Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420087/31/WEI/Bk

Linz, 25.11.1999

VwSen-420087/31/WEI/Bk Linz, am 25. November 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des N, Staatsangehöriger der Republik wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die im Auftrag der Bundespolizeidirektion Linz durchgeführte Abschiebung nach Sri Lanka am 28. Oktober 1995 nach Aufhebung des im ersten Rechtsgang ergangenen Zurückweisungsbescheids vom 25. April 1996 durch den Verwaltungsgerichtshof zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 3.365,-- (entspricht 244,54 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm §§ 67a Abs 1 Z 2 und 67c AVG 1991; § 79a AVG iVm Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr.855/1995.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schriftsatz vom 24. November 1995, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 28. November 1995, hat der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer (Bf), eine Maßnahmenbeschwerde gemäß § 67a Abs 1 Z 2 und § 67c AVG wegen Verletzung des einfach gesetzlichen gewährleisteten Rechts auf Nichtabschiebung nach § 37 Abs 1 und 2 FrG 1992 sowie Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts iSd Art 3 EMRK, nicht unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterzogen zu werden, erhoben. In der mit der Aktenlage übereinstimmenden Sachverhaltsschilderung wird erklärt, dass eine Beschwerde gegen den abweisenden Asylbescheid des BMI an den Verwaltungsgerichtshof wegen der zwischenzeitigen Abschiebung nach Sri Lanka nicht mehr ausgeführt werde. Der Bf befände sich derzeit auf dem Flughafen in Colombo. Vor seiner Abschiebung hätte die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 und 2 FrG 1992 nicht stattgefunden.

1.2. Der Antrag, die erfolgte Abschiebung via Sofia nach Colombo für rechtswidrig zu erklären und Kostenersatz zuzusprechen, wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Antrag des Bf nach § 54 FrG 1992 zwar mit Bescheid des Sicherheitsdirektors für Oberösterreich vom 14. Juli 1995 abgewiesen wurde, die Abschiebung nach Sri Lanka aber erst am 28. Oktober 1995 erfolgte und sich in der Zwischenzeit von mehr als drei Monaten die Tamilen betreffenden Ereignisse in Sri Lanka, wie aus allen Medien hervorgehe und somit auch amtsbekannt sein müsse, grundsätzlich verändert hätten. Während zum 14. Juli 1995 noch in Übereinstimmung mit dem UNHCR von einem staatlich eingeleiteten Friedensprozess ausgegangen hätte werden können, wäre durch die wesentliche Veränderung der Verhältnisse bis zum 28. Oktober 1995 jedenfalls eine neue Überprüfung indiziert gewesen.

Die belangte Behörde wäre gemäß § 37 FrG 1992 verpflichtet gewesen, vor endgültiger Durchführung der Abschiebung, insbesondere im Hinblick auf die amtsbekannten Tatsachen der Veränderungen in Sri Lanka eine neuerliche Ermittlung und Überprüfung vorzunehmen. Eine solche Prüfung hätte ergeben, dass auf Grund der sich zuspitzenden kriegerischen Ereignisse zwischen Tamilen und der Zentralgewalt in Sri Lanka bei Abschiebung eines Tamilen und Angehörigen der Tamil Tigers diesem unmittelbar eine unmenschliche Behandlung (Inhaftierung, Folterung) durch die Zentralbehörden Sri Lankas droht. Die fremdenbehördliche Vorgangsweise stellte zumindest einen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Die Beschwerde beantragt daher ausdrücklich ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durch den Oö. Verwaltungssenat.

Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Maßnahmenbe-schwerdeverfahren, nicht aber auf Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens hat der Bf verzichtet.

1.3. Die BPD Linz legte über Aufforderung des Oö. Verwaltungssenates mit Vorlageschreiben vom 18. Dezember 1995 ihren Verwaltungsakt vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Vorgänge in Sri Lanka wären selbstverständlich verfolgt worden, jedoch hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Bedrohung des Bf gemäß § 37 Abs 1 und 2 FrG 1992 nach Rechtskraft des Feststellungsbescheides bis zur Abschiebung am 28. Oktober 1995 ergeben.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich zunächst der folgende S a c h v e r h a l t:

2.1. Der Bf ist Staatsangehöriger der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka und Angehöriger der tamilischen Volksgruppe. Er verließ am 5. Juni 1995 seine Heimat und reiste zunächst unter Verwendung seines eigenen Reispasses per Flugzeug von Colombo nach Singapur, wo er sich drei Tage lang aufhielt. Der tamilische Schlepper mit dem Namen "V", den er bereits in Colombo kennen gelernt hatte, begleitete ihn bis Singapur. Dieser hätte dann ein gefälschtes Visum für Österreich besorgt, das in Singapur in seinen Reisepass eingetragen worden wäre (Aussage vom 13.06.1995 vor der Asylbehörde). Vor der Fremdenbehörde berichtete der Bf, dass ihm der Schlepper in Singapur einen fremden Reisepass von Sri Lanka verfälscht mit seinem Lichtbild und einem österreichischen Sichtvermerk übergeben und ihm den eigenen Reisepass abgenommen hätte (Niederschrift der BPD Linz vom 14.06.1995). Auf dem Flug nach Wien/Schwechat hätte er dann dem Rat des Schleppers entsprechend den Reisepass auf der Toilette vernichtet. Am 10. Juni 1995 kam der Bf schließlich in Wien/Schwechat an und ersuchte dort um Asyl, worauf er nach Traiskirchen gebracht und von dort nach Linz geschickt wurde.

Der Bf wurde als ältester Sohn in seiner Familie Anfang des Jahres 1995 zur L zwangsrekrutiert. Im Jänner 1995 ist er in einem Ausbildungscamp der Tamil Tigers in S untergebracht und geschult worden. Nach drei Wochen lief er aus dem Lager weg und gelangte über K nach Colombo, wo er im April 1995 eintraf und bis zu seiner Ausreise am 5. Juni 1995 blieb. Seine Heimat hätte er verlassen, da ein Abgesandter der Tamil-Tigers nach ihm gesucht hätte, um ihn zu töten (vgl asylbehördliche Niederschrift vom 13.06.1995). In Singapur hätte er zwar keine Probleme mit den Behörden gehabt, wäre aber nach seiner Einschätzung von den Tamil-Tigers verfolgt worden.

Mit Bescheid vom 14. Juni 1995, Zl. Fr-88.818, ordnete die belangte Behörde gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung des fremdenrechtlichen Verfahrens sowie der Abschiebung bzw. Zurückschiebung an. Bei seiner noch am 14. Juni 1995 stattgefundenen fremdenbehördlichen Ersteinvernahme stellte er einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Sri Lanka und verwies zur Begründung auf seine Angaben vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz. Im Falle seiner Abschiebung würde er verhaftet werden, da die Polizei von Sri Lanka wegen seiner Mitgliedschaft bei den Tamil-Tigers ein Foto von ihm hätte.

2.2. Mit Bescheid vom 14. Juni 1995, Zl. 95 02.324-BAL, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Bf gemäß § 3 AsylG 1991 ab und schloss gemäß § 64 Abs 2 AVG die aufschiebende Wirkung der Berufung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug aus.

Das Bundesasylamt ging davon aus, dass der Bf keinen tauglichen Asylgrund vorgebracht hätte. Es stellte fest, dass die Ausschreitungen im Norden Sri Lankas durchaus als bürgerkriegsähnliche Zustände beschrieben werden könnten, wobei die LTTE einen bewaffneten Kampf gegen den srilankischen Staat führte, um einen unabhängigen Tamilen-Staat zu errichten. Die Tamil-Tigers werden als terroristische Organisation eingestuft, die mit unglaublicher Brutalität gegen staatliche Institutionen, aber auch gegen anders denkende Angehörige der tamilischen Volksgruppe vorgingen. Eine Verfolgung wegen Mitgliedschaft wäre der allgemeinen Strafrechtspflege zuzuordnen. Sollte der Bf wegen seiner Flucht aus dem Lager von der LTTE verfolgt werden, so läge keine Verfolgung durch den Heimatstaat vor. Für den Flüchtlingsbegriff sei die Furcht vor einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten Verfolgungshandlung wesentlich. Die Bürgerkriegssituation indiziere für sich allein noch nicht die Flüchtlingseigenschaft. Ergänzend wurde noch angeführt, dass - wie durch die internationale Presse bekannt geworden wäre - im Jänner 1995 ein Waffenstillstand geschlossen wurde, der auch großteils eingehalten worden wäre.

Mit Bescheid des BMI vom 6. Juli 1995, Zl. 4.346.692/1-III/13/95, rechtswirksam erlassen am 13. Juli 1995, wurde die Berufung des Bf gegen den negativen Asylbescheid des Bundesasylamtes gemäß § 66 Abs 4 AVG abgewiesen. Die Berufungsbehörde schloss sich den Überlegungen des Bundesasylamtes an und ergänzte, dass sich der Bf seinen eigenen Angaben zufolge nach seiner Flucht aus dem Ausbildungscamp bis zur Ausreise noch ca. zwei Monate in Colombo aufhielt, ohne dabei konkret in irgendeiner Weise behelligt worden zu sein. Somit hätte auch eine innerstaatliche Fluchtalternative bestanden. Die pauschale Aussage des Bf, dass nach ihm gesucht worden wäre, könnte daran nichts ändern.

2.3. Mit Bescheid der BPD Linz vom 20. Juni 1995, Zl. Fr-88.818, wurde der Bf gemäß § 17 Abs 2 Z 6 FrG 1992 ausgewiesen, weil er unter Missachtung der Einreisebestimmungen einreiste und binnen einem Monat betreten wurde. Dieser Ausweisungsbescheid erwuchs mangels Anfechtung in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 23. Juni 1995, Zl. Fr-88.818, hat die BPD Linz über den Antrag des Bf gemäß § 54 Abs 1 FrG 1992 entschieden und festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Bf in Sri Lanka gemäß § 37 Abs 1 oder Abs 2 FrG 1992 bedroht ist. Die BPD Linz ging in ihrer Begründung vom oben geschilderten Sachverhalt aus und verwies neuerlich darauf, dass es sich bei den Tamil-Tigers um eine kriminelle Organisation handelte, die nach strafrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen sei. Eine menschenrechtswidrige Vorgangsweise durch die Polizei in Sri Lanka hätte der Bf nicht behauptet.

Mit Berufung vom 10. Juli 1995 gegen den Feststellungsbescheid gemäß § 54 FrG 1992 brachte der Bf unter Anführung von neuesten Presseberichten vor, dass die BPD Linz nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten in Sri Lanka und der dort dem Bf drohenden Gefahr ausgegangen wäre. Zitiert wird die Süddeutsche Zeitung vom 10. Juli 1995 mit einem Bericht über eine Großoffensive der Armee von Sri Lanka gegen die separatistischen "Befreiungstiger" von Tamil Eelam (LTTE) im Norden des Inselstaates, an dem rund 10.000 Soldaten beteiligt sein sollen. Außerdem wurden Bericht und Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 27. April 1995 zur Situation in Sri Lanka und zu Rückschaffungen abgewiesener tamilischer Asylsuchender vorgelegt und daraus zitiert.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 14. Juli 1995, Zl. St 222/95, wurde der Berufung des Bf gegen den Feststellungsbescheid der BPD Linz vom 23. Juni 1995 gemäß § 66 Abs 4 AVG iVm § 54 und § 37 Abs 1 und 2 FrG 1992 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Dieser Berufungsbescheid wurde dem Bf zu Handen seiner damaligen Rechtsvertreterin am 21. Juli 1995 zugestellt.

Begründend führte die Sicherheitsdirektion nach Darstellung des bekannten Sachverhaltes aus, dass eine Verfolgung durch die Tamil-Tigers keine staatliche Verfolgungsmaßnahme darstellte. Die Behauptung, bei Rückkehr nach Sri Lanka wegen Mitgliedschaft bei den Tamil-Tigers verhaftet und eingesperrt zu werden, wäre eine nicht glaubhaft gemachte Vermutung. Im Vorbringen des Bf sah die Berufungsbehörde auch keine Anhaltspunkte für die Gefahr unmenschlicher Behandlung.

2.4. Der Bf wurde im Auftrag der belangten Behörde am 28. Oktober 1995 zum Flughafen Wien/Schwechat überstellt und mit der Kursmaschine der B "" über Sofia nach Sri Lanka in Begleitung zweier Gendarmeriebeamter abgeschoben. Der Abflug erfolgte um 18.05 Uhr.

2.5. Mit h. Zurückweisungsbescheid vom 25. April 1996, Zl. VwSen-420087/18/Schi/Ka, wurde die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Zurückweisungsbescheid mit Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 96/02/0239-5, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend verwies der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom 8. September 1995, Zl. 95/02/0197, in welchem zum Unterschied vom Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 1994, B 75/94, die Auffassung vertreten wurde, dass die Abschiebung nach dem FrG 1992 anders als jene nach dem FrPolG eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstelle.

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat bereits im ersten Rechtsgang ein umfangreiches Ermittlungsverfahren im Sinne des Beschwerdeantrages durchgeführt und für den fraglichen Zeitraum Stellungnahmen zur Lage der tamilischen Volksgruppe in Sri Lanka des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge, Regionalbüro in Wien, des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, Völkerrechtsbüro, der Botschaft der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka in Wien und von Amnesty International eingeholt.

Das gesamte Ermittlungsergebnis wurde den Parteien zur Kenntnis gebracht. Während der Bf in seiner abschließenden Stellungnahme vom 25. März 1996 seine in der Beschwerde dargelegte Ansicht bestätigt sah, teilte die belangte Behörde mit Schreiben vom 2. April 1996 mit, dass sie dennoch die Abschiebung des Bf nach Sri Lanka für zulässig erachte und daher die bisher gestellten Anträge aufrecht erhalte.

Im Folgenden werden die Erhebungsergebnisse zusammenfassend ausgewertet.

3.2. Im "Amnesty International Report 1995" wird über zahlreiche Menschenrechtsverletzungen der separatistischen Befreiungstiger "LTTE" sowie über Übergriffe und illegale Hinrichtungen im Osten und Nordosten des Landes durch staatliche Sicherheitskräfte berichtet. Die Regierung hat aber auch Kommissionen zur Untersuchung und Aufklärung von schweren Menschenrechtsverstößen eingerichtet.

In einem von Amnesty International Bonn auszugsweise veröffentlichten Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 23. Oktober 1995, Zl. 9K 1177/93.A, wird festgestellt, dass sich die Situation im Kriegsgebiet verschlechtert hätte, womit auch eine erhebliche Verschlimmerung der Situation der Tamilen im übrigen Sri Lanka korrespondieren würde. Die Armee sähe sich nach Terroranschlägen der LTTE in ihrer Auffassung bestätigt, dass man mit den Rebellen nicht verhandeln und ihnen in keiner Weise entgegenkommen dürfte. Auf Grund der jüngsten politischen Entwicklung werde wie früher jeder junge Tamile der Unterstützung der LTTE verdächtigt. Die Ankündigung der LTTE, noch vor Ende des Jahres die Präsidentin zu töten, hätte besonders in Colombo zu einer verstärkten Präsenz von Polizei und Armee in Colombo geführt, wobei es zu scharfen Kontrollen LTTE-Verdächtiger im Süden gekommen wäre. Angesichts dessen erachtete das Verwaltungsgericht Aachen die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 18. August 1995, Zl. 21 A 851/95.A, wonach das Aufkommen einer Situation, wie sie sich 1990 nach Abzug der indischen Streitkräfte entwickelt hatte, nicht festzustellen wäre, als durch die jüngste Entwicklung überholt. Vielmehr wäre mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass junge Tamilen bis zur Vollendung des 35. Lebensjahres landesweit mit asylrechtlich beachtlichen Eingriffen rechnen müssten.

3.3. Im Antwortschreiben des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge (UNHCR) vom 23. Februar 1996 an den Oö. Verwaltungssenat wurde berichtet, dass sich der Konflikt zwischen der Regierungsarmee und den Tamilen im Juli 1995 nach internationalen Pressemitteilungen (Hinweise auf Artikel in Neue Zürcher Zeitung und Frankfurter Allgemeine) und Bestätigung des UNHCR-Regionalbüros in Colombo dramatisch verschärft hätte. Der UNHCR zitiert weiter das oben dargestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 23. Oktober 1995, Zl. 9 K 1177/93.A, sowie ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 1995, Zl. 11 A 12057/95.OVG.

Aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 1995 zitiert der UNHCR wie folgt:

"Die staatlichen Maßnahmen dienen nicht der Bekämpfung der Tamilen als solchen, sondern der Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners LTTE. Da die LTTE als militärisch organisierte Gruppe in der Vergangenheit häufig Attentate begangen hat, ist es für die Sicherheitskräfte sehr schwierig zu ermitteln, wer LTTE-Kämpfer ist. Deshalb werden vor allem männliche junge Tamilen verhört und auch bei Razzien verhaftet. Auch die Übergriffe der Sicherheitskräfte auf die am Konflikt nicht beteiligte Zivilbevölkerung im Norden und Osten beruht letztlich auf Aktionen der mit terroristischen Mitteln arbeitenden LTTE. [...]

Dabei ist für die Bewertung, ob für einen Tamilen die Gefahr einer [...] Inhaftierung und Mißhandlung droht, das Verdachtsraster von Bedeutung, das sich bei der Suche nach LTTE-Terroristen herausgebildet hat. Dieses Verdachtsraster orientiert sich an Herkunft, Alter und Geschlecht sowie Familienzugehörigkeit. [...] Der Verdacht richtet sich vor allem auf junge Tamilen zwischen 16 und 36 Jahren aus dem Norden."

Der UNHCR resümiert, dass nach sämtlichen Berichten der bloße Verdacht, Mitglied der LTTE zu sein oder diese zu unterstützen, für eine Verfolgungsgefahr ausreiche. Für junge Tamilen, die in das genannte Verdachtsraster fallen, bestünde eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, als Mitglied oder Sympathisant der LTTE angesehen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt zu werden.

3.4. Die Botschaft der Demokratischen Sozialistischen Republik von Sri Lanka bestritt in ihrem in englischer Sprache verfassten Schreiben vom 28. Februar 1996, dass eine Politik der Diskriminierung oder Verfolgung gegen die Minderheit der Tamilen stattfände. Die LTTE hätte als Terrororganisation einen Rekord an schweren Verbrechen begangen, wobei auch Anschläge auf unschuldige Zivilisten fremder Nationen erfolgt wären. Die Menschenrechtsverletzungen der LTTE wären von unabhängigen internationalen Organisationen wie Amnesty International und das Mackenzie Institute Kanada dokumentiert worden. Angeschlossen wurde ein Mackenzie-Bericht aus Dezember 1995 über die kriminellen Aktivitäten der LTTE in Kanada und der westlichen Welt.

3.5. Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, Völkerrechtsbüro, übersendete mit Note vom 21. Februar 1996 Ablichtungen von Pressemitteilungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) und eines Berichts von Amnesty International aus Juni 1995 betreffend illegale Hinrichtungen im Mai 1995 durch Sicherheitskräfte im Nordosten von Sri Lanka. Das Völkerrechtsbüro äußerte die Ansicht, dass die Abschiebung eines Mitglieds der LTTE bereits im Juli 1995 als unzulässig anzusehen gewesen wäre.

Aus der Hintergrundinformation im Bericht von Amnesty International geht hervor, dass die im August 1994 an die Macht gekommene neue Regierung ("People´s Alliance Government") den Dialog mit der LTTE initiierte. Am 8. Jänner 1995 wurde ein Übereinkommen über die Einstellung der Kriegshandlungen unterzeichnet und in den folgenden Monaten trafen sich Vertreter der Regierung und der LTTE bei vier Gelegenheiten in Jaffna, der wichtigsten Stadt im Norden von Sri Lanka. Nach dem vierten Treffen rief die LTTE am 18. April 1995 ein Ende der Waffenruhe aus und verübte wenige Stunden später einen Bombenanschlag auf zwei Kanonenboote der Marine im Hafen von Trincomalee an der Ostküste. In weiterer Folge wurden auch Sicherheitskräfte und singhalesische Zivilisten bei LTTE-Angriffen getötet.

Der Pressemitteilung Nr. 95/30 des ICRC vom 11. Juli 1995 ist zu entnehmen, dass am 9. Juli 1995 die Armee von Sri Lanka eine Offensive im großen Maßstab gegen Positionen der LTTE im Norden der Stadt Jaffna begann, wodurch Zehntausende Zivilisten gezwungen waren, das Gebiet sofort zu verlassen. Luftschläge hätten auch die Kirche St. Peter und Paul in Navalay getroffen, wo viele Leute Zuflucht gesucht hatten. 65 Menschen wären getötet und 150 verwundet worden.

In der ICRC-Pressemitteilung "Update No. 1 on ICRC activities in Sri Lanka" vom 8. Juni 1995 wird über die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen zwischen Regierungstruppen und LTTE nach dem Sinken von zwei Schiffen der Marine im Hafen von Trincomalee am 19. April 1995 und über eine wachsende Zahl von Häftlingen als Folge der steigenden Spannungen berichtet. Als neutraler Vermittler würde das ICRC fortfahren, seinen Schutz für Frachtschiffe zur Verfügung zu stellen, die monatlich ungefähr 10.000 Tonnen an von der Regierung bereitgestellten Medikamenten, Lebensmitteln und Grundbedarfsgütern für die zivile Bevölkerung auf der Halbinsel Jaffna transportieren. Zusätzlich transportierte ein ICRC-Schiff medizinischen Bedarf in den Norden.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG 1991 entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl ua VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und VfSlg 9813/1983).

Nach der neueren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Abschiebung nach dem § 36 FrG 1992 nicht eine bloß tatsächliche Maßnahme der Vollstreckung vorangegangener Bescheide, sondern als selbständige Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzusehen (vgl VwGH 23.9.1994, 94/02/0139; VwGH 24.2.1995, 94/02/0410; VwGH 8.9.1995, 95/02/0197; VwGH 17.11.1995, 95/02/0217; anders der VfGH in den Erk. v 1.10.1994, B 75/94 und v 28.11.1994, B 178/94). Hingegen war nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die Abschiebung nach § 13 FrPolG eine bloße Vollstreckungsmaßnahme und keine anfechtbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl VwGH 14.4.1993, 93/18/0062, 93/18/0108 und 93/18/0113; VwGH 11.11.1993, 93/18/0456; VwGH 22.4.1994, 94/02/0009; VwGH 30.5.1995, 92/18/0275).

Die Abschiebung ist als Einheit aufzufassen, die auf den Endzweck gerichtet ist, den Fremden zum Verlassen des Bundesgebietes zu veranlassen, gleichgültig wo sich die Einzelelemente ereignen. Diese gehen alle auf den Willen der die Abschiebung veranlassenden Fremdenpolizeibehörde zurück. Daraus folgt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur jener unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen örtlichen Wirkungsbereich die Abschiebung beginnt. Dass auch im Gebiet anderer Länder auf die Abschiebung gerichteter behördlicher Zwang wirksam wird, sei für die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ohne Belang. Solange es nur um die Abschiebung selbst und nicht auch um davon losgelöste selbständige Maßnahmen geht, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Abschiebung im Gebiet eines anderen Landes stehen, bleibe für die Zuständigkeit eines anderen unabhängigen Verwaltungssenates kein rechtlicher Raum (vgl grundlegend zum Ganzen VwGH 23.9.1994, 94/02/0139). Bereits in früheren, noch zum § 13 FrPolG ergangenen Erkenntnissen hatte der Verwaltungsgerichtshof zum Umfang der Abschiebung ausgesprochen, dass diese sowohl die Überstellung zum Flughafen, als auch die Abbeförderung per Flugzeug umfasse (vgl VwGH 11.11.1993, 93/18/0456; VwGH 22.4.1994, 94/02/0009).

Die rechtzeitig gegen die Abschiebung vom 28. Oktober 1995 eingebrachte Maßnahmenbeschwerde ist daher zulässig.

4.2. Gemäß § 17 Abs 2 Z 6 FrG 1992 konnten Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles (Pass- und Sichtvermerkspflicht) oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten wurden.

Gemäß § 17 Abs 3 FrG 1992 wurde die gemäß Abs 2 ausgesprochene Ausweisung mit ihrer - wenn auch nicht rechtskräftigen - Erlassung durchsetzbar; der Fremde hatte dann unverzüglich auszureisen. Obwohl der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Dezember 1995, G 1306/95, den § 17 Abs 3 FrG 1992 aufgehoben hat, ist dies im vorliegenden Fall schon deshalb unerheblich, weil der gegenständliche Ausweisungsbescheid vom 20. Juni 1995, zugestellt im PGH Linz am 21. Juni 1995, mangels Berufung rechtskräftig geworden ist. Der Ausweisungsbescheid war demnach zum Zeitpunkt der Abschiebung am 28. Oktober 1995 jedenfalls vollstreckbar.

Gemäß dem auf den Sachverhalt anzuwendenden § 36 Abs 1 FrG 1992 konnten Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar war, von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

  1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint oder
  2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind oder
  3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen oder
  4. sie dem Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Es ist unbestritten, dass die Abschiebung im gegenständlichen Fall schon deshalb erforderlich war, weil der Bf seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht nachkam.

4.3. Zur geltendgemachten Verletzung des Refoulementverbots nach § 37 FrG 1992 und nach Art 3 EMRK war zu erwägen:

4.3.1. Nach § 54 Abs 1 und 2 FrG 1992 war während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes auch ein Feststellungsverfahren zur Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einem bestimmten Staat auf Antrag des Fremden durchzuführen. Im Bescheid hatte die Fremdenbehörde festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Fremde in einem bestimmten Staat gemäß § 37 Abs 1 oder 2 bedroht ist. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen solchen Antrag durfte der Fremde gemäß § 54 Abs 4 FrG 1992 in den von ihm bezeichneten Staat nicht abgeschoben werden.

Nach dem gegebenen Sachverhalt wurde über den rechtzeitig im fremdenrechtlichen Verfahren gestellten Feststellungsantrag des Bf nach § 54 Abs 1 FrG 1992 von den Fremdenbehörden entschieden. Die BPD Linz stellte mit Bescheid vom 23. Juni 1995 keine stichhaltigen Gründe für eine Bedrohung gemäß § 37 Abs 1 oder 2 FrG 1992 des Bf in Sri Lanka fest. Mit Bescheid vom 14. Juli 1995, St 222/95, gab die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich der Berufung keine Folge und bestätigte die Feststellung der BPD Linz.

Die Zustellung und rechtswirksame Erlassung des Berufungsbescheids erfolgte am 21. Juli 1995. Alle Sachverhalte bis zu diesem Zeitpunkt werden grundsätzlich von der Sperrwirkung der materiellen Rechtskraft erfasst. Damit sind aber vor diesem Zeitpunkt erschienene Zeitungsartikel sowie die Pressemitteilungen des ICRC vom 8. Juni und vom 11. Juli 1995 sowie der Bericht von Amnesty International aus Juni 1995 (vgl näher unter Punkt 3.5.) nicht als neue Tatsachen anzusehen. Anders verhält es sich mit dem Amnesty International Report 1995 und den Mitteilungen dieser Organisation und des UNHCR über asylrechtliche Urteile von Verwaltungsgerichten in der BRD, die nach dem 21. Juli 1995 ergangen sind. Diese erscheinen nicht von der Rechtskraft des Berufungsbescheides der Sicherheitsdirektion erfasst.

4.3.2. Im Ergebnis hat diese Unterscheidung aber keine besondere Bedeutung, weil allein der Umstand einer Anfang Juli 1995 begonnenen Großoffensive der Regierungstruppen gegen die LTTE im Norden von Sri Lanka für eine asylrechtlich bzw gemäß § 37 FrG 1992 relevante Bedrohungssituation ohnehin nicht ausreichen würde. Die sich aus der Bürgerkriegssituation für den Bf ergebenden Probleme können für sich allein nicht als eine ihn im besonderen treffenden staatliche Verfolgung angesehen werden, weil andere srilankische Staatsangehörige ebenso an den Bürgerkriegsfolgen leiden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen vielmehr konkrete Verfolgungshandlungen, die dem Bf im Heimatland drohen, glaubhaft gemacht werden, wofür allgemeine Hinweise und Berichte beispielsweise von Amnesty International noch nicht genügen (dazu mit Nachw Steiner, Österreichisches Asylrecht, 1990, 29). Die Verfolgung muss vom Staat ausgehen oder auf dessen Unvermögen, davor zu schützen, oder auf die staatliche Duldung von Verfolgungen durch andere zurückzuführen sein. Die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung muss für das gesamte Gebiet des Heimatstaates bestehen (vgl Steiner, aaO, 30). Deshalb wäre eine vom Bf anlässlich seiner asylrechtlichen Einvernahme vom 13. Juni 1995 angedeutete Verfolgung durch die LTTE - angeblich hätte ihn ein Abgesandter der Tamil-Tigers töten wollen - nicht ausreichend, insbesondere wenn man bedenkt, dass sich der Bf bereits seit April 1995 in der Hauptstadt Colombo aufhielt, die nicht unter der Kontrolle der LTTE stand und wo er mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksamen staatlichen Schutz genossen hatte.

4.3.3. Auf Grund der eigenen Angaben des Bf ist davon auszugehen, dass er sich vor der Ausreise zumindest zwei Monate in Colombo aufhielt, ohne dass er von den Behörden behelligt wurde. Er verfügte über einen eigenen Reisepass und konnte offensichtlich ohne Probleme zunächst nach Singapur ausreisen. Als Grund für seine Ausreise nannte er vor dem Bundesasylamt Angst vor den Tamil-Tigers, zumal er im Jänner 1995 aus einem Ausbildungscamp der LTTE bereits nach kurzer Zeit fortgelaufen war. An die Regierungsbehörden hätte er sich aus Angst, sie würden ihm nicht glauben, nicht gewendet. Angeblich hätte ihn auch ein Mitglied der Tamil-Tigers bei der Polizei verleumdet, weshalb nach ihm auch gefahndet worden wäre. Bei der fremdenbehördlichen Einvernahme am 14. Juni 1995 behauptete er schließlich, dass die Polizei auf Grund seiner Mitgliedschaft bei den Tamil-Tigers ein Foto von ihm hätte und ihn am Flughafen von Sri Lanka sofort verhaften würde. Andererseits gab er aber an, in Sri Lanka nicht vom Gericht gesucht zu werden.

Die Asylbehörden glaubten ebenso wenig wie die belangte Behörde die ganz allgemein gehaltenen Behauptungen des Bf zu seiner Bedrohungssituation. Auch der erkennende Verwaltungssenat kann nicht finden, dass der Bf eine konkrete Situation geschildert hätte, in der er ernsthaft Gefahren iSd § 37 FrG 1992 zu gewärtigen hätte. Seine Angaben sind widersprüchlich, zumal er anfangs vor der Asylbehörde die Angst vor einem Abgeordneten der Tamil-Tigers verbunden mit einer Verleumdung bei der Polizei als hauptsächliches Ausreisemotiv nannte, während er vor der belangten Behörde versuchte, sich als staatlich verfolgtes Mitglied der Tamil-Tigers darzustellen, von dem die Polizei sogar ein Foto hätte. In Wahrheit kann schon im Hinblick darauf, dass der zwangsrekrutierte Bf aus einem Ausbildungscamp der LTTE desertierte, von einer Mitgliedschaft bei den Befreiungstigern nicht ausgegangen werden. Vielmehr war er nach seiner eigenen Darstellung als Opfer der "Tamil-Tigers" anzusehen. Er hätte daher voraussichtlich seine Situation gegenüber Sicherheitskräften und Regierungsbehörden leicht aufklären und dadurch sogar besseren staatlichen Schutz erlangen können. Die Behörden Sri Lankas wären sicher interessiert gewesen, mit Hilfe des Bf illegale und menschenverachtende Praktiken der LTTE aufzuzeigen und anzuprangern. Man muss daher annehmen, dass die Tatsache der Zwangsrekrutierung und Flucht des Bf bei den Behörden Sri Lankas eindeutig für die Glaubwürdigkeit des Bf gesprochen hätte. Es ist jedenfalls in keiner Weise nachvollziehbar, inwiefern er in diesem Zusammenhang von einem Tamil-Tiger hätte verleumdet werden können. Auch die Behauptung, dass die Polizei ein Foto von ihm hätte, konnte der Bf mit dem ohnehin falschen Hinweis auf seine Mitgliedschaft bei den Tamil-Tigers nicht glaubhaft machen. Überdies ist in der vorliegenden Beschwerde vom 24. November 1995 zu lesen: "Ich befinde mich zur Zeit auf dem Flughafen von Colombo, Sri Lanka." Von der angekündigten sofortigen Verhaftung des Bf nach Ankunft in Colombo berichtet die Beschwerde aber nichts.

Im Ergebnis teilt daher der Oö. Verwaltungssenat auch in der Sache die Auffassung der Fremdenbehörden, dass der Bf keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, er liefe im Fall seiner Abschiebung nach Colombo Gefahr, unmenschlicher Behandlung oder Strafe unterworfen zu sein, vorgebracht hat.

4.3.4. Die Beschwerde begründet die angeblich zum Nachteil des Bf geänderten Verhältnisse in den rund drei Monaten nach Erlassung der Entscheidung der Sicherheitsdirektion bis zur Abschiebung am 28. Oktober 1995 im Wesentlichen mit den sich zuspitzenden kriegerischen Ereignissen zwischen srilankischer Zentralgewalt und Tamilen. Dass dem Bf nunmehr allein wegen seiner Zugehörigkeit zur tamilischen Volksgruppe Verfolgung und unmenschliche Behandlung durch die Zentralbehörden Sri Lankas drohte, wird nicht durch ein konkretes Vorbringen untermauert. Dennoch hat der unabhängige Verwaltungssenat Erhebungen durchgeführt, deren Ergebnisse oben unter den Punkten 3.2. bis 3.5. zusammengefasst wurden.

Auf Grund der Berichte von Amnesty International, des IRCR und der Stellungnahme des UNHCR ist sicherlich davon auszugehen, dass es in den Kampfgebieten zu menschenrechtswidrigen Übergriffen auf Tamilen durch Armeeeinheiten und Sicherheitskräfte gekommen ist und dass im Hinblick auf befürchtete Terroranschläge der LTTE auch im Süden und in der Hauptstadt Colombo verschärft kontrolliert wurde. Auch dürften sich die Spannungen zwischen den Volksgruppen durch die im Juli 1995 begonnene Großoffensive der Armee intensiviert haben. Damit blieb aber die wesentliche Frage, ob die Verschärfung des Konflikts bedeutete, dass der Bf im Fall seiner Abschiebung nach Colombo unmenschlicher Behandlung ausgesetzt wäre, immer noch offen.

4.3.5. Die im Beschwerdeverfahren bekannt gewordenen Entscheidungen deutscher Verwaltungsgerichte zur Verfolgungssituation von Tamilen in Sri Lanka im Sommer und Herbst 1995 sind in ihren Aussagen durchaus nicht einheitlich. Das Verwaltungsgericht Aachen ging im Urteil vom 23. Oktober 1995 auf Grund der verschärften Kontrollen LTTE-Verdächtiger von einer landesweiten Bedrohung für junge Tamilen bis zum 35. Lebensjahr aus, die mit asylrechtlich beachtlichen Eingriffen rechnen müssten. Die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 18. August 1995, Zl. 21 A 851/95.A, wonach das Aufkommen einer Situation, wie sie sich 1990 nach Abzug der indischen Streitkräfte entwickelt hatte, nicht festzustellen wäre, erachtete es als überholt.

Das vom UNHCR mitgeteilte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 1995 stellte fest, dass die staatlichen Maßnahmen nicht die Tamilen als solche, sondern den Bürgerkriegsgegner LTTE bekämpfen wollen, der häufig Attentate begangen hatte. Die Übergriffe der Sicherheitskräfte auf unbeteiligte Zivilbevölkerung im Osten und Norden wären letztlich Folge terroristischer Aktionen der LTTE. Das bei der Suche nach LTTE-Terroristen angelegte Verdachtsraster orientierte sich an Herkunft, Alter, Geschlecht sowie Familienzugehörigkeit, wobei sich der Verdacht vor allem auf junge Tamilen zwischen 16 und 36 Jahren aus dem Norden richtete.

4.3.6. Auch vor dem Hintergrund der übrigen aktenkundigen Berichte erscheinen dem erkennenden Verwaltungssenat die im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz getroffenen Feststellungen und Überlegungen plausibel und lebensnah. Er folgt daher dieser Darstellung, nach der für junge Tamilen aus dem Norden die der Mitgliedschaft oder Kollaboration mit der LTTE verdächtig waren, eine erhebliche Wahrscheinlichkeit bestand, bei Kontrollen unmenschlicher Behandlung unterworfen zu werden. Hingegen erachtet er die pauschale Annahme einer entsprechenden landesweiten Bedrohung im Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen als nicht hinreichend dokumentiert und unwahrscheinlich.

Für den Bf ist aus der Verschärfung des Konflikts zwischen Zentralgewalt und LTTE im Sommer 1995 nichts zu gewinnen. Er passte weder genau in das geschilderte Verdachtsraster, noch wurde er in das Kampfgebiet im Norden und Osten Sri Lankas abgeschoben, wo eine erhöhte Verfolgungsgefahr bestanden hätte. Der Bf kam nicht aus dem Norden Sri Lankas nach Colombo, sondern durch Abschiebung aus Österreich im Luftwege. Er konnte demnach kaum für einen LTTE-Terroristen gehalten werden, der einen Anschlag auf die Präsidentin o.Ä. ausführen wollte. Außerdem war er selbst Opfer der menschenverachtenden Praktiken der Tamil-Tigers, was auch bei scharfen Kontrollen durch Polizei und Sicherheitskräfte in Colombo für ihn von Vorteil hätte gewesen sein müssen. Unter diesen Umständen kann nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates keine Rede davon sein, dass der Bf ernsthaft und nachhaltig in Gefahr war, durch die Abschiebung nach Colombo unmenschlicher Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden. Derartiges ist auch nachträglich nicht bekannt geworden. Es muss auf Grund der eigenen Darstellung des Bf, aber auch nach den aktenkundig gewordenen Tatsachen davon ausgegangen werden, dass für den Bf jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative in Colombo bzw im Süden von Sri Lanka bestand. Die gegen die Abschiebung vom 28. Oktober 1995 rechtzeitig eingebrachte Maßnahmenbeschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde tätig geworden ist, antragsgemäß der Ersatz der notwendigen Aufwendungen gemäß § 79a AVG für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand zuzusprechen. Nach der geltenden Aufwandersatzverordnung UVS des Bundeskanzlers (BGBl Nr. 855/1995) beträgt der Pauschalbetrag für den Vorlageaufwand S 565,-- und für den Schriftsatzaufwand S 2.800,--. Insgesamt waren daher S 3.365,-- zuzusprechen.

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von S 2.500,-- (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. W e i ß

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VwGH vom 29.04.2003, Zl.: 99/02/038-5

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