Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420361/5/Gf/Ka VwSen420362/2/Gf/Ka

Linz, 30.05.2003

VwSen-420361/5/Gf/Ka

VwSen-420362/2/Gf/Ka Linz, am 30. Mai 2003

DVR.0690392

B E S C H L U S S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Beschwerden der AA, und der AA, beide vertreten durch RA Dr. MB wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Bezirkshauptmannes von Ried am 13. März 2003, beschlossen:

Die Beschwerden werden als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Begründung:

1.1. Mit dem als "Einstweilige Verfügung" bezeichneten Beschluss (im Folgenden: EV) des BG Ried vom "17. 03.2003" (richtig wohl: 7.03.2003), Zl. 1 P 139/97w-162, wurde der Erstbeschwerdeführerin die Obsorge für ihre beiden minderjährigen Söhne entzogen; u.a. wurde gleichzeitig angeordnet, dass diese sofort dem Kindesvater zu übergeben sind.

1.2. Nachdem zunächst eine einvernehmliche Übergabe für den 14. bzw. 15. März 2003 geplant war, sich die Erstbeschwerdeführerin jedoch in der Folge wieder weigerte, ihre Söhne herauszugeben, haben sich Organe des Bezirkshauptmannes von Ried (eine Amtsärztin, eine Sozialarbeiterin, eine Sachbearbeiterin und zwei Gendarmeriebeamte; in der Folge wurden noch der Hausarzt der Beschwerdeführerinnen und ein weiterer Gendarmeriebeamter beigezogen) am 13. März 2003 Zutritt zur Wohnung der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin (die ihre Mutter bzw. die Großmutter der Kinder ist) verschafft und ihnen wegen Gefahr in Verzug - die Kindesmutter hatte angekündigt, "dass es ein Blutbad geben werde" - die Kinder gegen deren Willen abgenommen, wobei es auch zu kleineren Handgreiflichkeiten kam.

Hinsichtlich dieser Maßnahme hat der Bezirkshauptmann von Ried am 19. März 2003, Zl. JW10-1993,1994, einen Antrag auf nachträgliche pflegschaftsgerichtliche Genehmigung gestellt, dem mit Beschluss des BG Ried vom 8. Mai 2003, Zl. 1 P 139/97w-186, auch entsprochen wurde.

1.3. Mit Beschluss des LG Ried vom 25. März 2003, Zl. 6 R 65/03f, wurde dem Rekurs der Erstbeschwerdeführerin gegen die EV vom 7. März 2003 keine Folge gegeben.

2.1. Gegen die am 13. März 2003 erfolgte faktische Abnahme ihrer Kinder durch Organe des Bezirkshauptmannes von Ried wenden sich die Beschwerdeführerinnen in ihrer am 24. April 2003 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen, auf Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützten Beschwerde.

Darin bringen sie im Wesentlichen vor, dass diese Maßnahme eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstelle, die zum Einen deswegen rechtswidrig sei, weil die EV nicht auf dem ordnungsgemäßen exekutiven Weg vollzogen worden sei. Zum Anderen sei das Eindringen der Organwalter in das Haus der Zweitbeschwerdeführerin, die im Zuge dieser Aktion zudem leicht verletzt worden sei, ohne Rechtsgrundlage erfolgt, zumal Gefahr in Verzug tatsächlich nicht vorgelegen sei.

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme beantragt.

2.2. Die belangte Behörde hat den bezughabenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurück- bzw. die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Begründend wird dazu ausgeführt, dass das Einschreiten der Organe nicht in hoheitlicher Funktion, sondern als Träger von Privatrechten erfolgte. In der Sache sei auf Grund einer entsprechenden Äußerung der Kindesmutter, die von einem "Blutbad" gesprochen habe, jedenfalls Gefahr in Verzug vorgelegen. Zudem sei diese Maßnahme vom BG Ried nachträglich genehmigt und seien sämtliche Rechtsmittel der Erstbeschwerdeführerin gegen die pflegschaftsgerichtlichen Anordnungen erfolglos geblieben.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Ried zu Zl. JW10-1993,1994; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 67d Abs. 2 Z. 3 AVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Über die gegenständliche Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 4 Abs. 3 des Oö. Jugendwohlfahrtsgesetzes, LGBl.Nr. 111/1991, zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 152/2002 (im Folgenden: OöJWG), sind die Aufgaben, deren Erfüllung auf Grund anderer Gesetze als dem OöJWG ausdrücklich dem Jugendwohlfahrtsträger obliegt, jeweils von der Bezirksverwaltungsbehörde zu besorgen.

Nach § 215 ABGB hat der Jugendwohlfahrtsträger die zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge grundsätzlich ex ante zu beantragen; bei Gefahr in Verzug kann er jedoch die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig mit Wirksamkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst treffen.

Aus diesen Bestimmungen folgt, dass der Jugendwohlfahrtsträger jedenfalls in dem für die vorliegenden Beschwerden maßgeblichen Bereich funktionell betrachtet - diese Sichtweise ist für die Frage des Rechtschutzweges allein entscheidend - nicht Aufgaben der Verwaltung, sondern solche führt, die der Vollzugskategorie "Gerichtsbarkeit" zuzurechnen sind. Bestätigt wird dies im Übrigen auch durch § 181 des Außerstreitgesetzes, RGBl.Nr. 208/1854, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 131/2001 (im Folgenden:AußStrG), wenn dieser anordnet, dass das Verfahren in Vormundschafts- und Kuratelsachen im AußStrG nur insofern bestimmt wird, als die nötigen Vorschriften nicht schon im ABGB selbst enthalten sind.

4.2. Die Jugendwohlfahrt zählt daher a priori und in toto zu jenem Bereich, der materiell betrachtet zwar eine Angelegenheit der Verwaltung darstellt; diese zählt aber formell-organisatorisch besehen zur ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Daher sind diesbezügliche allfällige Rechtswidrigkeiten mit den Mitteln des gerichtlichen Rechtschutzes geltend zu machen, und zwar - wenn und weil dies in § 215 Abs. 1 ABGB so ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist - auch hinsichtlich jener Akte, die von der Behörde vorläufig aus eigenem gesetzt und erst nachträglich pflegschaftsgerichtlich genehmigt werden; dies gilt z.B. selbst dann, wenn die Behörde über die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen von Gefahr im Verzug geirrt hätte.

Umgekehrt ergibt sich daraus, dass der nur für die Fälle der Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorgesehene Rechtsbehelf der Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG hingegen insoweit von vornherein unzulässig ist. Anderes könnte nur dann gelten, wenn die Behörde ihr Vorgehen in denkunmöglicher, willkürlicher, scheinhafter o.ä. unzutreffender Weise auf den Tatbestand "Jugendwohlfahrt" gestützt hätte, dieses in Wahrheit aber überhaupt rechtsgrundlos oder eben tatsächlich auf Basis einer echten Verwaltungszuständigkeit erfolgt wäre. Dass gegenständlich ein solcher Fall vorliegen würde, wird aber auch von den Rechtsmittelwerberinnen selbst gar nicht behauptet.

4.3. Aus allen diesen Gründen waren daher ihre Beschwerden gemäß § 67c Abs. 3 AVG mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.

5. Obwohl die belangte Behörde bei einem solchen Verfahrensergebnis nach § 79a Abs. 3 AVG als obsiegende Partei anzusehen ist, war mangels eines darauf gerichteten Antrages dennoch keine Kostenentscheidung zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2. Für diese Eingabe sind Gebühren in Höhe von 26 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. G r o f

 

 

 

 

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