftbuches betreffend die fragliche Zeit eingeholt. Da der Rechtsvertreter des Bf telefonisch erklärte, daß ihm der Gerichtsakt bekannt sei, wurde ihm in Wahrung des Parteiengehörs mit h. Schreiben vom 8.6.1994 eine Kopie der Gegenschrift des Bundesministers für Inneres samt Beilagen übermittelt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Gerichtsakt sowie in die eingebrachten bzw eingeholten Schriftstücke (Gegenschrift samt Beilagen, Haftbuch des GP Leonding) und die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30. Juni 1994, zu der neben dem Bf und der belangten Behörde die Zeugen Richterin Mag. B A (LG für Strafsachen Wien) Rat. Dr. A L (SiD ), Bez.Insp. J T, Bez.Insp. W F, Gr.Insp.

W V (LGK für Stmk, Kriminalabteilung) sowie Rev.Insp. D N (GP Leonding) geladen und einvernommen wurden.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt festgestellt und als erwiesen der Entscheidung zugrundegelegt:

5.1. In einem Vorerhebungsverfahren im Dienste der Strafrechtspflege wegen des Verdachtes der mißbräuchlichen Verwendung personenbezogener Daten, die im Ekis der Sicherheitsbehörden automationsunterstützt verarbeitet werden, wurden vorerst vom LGK Stmk (Kriminalabteilung) die Ermittlungen geführt. Da sich herausstellte, daß sich die Amtshandlung über die Grenzen des Bundeslandes Steiermark hinauserstreckt, erfolgte über Weisung des GD für die öffentliche Sicherheit vorerst eine Zuteilung der ermittelnden Beamten zum Bundesministerium für Inneres (bis 31.12.1993). Im Zuge der Ermittlungen ergab sich auch ein Hinweis auf eine Ekis-Anfrage der BPD Linz bzw des Bf. Es ergab sich daher der Verdacht, daß der Bf diese Ekis-Daten unrechtmäßig verwendet habe. Am 20.12.1993 um ca. 15.45 Uhr wurde mit der Einvernahme des Bf begonnen; im Zuge der Durchführung der Einvernahme wurde auch der Schreibtisch des Bf besichtigt bzw durchsucht, wobei sich Verdachtsmomente auf Weitergabe von Daten an ein Detektivbüro ergaben. Es wurde dann laufend versucht, mit dem Inhaber des Detektivbüros A K F Kontakt aufzunehmen; dieser konnte jedoch nicht erreicht werden. Nach der intensiven Durchsuchung des Schreibtisches des Bf (Beginn:

20.15 Uhr) erfolgte der Ausspruch der vorläufigen Verwahrung, weil sich die Hinweise auf eine unberechtigte Datenweitergabe entsprechend erhärtet haben; ein richterlicher Haftbefehl wurde nicht eingeholt. Dies geschah deshalb, weil die Gefahr angenommen wurde, daß sich der Bf und der Inhaber des Detektivbüros A K F verabreden könnten, um allfällige Beweise beiseite zu schaffen und somit den Sachverhalt zu verdunkeln. Da zu diesem Zeitpunkt weder der zuständige Staatsanwalt noch die zuständige Richterin im Dienst waren, erfolgte keine Rücksprache mit diesen; auch der diensthabende Journalrichter wurde nicht kontaktiert.

Um 22.35 Uhr wurde der Bf zum GP Leonding gebracht und dort in dem Verwahrungsraum untergebracht. Zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr des 21.12.1993 wurde der Bf aus dem Verwahrungsraum des GP Leonding geholt und in ein Büro der Sid gebracht und dort weiter befragt; die vorläufige Verwahrung wurde noch nicht aufgehoben. Im Laufe des Vormittages wurde vom Zeugen Tafner telefonisch mit der Untersuchungsrichterin Mag. B A sowie mit dem zuständigen Staatsanwalt der StA Wien, Dr. H Z telefonisch Kontakt aufgenommen. Die Untersuchungsrichterin Mag. B Atefie wurde von den Beamten über die vorläufige Verwahrung informiert; sie erteilte jedoch keinen Haftbefehl. Auch hat Staatsanwalt Dr. Z keinen Antrag auf einen Haftbefehl gestellt. Die Untersuchungsrichterin hat lediglich aufgrund eines Antrages auf einen Hausdurchsuchungsbefehl im Detektivbüro in L von Staatsanwalt Dr. M einen Hausdurchsuchungsbefehl erlassen (26d Vr 14466/93), der mit Telefax im voraus übermittelt wurde.

Nachdem in der Folge der Kontakt mit dem Inhaber des Detektivbüros A K F hergestellt werden konnte und er freiwillig die notwendigen Beweise ausgehändigt hat bzw mit den Beamten voll kooperiert hat, wurde eine Hausdurchsuchung nicht mehr durchgeführt, da sich diese erübrigt hat. Nach Sicherstellung aller Beweise wird schließlich der Bf am Abend des 22.12.1993 zwischen 21.00 Uhr und 22.00 Uhr aus der vorläufigen Verwahrung entlassen bzw wurde diese von den Beamten aufgehoben.

5.2. Die gesamte Amtshandlung wurde von den Beamten des LGK Stmk im Auftrag und über Weisung des Bundesministers für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, durchgeführt, wobei als Einsatzleiter ein Offizier des Bundesministeriums (M E) fungierte. Mit diesem wurde permanent (telefonischer) Kontakt gehalten, ebenso mit dem GD für die öffentliche Sicherheit.

5.3. Dieser Sachverhalt und der Ablauf der angefochtenen Amtshandlung ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz in Verbindung mit der Gegenschrift der belangten Behörde sowie des eingeholten Gerichtsaktes, der Kopien des Haftbuches des GP Leonding und insbesondere aus dem Ergebnis der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, insbesondere aus den Aussagen der als Zeugen vernommenen Untersuchungsrichterin des LG für Strafsachen in Wien, Mag.

B A, sowie den Zeugen Bez.Insp. T, F und Gr.Insp. V vom LGK Stmk. sowie den Aussagen des Zeugen Rat. Dr. A L (BPD Linz) und der Aussage des Zeugen Rev. Insp. N. Alle Zeugen standen unter Wahrheitspflicht und machten einen glaubwürdigen Eindruck.

Zu der maßgeblichen und strittigen Frage, ob ein Haftbefehl durch die Untersuchungsrichterin zumindest am 21.12.1993 etwa 8.00 Uhr auch tatsächlich mündlich erteilt wurde, gelangte der unabhängige Verwaltungssenat unter Zusammenschau und Abwägung sämtlicher Zeugenaussagen zu der Auffassung, daß ein mündlicher Haftbefehl durch die Untersuchungsrichterin nicht erteilt wurde und auch die erhebenden Beamten aus der Äußerung der Untersuchungsrichterin am Telefon nicht auf einen solchen schließen durften. Der Journalrichter wurde (nach Dienstschluß am 20.12.1993) überhaupt nicht kontaktiert.

Dieses Beweisergebnis gründet sich auf die tragenden Aussagen der zeugenschaftlich einvernommenen Untersuchungsrichterin des LG für Strafsachen Wien, Mag.

B A, die ausdrücklich angab, einen Haftbefehl niemals erteilt zu haben. Auch die erhebenden Beamten des LGK Stmk gestanden schließlich zu, am Abend des 20.12.1993 keinen Haftbefehl eingeholt bzw. erhalten zu haben; sie waren offenbar der Meinung, die telefonische Kontaktaufnahme mit der Untersuchungsrichterin und ihre Information über die vorläufige Verwahrung am 21.12.1993 würden genügen, bzw wurde der Hinweis der Richterin, die Ermittlungen rasch fortzusetzen und die Haft im Rahmen der vorläufigen Verwahrung nur im unbedingt notwendigen Ausmaß beizubehalten, möglicherweise als Haftbefehl mißverstanden.

5.4. Auch aus dem Gerichtsakt ergab sich, daß kein mündlicher Haftbefehl erteilt wurde. Aus dem diesbezüglichen Aktenvermerk vom 21. Dezember 1993 der Untersuchungsrichterin Mag. B A ergibt sich lediglich, daß der Zeuge Tafner sie darüber informiert hat, daß aufgrund der bisher sichergestellten Beweise der Bf in einigen Fällen aus dem Ekis Daten abgefragt hat, die dienstlich niemals verwendet wurden; bei der Einvernahme habe er gestanden, einmal an F Daten weitergegeben zu haben. Ein Antrag auf eine Hausdurchsuchung in L (Detektivbüro), wurde vom Staatsanwalt Dr. M gestellt; ein Hausdurchsuchungsbefehl wurde daher erlassen (per Fax im voraus).

6. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

6.1. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Durch die Festnahme des Bf am 20.12.1993 im Zeitraum von etwa 21.00 Uhr bis 22.00 Uhr sowie die nachfolgende Anhaltung im Verwahrungsraum des GP Leonding bis 21.12.1993, 8.00 Uhr, und die weitere Anhaltung bis 21.05 Uhr desselben Tages in Linz, Nietzschestraße 33 (Amtsgebäude der BPD Linz und der SiD ) durch die dem Bundesminister für Inneres dienstzugeteilten Beamten des LGK Stmk ohne richterlichen Haftbefehl wurde ohne unmittelbar vorausgegangenes Verfahren ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gesetzt.

6.2. Gemäß Art.2 Abs.1 Z2 lit.b des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr.684/1988, darf die persönliche Freiheit einem Menschen nur dann auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn er einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Verhandlung verdächtig ist, um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen. Gemäß Art.4 Abs.1 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit ist eine Festnahme aus den Gründen des Art.2 Abs.1 Z2 lit.b und c nur in Vollziehung eines begründeten richterlichen Befehls zulässig, der dem Betroffenen bei der Festnahme, spätestens aber innerhalb von 24 Stunden zuzustellen ist. Nach Abs.2 dieses Artikels darf bei Gefahr im Verzug eine Person auch ohne richterlichen Befehl festgenommen werden. Sie ist freizulassen, sobald sich ergibt, daß kein Grund zu ihrer weiteren Anhaltung vorhanden sei, sonst ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden, dem zuständigen Gericht zu übergeben.

Gemäß § 175 Abs.1 Z3 StPO kann der Untersuchungsrichter auch ohne vorangegangene Vorladung die Vorführung oder vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen anordnen, wenn er Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflußen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde dies versuchen.

Nach § 177 Abs.1 StPO kann ausnahmsweise die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zwecke der Vorführung vor dem Untersuchungsrichter auch durch einen zur Untersuchung nicht zuständigen Richter und durch Organe der Sicherheitsbehörde ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden:

1. in den Fällen des § 175 Abs.1 Z1 StPO sowie 2. in den Fällen des § 175 Abs.1 Z2 bis Z4 und Abs.2, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

6.3. Zur Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres als belangte Behörde:

6.3.1. Gemäß § 24 StPO haben die Sicherheitsbehörden allen Verbrechen und Vergehen, sofern sie nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten untersucht werden, nachzuforschen und, wenn das unverzügliche Einschreiten des Untersuchungsrichters nicht erwirkt werden kann, die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung oder die Flucht des Täters verhindern können. Hausdurchsuchungen und die vorläufige Verwahrung von Personen dürfen die Sicherheitsbehörden und deren Organe zum Zwecke der Strafgerichtspflege nur in den in dieser Strafprozeßordnung vorgesehenen Fällen unaufgefordert vornehmen.

Die Vornahme solcher Amtshandlungen im Dienste der Strafjustiz - vorausgesetzt es liegt kein vom Gericht unmittelbar erteilter Auftrag vor - fällt sowohl in den Wirkungsbereich der Bezirkshauptmannschaften und Bundespolizeibehörden als auch in den Wirkungsbereich der Sicherheitsdirektionen, da § 24 StPO von den Sicherheitsbehörden schlechthin spricht und sowohl diese als auch jene Sicherheitsbehörden sind (VfGH vom 30.4.1964, Slg.4692).

Auch Angelegenheiten der Strafjustiz gehören zur "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit". Dazu hat nunmehr klärend und einschränkend § 22 Abs.3 2. Satz Sicherheitspolizeigesetz (SPG) geregelt, daß, sobald ein bestimmter Mensch der strafbaren Handlung verdächtig ist, ausschließlich die Bestimmungen der StPO gelten.

6.3.2. Zur Frage, welche Sicherheitsbehörde im gegenständlichen Fall tätig geworden ist, ist festzustellen, daß Hilfsorgane (in concreto die Kriminalbeamten des LGK Stmk.) ihrem Wesen nach keine über die Zuständigkeit der Behörde hinausgehende Befugnis haben können. Ihnen mangelt vom Dienstrecht und vom inneren Dienst abgesehen - eine selbständige Entscheidungs- und Verfügungskompetenz. Soweit sie Anordnungen treffen, sind sie also stets jener Behörde zuzurechnen, als deren Hilfsorgan sie im konkreten Fall tätig werden, deren Vollzugsgewalt sie handhaben. Bei der Frage, für welche Behörde die Hilfsorgane zu fungieren haben, müssen jene gesetzlichen Vorschriften außer Betracht bleiben, die lediglich den inneren Dienst, insbesondere die innerdienstlichen Unterstellungsverhältnisse, regeln (vgl.

vorzitiertes VfGH-Erkenntnis). Es ist daher die im Verfahren angeführte Dienstzuteilung (zum Bundesminister für Inneres, Generaldirektion für öffentliche Sicherheit) für das Verwaltungshandeln nicht ausschlaggebend. Vielmehr ist das Handeln der Hilfsorgane jener Behörde zuzurechnen, in deren Zuständigkeit die Sache nach den Materiengesetzen fällt, und zwar im Rahmen ihres Wirkungsbereiches. Dies gilt jedoch nur für den Fall, in dem das Hilfsorgan von sich aus (aus eigener Macht) tätig wird. Dies bedeutet also, daß bei einem Tätigwerden der Exekutivorgane aus eigener Macht ihr Handeln sehr wohl im Zusammenhang mit § 24 StPO der BPD Linz bzw der Sicherheitsdirektion zugerechnet hätte werden können (vgl.

ähnlich auch in VfGH vom 6.10.1977, B 388/76-57 und B 350/76-28).

6.3.3. Da aber - wie schon oben unter Pkt. 5.2. festgestellt wurde - die Exekutivorgane im Auftrag und auf Weisung und unter Leitung des BMfI, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, tätig geworden sind, ist ihr Handeln stets jener Behörde zuzurechnen, als deren Hilfsorgan sie im konkreten Fall tätig werden und deren Vollziehungsgewalt sie also handhaben. Sie sind daher für den Bundesminister für Inneres tätig geworden und es ist das Handeln diesem als Sicherheitsbehörde zuzurechnen.

7. Zur Festnahme und Anhaltung:

7.1. Die StPO erklärt die Anordnung der vorläufigen Verwahrung durch unzuständige Richter und Sicherheitsorgane zur Ausnahme; die Voraussetzungen, insbesondere das Vorliegen von Gefahr im Verzug, müssen daher streng beurteilt werden. Gefahr im Verzug ist nur dann gegeben, wenn es nach den Umständen als wahrscheinlich anzunehmen ist, daß der Verdächtige ohne sofortige Verhaftung fliehen oder sich verbergen, die Wahrheitsfindung erschweren oder die Tat wiederholen oder die versuchte oder angedrohte Tat ausführen werde (vgl. VfGH Slg. 2697, 5232, 5518, 5704).

Steht genügend Zeit zur Verfügung, um einen richterlichen Haftbefehl einzuholen, so ist eine Verhaftung nach § 177 Abs.1 Z2 stets unzulässig (VfGH SlG. 4450; LSK 1984/140).

7.2. Von der grundsätzlichen Regel, daß ein richterlicher Haftbefehl einzuholen ist, darf nur in besonderen Fällen nämlich wenn die besonderen Umstände eine Einholung nicht erlauben - abgegangen werden (vgl. VfSlg.8298/1978).

Unerläßlich ist die Einholung eines richterlichen Haftbefehles zB im allgemeinen immer dann, wenn mit dem Untersuchungsrichter des zuständigen Gerichtes während der Dienst- und Journaldienststunden unverzüglich eine fernmündliche Verbindung hergestellt werden kann (vgl. VfGH 28. November 1989, Slg.Nr.12230). Diese Möglichkeit war hier - schon im Hinblick auf die Einrichtung eines Tag- und Nachtjournaldienstes beim zuständigen Landesgericht für Strafsachen in Wien (und auch beim LG Linz) unzweifelhaft gegeben. Schließlich zeigte der Handlungsablauf auch, daß ein Kontakt mit der zuständigen Untersuchungsrichterin allerdings erst am 21.12.1993 - tatsächlich hergestellt wurde.

7.3. Weiters ist zur Verdunkelungsgefahr zu bemerken, daß nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH eine solche nur dann zu bejahen ist, wenn es wirklich zu einem Verdunkelungsversuch kam oder wenn konkrete Anhaltspunkte darauf hinweisen, daß ein Versuch, die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen, unternommen werden würde (VfGH 9.6.1988, B 746/87). Daß der Bf eine Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung bereits versucht habe, behauptet die belangte Behörde gar nicht und ist auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung durch keine Aussage der Zeugen hervorgekommen. Bestimmte Umstände ("Tatsachen") im Sinne des § 175 Abs.1 Z3 StPO, die damals darauf hindeuteten, daß ein solcher Versuch tatsächlich bevorstand, wurden nicht (zureichend) dargetan. Die bloße theoretische Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung aber stellt noch nicht den Haftgrund nach § 175 Abs.1 Z3 StPO her (VfSlg.3770/1960, 3780/1960, 9836/1983). Ebensowenig vermag in diesem Zusammenhang die bloße Tatsache, daß der Bf ein strafbares Verhalten in Wahrnehmung seiner Beschuldigtenrechte schlicht leugnete, Bedeutung zu erlangen; denn der Haftgrund des § 175 Abs.1 Z3 StPO ist daraus allein keineswegs schlüssig und rechtlich zulässig, ableitbar (vgl. VfGH vom 26.11.1990, B 1295 bis B 1297/88, Slg.Nr.12513).

Der Bf wurde daher in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit sowie in dem darauf fußenden einfach gesetzlichen Bestimmungen nach der StPO verletzt. Der Beschwerde kommt daher Berechtigung zu.

8. Gemäß § 79a AVG steht der Partei, die in Fällen einer Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegt, der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu. Da die Beschwerde Erfolg hatte, hat die belangte Behörde ihre Kosten selbst zu tragen.

Hinsichtlich der Höhe der zuzusprechenden Kosten erkannte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23.9.1991, Zl.91/19/0162, in Anlehnung an die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, das als ähnlichste Kostenregelung jene über den Kostenersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof (§§ 47 bis 60 VwGG bzw die darauf gegründete Pauschalierungsverordnung) heranzuziehen sei, wobei sich im Grunde der verschiedenen Mühewaltung die Pauschalsätze um ein Drittel (gerundet) verkürzen. Es war daher dem Bf ein Schriftsatzaufwand von 7.333,33 S (wie beantragt nach der Pauschalierungsverordnung BGBl.Nr.104/1991 - der Schriftsatz wurde am 24.1.1994 erstattet - ), ein Verhandlungsaufwand von 10.400 S (entsprechend der neuen Pauschalierungsverordnung vom 7.6.1994, BGBl.Nr.416), sowie Barauslagen von 120 S, also insgesamt sohin ein Betrag von 17.853,33 S zuzuerkennen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer

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