Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420210/14/SCHI/Km

Linz, 14.05.1998

VwSen-420210/14/SCHI/Km Linz, am 14. Mai 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Beschwerde der L S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P L, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Festnahme am 17. November 1996 um ca. 23.40 Uhr und Anhaltung bis 18.11.1996 ca. 12.00 Uhr durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung am 13.5.1998, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, daß die Festnahme und die Anhaltung rechtmäßig waren.

Die Beschwerdeführerin hat den pauschalierten Kostenersatzaufwand von insgesamt 6.865 S zugunsten des Bundes zu Handen der belangten Behörde bei sonstiger Exekution zu leisten; der Kostenersatzantrag der Beschwerdeführerin war hingegen abzuweisen.

Rechtsgrundlagen: Zu I: Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c AVG; Art.1, 2 Abs.1 Z7 und Art. 4 Abs. 6 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988 sowie Art.5 Abs.1 lit.f und Abs.2 EMRK sowie § 85 Abs.2 iVm § 82 Abs.1 FrG. Zu II: § 79a AVG iVm § 1 Z3, 4 und 5 Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl.Nr. 855/1995.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Schriftsatz vom 4.12.1997, eingelangt beim O.ö. Verwaltungssenat am 5.12.1997, hat die Beschwerdeführerin (Bf) Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erhoben und beantragt, nach Durchführung einer Verhandlung folgendes Erkenntnis zu fällen:

"Die Bf ist durch die Festnahme um 23.40 Uhr des 17.11.1996 durch Organe der BPD Linz in der Lokalität 'D V' und die nachfolgende Anhaltung bzw. Verwahrung in Haft bis mittags des nächsten Tages im Polizeigefangenenhaus im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit sowie in ihrem Recht, nicht entgegen den Bestimmungen der §§ 35 und 36 VStG bzw. der dazu korrespondierenden Bestimmungen des Fremdengesetzes festgenommen und angehalten zu werden, verletzt worden. Der Bund (Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, der Beschwerdeführerin gemäß § 79a AVG 1991 die Kosten dieses Verfahrens (von insgesamt 18.980 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen." Begründend wurde im wesentlichen - nach Schilderung eines Vorfalles am 22./23.10.1997 in der Bar Jasmin in Traun - ausgeführt, daß sich die Bf am 17.11.1997 gegen 23.30 Uhr im Lokal "D V" in L, zu Vergnügungszwecken aufgehalten habe. Zum selben Zeitpunkt haben einige Beamte der BPD Linz das Lokal betreten um Personenkontrollen durchzuführen. Im Zuge dieser Amtshandlung sei die Bf festgenommen und mit dem Polizeifahrzeug in die BPD Linz überstellt worden. Über Weisung Dr. M als Journalbeamten sei die Bf in den Arrest verbracht worden. Am 18.11.1997 um 10.00 Uhr sei die Bf im PGH Linz im Beisein einer Dolmetscherin bis 10.50 Uhr vernommen worden. Der Bf sei vorgeworfen worden, sich unrechtmäßig in Österreich aufzuhalten und werde sie daher in Schubhaft festgehalten, da gegen sie ein Aufenthaltsverbot der BH Linz-Land vom 23.10.1997 vorliege, wobei dieser Bescheid seit 23.10.1997 durchsetzbar sei. In der Folge habe die BPD Linz einen Abschiebebescheid mit Datum vom 16.11.1997 erlassen, mit welcher Rechtsgrundlage die Bf nach Ungarn abgeschoben worden sei. Den Bescheid habe die Bf um 0.25 Uhr des 18.11.1997 übernommen. Im vorliegenden Fall seien die einschreitenden Organe zur Verhaftung und Anhaltung der Bf nicht berechtigt gewesen, da sie weder bei der Begehung eines nach den Straf- oder Verwaltungsgesetzen strafbaren Verhaltens auf frischer Tat betreten worden sei, noch irgendein Verhalten gesetzt habe, aufgrund dessen ein solcher Verdacht vertretbarer Weise bestehen hätte können. Der Umstand, daß im Personaldokument der Bf ein Aufenthaltsverbot vermerkt sei und die diesbezügliche Erklärung der Bf, daß dieses Aufenthaltsverbot zu Unrecht eingetragen worden sei, hätte die Organe der BPD Linz dazu veranlassen müssen, entsprechende Nachforschungen bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land durchzuführen. Jedenfalls seien die Organe nicht berechtigt gewesen, die Verhaftung und nachfolgende Abschiebung durchzuführen, da dies einen Verstoß gegen die Grundrechte darstelle.

2. Die belangte Behörde (BPD Linz) hat mit Schriftsatz vom 18.12.1997 eine Gegenschrift erstattet und den bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt. In der Gegenschrift wurde näher ausgeführt, daß am 17.11.1997 im Lokal "D V" in L eine Personenkontrolle durchgeführt worden sei, in deren Verlauf festgestellt wurde, daß sich die Bf einem seit 23.10.1997 durchsetzbaren Aufenthaltsverbot zuwider unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Es sei daraufhin gemäß § 85 Abs.2 FrG die Festnahme ausgesprochen worden. Wie die Bf bei der Einvernahme angab, wäre sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, weil ihr der junge Chef des Lokales und der Rechtsanwalt gesagt hätten, daß sie Österreich trotz des Aufenthaltsverbotes nicht zu verlassen brauchte. Wenn die Beschwerde rügt, die Verhängung der Schubhaft und die nachfolgende Ausweisung bzw. Abschiebung sei deswegen rechtswidrig, weil es die durchführenden Beamten unterlassen hätten, entsprechende Erhebungen zu tätigen, so sei dem entgegenzuhalten, daß sehr wohl entsprechende Erhebungen getätigt wurden. Es wurde nämlich eine Anfrage an das Fremdeninformationssystem gerichtet, deren Ergebnis eben war, daß gegen die Bf ein seit 23.10.1997 durchsetzbares und seit 6.11.1997 rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe. Die einschreitenden Beamten mußten davon ausgehen, daß die Daten im Fremdeninformationssystem den Tatsachen entsprechen. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob gegen ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot Berufung eingebracht wurde oder nicht. Die BPD Linz stellte daher die Anträge, die Beschwerde abzuweisen und auf Zuerkennung der Pauschalbeträge für Schriftsatzaufwand, Vorlageaufwand und gegebenenfalls Verhandlungsaufwand.

3. In der gegenständlichen Sache hat der Verwaltungssenat am 13.5.1998 eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten zu der die Bf und die belangte Behörde geladen und Abteilungsinspektor Franz K als Zeuge einvernommen wurde. Zuvor wurde noch der das ggst. Aufenthaltsverbot betreffende Fremdenakt der BH Linz-Land zu Sich40-25435 eingeholt und den Verfahrensparteien in der Verhandlung zur Einsicht überlassen.

4. Aufgrund des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung in Verbindung mit den vorgelegten Akten sowie den Schriftsätzen ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

4.1. Die Bf wurde am 17.11.1997 um 23.40 Uhr in L, (Lokal 'D V') angetroffen, wobei festgestellt wurde, daß gegen sie ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht; sie wurde somit bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs.1 Z.1 FrG betreten und deshalb gemäß § 85 Abs.2 FrG vorläufig festgenommen. Diese schon im Akt enthaltenen Angaben wurde durch die glaubwürdigen und schlüssigen Ausführungen des Zeugen Abt.Insp. F K bestätigt. Die Bf wurde in weiterer Folge am 18.11.1997 ab 10.00 Uhr im Beisein einer Dolmetscherin über die Gründe ihrer Festnahme und über die ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen in Kenntnis gesetzt.

4.2. Mit Datum vom 18.11.1997 wurde über die Bf gemäß § 41 Abs.1 FrG iVm § 57 AVG zur Sicherung der Abschiebung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) angeordnet. Diesen Bescheid hat die Bf - zufolge ihrer eigenen Angabe - am 18.11.1997 um 00.25 Uhr erhalten. Ebenfalls mit Datum vom 18.11.1997, Zl. III/ S 37834/97 V25, wurde gegen die Bf eine Strafverfügung wegen Übertretung nach § 82 Abs.1 Z.1 iVm § 22 Abs.1 FrG erlassen. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Datum vom 22.10.1997, Sich40-25435, über die Bf gemäß § 18 Abs.1 sowie §§ 19 und 20 FrG 1992 ein für die Dauer von einem Jahr befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs.2 AVG iVm § 27 Abs.4 FrG ausgeschlossen. Dieser Bescheid ist seit 23.10.1997 durchsetzbar und rechtskräftig seit 6.11.1997.

In der Folge wurde die Bf am 18.11.1997 mit einem Dienstkraftwagen zur Greko N nach Ungarn abgeschoben.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß Art.129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein.

Die Bf wurde am 17.11.1997 um 23.40 Uhr festgenommen und bis 18.11.1997 etwa mittags angehalten; dies stellt einen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar. Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingebracht und es liegen auch die übrigen Beschwerdevoraussetzungen vor. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

5.2. Im Grunde der Sachverhaltsfeststellungen wurde die Bf bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach dem FrG auf frischer Tat betreten, da sich die Bf trotz eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes weiterhin in Österreich aufgehalten hat und dabei am 17.11.1997 betreten wurde. Denn gemäß § 82 Abs.1 Z1 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 10.000 S oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen zu bestrafen, wer nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist (vgl dazu auch die oben unter Pkt. 4. erwähnte diesbezügliche Strafverfügung). Entgegen der Ansicht der Bf war die Festnahme rechtmäßig, denn gemäß § 85 Abs.2 FrG können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Fremden, den sie bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 82 oder 83 Z2 lit.b betreten, zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde festnehmen, es sei denn, es wäre aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen, er werde das Bundesgebiet unverzüglich verlassen. Daß aber letztere Ausnahmemöglichkeit nicht gegeben war, ist klar hervorgekommen, da die Bf in der NS vom 18.11.1997 darauf hingewiesen hat, ihr sei von dem "jungen Chef" des Lokales und einem Rechtsanwalt gesagt worden, sie brauchte trotz Aufenthaltsverbot Österreich nicht zu verlassen. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß der VwGH im Erkenntnis vom 5.7.1996, Zl. 95/02/0203, ausgesprochen hat, daß allein schon die Feststellung des Bestehens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes die Annahme der einschreitenden Organwalter rechtfertigt, daß die Bf bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs.1 Z.1 FrG betreten wird. Die Behauptung der Bf, sie habe kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ein solcher Verdacht vertretbarerweise hätte angenommen werden können, geht daher fehl.

5.3. Zu den in der Verhandlung (im Zuge der Zeugenbefragung) durch den Vertreter der Bf implizit erhobenen Vorwurf der nicht rechtzeitigen Information über die Festnahmegründe in einer verständlichen Sprache ist folgendes festzustellen: Gemäß Art. 5 Abs.2 EMRK muß jeder Festgenommene in möglichst kurzer Frist und in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und über die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen unterrichtet werden. Gemäß Art. 4 Abs.6 des BVG persFr. ist jeder Festgenommene ehestens, womöglich bei seiner Festnahme in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu unterrichten.

Im ggst. Fall wurde die Bf - abgesehen von der Information durch den die Festnahme durchführenden Zeugen - bereits wenige Stunden nach ihrer Festnahme, nämlich um 10.00 Uhr des folgenden Tages, sohin nach etwas über 10 Stunden, unter Zuziehung eines Dolmetschers niederschriftlich über die Festnahmegründe in verständlicher Sprache unterrichtet. Die diesbezüglichen Ausführungen der Bf in der Verhandlung waren daher zurückzuweisen.

5.4. Was den von der Bf vorausgehenden Vorfall in der Bar "Jasmin" in Traun und zwar in der Nacht vom 22. auf 23.10.1997 betrifft, so ist dazu festzuhalten, daß die Bf diesbezüglich ebenfalls beim O.ö. Verwaltungssenat Beschwerde (zusammen mit vier weiteren Personen) eingebracht hat. Diese Beschwerde wurde mit h. Beschluß vom 7.1.1998 als unzulässig zurückgewiesen, weil - obwohl die Voraussetzungen des § 35 VStG ohnehin erfüllt gewesen wären - gar keine Festnahme vorlag und auch der Umstand, daß das Aufenthaltsverbot jeweils durch einen entsprechenden Stempel im Reisepaß der Bf sichtbar gemacht wurde, eine Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht erblickt werden konnte. Aus diesem Grund waren auch die im ggst. Beschwerdeschriftsatz (auf Seite 4 oben) gestellten Beweisanträge abzuweisen.

5.5. Weiters mußte der O.ö. Verwaltungssenat im Zuge seiner umfassenden Prüfungspflicht von Amts wegen aufgreifen, ob die Bf als ungarische Staatsangehörige nicht unter die Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 48 EGV fällt, da zwischen der Europäischen Union und Ungarn ein Europaabkommen besteht. Aber auch dies ist - abgesehen von den Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (vgl. Art. 48 Abs. 3 EGV) - zu verneinen, weil entgegen Art. 52 das Abkommen, veröffentlicht im Amtsblatt Nr. 93/L 347/1, in Kraft seit 1.2.1994, die Bf nach der Aktenlage nicht zu einem in Schlüsselpositon beschäftigtem Personal zählt.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren der Bf als unterlegenen Partei gemäß § 79a Abs.3 und 4 AVG iVm § 1 Z3-5 der Aufwandersatzverordnung - UVS, BGBl.Nr. 855/1995, aufgrund des Antrages der belangten Behörde Kosten in Höhe von insgesamt 6.865 S (Verhandlungsaufwand: 3.500 S, Schriftsatzaufwand: 2.800 S und Vorlageaufwand: 565 S) zugunsten des Bundes als obsiegender Partei vorzuschreiben und der Kostenersatzantrag der Bf abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Schieferer Beschlagwortung: Ausländer-Festnahme: Info über Festnahmegründe und Dolmetsch

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