Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-420156/39/Ur/Rd

Linz, 22.12.1997

VwSen-420156/39/Ur/Rd Linz, am 22. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des Christoph H, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Festnahme am 14.5.1997 in Zurechnung der BezirkshauptMschaft Vöcklabruck nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 23.10.1997 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die zunächst rechtmäßig erfolgte Festnahme am 14.5.1997 von 0.30 Uhr bis 0.45 Uhr im Schloßhof Mondsee sich in weiterer Folge als rechtswidrig darstellte. Es wird daher festgestellt, daß der Beschwerdeführer in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und menschenwürdige Behandlung verletzt wurde.

II. Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 18.920 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen: zu I.: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c AVG, § 35, 36 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF, Art.1 des B-VG vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 und Art.3 EMRK. zu II.: § 79a AVG idFd BGBl.Nr. 471/1995 iVm der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995. Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 20.6.1997, eingelangt beim unabhängigen Verwaltungssenat am 24.6.1997, erhob der Beschwerdeführer (kurz: Bf) Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und beantragte, die am 14.5.1997 (von 0.30 Uhr bis 0.45 Uhr) durch Organe der Bundesgendarmerie (in Zurechnung der BH Vöcklabruck) ausgesprochene vorläufige Festnahme als rechtswidrig festzustellen und dem Bf die Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zuzusprechen. Der Bf erachtete sich in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und menschenwürdige Behandlung dadurch verletzt, daß er im Zuge der Amtshandlung auf den Boden geworfen und mit dem Knie auf den Boden niedergehalten worden sei, gefesselt sowie bei den Haaren gezogen mit dem Kopf auf den Boden geschlagen worden wäre. Er fühle sich deswegen unmenschlich bzw. erniedrigt behandelt. Weiters beantragte der Bf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Zum Sachverhalt wurde ausgeführt, daß der Bf von zwei Zivilstreifen, die er nicht zu erkennen vermochte, verhaftet wurde, als er nach mehreren erfolglosen Startversuchen mit dem Motorrad seines Freundes (R) zum Stehen kam, welches vorher unter Mithilfe von Freunden angeschoben worden wäre. Auf die Frage, wem das Motorrad gehöre (bzw. was er damit mache) habe der Bf geantwortet, daß dies die Einschreiter nichts angehe. Unmittelbar darauf wäre die Verhaftung erfolgt, worauf er völlig freiwillig und anstandslos in das Gendarmerieauto eingestiegen sei und den Einschreitern den Eigentümer (R) genannt habe, der auch den Zulassungsschein vorweisen wollte. Die Einschreiter hätten sich damit jedoch nicht befaßt. Der Bf hätte in diesem Zusammenhang erwähnt, daß sich sein Ausweis im nahe abgestellten PKW befinde. Nach der Fahrt mit dem Gendarmeriefahrzeug zum Auto, hätte er seinen Ausweis jedoch dort nicht gefunden. Sodann wollte er von den Einschreitern einen Ausweis sehen, welcher ihm kurz gezeigt wurde, den er aber nicht erkennen konnte. In der Folge wäre ihm der Arm auf den Rücken gedreht worden, sei er zu Boden gestoßen worden und ihm das Knie des Einschreiters in den Rücken gedrückt worden, worauf er vor Schmerz geschrien hätte. Danach wurden ihm auf brutalste Art Handschellen angelegt. In diesem Zusammenhang hätte der Bf weder die Beamten beschimpft noch Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet. Der gesamte Vorfall (auch das anschließende Zerren in das Gendarmerieauto) hätte sein Freund R beobachtet. Während der Fahrt mit dem Gendarmerieauto durch Mondsee sei er mit dem Ellbogen in die Rippen gestoßen und ständig beleidigt worden. Die Fahrt hätte wieder zurück zum geparkten Auto geführt, da sich die Einschreiter das Kennzeichen notiert hätten, danach zum GP Mondsee, wo er aus dem Auto gezerrt und zu Boden geworfen worden wäre. Auf dem Boden liegend hätten ihn die Einschreiter erstmals korrekt nach seiner Identität befragt. Während ihn ein Organ auf dem Boden festgehalten habe, indem er ihn mit dem Fuß auf den Boden gedrückt hätte, habe der andere die Angaben des Bf beim GP Frankenmarkt eruiert. Dies sei für den Bf sehr schmerzhaft und erniedrigend gewesen. Offensichtlich wären sodann die Angaben vom GP Frankenmarkt bestätigt worden, weswegen man ihm die Handschellen abnehmen wollte und ihm erklärte, er könne gehen. Da der Bf aber wollte, daß seine Freunde die Übergriffe sehen, hätte er dies auch den Organen gegenüber zum Ausdruck gebracht, worauf die Einschreiter ihm auf brutalste Art die Handschellen abgenommen hätten, er an den Haaren gefaßt und mit dem Kopf auf den Boden geschlagen worden wäre. Dabei hätte er eine Verletzung der rechten Schläfe erlitten. Sodann wäre er aufgefordert worden auf die Dienststelle mitzukommen. Dies habe er jedoch abgelehnt und sich entfernt. Zusammenfassend wären die Einschreiter entgegen den Bestimmungen der §§ 35, 36 VStG nicht zur Festnahme bzw. Anhaltung berechtigt gewesen, da er nur auf dem Motorrad sitzend (ohne Motorleistung) angeschoben, und somit nicht auf frischer Tat bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung betreten worden sei. Es liege somit ein Verstoß gegen Art.3 EMRK vor, bzw wäre er entgegen dem Verhältnismäßigkeitsgebot des § 28 SPG behandelt worden, da er von den Einschreitern zu Boden geworfen, mit dem Knie am Boden festgehalten, unnötigerweise gefesselt sowie an den Haaren gezogen mit dem Kopf auf den Boden gestoßen worden wäre. 2. Die belangte Behörde (BH Vöcklabruck) hat mit Schriftsatz vom 15.7.1997 eine Gegenschrift erstattet und bezughabende Aktenteile vorgelegt, worin dargelegt wurde, daß der Bf von den einschreitenden Beamten auf frischer Tat beim Lenken eines Motorrades im Nachtfahrverbot betreten wurde. Nach den glaubwürdigen Äußerungen der Gendarmeriebeamten hat er die Bekanntgabe seiner Identität verweigert und daher einen Festnahmegrund gemäß § 35 Z1 VStG gesetzt. Nach deren Angaben hat der Bf neben einer passiven Verweigerung auch noch aggressives Verhalten (Umsichschlagen mit den Händen und Herumwälzen auf dem Boden) an den Tag gelegt, welches die Einschreiter zu deren Vorgehen berechtigte. Weiters wurde von beiden Beamten übereinstimmend festgestellt, daß sich der Bf selbst zu Boden fallen ließ, um einen Abtransport zum GP Mondsee zu verhindern. Lediglich bei der Beförderung des Bf wurde geringfügig Körperkraft angewandt. Eine menschenunwürdige Behandlung kann darin nicht gesehen werden. Ingesamt waren die Beamten daher zur Festnahme berechtigt, und gingen diese auch unter Achtung der Menschenwürde unter möglichster Schonung der Person vor. Unmittelbar nach Bekanntgabe der notwendigsten Identitätsdaten wurde die Festnahme aufgehoben, wogegen sich der Bf gewehrt hat, da er versuchte die Abnahme der Handschellen zu verhindern.

3. In seiner Stellungnahme vom 1.9.1997 wies der Bf darauf hin, daß die bisherigen Aussagen der Gendarmeriebeamten unglaubwürdig und widersprüchlich wären. Insbesondere wäre die Festnahme ohne Identitätsnachweis bloß aufgrund des Umstandes, daß in F eine B existiere, aufgehoben worden. Auch wären seine Begleiter zu Unrecht als alkoholisiert qualifiziert worden. Die Aussagen der Gendarmerieorgane U und G betreffend die Aufforderung zum Alkotest wären widersprüchlich, da Insp. U der Bf hierzu um 0.47 Uhr aufforderte zum GP Mondsee mitzukommen (Aktenvermerk vom 14.5.1997); Insp. G jedoch sofort nach der Abnahme der Handfesseln den Bf ausgelassen hätte (Niederschrift vom 26.5.1997). Einerseits gaben die Beamten an (Aktenvermerk vom 14.5.1997), der Bf habe mit beiden Beinen gegen die Beamten geschlagen, andererseits wies Insp. U (Niederschrift vom 21.5.1997) darauf hin, daß der Bf keine Tätlichkeiten gegen ihn ausgeführt habe. Weiters wären die Verletzungen durch ein ärztliches Attest objektiviert (beide Beamten hätten aber keine gesehen). Der Bf bemerkte, daß er vom Vorwurf des Widerstandes gegen die Staatsgewalt in der Hauptverhandlung vom 15.7.1997 (13 EVr 541/97) unter Heranziehung des § 42 StGB rechtskräftig freigesprochen wurde. Daß der Bf keine Verwaltungsübertretung begangen habe, wäre zudem dadurch belegt, daß die BH Vöcklabruck die Anzeige bezüglich der Mißachtung der Sturzhelmpflicht nicht aufgegriffen habe. 4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsakt, in die Schriftsätze, in den Verkehrsakt (der BH Vöcklabruck bzw. BPD Salzburg), in Akt GZ 3035/7/97 des BGK Vöcklabruck sowie in den Akt des LG Wels zu Zl. 13 EVr 541/97, Einsicht genommen. Weiters wurde Beweis erhoben durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.10.1997, an welcher der Bf (vertreten durch seinen Rechtsanwalt) sowie Markus R, Klaus M, Insp. Jörg U, RI Franz G, Major F, als geladene Zeugen teilgenommen haben. 4.1. In seinem abschließenden Schriftsatz vom 27.10.1997 beanstandete der Bf, daß die beiden Beamten anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 23.10.1997 vor deren Einvernahme nicht gemäß § 50 AVG iSd § 49 AVG belehrt wurden, weswegen ihre Zeugenaussagen unter dem Blickpunkt auf das anhängige Strafverfahren (6 St 215/97 k) zu sehen wären, nämlich daß Zugeständnisse von Übergriffen geradezu ein Geständnis bzw. eine Selbstbezichtigung wären.

Dem wird entgegengehalten, daß den Zeugenladungen je vom 25.9.1997 zur mündlichen Verhandlung ein Informationsblatt beigefügt wurde, in welchem die Zeugen über ihre Rechte belehrt wurden, insbesondere wurde ausdrücklich auf das Verweigerungsrecht unter Anführung des Gesetzestextes des § 49 AVG hingewiesen. Auch hat vor der Zeugenvernehmung eine Belehrung nach § 50 Abs.1 AVG stattgefunden (sh. Tonbandprotokoll). Die Zeugen haben von ihrem Entschlagungsrecht keinen Gebrauch gemacht, ein Vernehmungsverbot hingegen besteht nach § 49 AVG - im Gegensatz zu § 48 AVG - nicht. Die Verwertung der Zeugenaussagen ist daher nicht unzulässig (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 353, E.6).

4.2. Im wesentlichen wird folgender Sachverhalt festgestellt:

4.2.1. Der Bf hat am 14.5.1997 gegen 0.15 Uhr das Motorrad seines Bekannten Markus R im Schloßhof in Mondsee vor dem Lokal Bar V in Betrieb genommen und ist mit laufendem Motor von dort in Richtung Durchgang zum Marktplatz der Marktgemeinde Mondsee gefahren, obwohl in der Zeit von 20.00 Uhr bis 0.05 Uhr ein Fahrverbot für einspurige Kraftfahrzeuge für das Ortszentrum des Marktes Mondsee verordnet ist. Dabei wurde er von den Gendarmeriebeamten RI G und Insp. U, welche als Zivilstreife unterwegs waren, beobachtet. Aufgrund des von ihnen wahrgenommenen strafbaren Verhaltens wurde der Bf am Ende des Schloßhofes beim Durchgang zum Marktplatz von den Gendarmeriebeamten in Zivilkleidung, welche sich als "Gendarmerie-Zivilstreife Mondsee" zu erkennen gaben, zur Lenkerkontrolle, also zum Vorweisen des Führerscheins und Zulassungsscheins unter Hinweis auf den Verstoß gegen das Nachtfahrverbot für Motorräder aufgefordert. Dieser Aufforderung kam der Bf nicht nach und er benannte auch seinen Namen nicht. Sein Bekannter Markus R, welcher sich ebenfalls vor der Bar V befunden hat, sich sodann zum Anhalteort begeben hat und als Zulassungsbesitzer des Motorrades benannt wurde, wurde zu einer Ausweisleistung bzw. zum Vorweisen des Zulassungsscheines nicht aufgefordert. Weil der Bf weder seinen Namen sagte noch einen Ausweis vorwies, wurde er von den Gendarmeriebeamten aufmerksam gemacht, daß er festgenommen werden könnte. Daraufhin bot der Bf an, daß sich seine Ausweise im nahegelegenen Fahrzeug, glaublich Mercedes, befinden, und es wurde daher das Holen der Dokumente gewährt. Als aber Uneinsichtigkeit des Bf auftrat, wurde zunächst um ca. 0.30 Uhr die Festnahme in Worten ausgesprochen, eine körperliche Festnahme ist nicht erfolgt. Nachdem der Bf vergeblich nach Ausweisen in seinem PKW suchte, nach vergeblicher Aufforderung durch die Beamten, seinen Namen und persönlichen Daten zu benennen, nach Aufforderung an die Bekannten Markus R und Klaus M, welche ebenfalls anwesend waren, die Persönlichkeit des Bf zu benennen, welcher ebenfalls nicht nachgekommen wurde, wurde der Bf von den Gendarmeriebeamten aufgefordert, in den Zivilstreifenwagen der Beamten einzusteigen, um zum GP Mondsee zu fahren. Dieser Aufforderung wurde vom Bf nicht nachgekommen und er kam nach nachdrücklichem Drängen der Gendarmeriebeamten, in das Fahrzeug einzusteigen, zu Boden und es wurden ihm wegen seines Widerstandes unter Anwendung des Polizeigriffes am Rücken die Handfesseln angelegt. Sowohl beim Anlegen der Handfesseln als auch beim Transport in den Zivilstreifenwagen wurde zufolge des passiven Widerstandes des Bf Körperkraft durch die Gendarmeriebeamten angewendet. Eine Überprüfung der Zulassung für das Motorrad wie auch für den Privat-PKW wurde bis zu diesem Zeitpunkt durch die Beamten nicht durchgeführt.

4.2.2. Der Zivilstreifenwagen fuhr sodann Richtung Gendarmerieposten, kam aber dann zum im Schloßhof befindlichen Privat-PKW zurück, um das Kennzeichen zu notieren, und fuhr dann abermals zum Gendarmerieposten. Auch der Aufforderung, aus dem Streifenfahrzeug auszusteigen, kam der Bf nicht nach, er mußte durch Anwendung von Körperkraft aus dem Fahrzeug gehoben werden, und er wurde in der Folge auf den Boden gesetzt. Nach weiterer Belehrung und Aufforderung, doch seine Identität bekanntzugeben, sagte dann der Bf seinen Namen, sein Geburtsdatum und Wohnanschrift, was durch Funkspruch beim Posten Frankenmarkt durch Anfrage überprüft wurde. Allerdings war der Bf beim dortigen Posten persönlich nicht bekannt und konnte lediglich festgestellt werden, daß die vom Bf angeführte "B in F" tatsächlich existiert.

4.2.3. Daraufhin wurde dem Bf von den Beamten mitgeteilt, daß seine Festnahme aufgehoben wird, das war um 0.45 Uhr. Beim Versuch, ihm die Handfesseln abzunehmen, leistete der Bf, vor dem GP Mondsee auf dem Boden sitzend bzw. liegend, Widerstand, weil nach seiner Begründung er darauf wartete, daß seine Bekannten bzw. sein Rechtsanwalt, von dem er erwartete, daß er kommen würde, sehen sollten, wie er behandelt werde. Wie schon am Ort der Anhaltung hat er auch vor dem GP einige Male laut "Hilfe" geschrien. Unter Anwendung von Körperkraft konnten ihm dann doch die Handfesseln abgenommen werden. Nachdem er aufgestanden war, wieder um Hilfe schrie, entfernte sich der Bf zu Fuß mit dem Bemerken, daß er zum Rechtsanwalt und zu einem Arzt gehen werde. Zum Ansinnen, einen Rechtsanwalt herbeirufen zu wollen, wurde dem Bf die Möglichkeit mündlich eingeräumt, auf dem GP einen solchen zu rufen. Dies wurde vom Bf aber nicht angenommen.

4.2.4. Nach ärztlicher Bestätigung vom 14.5.1997 und Verletzungsanzeige beim BGK Vöcklabruck am 16.5.1997 wies der Bf Verletzungen, nämlich Schwellung und Rötung des rechten Oberlides sowie Rötungen und Schürfungen an den Handgelenken, auf.

4.3. Dieser Sachverhalt stützt sich teilweise auf die Angaben des Bf, insbesondere aber auf die Angaben der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen. Wenn auch hinsichtlich einiger Sachverhaltsdetails Abweichungen unter den Zeugenaussagen bestehen, so konnte dessen ungeachtet ein einheitliches objektives Gesamtbild der stattgefundenen Amtshandlung allen Zeugenaussagen zugrundegelegt werden, welches auch den angeführten Sachverhalt ergab. Zu den Details ist auch auszuführen, daß diese die Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht erschüttern, zumal die Zeugen nicht bei jeder Einzelheit der Amtshandlung ständig anwesend waren bzw. im Zuge der Amtshandlung durch die Involvierung der Personen zum Teil kleine Verwechslungen bzw. Lücken in der chronologischen Abfolge bzw. im genauen Hergang der Amtshandlung auftreten können. Aufgrund sämtlicher Zeugenaussagen steht im Gegensatz zur Beschwerdebehauptung fest, daß der Bf das Motorrad mit Motorkraft ein kleines Stück gelenkt hat. Dabei wurde er betreten. Er hat seinen Namen nicht genannt und wies keinen Ausweis vor. Hingegen war aus den Zeugenaussagen nicht eindeutig nachweisbar, wann die Bekannten R und M erstmals um die Identität des Bf befragt wurden und ob sie konkret dazu von den Gendarmeriebeamten angesprochen wurden. Während nämlich die Beamten angaben, daß der Bf seinen Bekannten untersagte, seinen Namen zu nennen, fühlten sich die Bekannten selbst nach ihren Aussagen von den Gendarmeriebeamten nicht konkret angesprochen bzw. wollten sie sich aus der Amtshandlung heraushalten.

Auch das Ausmaß der Anwendung von Körperkraft konnte nicht zweifelsfrei erwiesen werden, insbesondere konnte das Zubodenwerfen des Bf und das Niederhalten mit einem Knie im Schloßhof ebensowenig wie das Zerren an den Haaren und das Zubodenwerfen vor dem GP erwiesen werden. Körperverletzungen wurden durch die Verletzungsanzeige und Wahrnehmung beim BGK Vöcklabruck verifiziert, die Art der Zuziehung bzw. Verursachung aber nicht in eindeutiger Weise erwiesen.

Zu den Beschimpfungen durch die Beamten und der Anwendung der Körperkraft konnte aber der Bf selbst teilweise keine genauen Angaben machen, so zB konnte er nicht angeben, mit welchen Worten und wie er beschimpft wurde, und auch bei dem von ihm behaupteten Herauszerren aus dem Dienstwagen konnte er keine genauen Angaben machen. Hingegen gab er selbst an, daß er bewußt wollte, daß die Handschellen oben gelassen werden, damit andere Leute seine Behandlung sehen. Auch zu seiner Behauptung, daß ihm das Rufen eines Rechtsanwaltes verwehrt wurde, konnte er nicht näher konkretisieren, wann ihm dies verweigert worden sei. Er konnte auch nicht erklären, warum er auf das Eintreffen eines Rechtsanwaltes am GP warten wollte, zumal er zu keiner Zeit seinen Bekannten aufgetragen hatte, einen Rechtsanwalt zu rufen.

5. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein. Der Bf wurde in Zurechnung der BH Vöcklabruck am 14.5.1997 um 0.30 Uhr bis 0.45 Uhr durch Gendarmeriebeamte festgenommen. Dies stellt einen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Im Zuge der Festnahme wurde der Transportgriff angewendet und wurden Handschellen angelegt. Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingebracht und es liegen auch die übrigen Beschwerdevoraussetzungen vor. Die Beschwerde ist zulässig und sie ist im übrigen auch begründet.

5.2. Gemäß § 35 Z1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zwecke ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist.

Jeder Festgenommene ist unverzüglich der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben oder aber, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt, freizulassen. Er ist ehestens, womöglich bei seiner Festnahme, in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten. Bei der Festnahme und Anhaltung ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person vorzugehen (§ 36 Abs.1 und 2 VStG).

5.3. Im Grunde der Sachverhaltsfeststellungen wurde der Bf bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach der StVO 1960 auf frischer Tat betreten, war den Gendarmeriebeamten unbekannt, hat sich nicht ausgewiesen und auch seinen Namen und persönlichen Daten nicht angegeben. Weil nach der Sachlage die Gendarmeriebeamten mit gutem Grund die Begehung einer Tat annehmen durften (vgl. VflSg 10321/1985, 10441/1985) und die Identität nicht nachgewiesen wurde, war der Ausspruch der Festnahme rechtmäßig.

5.4. War zunächst die Identität des Bf auch sonst nicht sofort feststellbar, so kamen im Zuge der weiteren Amtshandlung die Bekannten des Bf hinzu, darunter auch der Zulassungsbesitzer des Motorrades. Auch bot der Bf an, den Ausweis in seinem nahegelegenen PKW zu suchen. Allein aus dem Umfeld der Amtshandlung ist daher nicht erkennbar, warum nicht in weiterer Folge durch Ermittlung der Zulassungsbesitzer der angesprochenen Fahrzeuge und deren Identitätsfeststellung, durch Gespräche mit den bei der Amtshandlung anwesenden Bekannten des Bf und durch entsprechende Aufklärung dieser Personen eine Identitätsfeststellung, nämlich die Ermittlung von Name und Anschrift des Bf, versucht wurde. Gemäß § 35 Einleitungssatz VStG ist aber Zweck einer Festnahme die Vorführung der festgenommenen Person vor die Behörde, also die Sicherung der Strafverfolgung. Wie aber das Beweisverfahren in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, war die Erzwingung einer Ausweisleistung zunächst im Vordergrund, dann aber durch das Mitführen zum GP die Feststellung der Identität am GP. Daß letzteres aber nur bedingt geeignet ist, zumal eine Meldekartei oder Personenkartei auf dem GP nicht vorhanden ist sondern nur ein Verzeichnis der bereits beim Posten auffällig gewordenen Personen, ist in weiterer Folge dadurch zum Ausdruck gekommen, daß der Bf trotz ungeklärter Identität nur aufgrund einer Anschriftsangabe in F, die der Realität entsprach, freigelassen wurde. Hingegen war das Verbringen zum GP zwecks Feststellung der Identität allenfalls durch eine Personendurchsuchung insofern nicht gerechtfertigt, als der Bf bereits als Festgenommener an Ort und Stelle (Schloßhof Mondsee) hätte durchsucht werden können und dürfen, anläßlich welcher Durchsuchung dann unter Umständen auch ein Ausweis oder ein sonstiges Schriftstück beim Bf hätte gefunden werden können, das seine Identität nachweist. Unter diesem Blickwinkel statuiert nämlich § 35 Z1 VStG eine situationsbezogene Ermittlungspflicht (vgl. "auch sonst nicht sofort feststellbar ist"), welche nicht ausgeschöpft wurde. Zweck der Regelung ist, eine Festnahme so lange als möglich zu vermeiden und alle sonstigen Möglichkeiten der Identitätsfindung auszuschöpfen, um dem Betroffenen vorerst einen Eingriff in sein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht der persönlichen Freiheit zu ersparen und ihn erst "ultima ratio" festzunehmen. 5.5. Schon gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nur gesetzlich vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

War auch grundsätzlich zunächst der Ausspruch der Festnahme rechtens, so war dennoch situationsbezogen unter den Umständen, daß andere zur Auskunft zur Verfügung stehende Personen und andere Erhebungsmöglichkeiten vorhanden waren, schon aus einer ex-ante-Sichtweise ein weiteres Vorgehen mit behördlicher Zwangsausübung nicht gerechtfertigt. Insbesondere wären gelindere Mittel, wie Belehrung der anwesenden Personen über die Konsequenzen, Belehrung über die weitere Vorgangsweise, konkretes Auskunftsbegehren udgl. erforderlich und möglich gewesen.

Daß die Zielgerichtetheit der vorgenommenen Maßnahme und Zwangsausübung den Exekutivbeamten letztlich entglitten ist, brachten sie mit der Aufhebung der Festnahme ohne tatsächlichen Identitätsnachweis vor dem GP zum Ausdruck. Dies wird durch die Zeugenangaben anläßlich der Hauptverhandlung vor dem LG Wels "wir wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben" und auch in der mündlichen Verhandlung am 23.10.1997 "weil eine sinnvolle Weiterführung der Amtshandlung nicht gegeben war" ersichtlich. Wenn aber die betreffende Maßnahme nicht mehr als das gilt, was sie nach Absicht ihres Setzers sein soll, oder ihrem Anschein nach zu sein vorgibt, so liegt Fehlerhaftigkeit der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt vor (Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 527).

Unter dem Grundsatz, daß die Ausübung einer Befugnis immer dann unverhältnismäßig ist, wenn sie größeren Schaden bewirken würde, als entstehen würde, wenn die Ausübung dieser Befugnis unterbleibt, ist auch die konkrete Zwangsausübung, auch durch die Anwendung von Körperkraft und das Anlegen von Handfesseln im weiteren Verlauf der Amtshandlung sowie durch die letztlich hervorgerufene Körperverletzung eine wesentlich höhere Beeinträchtigung bzw. ein wesentlich höherer Nachteil gegenüber jenem, daß durch Unterbleiben des Zwangs und weitere Lenkererhebungen der Beschuldigte ausfindig gemacht wird.

Es ist daher der Bf durch die weitere Anhaltung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht der persönlichen Freiheit verletzt worden.

5.6. Gemäß Art.3 EMRK, welche als Verfassungsgesetz in Geltung steht, darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Anwendung von Körperkraft kann grundsätzlich einen Verstoß gegen Art.3 MRK darstellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH verstößt eine dem Waffengebrauchsgesetz entsprechende Zwangsausübung nie gegen Art.3 EMRK (VflSg. 12271/1990; 9298/1981; 10250/1984 sowie 10427/1985). Das Erfassen beim Arm und Ziehen des Armes zum Rücken zur Durchsetzung einer rechtmäßigen Festnahme (§ 2 Z3 Waffengebrauchsgesetz 1969), wenn der Festgenommene dem Ausspruch der Festnahme nicht Folge leistet, stellt keine menschenunwürdige Behandlung und daher keine Verletzung des Art.3 MRK dar. Das Anlegen von Handschellen verletzt daher nicht den Art.3 MRK, wenn dies notwendig ist. Weil aber die Anhaltung unrechtmäßig war, mußte auch die Anwendung von Körperkraft zur Durchsetzung einer unrechtmäßigen Anhaltung als gesetzwidrig und daher eine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts festgestellt werden.

6. Gemäß § 79a AVG idFd Bundesgesetzes BGBl. 471/1995, welches mit 1.1.1996 in Kraft getreten ist, hat die im Verfahren nach § 67c obsiegenden Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Bf die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs.2). Als Aufwendungen gemäß Abs.1 gelten Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat, und die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz- und für den Verhandlungsaufwand (Abs.4). Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung gestellt werden (Abs.6).

Gemäß der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Aufwandersatzverordnung UVS), BGBl.Nr. 855/1995, wurden Pauschbeträge für den Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei in Höhe von 8.400 S und den Verhandlungsaufwand des Bf als obsiegende Partei in Höhe von 10.400 S festgelegt. Diese Pauschbeträge waren daher zuzüglich der Stempelgebühren von 120 S dem Bf spruchgemäß zuzuerkennen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Klempt Beschlagwortung: Ermittlungspflicht, Verhältnismäßigkeitsgebot Anwendung von Körperkraft, Polizeigriff