Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420082/35/Kl/Rd

Linz, 08.01.1996

VwSen-420082/35/Kl/Rd Linz, am 8. Jänner 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des Vzlt. J, vertreten durch die RAe Dr. J wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die vorläufige Festnahme am 7.7.1995 um 9.40 Uhr in Enns in der T-Kaserne in Zurechnung des Bundesministers für Landesverteidigung nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 13.12.1995 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben, die vorläufige Festnahme am 7.7.1995 als rechtswidrig und die Verletzung des Beschwerdeführers in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und menschenwürdige Behandlung festgestellt.

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 18.920 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm §§ 67a Abs.1 Z2 und 67c AVG, § 43 des Heeresdisziplinargesetzes 1994 - HDG 1994, BGBl.Nr. 522/1994, Art.1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, und Art.3 EMRK.

zu II.: § 79a AVG idF des Bundesgesetzes, BGBl.Nr. 471/1995 iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer (kurz: Bf) beantragte in seiner Eingabe vom 17.8.1995, beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangt am 18.8.1995, die am 7.7.1995 um ca. 9.35 Uhr in der T-Kaserne in E ausgesprochene vorläufige Festnahme als rechtswidrig festzustellen und dem Bf die Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zuzusprechen. Dazu wurde ausgeführt, daß sich der Bf schon in der Früh des 7.7.1995 in einem schlechten Gesundheitszustand sowohl physisch als auch psychisch, befunden habe, trotzdem seinen Dienst in der allgemeinen Basisausbildung in der T-Kaserne angetreten und verrichtet habe, und nach dem Unterricht um ca. 9.30 Uhr in der Kanzlei des Vorgesetzten Olt. K sich dort krank gemeldet und mitgeteilt habe, daß ihm eine ordentliche Dienstleistung nicht mehr möglich sei. Er melde sich daher in den Krankenstand bzw. zum Arzt ab. Dies wurde jedoch nicht zur Kenntnis genommen und es wurden verschiedene Befehle im Dienstbetrieb, obwohl hiezu keine Dringlichkeit bestand, erteilt. Er habe dann die Krankmeldung wiederholt und das Zimmer vom Olt. J verlassen und sich in Richtung Krankenrevier begeben. In Gegenwart des herbeigeeilten Vzlt.

J sei dann die vorläufige Festnahme ausgesprochen worden und habe Olt. J Brachialgewalt angewendet, indem er den linken Arm in Richtung Schulter riß. Über Zureden von Vzlt. K habe sich schließlich der Bf freiwillig bereiterklärt, zur Kanzlei mitzugehen, worauf die Festnahme wiederum aufgehoben worden sei. Auch wurde dann befohlen, den Truppenarzt aufzusuchen. Der Bf habe sodann den Vorfall dem nächsten Vorgesetzten Obstlt. Illes gemeldet und dann den Truppenarzt aufgesucht, welcher ihn zum Hausarzt überwiesen hätte.

Dieser habe ihn sodann für drei Wochen krankgeschrieben. Mit dieser Vorgehensweise habe sein Vorgesetzter die ihm obliegende Fürsorgepflicht nach § 43 Abs.2 BDG und § 4 ADV verletzt und den Bf entgegen Art.3 MRK menschenunwürdig behandelt. Auch sei er an seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit sowie in einfachgesetzlichen Rechten verletzt.

Auch sei durch das Kommando der Heeresunteroffiziersschule in E eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Steyr erstattet und vom Gericht verschiedene Erhebungen, nämlich Einvernahmen im Vorfahren durchgeführt worden.

2. Der BM für Landesverteidigung als belangte Behörde hat mit Schriftsatz vom 6.9.1995 eine Gegenschrift erstattet und bezughabende Aktenteile vorgelegt. Es wurde ausgeführt, daß der Bf als Vizeleutnant in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehe, seine Dienststelle die Heeresunteroffiziersschule in E sei und er dort bei der 3.

Lehrkompanie einen Arbeitsplatz mit der Bezeichnung "Ausbildungsunteroffizier und Hilfslehrer" besetzt. Mit Befehl des Kommandanten der Heeresunteroffiziersschule vom 26.6.1995 wurde der Bf bis auf weiteres bei der Stabskompanie diensteingeteilt. Der Bf ist als Ausbilder bei der Allgemeinen Basisausbildung des Einrückungstermines Juli 1995 tätig. Kommandant der Stabskompanie ist Olt. K. Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, daß am 7.7.1995 um ca. 9.10 Uhr dem Bf von Olt. J der Befehl erteilt wurde, sich in der Kompanie-Kanzlei zu melden, um dort die Vollziehung der erteilten Aufträge zu überprüfen, den Bf eine schriftliche Belehrung/Ermahnung zu übergeben und Aufträge zu erteilen.

Der Bf traf um 9.30 Uhr in der Kompanie-Kanzlei ein und erstattete die geforderten Vollzugsmeldungen und es wurden Aufträge erteilt. Im Rahmen dieses Gespräches habe der Bf seinem Vorgesetzten mitgeteilt, daß er sich nicht wohl fühle und in den Krankenstand gehe. Über den Vorschlag, den Truppenarzt aufzusuchen, habe der Bf von einem Herzinfarkt gesprochen und die Kanzlei verlassen. Er wollte mit dem Fahrrad wegfahren. Weil der wiederholte Befehl, in die Kanzlei zurückzukommen, und neuerliche Belehrungen nicht fruchteten, sei die vorläufige Festnahme gemäß § 43 HDG ausgesprochen worden. Weil er sich widersetzte, wurde er abgeführt. Erst über Zureden des dienstführenden Unteroffiziers folgte der Bf freiwillig in die Kanzlei. Die Festnahme erfolgte um 9.40 Uhr und endete um 9.41 Uhr.

Obstlt. I wies den Bf an, den Militärarzt aufzusuchen, das Ergebnis der Untersuchung dem Kompaniekommandanten zu melden und allenfalls eine Bescheinigung über diese Dienstverhinderung der Dienststelle zu übermitteln. Der Bf übermittelte der Dienststelle Bescheinigungen, wonach er in der Zeit vom 7.7. bis 28.7.1995 und vom 31.7. bis 11.8.1995 wegen Krankheit (Diagnose: Lumboischalgie) verhindert war, seinen Dienst zu versehen. Ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet und eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Steyr erstattet. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, daß der Bf verpflichtet war, die Weisungen (Befehle) seines Vorgesetzten zu befolgen. Das Recht des Vorgesetzten, in Ausübung der Dienstaufsicht Weisungen zu erteilen, sei durch das auf Art.7 B-VG beruhende Willkürverbot und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der zur Verfolgung eines bestimmten Zweckes zulässigen Mittel, der als allgemeiner Auslegungsgrundsatz des öffentlichen Rechts herrscht, begrenzt. Es sei aber weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen worden. Hingegen sei der Tatbestand nach § 43 Abs.1 Z3 HDG 1994 erfüllt, weil der Bf trotz Abmahnung in der Fortsetzung der Pflichtverletzung (Nichtbefolgung von Befehlen) verharrt sei. Eine Verletzung des Art.3 MRK sei in dem Erfassen am linken Arm und Abführen für wenige Meter des Weges nicht zu erblicken. Zur Erreichung der vom Gesetz vorgesehenen Zwecke darf die Anwendung von Körperkraft nur dann Platz greifen, wenn sie notwendig ist. Unter diesen Voraussetzungen verstößt sie aber keineswegs gegen Art.3 MRK. Schließlich findet auf den Bf das Heeresgebührengesetz 1992 keine Anwendung, sodaß er im Fall einer Erkrankung einen Arzt seiner Wahl aufzusuchen hat. Unbeschadet dessen könne aber der Vorgesetzte anordnen, daß der Bedienstete zum Zwecke der Überprüfung der Dienstfähigkeit den Militärarzt aufzusuchen hat. Der Bf war vom 7.2.1994 bis 18.2.1994, vom 17.10.1994 bis 7.11.1994 und vom 10.4. bis 28.4.1995 wegen Krankheit verhindert, seinen Dienst zu versehen. Es wurde daher die Feststellung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Festnahme am 7.7.1995 beantragt. Auf einen Aufwandersatz wurde verzichtet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsakt, in die Schriftsätze, vom Bf vorgelegten Unterlagen sowie in den Akt des LG Steyr zu Zl. Einsicht genommen. Weiters wurde Beweis erhoben durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13.12.1995, an welcher der Bf und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der belangten Behörde als Parteien sowie Vzlt.

J und Olt. K als geladene Zeugen teilgenommen haben.

4. Im wesentlichen wird folgender Sachverhalt festgestellt:

4.1. Der Bf steht als Vzlt. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist Ausbildungsunteroffizier in der 3. Lehrkompanie in der Heeresunteroffiziersschule in E und bis auf weiteres bei der Stabskompanie diensteingeteilt. Der Bf ist Ausbilder bei der Allgemeinen Basisausbildung des Einrückungstermines Juli 1995.

Kommandant der Stabskompanie und unmittelbarer Vorgesetzter ist Olt. K.

4.2. Obwohl sich der Bf am 7.7.1995 eher krank gefühlt hat, hat er den Unterricht an seiner Dienststelle abgehalten und nach Beendigung der Unterrichtstätigkeit um ca. 9.35 Uhr sich in die Kanzlei seines Vorgesetzten Olt. J begeben, um sich krank zu melden. Er hatte aber schon vorher durch Herrn Olt. J die Anweisung erhalten, in seine Kanzlei zu kommen.

In der Kanzlei seines Dienstvorgesetzten teilte der Bf diesem mit, daß er sich krank fühle und ihm eine ordentliche Dienstleistung nicht möglich sei, er bekundete auch Bedenken, daß sich sein Gesundheitszustand verschlimmere und er sich in häusliche Pflege bzw. zum Arzt abmelde. Weiters kam der Bf zunächst dem Befehl noch hierzubleiben, um einige Aufträge zu erhalten und Meldung zu erstatten, nach. Weil es aber sehr schwül und stickig war und der Bf eine Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes befürchtete, wiederholte er seine Krankmeldung und verließ die Kanzlei, zunächst in Richtung Krankenrevier, dann allerdings nicht auf der Straße, sondern hinten herum, um Aufsehen zu vermeiden. Ob hingegen der Bf im Hof zu seinem Fahrrad ging, auf dieses aufsaß und mit diesem wegfahren wollte, konnte nicht objektiviert werden. Der dienstführende Vzlt. K, von Olt. J herbeigerufen, traf auf die Genannten im Hof hinter dem Objekt 4 (Kanzleigebäude). Trotz weiterer Belehrungen und Befehle, zu bleiben, bewegte sich der Bf weg, und es wurde sodann von seinem Vorgesetzten Olt. J die Festnahme ausgesprochen:"Im Namen des Gesetzes, Sie sind festgenommen.

Festgenommener folgen Sie mir." Weil der Bf dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde er von Olt. J am linken Arm festgehalten, der Arm zum Rücken gezogen und unter Belehrungen und Aufklärung über Festnahmegrund, Befehlsverweigerung und Folgen in Richtung Kanzlei abgeführt, um dort auf den Truppenarzt zu warten und die Besprechung in der Kanzlei fortzusetzen.

Über gutes Zureden des anwesenden dienstführenden Vzlt. K zeigte der Bf Einsicht, wurde die Festnahme aufgehoben und begleitete der Bf seinen Vorgesetzten zur Kanzlei.

Der Vorfall der Befehlsverweigerung und Festnahme wurde dann von Olt. J dem Akademiekommandanten bzw. seinem anwesenden Stellvertreter Obstlt. I telefonisch gemeldet. Auch der Bf meldete den Vorfall persönlich beim Stellvertreter des Schulkommandanten Obstlt. I, welcher ihm anriet, den Truppenarzt aufzusuchen. Im Bereich der Kaserne war dieser nicht anwesend, sondern es begab sich der Bf zum Truppenarzt, welcher ein Vertragsarzt in Enns ist. Dieser verwies ihn an seinen Hausarzt. Weil der Vorfall an einem Freitag war und der Hausarzt nicht mehr ordinierte, konsultierte der Bf seinen Hausarzt am darauffolgenden Montag und wurde sodann vom 7. bis 28.7.1995 und vom 31.7.

bis 11.8.1995 krankgeschrieben (Diagnose: Lumboischalgie).

4.3. Zum Krankheitszustand gab der Vorgesetzte und Festnehmende Olt. J an, daß aus seiner Sicht der Bf keinen Eindruck erweckte, als ob er krank sei. Weil dieser aber mehrmals darauf hinwies und auch ausdrückte, daß er beim Verbleiben noch einen Herzinfarkt bekommen werde - auch wenn dies für den Vorgesetzten offensichtlich nach seiner Auffassung nicht bemerkbar war - sah sich dieser veranlaßt, Maßnahmen zu setzen, also daß er zunächst den Truppenarzt rufen wollte oder dann den Bf zu diesem verwies. Dabei machte der Bf mehrmals geltend, daß er als Bundesbeamter freie Arztwahl habe bzw. daß er sich nur zu einem Arzt seines Vertrauens begeben wolle.

Der beigezogene Vzlt. K hingegen hatte nach der Rückkehr in die Kanzlei den Eindruck, daß der Bf krank sei und hat dies auch dem Vorgesetzten gegenüber geäußert und auch dafür plädiert, daß der Bf nach Hause gehen könne. Letztendlich wurde eine Einigung erzielt, daß der Bf das Kanzleigebäude verlassen dürfe.

4.4. Aufgrund der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Steyr wegen eines Deliktes gemäß § 12 Abs.1 Z2 Militärstrafgesetz wurden Vorerhebungen durchgeführt und ein ärztliches Gutachten eines Facharztes für innere Medizin vom 12.10.1995 eingeholt. Darin wurde ausgeführt:"Die durchgeführten organischen Untersuchungen ergaben keinen Hinweis für das Vorliegen einer coronaren Herzerkrankung (drohender Herzinfarkt?), wobei die Symptomatik die der Beklagte in der Situation der sogenannten Befehlsverweigerung verspürt hat, ohne weiteres auch ein Symptom einer Verstopfung der Herzkranzgefäße sein hätte können. (Druck auf der Brust, ausstrahlende Schmerzen in den li. Arm, Angstgefühl).

Da eine Differentialdiagnose zum Ausschluß eines akuten Herzinfarktes bei diesem Krankheitsbild nur sofort Sinn macht, ist von interner Seite die Reaktion des Beklagten vollkommen verständlich. Organischerseits besteht rück blickend bei dem Beklagten kein Hinweis für eine coronare Herzerkrankung, der Ausschluß einer solchen hätte jedoch meines Erachtens zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung sofort geführt werden müssen." Daraufhin wurde der Strafantrag von der StA Steyr am 23.10.1995 gemäß § 227 Abs.1 StPO zurückgezogen und mit Beschluß des LG Steyr vom 27.10.1995 die Einstellung des Verfahrens verfügt.

4.5. Dieser Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des Bf sowie auch auf die Angaben der einvernommenen Zeugen, wobei festzuhalten ist, daß im entscheidungswesentlichen Sachverhalt keine wesentlichen Abweichungen zwischen den Aussagen festzustellen waren. Für die Entscheidung war es nicht erheblich, ob der Bf sogleich seine Krankmeldung bekanntgab oder ob er im Zuge der dienstlichen Besprechung sich krank meldete, seinen Krankheitszustand bekanntgab und sich zum Besuch seines Arztes des Vertrauens abmeldete. Jedenfalls war seinem Vorgesetzten die Krankheit mitgeteilt worden und wurde daraufhin das Verbleiben im Kanzleigebäude angeordnet.

Nicht eindeutig geklärt hingegen konnte werden, ob die Krankheit des Bf augenscheinlich erkennbar war oder nicht.

Die Zeit des Eintreffens in der Kanzlei ist ebenso nicht von Bedeutung für die gegenständlichen Feststellungen. Unbestritten und erwiesen ist hingegen, daß die Festnahme von 9.40 Uhr bis 9.41 Uhr stattfand, bei Einlenken des Bf allerdings sofort wieder aufgehoben wurde.

Schließlich wurden die eingesehenen Akten zur Sachverhaltsfeststellung beigezogen.

5. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Der Bf wurde in Zurechnung zum BM für Landesverteidigung vorläufig am 7.7.1995 um 9.40 Uhr bis 9.41 Uhr festgenommen.

Dies stellt einen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingebracht und es liegen auch die übrigen Beschwerdevoraussetzungen vor. Die Beschwerde ist zulässig, sie ist im übrigen auch begründet.

5.2. Der Bf steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, ist Beamter der Heeresverwaltung, aber als Ausbildungsunteroffizier bei der Stabskompanie in der T-Kaserne in E diensteingeteilt.

5.2.1. Gemäß § 1 der Verordnung der Bundesregierung vom 9.1.1979, BGBl.Nr. 43, über die Allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV) gelten die Allgemeinen Dienstvorschriften für alle Soldaten. Für Soldaten, die dem Bundesheer aufgrund eines Dienstverhältnisses angehören (Berufsoffiziere, Offiziere auf Zeit, zeitverpflichtete Soldaten, Beamte und Vertragsbedienstete, die zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen sind), gelten die Allgemeinen Dienstvorschriften jedoch nur insoweit, als in den dienstrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 2 Z1 ADV gilt als Soldat iSd Verordnung jeder Angehörige des Präsenzstandes des Bundesheeres (§ 1 des Wehrgesetzes 1978).

Für die Beamten der Heeresverwaltung gilt das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl.Nr. 333, in vollem Umfange, für die Berufsoffiziere sowie für die Beamten, die zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen sind, gilt das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 mit Ausnahme seines 9.

Abschnittes (§ 52 Abs.1 Wehrgesetz).

5.2.2. Nach den Allgemeinen Dienstvorschriften hat daher der Soldat mit allen seinen Kräften den Dienst zu erfüllen, und ist ua zu Disziplin und Gehorsam verpflichtet. Jeder Untergebene ist seinen Vorgesetzten gegenüber zu Gehorsam verpflichtet. Er hat die ihm erteilten Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und pünktlich auszuführen (§ 3 Abs.1 und 2 und § 7 Abs.1 ADV). Weiters ist der Untergebene verpflichtet, seinem Vorgesetzten alle militärisch bedeutsamen Tatsachen und sonstige für den Dienst wichtige Vorfälle, Nachrichten und Vorhaben unaufgefordert zu melden. Insbesondere sind zu melden alle die eigene Person betreffenden wichtigen Veränderungen und Vorfälle, soweit sie von dienstlichem Interesse und dem Vorgesetzten nicht bekannt sind (§ 9 Abs.1 Z3 ADV).

Gemäß § 51 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979 hat der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen. Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen an der Ausübung seines Dienstes verhindert, so hat er seinem Vorgesetzten eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Mög lichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wenn er dem Dienst länger als drei Arbeitstage fernbleibt oder der Vorgesetzte oder der Leiter der Dienststelle es verlangt. Kommt der Beamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt.

5.3. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes hat der Bf im Sinne des für ihn anzuwendenden BDG 1979 seine Krankheit dem Vorgesetzten unverzüglich bekanntgegeben, hat sich auch in weiterer Folge in ärztliche Behandlung begeben und eine ärztliche Bescheinigung über die Dienstverhinderung bzw. die Dauer der Dienstverhinderung beigebracht, sodaß die nachträgliche Abwesenheit vom Dienst gerechtfertigt ist.

Hinsichtlich der ärztlichen Behandlung können Soldaten, die dem Bundesheer aufgrund eines Dienstverhältnisses angehören, eine militärärztliche Behandlung nach Maßgabe der für sie geltenden besonderen Bestimmungen in Anspruch nehmen (§ 10 Abs.1 2.Satz ADV). Daraus resultiert, daß der Bf zur Konsultierung des Militärarztes nicht verpflichtet war, sondern - das Heeresgebührengesetz 1992 findet auf ihn keine Anwendung - nach Maßgabe der besonderen Bestimmungen für Bundesbeamte freie Arztwahl hat und daher einen Arzt seines Vertrauens beiziehen kann.

5.4. Dem Bf wurde befohlen, in der Kompaniekanzlei zu bleiben bzw. zu dieser zurückzukehren und den Truppenarzt (Militärarzt) aufzusuchen bzw. sich dessen Untersuchung zu unterziehen.

5.4.1. Der Vorgesetzte hat sich seinen Untergebenen gegenüber stets gerecht, fürsorglich und rücksichtsvoll zu verhalten und alles zu unterlassen, was ihre Menschenwürde verletzen könnte. Er hat dafür Sorge zu tragen, daß seine Untergebenen so weit wie möglich die Notwendigkeit der ihnen erteilten Befehle einsehen können. Er hat sie zur sachgerechten Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten und sie vor vermeidbarem Schaden zu bewahren. Jede dienstliche Maßnahme ist so zu gestalten, daß die Soldaten nach Möglichkeit den Zweck dieser Maßnahme verstehen und ihre Notwendigkeit einsehen können. Es ist auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß durch die Gestaltung des Dienstbetriebes nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern die Leistungsbereitschaft aller Soldaten gefördert wird. Der Vorgesetzte darf nur solche Befehle erteilen, die im Zusammenhang mit dem Dienst stehen. Befehle, die die Menschenwürde verletzen oder deren Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würden, dürfen nicht erteilt werden (§§ 4, 5 und 6 ADV).

Dem Bf wurden klare Befehle erteilt. Wenn auch grundsätzlich die Notwendigkeit der erteilten Befehle einsehbar und der Zweck verständlich sein soll, so ist aber trotz Mangelhaftigkeit der Befehl ohne Verzug zu vollziehen. Dies stellt eine Dienstpflicht dar.

5.4.2. Gemäß § 2 Heeresdisziplinargesetz 1994 - HDG 1994, BGBl.Nr. 522/1994, sind Soldaten disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten. Disziplinär strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt.

Gemäß § 43 Abs.1 Z3 HDG 1994 ist ein Soldat, der bei einer Pflichtverletzung auf frischer Tat betreten wird, zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Disziplinarbehörde vorläufig festzunehmen, wenn er trotz Abmahnung in der Fortsetzung der Pflichtverletzung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Als zuständige Disziplinarbehörde nach diesem Abschnitt gilt die für den Festgenommenen im Kommandantenverfahren zuständige Disziplinarbehörde erster Instanz (Einheitskommandant bzw. Disziplinarvorgesetzter nach §§ 11, 12 und 13 HDG bzw. der jeweils unmittelbar übergeordnete Vorgesetzte, wenn eines dieser Organe den Beschuldigten wegen der zugrundeliegenden Pflichtverletzung vorläufig festgenommen hat gemäß § 14 Abs.1 Z2 lit.e HDG).

Die Befugnis zur vorläufigen Festnahme steht ua den Leitern von Dienststellen, die aufgrund der militärischen Organisation zumindest einem Einheitskommandanten gleichgestellt sind, zu (§ 43 Abs.2 HDG).

5.4.3. Im Grunde dieser Bestimmungen stand dem Einheitskommandanten und Dienstvorgesetzten Olt. J grundsätzlich die Befugnis zur vorläufigen Festnahme zu. Aufgrund der besonderen Umstände, nämlich des mehrmaligen Hinweises des Bf auf seinen Krankheitszustand und seines Verlangens, seinen Arzt des Vertrauens zuzuziehen, was letztlich auch eine Rechtfertigung für eine Dienstabwesenheit darstellte, hätten aber schon Zweifel am Vorliegen einer Pflichtverletzung infolge eines auf der Hand liegenden Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungs- und daher Schuldausschließungsgrundes (Krankheit) auch aus ex-ante-Sicht beim Dienstvorgesetzten auftreten müssen.

Voraussetzung nach § 43 HDG ist nämlich eine begründete, dh aus ex-ante-Sicht vertretbare Annahme einer Dienstpflichtverletzung. Die Vertretbarkeit ist aber aus der gegebenen Situation zum maßgeblichen Zeitpunkt objektiv nach dem Maßstab eines Durchschnittsmenschen nicht gegeben gewesen. Dies erweist im Ergebnis der Beobachtung des beigezogenen dienstführenden Unteroffiziers, für den der Bf bei näherem Besehen tatsächlich krank erschien. Im übrigen ist eine vorläufige Festnahme zum Zweck der Fortsetzung der Dienstbesprechung sowie zum Warten bis zum Eintreffen des Truppenarztes nach der obzitierten Gesetzesstelle nicht vorgesehen, vielmehr ist Zweck der vorläufigen Festnahme die Vorführung vor die zuständige Disziplinarbehörde, hier den unmittelbar übergeordneten Vorgesetzten. Die vorläufige Festnahme ist nach dem Wortlaut des § 43 HDG aber keine Maßnahme, um sonstige Befehle durchzusetzen.

5.4.4. Schließlich waren auch folgende verfassungsrechtlichen Erwägungen ausschlaggebend:

Gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

Dies bedeutet, daß die Maßnahme ein geeignetes Mittel zur Zweckverfolgung sein muß und auch das mildeste Mittel darstellen muß, bei dem die mit ihm verbundenen Nachteile für den Betroffenen nicht in einem Mißverhältnis zum verfolgten Zweck stehen (Grundsatz der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit). Ist auch die Eignung der gegenständlichen Befugnisausübung (vorläufige Festnahme) grundsätzlich gegeben, nämlich um die weitere Befehlserteilung zu garantieren, so ist dennoch die Erforderlichkeit der Maßnahme und sohin die Erforderlichkeit des Eingriffes in das Recht der persönlichen Freiheit in Zweifel zu ziehen. Unter den gegebenen Umständen, nämlich der mehrmaligen Ankündigung der Krankheit und der Befürchtung eines Herzinfarktes, wäre schon aus einer ex-ante-Sichtweise des eingreifenden Vorgesetzten die Sinnhaftigkeit einer weiteren Befehlserteilung in Frage zu stellen und erst Recht die Durchsetzung der Befehle durch in Rechte eingreifende Mittel bedenklich zu bewerten gewesen. Jedenfalls ist aber die Befugnisausübung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit nicht gerechtfertigt. Die Ausübung einer Befugnis ist im Grundsatz immer dann unverhältnismäßig, wenn sie größeren Schaden bewirken würde, als entstehen würde, wenn die Ausübung dieser Befugnis unterbleibt. Im Grunde der Krankheit bzw. möglichen Gesundheitsgefährdung des Bf, und auch des objektiven Erscheinungsbildes des Bf, nämlich daß eine Krankheit von vornherein nicht ausgeschlossen werden konnte, hätte auch aus der Sichtweise des einschreitenden Vorgesetzten durch den weiteren Verbleib des Bf und eine weitere Befehlsentgegennahme eine größere Gesundheitsgefährdung und daher Beeinträchtigung stattfinden können als der Nachteil der Nichterteilung der weiteren Befehle ausmachen konnte. Dabei war zu berücksichtigen, daß es sich nicht um Befehle im Einsatz oder in einer Gefahrensituation handelte, diese also auch nicht unaufschiebbar waren. Dazu tritt auch der Umstand, daß der Militärarzt nach Allgemeinwissen der Offiziere nicht ständig in der Kaserne anzutreffen und tatsächlich zum Vorfallszeitpunkt nicht im Kasernengelände anwesend war, sodaß auch aus diesem Grunde die zwangsweise Durchsetzung des Abwartens auf den Militärarzt problematisch bzw. unverhältnismäßig erscheint.

Aus den angeführten Gründen ist daher der Bf durch die vorläufige Festnahme am 7.7.1995 durch seinen Vorgesetzten in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht der persönlichen Freiheit verletzt worden.

5.5. Gemäß Art.3 EMRK, welche als Verfassungsgesetz in Geltung steht, darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Anwendung von Körperkraft kann grundsätzlich einen Verstoß gegen Art.3 MRK darstellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verstößt eine dem Waffengebrauchsgesetz entsprechende Zwangsausübung nie gegen Art.3 EMRK (VfSlg. 12271/1990; 9298/1981; 10250/1984 sowie 10427/1985). Das Erfassen beim Arm und Ziehen des Armes zum Rücken zur Durchsetzung einer rechtmäßigen Festnahme (§ 2 Z3 Waffengebrauchsgesetz 1969), wenn der Festgenommene dem Ausspruch der Festnahme nicht Folge leistet, stellt keine menschenunwürdige Behandlung und daher keine Verletzung des Art.3 MRK dar. Weil aber die konkrete Festnahme unrechtmäßig war, mußte auch die Anwendung von Körperkraft zur Durchsetzung einer unrechtmäßigen Festnahme als gesetzwidrig und daher eine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts festgestellt werden.

6. Gemäß § 79a AVG idFd Bundesgesetzes BGBl. 471/1995, welches mit 1.1.1996 in Kraft getreten ist, hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Bf die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs.2). Als Aufwendungen gemäß Abs.1 gelten Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat und die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz- und für den Verhandlungsaufwand (Abs.4). Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten.

Der Antrag kann bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung gestellt werden (Abs.6).

Gemäß der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Aufwandersatzverordnung UVS), BGBl.Nr. 855/1995, wurden Pauschbeträge für den Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei in Höhe von 8.400 S und den Verhandlungsaufwand des Bf als obsiegende Partei in Höhe von 10.400 S festgelegt. Diese Pauschbeträge waren daher zuzüglich der Stempelgebühren von 120 S (es ist nur eine einfache Beschwerdeeinbringung erforderlich) dem Bf spruchgemäß zuzuerkennen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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