Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420205/8/Kl/Rd

Linz, 27.04.1998

VwSen-420205/8/Kl/Rd Linz, am 27. April 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des B, vertreten durch RA, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Zurechnung des Bundesministers für Inneres zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Festnahme am 7.11.1997 als rechtswidrig festgestellt.

II. Die belangte Behörde (der Bund) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 8.550 S binnen 14 Tagen ab der Zustellung zu ersetzen. Der Aufwandersatzantrag der belangten Behörde wird abgewiesen. Rechtsgrundlage: zu I.: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm §§ 67a Abs.1 Z2 und 67c AVG, Art.3 und Art.5 MRK, Art.1 und 2 BVG vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, sowie §§ 175 und 177 StPO. zu II.: § 79a AVG iVm § 1 Z1 Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 24.11.1997, eingelangt beim unabhängigen Verwaltungssenat am 25.11.1997, erhob der Bf Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und beantragte die Feststellung, daß der Bf durch die Festnahme zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr des 7.11.1997 auf dem Parkplatz vor dem Merkur-Markt in 4470 Enns, durch Organe der BPD Linz in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf körperliche Unversehrtheit und keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden sowie in seinem Recht gemäß § 36 Abs.2 VStG bei der Festnahme unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person behandelt zu werden, verletzt worden sei. Gleichzeitig wurde Kostenersatz beantragt. Dazu wurde ausgeführt, daß der Bf am 7.11.1997 zwischen 14.30 Uhr und 15.00 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Merkur-Markt in 4470 Enns von vier Beamten der BPD Linz in Zivilkleidung festgenommen und zu Boden geworfen worden sei. Ein Beamter hätte mit seinem Fuß auf seinen Kopf getreten, sodaß er eine Platzwunde und Hautabschürfungen oberhalb des rechten Auges sowie eine Schädelprellung erlitten habe. Er habe daher nach Entlassung am 7.11.1997 die Ambulanz des LKH Enns aufgesucht. Das Vorweisen eines Dienstausweises sei von den Beamten verweigert worden. Schließlich seien die Hände noch hinten mit Handschellen gefesselt und der Bf ins Auto gezerrt worden, wobei ihm dabei die Kleidung über den Kopf gezogen worden sei. Anschließend habe bis ca. 19.00 Uhr des 7.11.1997 auf der BPD Linz eine Einvernahme stattgefunden, in deren Zuge er erfahren habe, daß er gefälschte Reisepässe verkauft haben solle. Mit Zustimmung des Bf wurde in der Wohnung des Bf eine Hausdurchsuchung durchgeführt und sei er anschließend freigelassen worden. Es sei daher der Bf in seinen Verfassungsrechten auf körperliche Unversehrtheit und keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt worden. 2. Die zunächst als belangte Behörde im Verfahren beteiligte Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die bezughabenden Aktenteile bei der BPD Linz eingeholt und unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der BPD Linz vom 18.12.1997, P-0143, darauf hingewiesen, daß die einschreitenden Beamten für die Dauer der Amtshandlung am 7.11.1997 ab 11.10 Uhr dem BM für Inneres zur Dienstverrichtung zugeteilt waren und daher das Innenministerium belangte Behörde ist.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat das BM für Inneres als belangte Behörde am Verfahren beteiligt. Entsprechend dem Auftrag des Innenministeriums vom 9.1.1998, die Parteienrechte des BM für Inneres im gegenständlichen Verfahren in dessen Namen zweckentsprechend wahrzunehmen, hat die BPD Linz mit Stellungnahme vom 6.2.1998, P-0143, relevante Aktenbestandteile und die schriftlichen Stellungnahmen der einschreitenden Kriminalbeamten vorgelegt. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, daß die beschriebene Vorgangsweise bei der Festnahme nicht erfolgte, um den Bf einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung zu unterziehen, sondern daß dies aus Gründen der Eigensicherung unumgänglich war, zumal nach vorliegender Information es sich beim Bf um einen "Profi-Boxer" handelt. Die festnehmenden Beamten waren zwar in Zivil, haben aber den Bf mit den Worten "Halt, Polizei, Hände hoch" zum Erheben der Hände aufgefordert und gaben sich mit diesen Worten auch als Polizeibeamte zu erkennen. Weil der Bf dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde er unter Anwendung von Körperkraft zu Boden gebracht und wurden ihm die Handfesseln mit den Händen am Rücken angelegt. Die Kapuze wurde ihm über den Kopf gezogen, damit exekutive Observationskräfte unerkannt bleiben konnten. Bei der Einvernahme wurde durch die Beamten eine Hautabschürfung an der rechten Stirnseite festgestellt, eine Blutung bzw Blutspuren im Gesicht oder an der Kleidung wurden nicht festgestellt und war die Abschürfung offensichtlich nicht frisch. Es wurde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. 3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Aktenteile sowie in die Stellungnahmen und Schriftsätze der Parteien. Da bereits aus der Aktenlage iVm den Schriftsätzen ersichtlich ist, daß der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 67d Abs.1 AVG).

4. Es ergibt sich folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt:

4.1. Im Grunde einer Privatanzeige an den BM für Inneres und einer anschließenden informativen Befragung des Anzeigers durch die BPD Linz, wonach dem Anzeiger durch den Bf die Bekanntgabe einer Adresse zur Ausstellung eines bulgarischen Reisepasses mit Aufenthaltsbewilligung für Österreich für seine Gattin, welche über keine Aufenthaltsbewilligung für Österreich verfügt, gegen Bezahlung von 2.000 DM angeboten wurde, und nach Rücksprache mit dem Staatsanwalt des LG Steyr am 6. und 7.11.1997 mit der Anregung, einen Scheinaustausch des Geldes und der Adresse durch den Anzeiger mit gleichzeitiger Observierung und Einvernahme des Anbieters durchzuführen, wurden die Kriminalbeamten der BPD Linz, Abt., zu Zl. 34101/632/II/2/27/97 am 7.11.1997 um 11.10 Uhr für die Dauer der Amtshandlung dem BM für Inneres dienstzugeteilt. Zur Durchführung des Scheinkaufs wurde zwischen Borislav M und dem Bf ein Treffen am 7.11.1997, 13.00 Uhr, am Parkplatz vor der gemeinsamen Arbeitsstelle Fa. M, vereinbart und ausgeführt. Sie fuhren mit ihren Fahrzeugen zum Ennser Stadtplatz, besuchten dort ein Gasthaus, und begaben sich um ca. 14.00 Uhr in weiterer Folge zur Raiffeisenbank am Stadtplatz, welche M betrat. Beim Verlassen der Bank ging dieser zum Bf und überreichte ihm ein Kuvert mit 4.000 DM (für die Gattin und eine weitere Person), welches dieser in seine Jacke steckte. Die versprochene Adresse gab der Bf daraufhin mündlich bekannt und er schrieb die Handynummer seines Telefons auf. Anschließend begaben sich die Genannten zu ihren Fahrzeugen. Der Bf fuhr mit seinem PKW zum Einkaufszentrum Merkur-Markt in Enns, wo er das Fahrzeug am Parkplatz abstellte. Daraufhin wurde er um 14.15 Uhr wegen Betretens auf frischer Tat vorläufig festgenommen. Weil weder eine Bewaffnung noch die Abwehr der Festnahme ausgeschlossen werden konnte, und weil bei der Aufforderung "Hände hoch" der Bf die Hände im Bereich der Hüfte hängen ließ, wurde er mit Körperkraft zu Boden gebracht und wurden ihm die Handfesseln mit den Händen am Rücken angelegt. Die Kapuze seiner Jacke wurde ihm über die Augen gezogen, damit er Observationskräfte am Ort der Festnahme nicht wahrnehmen konnte. Mit den Händen am Rücken geschlossen und mit aufgesetzter Kapuze wurde er in das Dienstkraftfahrzeug verbracht. Erst im Dienstkraftfahrzeug auf der Fahrt zur BPD Linz wurde ihm, weil er äußerte, daß ihm warm sei und er keine Luft bekäme, die Kapuze abgenommen und wurde das Seitenfenster des Dienstkraftfahrzeuges einen Spalt geöffnet. Die Handfesseln wurden ihm erst nach Eintreffen auf der Dienststelle abgenommen, weil es sich nach den Erhebungen der Beamten um einen Profi-Boxer handelte. Anläßlich der anschließenden niederschriftlichen Einvernahme bei der BPD Linz wurde an der rechten Stirnseite des Bf eine Hautabschürfung wahrgenommen, allerdings konnte keine Blutung bzw keine Blutspuren im Gesicht und auf der Kleidung festgestellt werden. Von den Beamten daraufhin angesprochen hat er eine Verletzung vom Boxtraining bekanntgegeben. Bei seiner Einvernahme willigte der Bf auch einer freiwilligen Nachschau in seiner Wohnung und seinem Auto zu. Die Durchsuchung der Wohnung und des Fahrzeuges fand am 7.11.1997 in der Zeit von 19.30 Uhr bis 20.30 Uhr statt und verlief negativ. Der Bf wurde anschließend auf freien Fuß gesetzt. Bei seiner Festnahme wurde der Bf körperlich visitiert und es wurde in seiner Brieftasche ein Geldbetrag von 4.000 DM vorgefunden und von den Beamten vorläufig sichergestellt. Laut Bericht des Einsatzleiters BI vom 7.11.1997, Zl: IV-268/97, stützten sich die Einschreiter bei der Festnahme auf §§ 177 iVm 175 Abs.1 Z1 StPO (Betreten auf frischer Tat). Mit Schreiben vom 13.11.1997, AZ: IV-268/97, wurde Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Steyr wegen Verdachts des Vergehens nach §§ 15, 223, 224 StGB erstattet.

5. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Der Bf wurde in Zurechnung des BM für Inneres am 7.11.1997 um 14.15 Uhr durch Organe der BPD Linz festgenommen. Dies stellt einen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Im Zuge der Festnahme wurden Handschellen angelegt. Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingebracht und es liegen auch die übrigen Beschwerdevoraussetzungen vor. Die Beschwerde ist zulässig und im übrigen auch begründet.

Gemäß Art. 5 Abs.1 MRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den in lit.a bis f angeführten Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

Gemäß Art.1 Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG), BGBl.Nr. 684/1988, hat jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit). Zufolge Abs.2 darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Zufolge Abs.3 darf der Entzug der persönlichen Freiheit gesetzlich nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist; die persönliche Freiheit darf jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Zufolge Art. 2 Abs.1 Z2 PersFrSchG darf die persönliche Freiheit einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

2. Wenn er einer bestimmten, mit gerichtlicher oder finanzbehördlicher Strafe bedrohten Handlung verdächtig ist, a) zum Zweck der Beendigung des Angriffes oder zur sofortigen Feststellung des Sachverhaltes, sofern der Verdacht im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Tat oder dadurch entsteht, daß er einen bestimmten Gegenstand innehat, b) um ihn daran zu hindern, sich dem Verfahren zu entziehen oder Beweismittel zu beeinträchtigen, oder c) um ihn bei einer mit beträchtlicher Strafe bedrohten Handlung an der Begehung einer gleichartigen oder an der Ausführung zu hindern.

5.2. Gemäß § 175 Abs.1 StPO kann der Untersuchungsrichter auch ohne vorangegangene Vorladung die Vorführung oder vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen anordnen, wenn der Verdächtige auf frischer Tat betreten oder nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt oder mit vom Verbrechen herrührenden Waffen oder anderen Gegenständen betreten wird (Z1); wenn er flüchtig ist oder sich verborgen hält oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde flüchten oder sich verborgen halten (Z2); wenn er Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, er werde dies versuchen (Z3); oder wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde eine strafbare Handlung begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, wie die ihm angelastete, oder er werde die ihm angelastete versuchte oder angedrohte Tat ausführen (Z4).

Gemäß § 177 Abs.1 StPO kann ausnahmsweise die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zweck der Vorführung vor den Untersuchungsrichter auch durch einen zur Untersuchung nicht zuständigen Richter und durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden: 1. in den Fällen des § 175 Abs.1 Z1 sowie 2. in den Fällen des § 175 Abs.1 Z2 bis 4 und Abs.2, wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

5.3. Die einschreitenden Organe haben den Bf wegen des Verdachts des Vergehens nach §§ 15, 223, 224 StGB, also der versuchten Fälschung einer öffentlichen Urkunde am 7.11.1997 festgenommen, und zwar bei Betretung auf frischer Tat. Jede Verhaftung nach § 175 StPO setzt das Vorliegen eines Tatverdachtes und eines bestimmten Haftgrundes voraus. Ein Tatverdacht liegt vor, wenn es aufgrund bestimmter Tatsachen wahrscheinlich ist, daß die zu verhaftende Person eine gerichtlich strafbare Handlung, also eine tatbildmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung begangen hat (vgl. Foregger-Serini, StPO, ManzVerlag, Erläuterungen zu § 175). Angesichts des Haftgrundes der Tatbetretung kann aber lediglich von einem aktenkundigen festgestellten Sachverhalt dahingehend ausgegangen werden, daß der Bf einer Person die Bekanntgabe einer Adresse, bei der die Besorgung eines gültigen Reisepasses mit Aufenthaltsbewilligung für Österreich möglich ist, versprochen wurde und vor Aufgreifung tatsächlich mitgeteilt wurde. Dafür wurde ein Entgelt von 2 x 2.000 DM überreicht und entgegengenommen. In Anbetracht dieses Sachverhaltes ist aber durch den Bf weder eine öffentliche Urkunde (Reisepaß bzw Aufenthaltsbewilligung) gefälscht worden noch wurde eine Fälschung versucht, zumal die Tat erst zu einem späteren Zeitpunkt im Ausland (in Bulgarien) und da erst über weitere Veranlassung durch den Adressenempfänger (oder seine Gattin) durchgeführt werden sollte. Jedenfalls kann zum Aufgriffszeitpunkt noch gar nicht gesagt werden, ob der Adressenempfänger tatsächlich weitere Schritte im Hinblick auf die Erlangung einer gefälschten Urkunde setzen werde. Jedenfalls ist das eigentliche strafbare Verhalten vom Willen des Bf unabhängig. Selbst die Bekanntgabe der Adresse als Erleichterung einer möglichen künftigen Urkundenfälschung hängt noch von der Weitergabe der Adresse durch den Empfänger an seine Ehegattin in Bulgarien sowie die Auswertung durch tatsächliches Herantreten an diese Adresse durch die Ehegattin in Bulgarien ab. Es kann daher aus der Sicht des O.ö. Verwaltungssenates - unbeschadet einer gerichtlichen Anklage und Strafverfolgung - im Zeitpunkt des Einschreitens - nämlich der Festnahme - von keinem hinreichenden Tatverdacht bzw von keinem Betreten auf frischer Tat iSd § 175 Abs.1 Z1 StPO ausgegangen werden, weil keine bestimmten Tatsachen wahrscheinlich machten, daß die zu verhaftende Person eine gerichtlich strafbare Handlung begangen habe. Vielmehr stellt sich die Situation so dar, daß die gerichtlich strafbare Handlung erst im Ausland stattfinden soll und zwar über Einschreiten nicht des Bf, sondern anderer Personen, wobei deren Tatwille im Grunde der Aktenlage, nämlich der Anzeige an das BMI, gar nicht gegeben war.

In Ermangelung eines hinreichenden Tatverdachtes bzw einer frischen Tat war daher auch ein Einschreiten der Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung gemäß § 177 Abs.1 Z1 StPO nicht zulässig.

5.4. In Ermangelung eines hinreichenden Tatverdachtes war daher auch nicht mehr das Vorliegen sonstiger Haftgründe (§ 175 Abs.1 Z2 bis 4 StPO) zu prüfen. Diesbezüglich ist aber allerdings festzustellen, daß nach den Haftgründen gemäß § 175 Abs.1 Z2 bis 4 StPO ein Einschreiten ohne schriftliche Anordnung nur bei Gefahr im Verzug zulässig ist (§ 177 Abs.1 Z2 StPO). Gefahr im Verzug ist nach der ständigen Rechtsprechung dann nicht gegeben, wenn genügend Zeit zur Verfügung steht, um einen richterlichen Haftbefehl einzuholen. Dies ist immer dann der Fall, wenn mit dem Untersuchungsrichter des zuständigen Gerichts während der Dienst- und Journaldienststunden unverzüglich eine fernmündliche Verbindung hergestellt werden kann. Dies ist jedenfalls auch im gegenständlichen Fall zu bejahen, zumal das Einschreiten wochentags gegen 14.00 Uhr erfolgte, die Beamten den Bf längere Zeit observierten und dann nach Geldübergabe auch verfolgten und daher jedenfalls in der Zwischenzeit eine Verbindung mit dem Untersuchungsrichter möglich gewesen wäre.

Es ist daher die Festnahme und Anhaltung rechtswidrig erfolgt und wurde daher der Bf in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht der persönlichen Freiheit verletzt (Art. 5 EMRK sowie Art.1 Abs.1 PersFrSchG). 5.5. Die Anwendung von Körperkraft kann grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 3 MRK darstellen. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH verstößt eine dem Waffengebrauchsgesetz entsprechende Zwangsausübung nie gegen Art. 3 EMRK. Gemäß § 2 des Waffengebrauchsgesetzes 1969, BGBl.Nr. 149/1969 idgF, darf von der Dienstwaffe zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme Gebrauch gemacht werden. Dies gilt auch für die Anwendung von Körperkraft und das Anlegen von Handschellen. Weil aber die Festnahme und Anhaltung - wie oben festgestellt - unrechtmäßig war, mußte auch die Anwendung von Körperkraft sowie das Anlegen von Handschellen zur Durchsetzung einer unrechtmäßigen Anhaltung als gesetzwidrig und daher als eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts nach Art. 3 EMRK, nicht in unmenschlicher oder erniedrigender Weise behandelt zu werden, festgestellt werden.

5.6. Zur Frage der Zurechenbarkeit des Verwaltungshandelns zum BM für Inneres ist auszuführen, daß zwar grundsätzlich die Exekutivorgane als Hilfsorgane (in concreto die Kriminalbeamten der BPD Linz) ihrem Wesen nach keine über die Zuständigkeit der Behörde hinausgehende Befugnis haben können und daher ihr Handeln jener Behörde zuzurechnen ist, in deren Zuständigkeit die Sache nach den Materiengesetzen fällt und zwar im Rahmen ihres Wirkungsbereiches. Da die Organe der BPD Linz von sich aus (aus eigener Macht) eingeschritten sind und sowohl die BPD Linz als auch der BM für Inneres Sicherheitsbehörde ist, war durch die Dienstzuteilung und das Handeln im Wirkungsbereich des BM die Zurechnung zum BM für Inneres gegeben. Dies auch trotz des aktenkundigen Umstandes, daß unter den eingeschrittenen Kriminalbeamten ein den Zugriff durchführender Kriminalbeamte, BI, nicht dienstzugeteilt war (FAX vom 7.11.1997, Zl. 34101/632-II/2/27/97).

6. Gemäß § 79a AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Bf die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs.2). Als Aufwendungen gemäß Abs.1 gelten Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Bf aufzukommen hat, und die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz- und für den Verhandlungsaufwand (Abs.4). Gemäß der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand in Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995), wurden Pauschbeträge für den Schriftsatzaufwand des Bf als obsiegende Partei in Höhe von 8.400 S festgelegt. Dieser Pauschbetrag war daher zuzüglich der Stempelgebühren von 150 S dem Bf spruchgemäß zuzuerkennen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Klempt Beschlagwortung: kein hinreichender Tatverdacht; keine Tat, die strafbar wäre; wochentags u. Mittags: kein Einschreiten ohne richterl. Befehl

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