Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420132/5/Kl/Ka

Linz, 05.06.1997

VwSen-420132/5/Kl/Ka Linz, am 5. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des S, vertreten durch die Rechtsanwälte, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-und Zwangsgewalt durch die vorläufige Abnahme des Führerscheins am 18.3.1997 in Ort i.I. in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Ried/I., zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig festgestellt.

II. Der Bund (belangte Behörde) hat dem Beschwerdeführer den Aufwandersatz in der Höhe von insgesamt 8.520 S (Schriftsatzaufwand samt Stempelgebühr) binnen 14 Tagen ab Zustellung zu bezahlen; das Mehrbegehren wird abgewiesen. Der Kostenersatzantrag der belangten Behörde wird abgewiesen. Rechtsgrundlage: zu I.: Art.129a Abs.1 Z2 B-VG und § 67c AVG iVm §§ 76 Abs.1 und 102 Abs.12 KFG 1967. zu II.: § 79a AVG iVm § 1 der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr.855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Der Beschwerdeführer (Bf) brachte mit Schriftsatz vom 25.3.1997, beim unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingelangt am 1.4.1997, Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Ried/I. wegen vorläufiger Abnahme des Führerscheins am 18.3.1997 in Ort/I. durch Gendarmeriebeamte des GPK A ein und beantragte, die vorläufige Abnahme des Führerscheins für rechtswidrig zu erklären und die belangte Behörde zu verpflichten, die verzeichneten Kosten zu Handen des bevollmächtigten Vertreters zu ersetzen. Begründend wurde ausgeführt, daß der Bf am 18.3.1997 mit dem LKW seiner Dienstgeberfirma Fa. R zu Zustelldiensten in Ried unterwegs war und um 9.30 Uhr angehalten wurde. Dabei wurde festgestellt, daß keine Tachographenscheibe für diesen Tag eingelegt war, sondern jene des Vortages. Obwohl der Bf sofort erklärte, am Vortag Urlaub zwecks Übersiedlung gehabt zu haben und auch darauf hinwies, dies mit einer Bestätigung nachweisen zu können, wurde das Fahrzeug abgestellt und die Arbeitgeberfirma verständigt, welche durch einen der beiden Geschäftsführer die Weiterfahrt mit dem LKW durchführte. Auch wurde der Führerschein des Bf abgenommen, und zwar trotz der Ausführungen, daß die Firma R um 16.00 Uhr Betriebsschluß habe und der LKW die ganze Nacht über stehe und im übrigen ausschließlich im Rahmen eines Kontraktes mit den ÖBB Zustelldienste im Umkreis von Ried/I. durchgeführt würden. Als schließlich gegen 13.00 Uhr eine Urlaubsbestätigung über den Vortag beim Gendarmerieposten A nachgebracht wurde, wurde der Führerschein wieder ausgehändigt. Weil aber der Bf aufgrund seines Urlaubes am Vortag keine Ruhezeiten überschritten haben kann und auch aufgrund der übrigen Ausführungen eine Überschreitung von Ruhezeiten und Übermüdung nicht zu befürchten war, waren die Voraussetzungen für eine Führerscheinabnahme nach § 76 KFG nicht vorgelegen. Auch wurde keine Abnahmebescheinigung übergeben. Im übrigen hat das einschreitende Organ auch keine Ermüdungserscheinungen geltend gemacht. 2. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/I. hat eine Gegenschrift erstattet und darin nach einer Sachverhaltsangabe dargelegt, daß laut der ebenfalls beigelegten Anzeige eine Anhaltung erst um ca. 10.00 Uhr erfolgte und daher die Führerscheinabnahme erst ab 10.15 Uhr begann und mit etwa 13.25 Uhr endete. Zu den Voraussetzungen der vorläufigen Abnahme des Führerscheines führte sie schließlich aus, daß die Maßnahme nicht auf § 76 KFG, sondern auf § 102 Abs.12 lit.j KFG gestützt werde. Weil die in § 102 Abs.12 angeführten Maßnahmen nur beispielshaft aufgezählt sind, war auch eine Führerscheinabnahme gerechtfertigt, weil das Organ damit rechnen konnte, daß der Bf mit einem anderen LKW seines Arbeitgebers weitere Fahrten durchführen würde. Das Abstellen des gegenständlichen LKW wurde aber nicht verlangt, weil es sich um eine Terminladung gehandelt hat und die Weiterfahrt durch einen Ersatzfahrer durchgeführt wurde. Die Ausführungen des Bf, daß er keinesfalls übermüdet war, sowie die Lenk- und Ruhezeiten eingehalten hat, gingen daher ins Leere, weil sich die bekämpfte Maßnahme auf § 102 Abs.12 lit.j KFG stützt. Hingegen wurde die Zwangsmaßnahme ab Vorliegen der Urlaubsbestätigung durch den Bf sofort aufgehoben. Auch hätte der Bf anstelle eines Ersatzlenkers auch sofort an Ort und Stelle ein Schaublatt organisieren können und ein neues richtig ausgefülltes Schaublatt einlegen können, wobei ihm dann die Fahrtfortsetzung gewährt worden wäre. Die belangte Behörde beantragte daher die Abweisung der Beschwerde und den Zuspruch des pauschalierten Aufwandersatzes. Der Gegenschrift wurde die den Gegenstand betreffende Anzeige des GPK A sowie eine zeugenschaftliche Einvernahme des eingeschrittenen Organs vom 7.4.1997 angeschlossen. 3. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 67d Abs.1 AVG). 4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 76 Abs.1 KFG 1967 haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheins erforderlichen Schritte enthalten sind.

Gemäß § 102 Abs.12 KFG 1967 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht berechtigt, Personen am Lenken oder an der Inbetriebnahme eines Fahrzeuges zu hindern, wenn diese hiedurch begehen oder begehen würden, eine Übertretung i) des § 102 Abs.1 dritter Satz, wenn die erforderlichen Schaublätter nicht mitgeführt, nicht ordnungsgemäß ausgefüllt oder nicht ausgehändigt werden, j) der Verordnung (EWG) Nr.3821/85 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr ABl.Nr.L 370 vom 31.12.1995, S 8, hinsichtlich der Vorschriften über die Benutzung des Schaublattes (Art.13ff), k) der Verordnung (EWG) Nr.3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl.Nr.370 vom 31.12.1985, S 1, hinsichtlich der Vorschriften über die zulässige Lenkzeit, einzulegende Unterbrechung und Einhaltung der erforderlichen Ruhezeit (Art.6 bis 9).

Zu diesem Zweck sind, falls erforderlich, je nach Lage des Falles und Art des Fahrzeuges oder der Beladung Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellung des Fahrzeuges udgl., anzuwenden. Solche Zwangsmaßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anwendung weggefallen ist, im Falle der lit.d, f oder h auch, wenn eine andere Person, bei der keine Hinderungsgründe gegeben sind, beabsichtigt, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen und zu lenken. 4.2. Sowohl aus den Beschwerdeausführungen als auch aus den Gegendarstellungen der belangten Behörde und den von ihr vorgelegten Aktenteilen geht unstrittig hervor, daß der Bf bei seiner Anhaltung gegen Bestimmungen über das Kontrollgerät bzw die Benutzung des Schaublattes verstoßen hat, was das amtshandelnde Organ zu der Vermutung veranlaßte, daß der Bf Lenkzeiten nicht eingehalten bzw Ruhezeiten unterschritten habe, weshalb die Weiterfahrt untersagt wurde. Daß der Bf die Fahrt mit dem selben Fahrzeug fortsetzen wollte und diese Absicht auch kundtat, wurde weder in der Beschwerde vorgetragen noch geht dies aus dem Akt bzw aus der niederschriftlichen Einvernahme des einschreitenden Organs hervor. Weder aus der Beschwerde noch aus den Gegenäußerungen und dem Akt geht auch hervor, daß der Bf ein Verhalten an den Tag gelegt hätte, aus dem deutlich erkenntlich ist, daß er einen außergewöhnlichen Ermüdungszustand aufweist. 4.3. Liegt daher grundsätzlich ein Verstoß gegen Vorschriften über die Benutzung des Schaublattes laut EWG-Verordnung Nr. 3821/85 gemäß § 102 Abs.12 lit.j KFG vor, so kann zwar die Person am Lenken oder an der Betriebnahme eines Fahrzeuges gehindert werden, aber es ist gemäß § 102 Abs.12 letzter Absatz KFG zu beachten, daß bestimmte Zwangsmaßnahmen, wie etwa Abnahme der Fahrzeugschlüssel, Absperren oder Einstellung des Fahrzeuges udgl. vorgesehen sind. Es ist zwar die belangte Behörde mit der Auffassung im Recht, daß es sich dabei nur um eine beispielshafte Aufzählung handelt, jedoch ist aus der Wortfolge "udgl." ableitbar, daß sich die Maßnahmen in erster Linie auf die (weitere) Inbetriebnahme dieses Fahrzeuges beziehen. Dies ergibt sich aus einer teleologischen Interpretation dieser Bestimmung im Hinblick auf die dort aufgeführten Übertretungen (überwiegend im Fahrzeug gelegene Mängel), bei deren näherer Betrachtung eine Führerscheinabnahme den Zweck der Maßnahme, nämlich die Verhinderung der weiteren Benutzung dieses Fahrzeugs, weitgehend nicht erreichen oder aber eine überschießende Auswirkung erzielen würde. Insbesondere aber wird durch die lit.h in § 102 Abs.12 KFG klar, daß hier - im Gegensatz zu § 76 KFG - andere sofort hindernde Maßnahmen ergriffen werden sollen. Im übrigen sind solche Maßnahmen unverzüglich aufzuheben, wenn der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist. Weil aber anläßlich der Anhaltung vom Beschwerdeführer umgehend sein Arbeitgeber verständigt wurde und ein Ersatzfahrer beigestellt wurde, welcher die Fahrt (Termingeschäft) fortsetzte, war schon aus diesem Grund eine Fortsetzung der Zwangsmaßnahme betreffend Benützung dieses Fahrzeuges nicht erforderlich. Weil aber darüber hinaus weder aus einer Äußerung des Bf noch des einschreitenden Organs ersichtlich war, daß der Bf umgehend ein anderes Fahrzeug in Betrieb nehmen wollte, noch aus den Begleitumständen Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß auch das weitere Fahrzeug ohne Schaublätter und ohne die erforderlichen Eintragungen im Schaublatt in Betrieb genommen werde, war auch aus dieser Sicht eine behördliche Zwangsmaßnahme nicht erforderlich. 4.4. Im übrigen ist der O.ö. Verwaltungssenat der Auffassung, daß eine vorläufige Führerscheinabnahme aus den bereits unter Punkt 4.3. genannten Erwägungen als Sicherungsmaßnahme in der Bestimmung des § 76 KFG unter ganz bestimmten Voraussetzungen vorgesehen ist, weshalb diese Bestimmung als lex spezialis zu den Zwangsmaßnahmen nach § 102 Abs.12 KFG zu sehen ist. Dies hat zur Folge, daß hinsichtlich einer vorläufigen Führerscheinabnahme die Voraussetzungen nach § 76 Abs.1 KFG zu prüfen sind und vorzuliegen haben. Wie aber aus dem gesamten Beschwerdevorbringen und dem Akteninhalt sowie der Gegenschrift der belangten Behörde (darin stützt sie sich gerade nicht auf "Übermüdung") hervorgeht, wurde zu keiner Zeit ein deutliches Verhalten des Bf festgestellt, aus dem eine außergewöhnliche Ermüdung zu schließen ist bzw daß der Bf aufgrund dieses Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt. Weil das Vorliegen solcher Voraussetzungen von der belangten Behörde nicht einmal behauptet wurde - sondern deren Relevanz gegenständlich verneint wurde - war daher dem Vorbringen des Bf, daß die vorgenommene vorläufige Führerscheinabnahme am 18.3.1997 der erforderlichen Voraussetzungen entbehrte und daher rechtswidrig gewesen sei, Folge zu geben. Es war daher der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären. 5. Gemäß § 79a AVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.Nr.471/1995, welches mit 1.1.1996 in Kraft getreten ist, hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Als Aufwendungen gelten Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen und die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz und für den Verhandlungsaufwand (Abs.4). Gemäß der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr.855/1995, wurden Pauschbeträge für den Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei in der Höhe von 8.400 S festgelegt. Es war daher dem Bf der Schriftsatzaufwand in Höhe von 8.400 S sowie die Stempelgebühr von 120 S für die Bundesstempelmarke, Gesamtbetrag von 8.520 S, zuzusprechen. Weil Mehrausfertigungen nicht erforderlich sind, waren weitere Ausgaben nicht zu ersetzen. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen. Bei diesem Ergebnis war daher auch das Begehren der belangten Behörde abzuweisen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. K l e m p t

Beschlagwortung: Führerscheinabnahme bei Nichtausfüllen des Schaublattes; keine Übermüdung

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