Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420350/8/Wei/Ni 440028/7/WEI/Ni

Linz, 03.03.2003

 

 

 VwSen-420350/8/Wei/Ni 440028/7/WEI/Ni Linz, am 3. März 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde der K S, vertreten durch Patientenanwalt p.A. Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach dem Unterbringungsgesetz - UbG (BGBl Nr. 155/1990, zuletzt geändert durch Art II des BGBl I Nr. 12/1997) am 20. Oktober 2002 durch der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach zurechenbare Sicherheitsorgane, zu Recht erkannt:

 

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und die zwangsweise Einlieferung der Beschwerdeführerin vom 20. Oktober 2002 von K in die Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg nach Linz für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund hat der Beschwerdeführerin den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 668,60 Euro (darin enthalten Stempelgebühren von 58,60 Euro) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 u § 67c AVG 1991; § 79a AVG 1991 iVm UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr. 499/2001.

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem am 29. November 2002 von der Patientenanwaltschaft für die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz Bfin) eingebrachten Schriftsatz vom 26. November 2002 wurde Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Artikel 129a Abs 1 Z 2 B-VG mit dem weiteren Hinweis auf § 67a Abs 1 Z 2 AVG sowie § 88 Abs 1 und 2 SPG an den Oö. Verwaltungssenat erhoben und die Verletzung in verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und menschenwürdige Behandlung sowie die Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte gerügt.

 

In der Beschwerdedarstellung zum Sachverhalt wird vorgebracht, dass die Bfin am 20. Oktober 2002 gegen ihren Willen mit der Rettung von K in die Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg in Gendarmeriebegleitung eingewiesen wurde. Die Aufnahme wäre um 22.02 Uhr erfolgt. Auf dem Einweisungsschein des Gemeindearztes sei als Diagnose "Ak. Psychose" sowie in Großbuchstaben "PARERE" angeführt. Dem Einweisungsschein sei keine Information außer der erbetenen stationären Aufnahme im Wagner-Jauregg Krankenhaus Linz zu entnehmen. Er enthalte demnach weder eine Begründung für die ernstliche und erhebliche Gefährdung von Leben und Gesundheit der Beschwerdeführerin selbst oder anderer, noch für das Fehlen der Behandlungs- oder Betreuungsmöglichkeit außerhalb der Anstalt. Zum Beweis für dieses Vorbringen werden der Einweisungsschein und die Aufnahmemeldung der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg Linz in Ablichtung vorgelegt.

 

In rechtlicher Hinsicht vertritt die Beschwerde die Ansicht, dass die zwangsweise vorgenommene Einlieferung schon deshalb rechtswidrig gewesen und die Bfin im verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit sowie in den aus dem § 8 UbG abgeleiteten Rechten verletzt worden wäre. Nach dieser Bestimmung dürfe eine Person gegen ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. Dies wäre im vorliegenden Fall nicht bescheinigt worden. Die Feststellung einer akuten Psychose reiche nach der Rechtslage nicht aus, die Bfin in eine Anstalt einzuliefern. Daraus folge die Rechtswidrigkeit der zwangsweise erfolgten Einlieferung der Bfin (Hinweis auf VwGH v 27.11.2001, Zl. 2000/11/0320).

 

Abschließend beantragt die Bfin, der unabhängige Verwaltungssenat möge erkennen:

 

"Die Beschwerdeführerin ist dadurch, dass sie am 20.10.2002 mittels einer Bescheinigung nach § 8 UbG ohne Angaben über das Vorliegen einer ernstlichen und erheblichen Gefährdung sowie über das Fehlen einer Behandlungs- oder Betreuungsalternative gegen ihren Willen in die LNK Linz eingeliefert worden ist, die Einweisung sohin rechtswidrig erfolgte, in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und in ihren aus den Bestimmungen des § 8 UbG resultierenden Rechten verletzt worden.

 

Weiters wird beantragt, der belangten Behörde den Kostenersatz gemäß § 79a AVG aufzuerlegen."

 

2.1. Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten vorgelegt und die Gegenschrift vom 19. Jänner 2003 erstattet, in der sie der Beschwerde entgegentritt und deren kostenpflichtige Abweisung beantragt. Zum Sachverhalt wird ausgeführt, dass der Gemeindearzt Dr. L am 20. November 2002 um 19.30 Uhr den Gendarmerieposten L i.M. um Unterstützung wegen einer Einlieferung in das Wagner-Jauregg Krankenhaus ersucht habe. Die Gendarmeriestreife sei um 19.55 Uhr beim angegebenen Haus eingetroffen, wo der Arzt, zwei Rettungsmänner, mehrere Hausbewohner und die Bfin mit ihrer unmündigen Tochter anwesend gewesen wären. Die Bfin hätte ununterbrochen gesprochen und wäre keinem gütlichen Zureden zugänglich gewesen. Der Arzt habe eine Einweisungsbescheinigung ausgestellt und dann das Haus verlassen. Nachdem ihre Unterkunftgeberin telefonisch zugesichert hatte, ebenfalls zum Krankenhaus zu kommen, wäre die Bfin freiwillig mit ihrer Tochter in das Rettungsauto eingestiegen. Während der Fahrt nach Linz hätte sie ununterbrochen geredet. Sie wäre aufgeregt und aggressiv gewesen. Nach der Ankunft hätte sie sich vehement geweigert, das Fahrzeug zu verlassen und an sich samt ihrer Tochter an die Haltestange geklammert. Danach wäre ein Arzt vom Krankenhaus beigezogen worden und man hätte der Bfin fast eine Stunde vergeblich zugeredet, sie möge das Fahrzeug verlassen. Danach wäre noch eine Polizeistreife angefordert worden, die zunächst auch nicht weiterkamen. Schließlich hätten sie aber das Kind der Bfin ihrer Unterkunftgeberin übergeben können. Die Bfin wäre danach freiwillig und eingehängt bei zwei Beamten ins Krankenhaus gegangen. Im Untersuchungszimmer hätte sie zu toben und obszön zu schimpfen begonnen und wäre gewaltsam auf ein Bett gebunden worden. Nachdem sie eine Beruhigungsspritze erhalten hatte, verließen die Beamten und Rettungsleute um 22.20 Uhr das Krankenhaus.

 

Die belangte Behörde gibt in weiterer Folge den Akteninhalt wieder und teilt mit, dass BI N vom Gendarmerieposten L i.M. im Rettungsauto mitgefahren wäre und auch in Linz die Amtshandlung geführt hätte. Dort wäre zusätzlich eine Polizeistreife zur Unterstützung angefordert worden. Die Namen der Beamten und des Krankenhauspersonals wären aber unbekannt.

 

Zusammenfassend erklärt die belangte Behörde zum Sachverhalt, dass die ärztliche Bescheinigung vom 20. Oktober 2002 tatsächlich keine Hinweise auf eine Fremd- oder Selbstgefährdung der Patientin aufweise, jedoch eine solche Gefährdung aus den Begleitumständen in Verbindung mit der Diagnose "akute Psychose" erkennbar wäre. Aus den Angaben der einschreitenden Gendarmeriebeamten ergäbe sich weiter, dass die Bfin nach längerem Zureden freiwillig in das Rettungsauto zum Zweck der Fahrt ins Wagner-Jauregg Krankenhaus Linz eingestiegen sei. Des weiteren stünde fest, dass die Amtshandlungen in Linz von Beamten der do. Polizei geführt worden wären. Eine weitere ärztliche Bescheinigung in Linz von 22.00 Uhr bescheinige die Einweisungsgründe und letztlich wäre die Bfin freiwillig in das Krankenhaus mitgekommen.

 

In rechtlicher Hinsicht vertritt die belangte Behörde im Wesentlichen die Ansicht, dass sich für die Gendarmerieorgane aus dem wahrgenommenen Sachverhalt die ausgestellte Bescheinigung des Gemeindearztes als eine Bescheinigung nach § 8 UbG darstellte. Ungeachtet dessen wäre die Bfin "freiwillig" ins Rettungsauto zum Zweck der Fahrt ins Krankenhaus gestiegen. Es liege somit kein Einweisungstatbestand gegen den Willen der Patientin und somit auch kein Anwendungsfall der §§ 8 und 9 UbG vor. Die zwischenzeitige Weigerung der Patientin in Linz wäre der Bundespolizeidirektion Linz zurechenbar. Selbst in Linz wäre aber letzten Endes die freiwillige Einlieferung nach langem Zureden möglich gewesen.

 

Abschließend beantragt die belangte Behörde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

2.2. Mit Eingabe vom 10. Februar 2003 hat die Bfin zur Gegenschrift der belangten Behörde Stellung genommen und eine Kopie der Krankengeschichte der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vorgelegt. In der Sache wird betont, dass sich aus den Angaben der Gendarmeriebeamten nur ergäbe, dass die Bfin mit ihrer sieben Jahre alten Tochter ins Rettungsauto stieg, ohne dass Gewaltanwendung erforderlich gewesen wäre. Gegen die Ansicht der belangten Behörde zur Freiwilligkeit der Einlieferung sprächen mehrere Tatsachen. Das Verbringen in eine Anstalt sei ein wesentlich komplexerer Vorgang als das Einsteigen in ein Rettungsauto. Die spätere Weigerung der Bfin auszusteigen zeige, dass sie keine Alternative zu der von ihr abgelehnten Krankenhausaufnahme hatte. In der Rechtsprechung wäre mehrfach ausgeführt worden, dass eine Unterbringung ohne Verlangen keine körperliche Gegenwehr voraussetzt. Die Erwägung der belangten Behörde, dass kein Anwendungsfall der §§ 8, 9 UbG vorliege, überrasche daher angesichts der aktenkundigen Fakten. Der Krankengeschichte könne keine weitere ärztliche Bescheinigung entnommen werden. Die von Dr. L nachträglich ausgestellte Bescheinigung nach § 8 UbG vermöge die Rechtsansicht der rechtswidrigen Einweisung nicht zu erschüttern.

 

 

  1. Aus der aktenkundigen Beweislage lässt sich der folgende im Wesentlichen unstrittige S a c h v e r h a l t ableiten:
  2.  

    Mit Schreiben vom 22. November 2002 forderte der Patientenanwalt bei der belangten Behörde unter Hinweis auf die Mitteilungspflichten gemäß § 39b UbG einen Bericht über die Amtshandlung nach § 9 UbG vom 20. Oktober 2002 an. Daraufhin übermittelte die belangte Behörde mit Telefax vom 28. November 2002 die gewünschten Unterlagen.

    1. Den Unterlagen der Gendarmerie L (ZMR-Auskunft betr. Bfin; Bericht vom 28. November 2002, Zl. E1-1382-2002-Nei) ist folgende Darstellung des Sachverhalts zu entnehmen:
    2.  

      Am 20. Oktober 2002 um 19.30 Uhr ersuchte Dr. L, der Gemeindearzt von K, die Gendarmeriedienststelle L um Unterstützung des Roten Kreuzes P bei der zwangsweisen Einweisung der Bfin von K ins Wagner-Jauregg Krankenhaus Linz. Um 19.55 Uhr traf die S-Streife L 1 mit AI M und BI N beim angegebenen Haus in K ein. In einem ebenerdigen Raum neben dem Eingang befanden sich die dort nicht wohnhafte Bfin mit ihrer unmündigen Tochter, mehrere Hausbewohner, zwei Rettungsangehörige und Dr. L. Die Bfin sei keinem gütlichen Zureden zugänglich gewesen, habe ununterbrochen gesprochen und wollte telefonieren. Der Arzt habe das Haus verlassen, nachdem er eine Einweisungsbescheinigung ausgestellt hatte. Anschließend hätte man nochmals versucht, die Bfin durch Zureden zum Einstieg ins Rettungsauto zu bewegen. Nachdem sie mit ihrer Unterkunftgeberin E S aus N telefonisch vereinbart hatte, ebenfalls zum Krankenhaus zu kommen, wäre sie freiwillig und ohne Zwang mit ihrer Tochter in die Rettung eingestiegen. Auch während der Fahrt nach Linz hätte die Bfin ununterbrochen geredet und verschiedenste Fragen gestellt. Als man ihr erklärte, bei einer positiven Untersuchung nicht im Krankenhaus bleiben zu müssen, schien sie beruhigt. Die mitfahrende Rettungsschwester hätte sie trotzdem unflätig beschimpft (schleich dich, du stinkst aus dem Maul, etc.).

       

      Nach Ankunft in Linz weigerte sich die Bfin vehement, das Rettungsfahrzeug zu verlassen und klammerte sich samt ihrer Tochter an die Haltestange. Wegen des Kindes hätte man vorerst auf Gewaltanwendung verzichtet. Fast eine Stunde hätte man der Bfin vergeblich zugeredet. Zur Unterstützung hätte man noch eine Polizeistreife angefordert. Die Beamten konnten schließlich das Kind der anwesenden Frau S übergeben und die Bfin wäre dann freiwillig bei den Beamten eingehängt in das Krankenhaus gegangen. Im Untersuchungszimmer hätte sie zu toben und zu schimpfen begonnen und gewaltsam auf ein Bett gebunden werden müssen. Während dessen hätte sie sich obszön (sie wolle jetzt noch gut gefickt werden usw.) geäußert. Nachdem sie eine Beruhigungsspritze erhalten hatte, verließen die Beamten und Rettungsleute das Krankenhaus um 22.20 Uhr. Die Bfin wäre bei dem Einsatz in keiner Weise beschimpft oder verletzt worden.

       

      Mit Schreiben vom 23. Dezember 2002 berichtete der Gendarmerieposten L i.M. ergänzend, dass BI N im Rettungsauto mitgefahren war und in Linz die Amtshandlung führte. Im Fahrzeug befanden sich noch der Lenker, eine Begleitschwester und die Tochter der Bfin. In Linz habe man wegen des fremden Überwachungsbereiches eine Polizeistreife zur Unterstützung angefordert. Die Namen dieser Beamten sowie des übernehmenden Krankenhauspersonals blieben unbekannt.

       

    3. Der Patientenanwalt legte mit der Beschwerde auch ein von Dr. L ausgefülltes Formular "Einweisung zur Anstaltspflege" vom 20. Oktober 2002 vor, auf dem dieser Arzt abweichend vom Vordruck das Wort "PARERE" einfügte. Zur Begründung der stationären Behandlung vermerkte er lediglich "Ak. Psychose" und "Stat. Aufnahme erbeten". Dem ebenfalls in Ablichtung vorgelegten Aufnahmeprotokoll von 22.02 Uhr des Dr. F von der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg ist zu entnehmen, dass sich die Bfin sprunghaft, ordinär und verbal aggressiv ohne Krankheitseinsicht und Paktfähigkeit verhalten habe.
    4.  

    5. Mit Telefax vom 27. November 2002 brachte der Gemeindearzt Dr. L ein mit 27. November 2002 datiertes, in Blockschrift ausgefülltes Formular nach § 8 UbG mit der Bezeichnung "Ärztliche Bescheinigung" bei der belangten Behörde ein. Aus dieser mehr als ein Monat nach dem Vorfall erstellten Urkunde ergibt sich, dass sich die Bfin mit ihrer Tochter seit acht Stunden in einem fremden Haus aufhielt, das sie nicht verlassen wollte. Sie wäre vollkommen verwirrt und uneinsichtig gewesen. Patientin sei unzurechnungsfähig und krankheitsuneinsichtig. Ihre Gefährlichkeit sei dem Arzt aus früheren Aktionen bekannt. Sie hätte keine Übernachtungsmöglichkeit im Haus in K. Frau S, die auch den Arzt verständigte, hätte Herzbeschwerden gehabt und Beruhigungstabletten gebraucht. Im Ergebnis hat Dr. L im Formular die Punkte "Suizid oder Selbstverletzung" und "Sonstiges aktuelles selbstschädigendes Verhalten" sowie "sonstiges aktuelle andere Personen gefährdende Verhaltensweisen" angekreuzt.
    6.  

    7. In der vom Patientenanwalt u.a. vorgelegten Krankheitsgeschichte des Stationsarztes Dr. W der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg vom 23. Oktober 2002 der Station B 14 Psychiatrie 4, ist zunächst von einer Überweisung an die hiesige Abteilung "bei bek. schizoaffektiver Störung v. Hausarzt" die Rede. Die Entlassung erfolgte am 28. Oktober 2002.

 

Bei der Eigenanamnese berichtete die Bfin über einen Streit über Erziehungsfragen mit der erwachsenen Tochter ihrer Vermieterin. Nach K sei sie gefahren, weil dort das Haus ihres verstorbenen Mannes, das inzwischen den Söhnen gehöre, sei. Sie hätte für Allerheiligen Vorbereitungen zu treffen gehabt, um einem ihrem Mann gegebenen Versprechen nachzukommen. Genaueres konnte nicht erhoben werden. Sie sei dann plötzlich dem Hausarzt Dr. L gegenüber gestanden, der sie mit Hilfe der Polizei eingewiesen habe. Eine genauere Anamnese war nicht möglich, weil die Bfin wiederholt gähnte und im Sinne eines dissoziativen Anfalles im Bett liegend Fragen nicht beantwortete.

 

Der Status psychicus wird wie folgt beschrieben:

 

"Der Ductus deutl. beschleunigt und sprunghaft, nicht fixierbar, die Pat. ist räumlich orientiert, zeitlich und situativ desorientiert.

Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gesteigert, Psychomotorik gesteigert, keine Halluzinationen."

 

Der Fremdanamnese mit der Vermieterin ist zu entnehmen, dass die Bfin seit einigen Wochen bei ihr in Untermiete wohne und sie von der psychischen Erkrankung der Bfin bislang nichts gewusst habe. In letzter Zeit sei sie aber wiederholt verbal ausfällig und aggressiv geworden. Bei der Bfin sei ihr aufgefallen, dass sie wenig schlafe kaum esse und viele Dinge, insbesondere in Glaubens- und Erziehungsfragen, besser wisse. Sie sei äußerst autoritär geworden. Dem Sohn ihrer Schwägerin habe sie mehr oder minder befohlen, sie zum Haus ihrer Söhne nach K zu fahren. Am Abend hätte sie angerufen und wollte abgeholt werden, allerdings nicht von der Vermieterin, da sie "mit ihr noch einiges abzurechnen habe". Durch die Einlieferung in die Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg habe sich die Geschichte von alleine gelöst. Seither kümmerte sich die Vermieterin um die siebenjährige Tochter der Bfin, die sich bei ihr sehr wohl fühle.

 

Die Bfin wurde mit 24. Oktober 2002 in den offenen Bereich verlegt. Als Diagnose wird im Bericht vom 24. Oktober 2002 über die Beendigung des stationären Aufenthalts im geschlossenen Bereich an das Bezirksgericht Linz, sowie im Kurzarztbericht vom 28. Oktober 2002 und Schlussbericht vom 4. November 2002 "bipolare affektive Störung" angegeben.

 

Im Schlussbericht ist unter "Zum Aufnahmegrund" von Gefahr der Fremdgefährdung, insbesondere der eigenen Tochter, die Rede, ohne dies näher zu konkretisieren. Unter der Überschrift "Zusammenfassung und Verlauf" wird ausgeführt:

"Nach allmählicher Verlangsamung des Antriebs und sistierende begeleitenden dissoziativen Anfälle zeigte sich die Pat. weiter krankheitsuneinsichtig und negierte die Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie.

Einzig zielführend sei ihrer Meinung nach, eine Fortsetzung der vor Jahren begonnenen und inzwischen abgeschlossenen psychotherapeutischen Therapie bei Doz. M. In der Folge, bestand kein Hinweis mehr auf Fremd- od. Selbstgefährdung, sodass Fr. S am 24.10.02 in den offenen Bereich der Abt. verlegt wurde.

Sie stimmte immerhin einer weiteren medikamentösen Therapie im offenen Bereich zu, verließ jedoch die Abt. im Sinne eines Wochendausganges, zu dem sie erst am 28.10.02 zurückkehrte, um daraufhin auf dringenden eigenen Wunsch nach Hause entlassen zu werden. Die Pat. kündigte eine sofortige Medikamentenkarenz an."

 

3.5. Auf Basis der oben dargelegten äußeren Umstände sowie unter Berücksichtigung des in der Krankengeschichte der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg zum Ausdruck kommenden psychischen Befundes über die Bfin kann der erkennende Verwaltungssenat der Ansicht der belangten Behörde in keiner Weise beipflichten, dass sich die Bfin ohnehin freiwillig der ärztlichen Einweisung samt nachfolgender Verbringung ins Wagner-Jauregg Krankenhaus nach Linz unterwarf. Gegen eine solche Deutung spricht bereits die Darstellung des Vorfalls im Bericht des Gendarmeriepostens L i.M., wo klar und deutlich von der angeforderten Gendarmerieunterstützung bei der Zwangseinweisung ins Wagner-Jauregg Krankenhaus die Rede ist. Die uneinsichtige und teilweise desorientierte Bfin war offenbar nur unter dem Druck der Umstände und mit großer Mühe zu bewegen, das Rettungsfahrzeug zu besteigen und danach in Linz wieder zu verlassen. Dabei spielte offensichtlich die Anwesenheit von Exekutivbeamten eine entscheidende Rolle. Allein die Tatsache der Nichtanwendung von brachialer Gewalt bedeutet noch lange nicht, dass sich die Bfin freiwillig ins Wagner-Jauregg Krankenhaus transportieren ließ und einer Behandlung zustimmte. Nach Übernahme durch den Aufnahmearzt wurde sie im Untersuchungszimmer des Krankenhauses sogar gewaltsam auf das Bett gebunden und erhielt in der Folge eine Beruhigungsspritze.

 

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. A, 1996, Rz 610).

 

Im Übrigen dient der subsidiäre Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde nur dem Zweck, Lücken im Rechtsschutzsystem zu schließen. Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechts sollten mit der Maßnahmenbeschwerde nicht geschaffen werden. Was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, ist daher kein zulässiger Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde (vgl z.B. VwGH 18.3.1997, 96/04/0231; VwGH 17.4.1998, 98/04/0005). Das gilt auch dann, wenn das für die Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehende Verwaltungsverfahren allenfalls länger dauert (vgl VwGH 15.6.1999, 99/05/0072, 0073, 0074 mwN). Demnach sind auch Zwangsmaßnahmen kein tauglicher Beschwerdegegenstand, wenn sie im Verwaltungsverfahren bekämpft werden können (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9.461 A/1977 und VwSlg 9.439 A/1977).

 

In der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts sind Beschwerden gegen die zwangsweise Einlieferung in psychiatrische Krankenanstalten schon vor dem Unterbringungsgesetz als zulässig angesehen worden (vgl VfSlg 8.180/1977 und VfSlg 11.784/1988, VwSlg 12.302 A/1986 und VwGH 17.6.1987, 85/01/0094). Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Standpunkt in VwSlg 13.994 A/1994 auch für das Unterbringungsgesetz (UbG) aufrechterhalten und einige grundlegende Unterscheidungen getroffen, denen sich der Verfassungsgerichtshof angeschlossen hat (vgl VfGH 8.3.2001, B 1723/00-9). Nach dem § 18 UbG ist Gegenstand des gerichtlichen Prüfverfahrens die Zulässigkeit der Unterbringung (iSd § 2 UbG) des Kranken in der Anstalt. Eine Unterbringung liegt vor, sobald eine in eine Anstalt eingelieferte Person durch Anstaltspersonal Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird (vgl näher VwSlg 13.994/1994). Somit erstreckt sich die gerichtliche Kontrollbefugnis nicht auch auf die der Unterbringung vorangegangenen sicherheitsbehördlichen Maßnahmen. Deren Überprüfung fällt vielmehr in die Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate. Unzulässig sind dagegen Maßnahmenbeschwerden gegen Anstaltsakte.

 

4.2. Die gegenständliche Beschwerde gegen die offensichtlich zwangsweise Einlieferung in die Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg ist zulässig. Diese Zwangseinweisung wurde unter der Führung des BI N vom Gendarmerieposten L i.M., der auch im Rettungsfahrzeug nach Linz mitgefahren war, durchgeführt (vgl ergänzendes Schreiben des Gendarmeriepostens vom 23.12.2002). Die in Linz zur Unterstützung angeforderten Beamten einer Polizeistreife erfolgte unter der Führung von BI N. Diesen Polizeibeamten kam daher lediglich eine Hilfsfunktion zu. Die gegenständliche Zwangseinweisung kann daher nur als einheitlicher Vorgang betrachtet werden, der im Wirkungsbereich der belangten Behörde seinen entscheidenden Ursprung hatte und von dieser Behörde zurechenbaren Organen geführt wurde. Aus diesen Gründen ist die Zwangseinweisung zur Gänze der belangten Behörde zuzurechnen. Ab Übernahme der Bfin durch das Personal der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg war die Bfin den ärztlich angeordneten Bewegungseinschränkungen unterworfen und damit iSd § 2 UbG untergebracht. Diese Zwangsakte im Krankenhaus unterliegen nicht mehr der Überprüfung durch den unabhängigen Verwaltungssenat. Vielmehr haben darüber die ordentlichen Gerichte zu befinden.

 

4.3. Gemäß § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen.

 

Als im öffentlichen Sanitätsdienst stehende Ärzte kommen neben den hauptberuflich bei den Sanitätsbehörden tätigen Amtsärzten auch Gemeinde-, Sprengel-, Kreis- und Distriktsärzte in Betracht (vgl Hopf/Aigner, UbG, 26 Anm 5 zu § 8).

 

Nach § 9 Abs 1 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

 

Daneben regelt auch § 46 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) eine Vorführungsbefugnis. Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 46 Abs 1 SPG ermächtigt, Menschen, von denen sie aus besonderen Gründen annehmen, dass sie an einer psychischen Krankheit leiden und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährden, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen, sofern dies notwendig ist, um eine Untersuchung des Betroffenen durch diesen Arzt zu ermöglichen. Weiters sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, solche Menschen einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie vorzuführen, sofern der Arzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt.

 

Gemäß § 3 UbG, der die Voraussetzungen der Unterbringung regelt, darf in einer Anstalt nur untergebracht werden, wer

1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und

2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

 

Voraussetzung für die Unterbringung ist demnach eine psychische Krankheit verbunden mit erheblicher Leibes- oder Lebensgefährdung sowie dem Fehlen ausreichender Behandlungsmöglichkeiten außerhalb einer Anstalt.

 

In VwSlg 14.706 A/1997 hat der Verwaltungsgerichtshof aus §§ 8 und 9 UbG abgeleitet, dass eine Beurteilung der Unterbringungsvoraussetzungen schon bei der Vorführung zum Arzt bzw der Verbringung in die Anstalt vorzunehmen ist. Das Gesetz lasse allerdings erkennen, dass diese Beurteilung in unterschiedlicher Intensität zu erfolgen hat. Nach § 10 Abs 1 UbG ist erst für die Aufnahme in die Anstalt die Untersuchung der betroffenen Person durch zwei Fachärzte vorgesehen, die in unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung übereinstimmend feststellen. Für die Verbringung in die Anstalt bedarf es nach § 9 Abs 2 UbG bei Gefahr im Verzug keiner ärztlichen Untersuchung und sonst gemäß § 9 Abs 1 iVm § 8 UbG nur der Untersuchung durch einen im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes oder durch einen Polizeiarzt, der nicht Facharzt des einschlägigen Sonderfaches sein muss.

 

4.4. Beim gegebenen Sachverhalt steht fest, dass der Gemeindearzt Dr. L keine den Anforderungen des UbG entsprechende Bescheinigung ausgestellt hat und die Gendarmerie L i.M. dennoch eine Zwangseinweisung der Bfin in die Wege leitete. Im § 8 Abs 2 UbG ist im Unterschied zum früheren "Parere" nach dem § 49 KAG eine detaillierte Begründungspflicht über die Voraussetzungen der Unterbringung vorgesehen, die eine Nachvollziehbarkeit und Überprüfung ermöglichen soll (vgl dazu unter Auswertung des JAB Hopf/Aigner, UbG, 1993, 28, Anm 10 und Anm 11 zu § 8). Bloße formularmäßige Bescheinigungen - wie die im gegenständlichen Fall - genügen diesen Anforderungen auch dann nicht, wenn sie ausdrücklich als "PARERE" bezeichnet werden. In einer Bescheinigung nach § 8 UbG soll im Hinblick auf § 3 UbG vielmehr festgehalten werden, aus welchem Verhalten eine psychische Krankheit abzuleiten ist, worin die ernstliche und erhebliche Gefährdung besteht und warum keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten zur Anstaltseinweisung möglich sind.

 

Das vom Gemeindearzt verwendete Formular "Einweisung zur Anstaltspflege" enthält keinerlei Begründung zur Notwendigkeit der Unterbringung. Es bedarf daher keiner weiteren Begründung, dass die zwangsweise Verbringung der Bfin ins Wagner-Jauregg Krankenhaus auf Basis der gegenständlichen ärztlichen Einweisung unvertretbar war. Die Gendarmeriebeamten hätten sich mit einem bloßen Formalakt des Arztes nicht begnügen dürfen, sondern eine Bescheinigung iSd § 8 UbG verlangen müssen. Aus § 9 Abs 1 letzter Satz UbG folgt eindeutig, dass eine Person nicht länger angehalten werden darf, wenn die Voraussetzungen der Unterbringung nicht in einer Bescheinigung iSd § 8 UbG dargelegt werden.

 

Die Zwangseinweisung in die Psychiatrie kommt nur als letztes Mittel in Frage, wenn die Unterbringungsvoraussetzungen iSd § 3 UbG erfüllt sind. Es gilt der Grundsatz der Subsidiarität der Unterbringung, der bereits im Vorfeld der Aufnahme des Kranken zu beachten ist (vgl Hopf/Aigner, UbG, 28, Anm 11 zu § 8). Deshalb verpflichtet § 9 Abs 3 UbG den Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten. Gegebenenfalls sind daher psychosoziale Dienste oder ähnliche Einrichtungen zu kontaktieren.

 

4.5. Die Beschwerde ist daher mit ihrem Vorbringen grundsätzlich im Recht. Die nach über einem Monat nachträglich ausgestellte ärztliche Bescheinigung des Dr. L vermag nichts an dieser Einschätzung zu ändern, zumal die Situation so, wie sie sich für die Sicherheitsorgane ex ante darstellte, zu beurteilen und für die zwangsweise Einlieferung maßgeblich war. Außerdem kommt auch diese nachträgliche Bescheinigung über das Niveau von wenig nachvollziehbaren Behauptungen zur Frage der Gefährdung nicht hinaus. Berücksichtigt man ergänzend die oben unter Punkt 3.4. wiedergegebenen Aussagen in der Krankengeschichte der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg, so kann man nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats zwar eine Geistesstörung der Bfin, nicht aber eine ernstliche und erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung schlüssig ableiten. Eine gewisse Desorientierung und eine verbale Ausfälligkeit oder Aggression genügen noch nicht, um diese Gefährdung zu bescheinigen. Aus der Fremdanamnese mit der Vermieterin ergibt sich sogar, dass dieser die psychische Störung der Bfin bis zum Anlassfall gar nicht aufgefallen war. Außerdem hatte die Bfin durchaus die (vernünftige) Absicht mit ihrer Tochter in ihre Unterkunft in N, zurückzukehren, rief sie doch am Abend an, um sich mit dem Pkw abholen zu lassen.

 

Diese Nebenumstände, die vergleichsweise wesentlich harmloseren Aussagen in der Krankengeschichte der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg sowie der offenbar bestehende Zwang zur Rechtfertigung des eigenen Verhaltens erwecken beim erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenats auch erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der nachträglich ausgestellten ärztlichen Bescheinigung des Gemeindearztes. Eine Person, die anderen wegen ihrer psychischen Störung lästig fällt (vgl ärztlicher Bescheinigung vom 27.11.2002 bezüglich Aufregung und Unannehmlichkeiten der Familie S), darf nicht schon deswegen einfach zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert werden. Dass die Bfin als von einem solchen Zwangsakt Betroffene mit zunehmender Bedrängnis immer aufgeregter, uneinsichtiger, verbal aggressiver und ausfälliger reagierte, verwundert nicht wirklich, können doch derartige Entgleisungen auch "normalen" Menschen in besonders angespannten Situationen unterlaufen.

 

4.6. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die gegenständliche Zwangseinlieferung der Bfin durch Organe des Gendarmeriepostens L i.M. mangels hinreichender Bescheinigung der Unterbringungsvoraussetzungen ex ante unvertretbar und daher im Sinne der §§ 3, 8 und 9 UbG rechtswidrig war. Damit wurde die Bfin eo ipso auch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) nach Art 1 Abs 1 und 2 iVm Art 2 Abs 1 Z 5 PersFrSchG 1988 verletzt, weil nach diesen Verfassungsbestimmungen der Entzug der persönlichen Freiheit nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erlaubt ist. Da die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem UbG für die Unterbringung in einer Anstalt nicht angenommen werden konnten, wurde in gleicher Weise auch das Recht auf Freiheit und Sicherheit nach Art 5 Abs 1 EMRK verletzt.

 

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG 1991 idF BGBl Nr. 471/1995 und BGBl I Nr. 137/2001 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs 2 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten. Gemäß § 79a Abs 7 AVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz im Maßnahmenbeschwerdeverfahren.

 

Als Aufwendungen gelten neben den Stempel- und Kommissionsgebühren sowie den Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat (§ 79a Abs 4 Z 1 AVG), auch die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und Vorlageaufwand (§ 79a Abs 4 Z 3 AVG).

 

Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2001 (BGBl II Nr. 499/2001) gebühren der obsiegenden Bfin für ihren Schriftsatzaufwand 610 Euro. Daneben
sind Stempelgebühren nach § 14 TP 5 und TP 6 Gebührengesetz 1957 idgF für die Beschwerde vom 26. November 2002 (Eingabengebühr 13 Euro) und 3 Beilagen
(3 x 3,60 = 10,80 Euro) sowie für die Stellungnahme vom 10. Februar 2003 (Eingabengebühr 13 Euro) und das Beilagenkonvolut "Krankengeschichte" (21,80 Euro) angefallen. Insgesamt hat die Bfin daher für Stempelgebühren von 58,60 Euro aufzukommen, die ihr im Wege der Kostenentscheidung zu ersetzen sind. Es war ihr demnach Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 668,60 Euro zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von zwei Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 58,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

 
 

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