Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420322/10/Kl/Rd

Linz, 16.01.2002

VwSen-420322/10/Kl/Rd Linz, am 16. Jänner 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Beschwerde des K, vertreten durch Rechtsanwalt, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 22.10.2001 durch vorläufige Abnahme des Führerscheins durch Beamte des GP Snach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 11.1.2002 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Der Aufwandersatzantrag des Beschwerdeführers wird abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dem Bund die Kosten für den Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand in der Höhe von insgesamt 498 € (entspricht 6.852,63 S) binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 und § 67c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG iZm § 39 Führerscheingesetz - FSG.

zu II.: § 79a AVG und § 1 Z3, 4 und 5 UVS-Aufwandersatzverordnung 2001.

Entscheidungsgründe:

1. Der Bf brachte mit Schriftsatz vom 20.11.2001, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 23.11.2001, Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 20.10.2001 durch Beamte des GP S in Zurechnung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land ein. Der Bf hätte am 20.10.2001 gegen 18.00 Uhr seine Tochter in das Cineplexx-Kino gefahren, am Parkplatz beim Ausparken sei er gegen ein Hindernis gestoßen, habe jedoch keinen Schaden an dem anderen Fahrzeug feststellen können und sei daher mit seinem Fahrzeug gegen 18.40 Uhr nach S zurückgekommen. Gegen 19.55 Uhr sei der Beamte BI K vom GP S mit einem weiteren Beamten beim Bf erschienen und habe den Bf zu einem Alkotest aufgefordert, welcher einen Wert von 0,42 mg/l Atemalkoholgehalt ergab. Der Bf habe den Beamten gegenüber Nachtrunk in der Zeit ab 18.45 Uhr bis zum Eintreffen der Beamten geltend gemacht, nämlich den Konsum von zwei Flaschen Eggenberger Spezial Bier. Aufgrund des Alkomattestergebnisses sei dem Bf der Führerschein vorläufig abgenommen worden. Dies sei jedoch rechtswidrig, weil weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, dass sich in der grundsätzlichen Regelung der vorläufigen Führerscheinabnahme als sichernde Maßnahme wegen der offensichtlich mangelnden Vertrauenswürdigkeit etwas geändert habe. Es seien lediglich die möglichen Voraussetzungen für eine sichernde Maßnahme erweitert worden. Der Bf habe weder Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er an diesem Tage noch einmal sein Fahrzeug lenken würde oder dass er dieses vorhätte. Es sei daher der offensichtliche Zweck der sichernde Maßnahme, nämlich eine Unfallgefahr durch ihn hintanzuhalten, nicht gegeben und daher die sichernde Maßnahme nicht erforderlich, sodass die gesetzliche Ermächtigung des § 39 Abs.1 erster Satz FSG überschritten worden sei.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat in einer Stellungnahme ausgeführt, dass die Begründung für die vorläufige Abnahme des Führerscheins in der entsprechenden Bestimmung im FSG liege. Gemäß § 39 Abs.1 FSG haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, bei dem ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, in Betrieb genommen hat oder es in Betrieb zu nehmen versucht. Die vorläufige Abnahme des Führerscheins ist eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Insbesondere ist seit der Einführung des FSG am 1.11.1997 - im Gegensatz zu der vorher gültigen Bestimmung im § 76 KFG - die Führerscheinabnahme bei den oben angeführten Voraussetzungen verpflichtend vorgeschrieben. Es wurde daher beantragt, die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen und gemäß § 79a AVG den Ersatz der Aufwendungen als Pauschbetrag vorzuschreiben. Weiters wurde der diesbezügliche Verwaltungsakt vorgelegt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Einsichtnahme in die Schriftsätze. Weiters wurde für den 11.1.2002 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, an welcher der Bf und sein Rechtsvertreter teilnahmen. Weiters wurde der Zeuge BI K vom GP S geladen und einvernommen.

4. Als entscheidungserheblicher Sachverhalt steht als erwiesen fest:

Der Bf ist am 20.10.2001 gegen 18.00 Uhr mit seinem Pkw von S nach Linz zum Cineplexx Kino gefahren, um seine Tochter und ihren Freund dort hinzubringen. Auf dem Parkplatz des Cineplexx stieß er beim Ausparken gegen den hinteren linken Radkasten eines Fahrzeuges, stieg aus, konnte aber keinen Schaden an diesem Fahrzeug feststellen. Er hat daher die Fahrt nach Hause nach S fortgesetzt, wo er ca. um 18.40 Uhr ankam. In der Zeit zwischen 18.45 Uhr und 19.55 Uhr konsumierte er zu Hause zwei Flaschen Bier, Eggenberger Spezial. Gegen 19.55 Uhr kam der Gendarmeriebeamte BI K von S sowie der Beamte RI N vom GP K und wir befragten ihn über den Verkehrsunfall und die Fahrerflucht. Vorerst leugnete der Bf, dann gab er den Verkehrsunfall zu, dass er aber keinen Schaden festgestellt habe und auch dass er nach seiner Rückkehr zu Hause Alkohol konsumiert habe. Aufgrund der Alkoholisierungssymptome und weil er ein Fahrzeug gelenkt hat, wurde er vom BI K zum Alkotest aufgefordert, welchen er anstandslos und ordnungsgemäß durchführte und welcher ein Messergebnis von 0,42 mg/l Alkoholgehalt ergab. Daraufhin wurde dem Bf der Führerschein vorläufig abgenommen. Der Bf wurde von den Gendarmeriebeamten in seinem Wohnhaus angetroffen. Im Hinblick auf den geltend gemachten Nachtrunk zeigte der Bf den Gendarmeriebeamten eine Kiste Bier in der Garage, wobei sich in dieser Kiste vier leere Bierflaschen befanden. Hinsichtlich dieses Sachverhaltes stimmen die Aussagen des Bf mit denen des einvernommenen Zeugen überein.

Der einvernommene Zeuge gab aber weiters an, dass er den Eindruck hätte, dass der Bf seine Tochter auch wieder vom Kino Cineplexx abholen wollte. Allerdings wurde der Fahrzeugschlüssel dem Bf nicht abgenommen, weil das Fahrzeug zu Hause war und der Bf zusicherte, dass er das Fahrzeug nicht mehr in Betrieb nehmen werde. Dies war für den Zeugen glaubwürdig. Der Bf hingegen führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass er die Tochter mit ihrem Freund in das Cineplexx gefahren habe, wobei die Tochter dann mit ihrem Freund noch in eine Jugenddisco in Linz gehen wollte und anschließend bei ihrem Freund in Linz übernachten wollte. Es gab daher gar keinen Grund, noch einmal den Pkw zu lenken.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß Art. 129a Abs.1 Z2 B-VG iVm § 67a Abs.1 Z2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sogenannten Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Bf physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des österr. Bundesverfassungsrechts, 8. Auflage, 1996, RZ 610).

Die vorläufige Abnahme des Führerscheins nach vorhergehender Aushändigung zwecks Lenkerkontrolle stellt eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 606, E4 zu § 67c AVG; Grubmann, KFG 1987, S. 479, E4 und E4a zu § 76 KFG; VwGH 31.5.1994, 92/11/0268; 28.6.1994, 94/11/0146). Insoweit ist die Beschwerde daher zulässig. Sie ist auch rechtzeitig eingebracht.

Die vorläufige Abnahme des Führerscheins ist nunmehr in § 39 FSG geregelt. Danach haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Straßenaufsicht einem Kraftfahrzeuglenker den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen hat oder es in Betrieb zu nehmen versucht und alternativ bestimmte Abnahmegründe vorliegen.

Danach ist einem Kraftfahrzeuglenker aus dessen Verhalten deutlich erkennbar ist, dass er infolge Alkohol- oder Suchtgiftmittelgenusses, Einnahme von Medikamenten oder infolge eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, der Führerschein zwingend abzunehmen.

Das gleiche gilt für Kraftfahrzeuglenker bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder mehr oder wenn ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder mehr festgestellt wurde.

Schließlich haben die genannten Organe den Führerschein Kraftfahrzeuglenkern abzunehmen, die eine Übertretung nach dem § 99 Abs.1 lit.b oder c StVO 1960 also eine Verweigerung des Alkotests, der ärztlichen Untersuchung oder der Blutabnahme, begangen haben.

§ 39 Abs.1 Satz zwei FSG sieht nunmehr auch die Möglichkeit einer vorläufigen Führerscheinabnahme bei mit technischen Hilfsmitteln festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen vor, die mit einer Entziehung geahndet werden. Im Unterschied zur früheren Rechtslage, bei der es für die Zulässigkeit dieser Sicherungsmaßnahme stets auch auf die prognostizierte unmittelbare Unfallgefahr durch einen nicht fahrtüchtigen Lenker ankam (vgl. näher Grubmann, KFG, S. 476, Anm. 1 und E1a zu § 76 KFG; Grundtner-Stratil, KFG, 1992, § 76 Anm.1 und E16ff) besteht nunmehr eine grundsätzliche Verpflichtung zur Führerscheinabnahme, wenn auch nur einer der Gründe des § 39 Abs.1 Satz 1 FSG vorliegt (vgl. Grundtner, FSG 1998, Anm.2 zu § 39 FSG "es besteht somit die Verpflichtung zur Führerscheinabnahme. (0,8 g/l) (0,4mg/l): ab Vorliegen dieser Werte müssen die übrigen Voraussetzungen nicht mehr kontrolliert werden, das gilt auch bei den Weigerungsdelikten.

Führerscheinabnahme:

...

3. Ab 0,4 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft zwingend ...").

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr hat mit Erlass vom 4.2.1999, Zl. 170623/2-II/B/7/99, an alle Landeshauptmänner und an das BM für Inneres betreffend die vorläufige Abnahme des Führerscheins ausgeführt: "Aus gegebenem Anlass teilt das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr mit, dass gemäß § 39 Abs.1 FSG einem Lenker mit einem Alkoholgehalt von 0,8 Promille oder mehr der Führerschein auf jeden Fall abzunehmen ist (arg: "wenn er ein Kraftfahrzeug gelenkt hat"). Die frühere Judikatur des VwGH, wonach bei Vorliegen eines Alkoholdeliktes der Führerschein nicht abzunehmen ist, wenn sichergestellt ist, dass der betreffende Lenker kein Kraftfahrzeug mehr lenken wird, ist daher aufgrund der Formulierung des § 39 Abs.1 FSG obsolet geworden".

5.2. Im vorliegenden Fall stand für die einschreitenden Gendarmeriebeamten unbestritten fest, dass der Bf ein Kraftfahrzeug gelenkt hat und der Bf einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,42 mg/l aufwies. Es lag somit nach der neuen Rechtslage ein Grund zur vorläufigen Abnahme des Führerscheins vor, ohne dass als weitere Voraussetzung noch darauf abzustellen gewesen wäre, ob der Bf den Pkw voraussichtlich noch gelenkt und damit eine Unfallgefahr bedeutet hätte (vgl. Tabelle über Abnahmegründe in Anm.1 zu § 39 FSG in Grundtner, Führerscheingesetz, 1998). Diese Auffassung entspricht auch dem vorzitierten Erlass des BM für Wissenschaft und Verkehr, wonach einem Lenker mit einem Alkoholgehalt von 0,8 Promille auf jeden Fall der Führerschein abzunehmen ist.

Es war daher die vorläufige Führerscheinabnahme durch die Gendarmeriebeamten am 20.10.2001 nicht rechtswidrig.

6. Gemäß § 79a AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde abgewiesen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Bf die unterlegene Partei (Abs.3). Es war daher der Aufwandersatzantrag des Bf abzuweisen. Dem Bund war daher gemäß der UVS-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 499/2001, der Ersatz für den Vorlageaufwand von 41 €, für den Schriftsatzaufwand von 203 € und den Verhandlungsaufwand der belangten Behörde von 254 €, also insgesamt ein Betrag von 498 € zuzusprechen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Unfallgefahr, Gefährdung, Prognose, keine Voraussetzung

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